Bundesverwaltungsgericht hält § 13b BauGB für europarechtswidrig - weitreichende Folgen für Bebauungspläne und Baugenehmigungen

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18.07.2023 (Az. 4 CN 3/23) § 13b BauGB, der Erleichterungen für die Aufstellung von Bebauungsplänen enthält, wegen Verstößen gegen das Europarecht für unanwendbar erklärt. Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für laufende Bauleitplanverfahren ebenso, wie für bereits in Kraft getretene Bebauungspläne und die auf dieser Grundlage erteilten Baugenehmigungen. KUNZ Salary Partner und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Steffen Schleiden stellt die Entscheidung und ihre weitreichenden praktischen Auswirkungen vor. 

Ausgangslage

§ 13b BauGB wurde 2017 eingeführt und erklärt die Regelungen des § 13a BauGB auch für Bebauungspläne anwendbar, die (i) über ein Plangebiet von bis zu 10.000 m² für (ii) Wohnnutzungen verfügen, deren Geltungsbereich (iii) im Außenbereich gem. § 35 BauGB liegt und sich (iv) an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließt.

§ 13 a BauGB enthält Erleichterungen für Bebauungspläne der Innenentwicklung. Dies betrifft u. a. den Wegfall des Umweltberichts, den Entfall von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die Verkürzung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung. Ferner kann der Bebauungsplan abweichend von den Darstellungen des Flächennutzungsplans aufgestellt werden, wenn eine geordnete städtebauliche Entwicklung gewahrt bleibt. Der Flächennutzungsplan wird im Nachhinein durch eine bloße Berichtigung angepasst.

Hiermit sollte den Kommunen ein zeitlich befristetes Instrument an die Hand gegeben werden, schnell neue Baugebiete für Wohnraum auszuweisen. Die Vorschrift gilt für bis zum 31.12.2022 eingeleitete Bauleitplanverfahren, die bis zum 31.12.2024 abgeschlossen sein werden.

Die Entscheidung

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun entschieden, dass § 13b BauGB unvereinbar mit der sog. SUP-Richtline (RL 2001/42/EG) ist, sodass er nicht mehr anwendbar ist.

Die SUP-Richtlinie sieht eine Umweltprüfung für alle Pläne, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, vor. Diese Umweltprüfung kann neben einer Einzelfallprüfung auch durch generelle Regelungen des nationalen Gesetzgebers erfolgen. In § 13b BauGB wurde diese Vorgabe so umgesetzt, dass alle Bebauungspläne für Wohnnutzungen mit einem Plangebiet von bis zu 10.000 m² im Außenbereich, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen, von der Umweltprüfung befreit sind.

Diese Ausnahme ist nach Auffassung des BVerwG jedoch zu pauschal, um erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vorneherein auszuschließen. Dies ergebe sich nach Ansicht der Leipziger Richter bereits draus, dass § 13b nicht zwischen der bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit differenziert.

Im Hinblick auf diese Entscheidung stellt sich die Frage, welche Folgen sich für laufende Bebauungspläne, geltende Bebauungspläne und Baugenehmigungen ergibt.

Folgen für laufende Bauleitplanverfahren

Für noch laufende Verfahren für Baubebauungspläne, die auf Grundlage von § 13b BauGB aufgestellt werden sollen, ergeben sich erhebliche Auswirkungen, da diese Regelung nicht mehr anwendbar ist. Insoweit gelten auch keine Übergangsfristen.

In jedem Fall muss eine Umweltprüfung durchgeführt und ein Umweltbericht erstellt werden. Ebenso ein Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts erforderlich.

Möglichweise ergeben sich hieraus weitere Anforderungen, die eine Anpassung der Planung und auch einen neuen Aufstellungsbeschluss erforderlich machen.

Zudem ist die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zu wiederholen, bei der auch der Umweltbericht auszulegen ist. Darüber hinaus ist auch zu prüfen, ob die frühzeitige Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung nachzuholen ist.

