Urteile zum Arzthaftungsrecht

zum Kompetenzbereich Arzt und Krankenhaus

Nachfolgend finden Sie eine der umfassendsten und aktuellsten Sammlungen wichtiger Urteile der letzten Jahre zum Arzthaftungsrecht. Weitere Urteile, insbesondere auch zum Arzt- und Krankenhausrecht, finden Sie auf der Übersichtsseite.

Die Urteile werden fortlaufend aktualisiert und zusammengestellt von Rechtsanwalt Dr. Carsten Fuchs, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Medizinrecht.

Über unsere Suchfunktion können Sie einen Suchbegriff eingeben und über die Pfeile zu den jeweiligen Treffern navigieren. 

 

Krankenhausaufnahme bei verweigertem „Corona-Test“

LG Dortmund

Trotz grundsätzlichen Kontrahierungszwang (Aufnahme- und Behandlungspflicht) besteht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kein Anspruch auf Abschluss eines Behandlungsvertrages mit einem Krankenhaus. Ein solcher wichtiger Grund ist gegeben, wenn die Antragstellerin sich weigert, bei Krankenhausaufnahme an Maßnahmen zur Testung auf SARS-CoV-2 oder einer Erkrankung an COVID-19 mitzuwirken. 

 

Durchgangsarzt haftet für die Weiterbehandlung eines Arbeitnehmers persönlich und übt dabei kein öffentliches Amt aus

OLG Naumburg

1. Ein Durchgangsarzt, der die ambulante Weiterbehandlung übernimmt, haftet persönlich für einen fundamentalen Diagnosefehler und für einen Befunderhebungsfehler, weil er als weiterbehandelnder Arzt nicht hoheitlich tätig wird.

2. Das gilt auch dann, wenn ihm der Diagnosefehler bereits bei seiner Tätigkeit als Durchgangsarzt unterlaufen war und wenn er als weiterbehandelnder Arzt bei gebotenem Anlass die Diagnose nicht überprüft.

 

Ein vom Krankenkassenmitarbeiter eingeholtes MDK-Gutachten begründet nicht seiner Kenntnis von einem Behandlungsfehler

OLG Frankfurt

1. Allein die Kenntnis der Mitarbeiter der Regressabteilung eines Krankenversicherers vom Ablauf einer ärztlichen Behandlung vermittelt diesem nicht die Kenntnis von Tatsachen, die den Schluss auf einen Behandlungsfehler zulassen.

2. Dies gilt erst recht, wenn mehrere medizinische Sachverständige angesichts der medizinischen Komplexität des Geburtsablaufs zu Fehlschlüssen verleitet wurden, die erst durch die Kombination von geburtshilflicher und neonatologischer Begutachtung aufgeklärt wurden.

3. Allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen führt nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiativen zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten muss.

 

Kontraindikation von Bettgittern und Fixierungen bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz

LG Köln

Das Anbringen von Bettgittern oder eine Fixierung ist bei Patienten, die unter einer fortgeschrittenen Demenz leiden, kontraindiziert. Eine Fixierung kann zu Strangulationen führen. Außerdem führt die erzwungene Unbeweglichkeit zu einem Muskelabbau, der zu einer fortschreitenden motorischen Verunsicherung führt und damit die Sturzgefahr sogar noch erhöht. Bettgitter könnten ebenfalls eine Sturzgefahr erhöhen, weil demente Patienten, denen die Einsicht in die Sinnhaftigkeit der Maßnahme fehle, den Seitenschutz zu überklettern versuchen und damit Stürze aus größerer Höhe begünstigen.

 

Höhe des Hinterbliebenengeldes bei Schockschaden und Mitverschulden

OLG Koblenz

1. Ausgehend von der Gesetzesbegründung und dem Sinn und Zweck des § 844 Abs. 3 BGB stellt der Betrag von 10.000 EUR für das Hinterbliebenengeld eine „Richtschnur“ oder Orientierungshilfe dar.

2. Angesichts der Klarstellung in der Gesetzesbegründung, dass bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen der Anspruch auf Ersatz des Schockschadens am Anspruch auf Hinterbliebenengeld vorgehen solle, liegt der Hinterbliebenengeldbetrag jedenfalls im Regelfall unter dem für sog. Schockschäden zuzuerkennenden Betrag.

