Die GmbH-gebV als neue Rechtsform für „Verantwortungseigentum“

In den letzten Jahren ist in der Rechtswissenschaft intensiv und kontrovers darüber diskutiert worden, ob Deutschland eine Rechtsform in Form eines Verantwortungseigentums braucht. Besonders vorangetrieben wurde diese Debatte durch die im Jahr 2019 gegründete Berliner „Stiftung Verantwortungseigentum“. Die Gründung feierten neben über 300 angereisten Unternehmern und einer beachtlichen Anzahl an Forschern auch bundespolitische Schwergewichte wie der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) und die ehemalige Vorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer.

Notwendigkeit eines Verantwortungseigentums als Alternative für Mittelständler und Start-ups?

Die Stiftung möchte es mittelständischen Unternehmen und Start-Ups durch gesetzliche Reformen und den Abbau von Bürokratie und Kosten maßgeblich erleichtern, ihr Unternehmen gemeinnützig auszurichten. Hierzu setzt sie sich bei politischen Entscheidungsträgern dafür ein, dass das Kapitalgesellschaftsrecht um eine bislang unbekannte Rechtsform ergänzt wird. So soll bei Unternehmen in Verantwortungseigentum die private Vermögensbildung der Anteilsinhaber in den Hintergrund gerückt werden und Mitarbeitern, Kunden sowie Geschäftspartnern stattdessen eine nachhaltige, wertebasierte und zukunftsorientierte Perspektive angeboten werden. Unternehmen in Verantwortungseigentum ähneln dabei Familienunternehmen. Sie unterscheiden sich aber darin, dass diese Unternehmen nicht automatisch an genetische Verwandte weitergegeben werden, sondern an Menschen, deren Werte und Fähigkeiten das Unternehmen weiter prosperieren lassen. Zudem wird das Unternehmensvermögen derart gebunden, dass das Unternehmen nicht durch die jeweiligen Verantwortungseigentümer ausverkauft werden kann. Die finanziellen Interessen der Steakholder treten insoweit zurück und das Unternehmen selbst in den Vordergrund.

Dass diese Art der Unternehmensführung erfolgreich sein kann, belegen eindrucksvolle Zahlen: in Deutschland existieren über 200 Unternehmen in Deutschland, die rund 1,2 Mio. Mitarbeiter beschäftigen und ca. 270 Mrd. Euro Umsatz generieren. Hierzu zählen etwa der Baumarkt und die SB-Warenhauskette GLOBUS (45.000 Mitarbeiter, 8. Mrd. Euro Umsatz), die Carl Zeiss AG (41.000 Mitarbeiter, 8.8. Mrd. Euro Umsatz) oder Unternehmensgiganten wie die Robert Bosch GmbH (421.000 Mitarbeiter, 88.2 Mrd. Euro Umsatz). Noch weiter verbreitet ist das Konzept beispielsweise in Dänemark, wo etwa 60 % des dänischen Aktienindexes von Unternehmen in Verantwortungseigentum zählt.

Interessant ist der Reformvorschlag daher für mittelständische Unternehmer. Dies gilt etwa dann, wenn in der Unternehmensfamilie keine fähigen oder willigen Verwandte existieren, die das Unternehmen übernehmen können, und es nicht in eine ungewisse Zukunft gegeben werden soll, wenn es beispielsweise an Private Equity verkauft wird. Darüber hinaus ist das Verantwortungseigentum auch für Start-Ups interessant, die ihr Unternehmen direkt auf eine werte- und fähigkeitsbasierte Grundlage stellen wollen.

Die GmbH mit verbundenem Vermögen als neue Rechtsform

Wenngleich sich die bisherigen Gesetzesentwürfe noch in der konkreten Bezeichnung der Rechtsform unterscheiden – teilweise heißt es darin „GmbH in Verantwortungseigentum“, „GmbH mit gebundenem Vermögen“ oder auch „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ – kristallisieren sich jedenfalls vier Kernelemente heraus, die diese Rechtsform künftig prägen sollen: Die Vermögensbindung und ihre Kontrolle, ein aktives Gesellschafterverständnis sowie Flexibilität beim Gesellschaftszweck.