Sofern von den Darstellungen des Flächennutzungsplans abgewichen werden soll, ist dies nicht mehr zulässig. Das Entwicklungsgebot gemäß § 8 Abs. 1 BauGB muss eingehalten werden. Daher wäre auch eine Anpassung des Flächennutzungsplans – ggf. im Parallelverfahren gem. § 8 Abs. 3 S. 1 BauGB – erforderlich. Neben dem zusätzlichen Planungsaufwand bedarf die Änderung des Flächennutzungsplans auch der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde, was regelmäßig weitere zeitliche Verzögerungen nach sich zieht. Denn der Bebauungsplan kann erst nach Genehmigung der Flächennutzungsplanänderung in Kraft treten.

Wird das Bauleitplanverfahren ohne Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fortgeführt, führt dies zu erheblichen Verfahrensfehlern und Mängeln im Bebauungsplan. Im Falle eines Normenkontrollverfahrens werden entsprechende Bebauungspläne für unwirksam erklärt werden.

Folgen für geltende Bebauungspläne

Bei bereits in Kraft getretenen Bebauungsplänen werden Verfahrensfehler, wie die fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 215 BauGB nach einem Jahr unbeachtlich, sofern die Mängel nicht hinreichend substantiiert gerügt wurden.

Ist die Jahresfrist ohne Mängelrüge abgelaufen, so besteht kein Bedarf zur Anpassung. Auch wenn die Frage bisher nicht höchstrichterlich entschieden wurde, spricht viel dafür, dass die Regelung des § 215 BauGB europarechtskonform ist.

Liegen dagegen Mängelrügen vor oder werden sie im Lichte vorgenannter Entscheidung jetzt noch erhoben, so ist im Einzelfall zu prüfen, inwieweit hier eine Heilung durch ein ergänzendes Verfahren gem. § 214 Abs. 4 BauGB, bei dem die fehlenden Verfahrensschritte nachgeholt werden, möglich ist.

Folgen für erteilte Baugenehmigungen

Wichtig ist auch die Frage, wie mit bereits erteilten Baugenehmigungen umzugehen ist. Ist die Jahresfrist gemäß § 215 BauGB ohne Mängelrüge verstrichen, so ergeben sich wegen der Unbeachtlichkeit des Mangels keine Auswirkungen auf erteilte Baugenehmigungen.

Läuft die Jahresfrist noch oder wurden Mängel gerügt, so ist die Baugenehmigung mangels wirksamen Bebauungsplans rechtswidrig, aber wirksam. Da gleiche gilt, wenn der Bebauungsplan im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens für unwirksam erklärt wird. Zunächst ist dann zu prüfen, ob das Vorhaben nicht auch ohne den Bebauungsplan gemäß § 34 oder 35 BauGB genehmigungsfähig ist.

Ist das nicht der Fall, so kann die Baugenehmigungsbehörde die rechtswidrige Baugenehmigung gemäß § 48 VwVfG zurücknehmen. Diese Entscheidung steht in Ihrem Ermessen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Bauherr auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vertraut und mit der Errichtung des genehmigten Vorhabens bereits begonnen hat.

Zudem kommen im Falle der Rücknahme Schadensersatzansprüche des Bauherrn gegen die Baugenehmigungsbehörde in Betracht. Dies betrifft vor allem Ausgaben, die der Bauherr im Vertrauen auf die Baugenehmigung getätigt hat, dies sind insbesondere die Planungs- und Baukosten.

Folgen für die Praxis

Die aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat damit weitreichende Folgen auf die Verwaltungspraxis bei Bauleitplanverfahren und Baugenehmigungsverfahren. Die konkreten Auswirkungen hängen dabei – wie dargestellt – von vielen Einzelfragen ab, sodass regelmäßig eine umfassende rechtliche Prüfung erforderlich ist, um hier rechtssicher agieren und insbesondere auch Schadensersatzansprüche vermeiden zu können.

 

Ansprechpartner:

Dr. jur. Steffen Schleiden
Salary Partner
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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