3. Verstirbt das 20-jährige Kind des Kl., welches im Haushalt des geschiedenen Ehegatten lebte, in Folge eines Verkehrsunfalles, hinsichtlich dessen Zustandekommen das verstorbene Kind ein Mitverschulden von mindestens 50 % trifft, steht dem Kl. ein nicht über 5.000 EUR hinausgehender Anspruch auf Hinterbliebenengeld zu.

 

Keine pauschale Bemessung des Haushaltsführungsschadens anhand von Tabellen

OLG Dresden VersR 2020, 1384

Die verfügbaren Tabellen zum Haushaltsführungsschaden bieten aus sich heraus keine hinreichende Grundlage für eine Schadensschätzung. Sie können daher nicht zur Begründung der Höhe des Ersatzanspruchs, sondern lediglich zur Prüfung der Plausibilität der Angaben des Geschädigten herangezogen werden.

 

Beweisfragen zu Inhalt und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht als zulässiger Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens

BGH

Beweisfragen zu Inhalt und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht kommen als Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO in Betracht.

 

Beweisfragen zu Inhalt und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht als zulässiger Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens

BGH

Beweisfragen zu Inhalt und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht kommen als Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO in Betracht (Festhaltung Senat v. 19.5.2020 – VI ZB 51/19, VersR 2020, 1394 = juris).

 

Beweisfragen zu Inhalt und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht als zulässiger Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens

OLG Rostock

Fragen zur ärztlichen Aufklärungspflicht, namentlich zu deren Inhalt und Umfang, sind tauglicher Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO.

 

Keine Beweislastumkehr bei vorwerfbarer Missachtung ärztlicher Anordnungen durch den Patienten

OLG Hamm

Die mit einem groben ärztlichen Behandlungsfehler verbundene Beweislastumkehr kann entfallen, wenn ein Patient in vorwerfbarer Weise ärztliche Anordnungen oder Empfehlungen missachtet, so eine mögliche Mitursache für den erlittenen Gesundheitsschaden setzt und dazu beiträgt, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann.

 

Prüfung einer hypothetischen Einwilligung des Patienten bei einem möglichen Aufklärungsfehler

OLG Schleswig

Beruft sich der Behandler auf den Vorwurf des Patienten, er habe ihn nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung, so muss zunächst einmal festgestellt werden, inwieweit der Patient vor dem Eingriff hätte aufgeklärt werden müssen. Es bedarf für die Entscheidung über die hypothetische Einwilligung dann aber keiner Feststellung, ob der Patient tatsächlich vollständig aufgeklärt worden ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die hypothetische Einwilligung trägt - wie bei hypothetischen Kausalverläufen allgemein - der Behandelnde. Es sind an den Beweis grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, damit auf diesem Weg das Aufklärungsrecht des Patienten nicht unterlaufen wird.

 

Krankenhausunterlagen müssen vom Anwalt oder vom Patienten nicht auf ärztliche Behandlungsfehler überprüft werden.

BGH

Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB wird mangels grobfahrlässiger Unkenntnis von dem den Anspruch begründenden Umständen im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB grundsätzlich nicht schon dann in Lauf gesetzt, wenn es der Geschädigte oder sein Wissensvertreter unterlässt, Krankenhausunterlagen auf ärztliche Behandlungsfehler hin zu überprüfen.

 

Schmerzensgeldrente neben Schmerzensgeldkapital bedeutet keinen Vorteil für den Verletzten

OLG München

Eine Aufteilung des Schmerzensgeldanspruchs in einen Kapitalbetrag und eine Schmerzensgeldrente ist nicht angezeigt, wenn trotz schwerster Verletzungen und besonders gravierenden Dauerfolgen (hier Querschnittslähmung) kein besonderer Vorteil für die Geschädigte gegenüber der einheitlichen Abfindung durch einen Kapitalbetrag zu sehen ist.

 

Schmerzensgeld von 500.000,00 € angemessen für Querschnittslähmung einer 14 Jahre alten Patientin nach Behandlungsfehler

OLG München

Tritt nach der Operation einer 14 Jahre alten Patientin eine Querschnittslähmung ein, die diese im derzeitigen und zukünftigen Leben in schwerster Art beeinträchtigt, weil sie zu einer eigenständigen und selbstbestimmten Lebensführung dauerhaft nicht in der Lage, ihr Leben lang Tag und Nacht auf fremde Hilfe auch in intimsten Bereichen angewiesen ist und sie zusätzlich immer wieder mit Schmerzen und erheblichen Ängsten bis hin zur Todesangst durch Ersticken zu kämpfen hat, erscheint ein Schmerzensgeldkapital von 500.000,00 € angemessen.