Vermögensbindung und ihre Kontrolle: Kernelement einer GmgV ist die unabänderliche Vermögensbindung. Gewinne können weder offen noch verdeckt an die Gesellschafter ausgeschüttet werden, sondern werden thesauriert, investiert oder gemeinnützig gespendet. Das Unternehmensvermögen sowie Gewinne sollen damit rechtlich verbindlich der langfristigen Unternehmensentwicklung dienen.

Um das Kernelement der Vermögensbindung bestmöglich gegen Missbrauch abzusichern, wird über eine möglichst unbürokratische und effiziente Umsetzung der Absicherung und Kontrolle der Vermögensbindung diskutiert. Dies könnte durch einen Anspruch der Gesellschaft auf Erstattung von verbotenen Zahlungen an die Gesellschafter, welcher durch eine Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers abgesichert ist, umgesetzt werden.

Zum Nachweis der Einhaltung der Vermögensbindung und zur Überprüfung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung zwischen Gesellschaft und den Gesellschaftern sowie von Finanzierungsverträgen würde sich zudem eine Pflicht zur jährlichen Erstellung eines Vermögensbindungsberichts anbieten, welcher durch einen Steuerberater oder einen Wirtschaftsprüfer zu prüfenden ist.

Aktives Gesellschafterverständnis: Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV) basiert auf einem Leitbild aktiver und persönlich engagierter Gesellschafter, die langfristig für die Entwicklung des Unternehmens verantwortlich sind. Der Kreis der Gesellschafter ist gesetzlich begrenzt. Gewinnbezugsrechte werden nicht gewährt, und die Vergütung erfolgt nach dem Leistungsprinzip. Die Eigentumsrechte sind nicht vererbbar und werden unabhängig von der finanziellen Situation an die nächste Generation weitergegeben. Neue Gesellschafter erwerben Eigentumsrechte gegen Zahlung eines festen Nennwertes.

Flexibilität beim Gesellschaftszweck: Die neue Rechtsform soll für alle unternehmerischen Initiativen offen sein und nicht durch Zweckeingrenzungen oder Pflichten zur Zweckerweiterung (Dual-Purpose-Pflicht) eingeschränkt werden. Die Wahl eines speziell gemeinwohlförderlichen oder gemeinnützigen Zweckes soll den Unternehmen dennoch freistehen, aber genau wie bei allen anderen Rechtsformen nicht konstitutive Bedingung für die Rechtsformwahl sein. Gleichzeitig sollen betriebswirtschaftliche Flexibilität und ökonomische Agilität gefordert werden, indem die Gesellschaft ihren Zweck jederzeit ändern kann.

Abgrenzung zu bestehenden Rechtsformen

Dass die Einführung dieser neuen Rechtsform notwendig ist, zeigt ein Blick auf die bereits existierenden Rechtsformen. Diese stillen den Durst nach einer unbürokratischen, finanziell wie personell tragbaren sowie rechtssicheren Ausgestaltung der Bedürfnisse der Unternehmen nicht. Schaut man sich Stiftungen, Genossenschaften und die gGmbH vor dem Hintergrund der vorstehenden Eckpunkte an, so erkennt man, dass diese den Anforderungen nicht gerecht werden.

Stiftungslösungen sind keine geeignete Grundlage für eine neue Rechtsform, die unternehmerische Betätigung ermöglicht, da hierfür zu komplexe weil mehrschichtige Konstruktionen notwendig sind, um die gesellschaftsrechtlichen Einschränkungen der Stiftung zu umgehen gleichzeitig ein treuhänderisches Eigentumsverständnis umzusetzen. Daher sind Stiftungen für die meisten mittelständischen Unternehmen und Start-ups aufgrund ihres hohen Beratungs- und finanziellen Aufwands nicht praktikabel. Darüber hinaus sind in Stiftungslösungen Mitgliedschafts- oder Gesellschafterpositionen, die eine hohe Identifikations- und Motivationswirkung haben, ausgeschlossen.

Auch Genossenschaften sind keine geeignete Alternative zur „GmbH-gebV“, da sie keine langfristige Vermögensbindung vorsehen und ihr Zweck hauptsächlich die Förderung ihrer Mitglieder ist. Außerdem entspricht das demokratische Prinzip im Genossenschaftsrecht nicht den Bedürfnissen der unternehmerischen Praxis. Die Mitgliedschaftsstruktur der Genossenschaft hingegen, kann auch der „GmbH-gebV“ als Vorbild dienen.