 

Bemessung des Schmerzensgeldes bei einem Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der ärztlichen Versorgung einer Schwangeren

OLG Dresden

Der Umstand, dass der Verletzte die verletzungsbedingten Einschränkungen bewusst wahrnimmt und hierunter in besonderem Maße leidet, rechtfertigt für sich genommen ein Schmerzensgeld, wie es für Fälle der vollständigen Persönlichkeitszerstörung zugesprochen wird, nicht. Anders kann dies dann sein, wenn dieses Empfinden Krankheitswert erreicht.

 

Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeldanspruch nach Bypass-Operation

OLG Dresden

Die am Vortag einer Bypass-Operation nachmittags erfolgte Risikoaufklärung des Patienten ist noch als rechtzeitig anzusehen. Geht der aufklärende Arzt aufgrund eines einfachen Diagnoseirrtums davon aus, dass eine Stentimplantation keine Alternative zu der beabsichtigten Bypass-Operation ist, scheidet seine Haftung wegen einer unzureichenden Aufklärung über Behandlungsalternativen aus.

 

Nachweis einer ordnungsgemäßen ärztlichen Aufklärung

OLG Dresden

Der Inhalt eines Aufklärungsgespräches lässt sich mit einem vom Patienten unterschriebenen Aufklärungsbogen nicht beweisen. Für den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung ist vielmehr regelmäßig die Vernehmung des aufklärenden Arztes erforderlich. Ist seine Darstellung in sich schlüssig, soll dem Arzt allerdings in der Regel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im konkreten Fall in der gebotenen Weise geschehen ist.

 

Fehlender Hinweis an den Patienten auf einen kontrollbedürftigen Befund ist regelmäßig ein Befunderhebungsfehler

BGH

1. Der für die Auswertung eines Befundes verantwortliche Arzt hat all die Auffälligkeit zur Kenntnis und zum Anlass für die gebotenen Maßnahmen zu nehmen, die er aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs unter Berücksichtigung der in seinem Fachbereich vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten sowie der Behandlungssituation feststellen muss. Diese Pflicht besteht erst recht dann, wenn, wie bei einem Mammographie-Screening, Zweck der Untersuchung die Früherkennung einer Krebserkrankung ist und es sich um eine im Rahmen der Anamnese nachgefragte und angegebene Auffälligkeit (hier: Mamillenretraktion) handelt, die auf eben eine solche Krebserkrankung hindeuten kann.

2. Zum Grundsatz der horizontalen Arbeitsteilung

3. Zur Abgrenzung eines Befunderhebungsfehlers von einem Fehler der therapeutischen Aufklärung ist danach zu differenzieren, ob der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit ärztlichen Fehlverhaltens in der unterbliebenen Befunderhebung als solcher oder in dem Unterlassen von Warnhinweisen zum Zwecke der Sicherstellung des Behandlungserfolgs liegt. Wird etwa der Patient zutreffend über das Vorliegen eines kontrollbedürftigen Befundes und die medizinisch gebotenen Maßnahmen einer weiteren Kontrolle informiert und unterbleibt (lediglich) der Hinweis auf die Dringlichkeit der gebotenen Maßnahmen, so liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit regelmäßig in dem Unterlassen von Warnhinweisen. Fehlt es dagegen schon an dem Hinweis, dass ein kontrollbedürftiger Befund vorliegt und das Maßnahmen zur weiteren Abklärung medizinisch geboten sind, liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit regelmäßig in der unterbliebenen Befunderhebung.

 

Nachweis einer ordnungsgemäßen ärztlichen Aufklärung

OLG Dresden

Der Inhalt eines Aufklärungsgespräches lässt sich mit einem vom Patienten unterschriebenen Aufklärungsbogen nicht beweisen. Für den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung ist vielmehr regelmäßig die Vernehmung des aufklärenden Arztes erforderlich. Der Beweis ist allerdings nicht erst dann geführt, wenn sich der Arzt an das konkrete Aufklärungsgespräch erinnert. Angesichts der Vielzahl von Informations- und Aufklärungsgesprächen, die Ärzte täglich führen, kann dies nicht erwartet werden. Da aber an den Nachweis keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen zu stellen sind, darf das Gericht seine Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO bereits auf die Angaben des Arztes stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und "einiger" Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist.