In einer gGmbH ist die Vermögensbindung nicht unabänderlich verankert, sondern rein steuerrechtlicher Natur. Der Koalitionsvertrag sieht viel mehr vor, dass das Unternehmen mit gebundenem Vermögen gerade keine Steuersparkonstruktion sein soll. Durch die Thesaurierung der Gewinne werden Gewinnausschüttungen verhindert. Darüber hinaus entspricht eine Eingrenzung auf gemeinnützige oder besonders gemeinwohlförderliche Zwecke nicht den Bedarfen aus der unternehmerischen Praxis. Die damit einhergehende Abspaltung der überwiegend gemeinwohldienlichen wirtschaftlichen Initiativen widerspricht dem Charakter der GmbH-gebV.

Diskussionsstand und Ausblick

Trotz aller Vorteile, die sich aus den geplanten Neuerungen ergeben können, gibt es auch kritische Stimmen.

Die Kritik an der GmbH-gebV bezieht sich dabei allerdings weniger auf ihre konkrete Umsetzung, sondern auf Zweifel an ihrem tatsächlichen Bedarf als Rechtsform (vgl. bspw. das kürzlich veröffentlichte Denkpapier des Instituts für Mittelstandsforschung). Es wird argumentiert, dass es bereits deutsche Unternehmen gibt, die ähnliche Ziele wie die GmbH-gebV erreicht haben, wie zum Beispiel die Robert Bosch GmbH.

Nichtsdestotrotz hat sich gerade erst im Juni 2023 eine Initiative von 22 Wirtschaftsverbänden des Landes zusammengeschlossen, um von der Bundesregierung die baldige Einführung der Rechtsform zu fordern.

Die Verbände sehen darin eine Chance für die Soziale Marktwirtschaft, die Stärkung unabhängiger Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die neue Rechtsform bietet mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit, den Pool potenzieller Nachfolger zu erweitern und die Verantwortung an eine neue Generation von Eigentümern zu übertragen, z. B. an Mitarbeiter oder andere Leistungsträger. Sie erleichtert auch den Übergang an nicht-Exit-orientierte Start-ups und Sozialunternehmen, die eine sichere Vermögensbindung wünschen.

Und gerade das Beispiel der Robert Bosch GmbH zeigt die Schwächen der bestehenden Konstruktionen auf. Denn dort hält die gemeinnützige Robert Bosch Stiftung GmbH den Großteil der Kapitalanteile, während die Stimmrechte bei der Robert Bosch GmbH von der Robert Bosch Industrietreuhand KG gehalten werden, die von Vertretern der Familie Bosch und Personen des Wirtschaftslebens besetzt ist. Diese komplexe Struktur ermöglicht es, Unternehmensgewinne entweder an die Stiftung auszuschütten oder in der GmbH zu belassen.

Diese Konstruktion ist für kleinere Unternehmen nicht praktikabel. Die oben beschriebenen Probleme, die Stiftungskonstruktionen im Gegensatz zu einer GmbH-gebV haben, lassen sich nur mit einem enormen Beratungsaufwand darstellen und sind sehr kostspielig. Gerade das Problem soll durch die Reform mit einer GmbH-gebV behoben werden.

Sollte die GmbH-gebV tatsächlich eingeführt werden, wird sie ihren praktischen Wert noch unter Beweis stellen müssen. Es bleibt abzuwarten, ob genügend intrinsisch motivierte Unternehmer bereit sind, sich einer dauerhaften Vermögensbindung zu unterwerfen. Derzeit hat das Bundesjustizministerium das Projekt noch nicht in Angriff genommen, obwohl die Konferenz für Verantwortungseigentum erneut darauf gedrängt hat.

Die Koalition scheint (mal wieder) hinter ihren eigenen Plänen herzuhinken. Sobald sich dort etwas in Bewegung setzt – beispielsweise ein Referententwurf vorliegt – werden wir Sie, wie auch über alle anderen relevanten Neuigkeiten, umgehend informierten.

 

Dr. jur. Tobias Alexander-Christoffel
Rechtsanwalt
tobias.alexander@kunzrechtsanwaelte.de

Paul Kijowsky
Rechtsanwalt
paul.kijowsky@kunzrechtsanwaelte.de