 

Beginn der Verjährungsfrist in Arzthaftungsfällen

BGH

Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB wird mangels grob fahrlässiger Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB grundsätzlich nicht schon dann in Lauf gesetzt, wenn es der Geschädigte oder sein Wissensvertreter unterlässt, Krankenhausunterlagen auf ärztliche Behandlungsfehler hin zu überprüfen. Das medizinische Fachwissen eines Sozius kann einem anderen regelmäßig nicht zugerechnet werden.

 

Darlegung eines Haushaltsführungsschadens

OLG Celle

Für den Haushaltsführungsschaden sind die konkreten Umstände des Falls maßgeblich. Zur Darlegung eines Haushaltsführungsschadens muss der Geschädigte daher im Einzelnen darlegen, welche Tätigkeiten, die vor dem Unfall im Haushalt verrichtet wurden, unfallbedingt nicht mehr oder nicht mehr vollständig ausgeübt werden können; ein bloßer allgemeiner Verweis auf eine bestimmte prozentuale Minderung der Erwerbsfähigkeit oder der Fähigkeit zur Haushaltsführung genügt nicht. Eine zeitliche Begrenzung für den Ersatz des Haushaltsführungsschadens, z B. bis zum 75. Lebensjahr, ist nicht vorzunehmen, sofern keine konkreten Umstände in der Person des Geschädigten vorliegen, die eine Begrenzung rechtfertigen würden. Eine Tenorierung, wonach die Zahlungen "auf Lebenszeit" zu erbringen sind, ist unbedenklich.

 

Substantiierungspflicht des Patienten im Arzthaftungsprozess

OLG Dresden

Im Arzthaftungsprozess sind an die Substantiierungspflicht des klagenden Patienten nur maßvolle Anforderungen zu stellen. Es ist ausreichend, wenn der Tatsachenvortrag nur in groben Zügen zum Ausdruck bringt, aus welchem Komplex ein Fehler abgeleitet wird und welcher Schaden daraus eingetreten sein soll. Im Berufungsverfahren ist es jedoch dem klagenden Patienten abzuverlangen, sich medizinisch fundiert, d.h. regelmäßig unter Bezug auf ein Privatgutachten, medizinische Leitlinien oder andere Stimmen aus der medizinischen Literatur mit den von ihm beanstandeten Feststellungen eines erstinstanzlichen Gerichtsgutachtens, auf die sich das erstinstanzliche Gericht gestützt hat, auseinanderzusetzen. Klärt der Arzt auch über eine ernsthafte Alternative zu der von ihm in Aussicht genommenen Behandlung auf, ist er nicht verpflichtet, zu diesem Gespräch einen Arzt derjenigen Fachrichtung hinzuziehen, in die diese Alternativbehandlung fällt.

 

Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht vor einer Koloskopie

OLG Dresden

Vor einer Koloskopie ist der Patient über das Risiko einer iatrogenen Perforation des Darmes bei der Untersuchung aufzuklären. Es ist anerkannt, dass der Patient auch auf seltene Risiken hingewiesen werden muss, wenn diese Risiken, wenn sie sich verwirklichen, die Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch, für den Laien aber überraschend sind. Bei der Durchführung einer Koloskopie gehört dazu die zwar selten auftretende, aber häufig zu schwerwiegenden Folgen führende Perforation des Darmes. Für den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung reicht ein Aufklärungsformular nicht aus, vielmehr ist grundsätzlich die Zeugenvernehmung oder Parteianhörung des aufklärenden Arztes geboten.
 

Sekundäre Darlegungslast bei Hygieneverstoß

BGH

Im Arzthaftungsprozess wird die erweiterte - sekundäre - Darlegungslast der Behandlungsseite ausgelöst, wenn die primäre Darlegung des Konfliktstoffs durch den Patienten den insoweit geltenden maßvollen Anforderungen genügt und die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für ihn gestattet, während es dieser möglich und zumutbar ist, den Sachverhalt näher aufzuklären. Letzteres wird bei der Behauptung eines Hygieneverstoßes regelmäßig der Fall sein. Für das Auslösen der sekundären Darlegungslast ist nicht Voraussetzung, dass der Patient konkrete Anhaltspunkte für einen Hygieneverstoß vorträgt.

 

Doppelt versichertes Risiko führt zu Ausgleichspflichten zwischen den Versicherern

OLG Frankfurt

Ist ein Risiko (Inanspruchnahme als Hebamme wegen Geburtsschäden) sowohl über die Versicherung des Belegarztes als auch über die des Anstellungskrankenhauses der Hebamme versichert, kann die Versicherung des Arztes die Hebamme persönlich auf anteiligen Ausgleich in Anspruch nehmen. Vorrangig ist die Versicherung des Krankenhauses in Rückgriff zu nehmen.

 

Arzthaftung bei der Implantation einer Hüftgelenksendprothese

OLG Naumburg

Stellt der Patient dem Arzt konkrete Fragen zu Umständen, die für seine Einwilligung in den operativen Eingriff von Bedeutung sind, so müssen diese wahrheitsgemäß beantwortet werden. Dies ist Voraussetzung für eine selbstbestimmte Entscheidung des Patienten, die der Arzt nicht durch Desinformation unterlaufen darf. Dies betrifft insbesondere auch die Routine und Erfahrung des behandelnden Orthopäden im Hinblick auf die geplante Operation (hier Implantation einer zementfreien Hüftgelenksendoprothese).

 

Kein Erfordernis des Kausalitätsnachweises auf Seiten des Patienten bei grobem Behandlungsfehler

OLG München

Liegen fachübergreifend mehrere Behandlungsfehler vor, die teils für sich, zumindest aber in der Zusammenschau mehrerer als grob zu bewerten sind, führen diese zu einer Beweislastumkehr für die Kausalität zugunsten des betreffenden Patienten. Die Aufklärung des Behandlungsgeschehens ist wegen des Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in besonders schwierig, was zu einer Unzumutbarkeit des Kausalitätsnachweises durch den Patienten führt. Als Orientierungsmaßstab für die Bemessung der Schmerzengsgeldhöhe können die Gerichte, neben ihrer gesammelten Kenntnisse der eigenen Praxis, vor allem Schmerzensgeldtabellen mit Zusammenstellungen von Entscheidungen anderer Gerichte zu Rate ziehen. Schlussendlich hat das erkennende Gericht jedoch stets die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

 

Aufklärung am Operationstag kann ausreichen

OLG Dresden

Bei ambulanten Eingriffen kann eine Aufklärung des Patienten noch am Operationstag genügen, sofern ihm die eigenständige Entscheidung überlassen bleibt, ob er den Eingriff durchführen lassen will. Bei einer ambulant durchgeführten Koloskopie ist die Aufklärung auch dann noch als rechtzeitig anzusehen, wenn sie erst erfolgt, nachdem der Patient die zur Vorbereitung erforderliche medikamentöse Darmreinigung bereits abgeschlossen hat. Für konkrete Anhaltspunkte, die in einem Arzthaftungsverfahren Zweifel an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung wecken sollen, ist es erforderlich, dass der Patient entweder ein Privatgutachten vorlegt, zumindest aber selbst medizinische Fundstellen oder Leitlinien benennt, die für seine Behauptung streiten.

 

Diagnoseirrtum eines Arztes bei einer Brustuntersuchung

OLG Dresden

Der Vorwurf, der Arzt habe eine von einer Patientin in ihrer Brust angegebene Verdickung bei der Untersuchung übersehen und keine weitergehende Diagnostik angeordnet, betrifft nicht die Befunderhebung, sondern ist als Diagnoseirrtum zu beurteilen. Ein Diagnoseirrtum, der objektiv auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen ist, kann nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden. Die Wertung einer objektiv unrichtigen Diagnose als Behandlungsfehler setzt eine vorwerfbare Fehlinterpretation erhobener Befunde oder die Unterlassung für die Diagnosestellung oder ihre Überprüfung notwendiger Befunderhebung voraus.

 

Ärztliche Aufklärung über Behandlungsalternativen

OLG Brandenburg

Im Rahmen einer Aufklärung muss der Arzt dem Patienten über Behandlungsalternativen informieren, wenn gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen. Dem Patienten muss in diesem Fall nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will. Der Arzt muss dem Patienten im Allgemeinen nicht ungefragt erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen, solange er eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt.

Ordnungsgemäße Information über voraussichtliche Behandlungskosten bei noch nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethoden

BGH

1. Die in § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB kodifizierte Pflicht des Behandlers zur wirtschaftlichen Information des Patienten soll den Patienten vor finanziellen Überraschungen schützen und ihn in die Lage versetzen, die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung zu überschauen. Sie zielt allerdings nicht auf eine umfassende Aufklärung des Patienten über die wirtschaftlichen Folgen einer Behandlung.

2. Der Arzt, der eine neue, noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode anwendet, muss die Möglichkeit in den Blick nehmen, dass der private Krankenversicherer die dafür erforderlichen Kosten nicht in vollem Umfang erstattet.

3. Die Beweislast dafür, dass sich der Patient bei ordnungsgemäßer Information über die voraussichtlichen Behandlungskosten gegen die in Rede stehende medizinische Behandlung entschieden hätte, trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Patient. Eine Beweislastumkehr erfolgt nicht.

 

Sturz bei Besuch im Krankenhaus und die Verkehrssicherungspflicht des Krankenhausträgers

LG Köln

Von einem Krankenhausbesucher kann erwartet werden, dass er sich auf die für ein Krankenhaus typischen und von Betreibern nie völlig auszuräumenden Risiken einstellt und durch entsprechende Aufmerksamkeit auch selbst für die eigene Sicherheit sorgt. Neben Krankenbetten und medizinischem Gerät zählen auch in den öffentlichen Bereichen des Krankenhauses aufgestellte Sitzgruppen für Besucher und Patienten zu den Hindernissen, auf die ein Besucher beim Betreten des Krankenhauses erwartbar treffen kann. Grundsätzlich ist von dem Besucher zu erwarten, dass er diese Hindernisse erkennt und um dieser herumgeht.

 

Haftung nach unterlassener ärztlicher Aufklärung werdender Eltern über mögliche Behinderung des Kindes

OLG Karlsruhe

 Eltern eines schwer behinderten Kindes haben einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn die behandelnden Ärzte über das im Rahmen einer pränatalen Diagnostik festgestellte Risiko der schweren Behinderung nicht aufgeklärt haben und erwiesen ist, dass die Mutter die Schwangerschaft abgebrochen hätte und dies gemäß § 218a StGB gerechtfertigt gewesen wäre. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Urteil vom 19.02.2020 entschieden und einem Elternpaar Schadensersatz sowie ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro zugesprochen.


Substantiierungslast im Regressprozess gegen den medizinischen Sachverständigen

BGH, Beschluss vom 30.01.2020, Az: III ZR 91/19

Die im Interesse des klageführenden Patienten anerkannte Herabsetzung der Substantiierungslast im Arzthaftungsprozess kann nicht auf den Regressprozess gegen den medizinischen Sachverständigen nach § 839a BGB übertragen werden. Der Regresskläger ist hier - ebenso wie bei der Klage gegen andere Sachverständige - gehalten, schlüssig darzulegen, dass der Beklagte mindestens grob fahrlässig ein unrichtiges gerichtliches Gutachten erstattet hat.

 

Zwangsbehandlung von Schizophrenie durch Elektrokrampftherapie im Regelfall nicht genehmigungsfähig

BGH

1. Als notwendig können nur ärztliche Zwangsmaßnahmen angesehen werden, deren Durchführung einem breiten medizinisch-wissenschaftlichen Konsens entspricht. Derartiger Konsens kann sich namentlich in wissenschaftlichen Stellungnahmen des Beirats der Bundesärztekammer sowie durch medizinische Leitlinien äußern.

2. Falls der an Schizophrenie leidende Betreute einer Elektrokonvulsionstherapie/Elektrokrampftherapie (EKT) ausdrücklich widerspricht, ist die Einwilligung des Betreuers in deren zwangsweise Durchführung im Regelfall nicht genehmigungsfähig.

 

Anforderungen an tierärztliche Aufklärung

OLG Dresden

Aus dem tierärztlichen Behandlungsvertrag schuldet der Tierarzt nur eine an wirtschaftlichen, ideellen und den Anforderungen des Tierschutzes ausgerichtete Beratung, die Vorschriften über die humanärztliche Aufklärung können hierauf nicht überragen werden. Denn die Zweckrichtung im Bereich der Tiermedizin richtet sich nicht nach dem Rahmen des Möglichen, sondern nach wirtschaftlichen Erwägungen. Die Beweislast für eine Vertragspflichtverletzung und deren Ursächlichkeit für den Schaden trägt der Auftraggeber.

 

Arzthaftung bei Behandlung von Kniebeschwerden mittels Injektionen

OLG Hamm

Der Einsatz von Medikamenten im off-label-use ist nicht per se unzulässig. Ein off-label-use ist zulässig, wenn er unter sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile des für den beabsichtigten Gebrauch nicht zugelassenen Medikaments vertretbar ist und medizinisch-sachlich begründet erscheint. Eine zweite Kortisoninjektion muss nicht zwingend als behandlungsfehlerhaft gewertet werden, auch wenn die zeitliche Soll-Vorgabe des Medikamentenherstellers nicht eingehalten wird. Dabei muss der Arzt eine Abwägung zwischen dem erhöhten Infektionsrisiko und der Beschwerdelinderung vornehmen. Vor einer solchen Behandlung muss der Patient auf die gesteigerten Risiken hingewiesen werden. Bei mangelnder Aufklärung trägt der Patient die Beweislast dafür, dass die Kniegelenksinfektion durch die konkrete Injektion verursacht worden ist.
 

Arzthaftung bei verspäteter Behandlung von Durchblutungsstörungen

OLG Hamm

In der Gefäßchirurgie gilt der Grundsatz: Eine akute Ischämie (Gefäßverschluss) ist akut zu behandeln. Wird der Versuch einer Rekanalisierung der Arterie nicht rechtzeitig unternommen, kann das als grober Behandlungsfehler zu werten sein. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn mit dem zögerlichem Verhalten dem Patienten die einzige Chance zum Erhalt einer Hand genommen wird. Für den Teilverlust der rechten Hand bei Entfernung des Daumens, des Zeigefingers und Teile des Mittelfingers kann ein Schmerzensgeld von 50.000,- € angemessen sein.

 

Aufklärungspflicht bei sekundärer Wunschsectio

OLG Hamm

Bei einer reinen Wunschsectio ohne medizinische Indikation bedarf der Eingriff einer sorgfältigen, maximalen Planung. Auch bei einer nach Geburtsbeginn erfolgenden, sekundären Wunschsectio ist dieser Standard zu wahren, insbesondere muss eine Planung auch unter personellen Gesichtspunkten erfolgen. An die Aufklärung sind hohe Anforderungen zu stellen, ähnlich wie bei reinen Schönheitsoperationen.

 

Aufklärung und Schutzzweckzusammenhang

BGH

Haben sich bei einem mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrigen ärztlichen Eingriff nur Risiken verwirklicht, über die nicht aufzuklären waren, kommt ein Wegfall der Haftung des Arztes für Aufklärungsversäumnisse lediglich dann in Betracht, wenn der Patient wenigstens eine Grundaufklärung über die Art und den Schweregrad des Eingriffs erhalten hat; das gilt auch dann, wenn das realisierte – nicht aufklärungspflichtige – Risiko mit den nicht realisierten – aufklärungspflichtigen – Risiken nach Bedeutung und Auswirkung für den Patienten nicht vergleichbar ist.

 

Keine Einsicht in Behandlungsunterlagen gegen den Willen des Verstorbenen

OLG Karlsruhe

Kein Recht von Angehörigen, aufgrund einer Vorsorgevollmacht Einsicht in Behandlungsunterlagen eines Verstorbenen zu nehmen, gegen dessen ausdrücklich erklärten oder mutmaßlichen Willen.
 

Reichweite der Beweiserleichtung beim sog. Befunderhebungsfehler

BGH

Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Erhebung und Sicherung medizinischer Befunde und zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung der Befundträger lässt im Wege der Beweiserleichterung für den Patienten zwar auf ein reaktionspflichtiges positives Befundergebnis schließen. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn ein solches Ergebnis hinreichend wahrscheinlich ist. Es geht zu weit, als Folge der Unterlassung medizinisch gebotener Befunderhebung oder Befundsicherung unabhängig von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Befundergebnisses eine Vermutung dahingehend anzunehmen, dass zugunsten des Patienten der von diesem vorgetragene Sachverhalt für den Befund als bestätigt gilt.

 

Fehlende Dokumentation stellt keinen Behandlungsfehler dar, sondern führt allein zu Beweiserleichterungen

BGH

Auch bei einem Dokumentationsmangel bleibt der Patient für den Ursachenzusammenhang zwischen dem vermeintlichen Behandlungsfehler und den geklagten Beschwerden beweisbelastet. Das Fehlen der Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme begründet lediglich die Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist. Der Behandlungsseite obliegt es dann, die Vermutung zu widerlegen.

 

„Schonungslose“ Aufklärung bei einer Schönheitsoperation

OLG Dresden

1. Bei einer kosmetischen Operation ist die Aufklärung "schonungslos" auf das Für und Wider mit allen Konsequenzen und Alternativen, auch zur Wahl der Behandlungsmethode zu erstrecken.

2. Hierzu gehört auch die Aufklärung über das Risiko chronischer, nicht lediglich vorübergehender Schmerzen infolge der Operation.

3. Bei einer rein kosmetischen Operation ist in der Regel von der Plausibilität des vom Patienten behaupteten Entscheidungskonflikts auszugehen.

 

Verwechselung des Herzschlags der Mutter mit dem des Ungeborenen als grober Behandlungsfehler

OLG Oldenburg

Verwechselt ein Ärzteteam bei einer Geburt, bei der die Herzfrequenz des Kindes zunächst stark abfällt, jedoch einige Minuten später eine stabile Herzfrequenz im CTG angezeigt wird, diese mit der nicht angezeigten Herzfrequenz des Kindes und entsteht dem Kind dadurch ein schwerer Hirnschaden, stellt dies einen groben Behandlungsfehler dar, der zu einem erheblichen Schmerzensgeldanspruch des Kindes führt (hier: 500.000 €).

 

Anspruch auf Schmerzensgeld nach Fixierung ohne richterliche Genehmigung

OLG Frankfurt

Einer Patientin, die ohne richterliche Genehmigung nach Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung über die Dauer von Zwei Wochen fixiert wird und sedierende Medikamente erhält, steht ein Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld zu (hier: 12.000,00 €).

 

Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen

LG Münster

Das Verweigern der Fortsetzung der Verhandlungen gemäß § 203 BGB setzt keine entsprechende ausdrückliche Erklärung voraus. Es gelten die allgemeinen Regeln für die Auslegung von Willenserklärungen entsprechend. Der unmissverständlichen, ohne weitere Einschränkungen erfolgten Anspruchszurückweisung kann ein Verweigern der Fortsetzung der Verhandlungen zu entnehmen sein.

 

Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Aufklärung gem. § 8 TPG

BGH

Die Vorgaben des Transplantationsgesetzes wie die Anwesenheit eines neutralen Arztes bei dem Aufklärungsgespräch und das Erfordernis einer zu unterzeichnenden Aufklärungsniederschrift sind die Aufklärungspflicht des Arztes begleitende Form- und Verfahrensvorschriften. Ein Verstoß hiergegen führt nicht zur Unwirksamkeit der Einwilligung des Lebendorganspenders in die Organentnahme und zu deren Rechtswidrigkeit, sondern zu einer Beweisskepsis gegenüber der Behauptung einer ordnungsgemäßen Aufklärung. Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens, also dass ein nicht ordnungsgemäß aufgeklärter Lebendorganspender auch im Fall der ordnungsgemäßen Aufklärung mit der Organentnahme einverstanden gewesen wäre, ist nicht beachtlich, weil dies dem Schutzzweck der gesteigerten Aufklärungsanforderungen des § 8 TPG widerspräche. Denn für den Spender kann jedes Risiko bedeutsam sein, weil die Ablehnung der Zustimmung nicht zu einer Gefahr für seinen Gesundheitszustand werden kann, sondern ihm die Möglichkeit gibt, sein gesundes Organ zu behalten.

 

Schutzpflichten von Wohnheimen für Menschen mit einer geistigen Behinderung (hier: Schutz vor Verbrühung durch Badewasser)

BGH

Ein Heimbewohner, der dem Heimträger zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit anvertraut ist, kann erwarten, dass der Heimträger ihn vor einer - jedenfalls in einer DIN-Norm beschriebenen - Gefahrenlage schützt (hier: Wasserinstallation ohne Temperaturbegrenzung), wenn er selbst auf Grund körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht in der Lage ist, die Gefahr eigenverantwortlich zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren. Um die daraus folgende Obhutspflicht zu erfüllen, muss der Heimträger nach seinem Ermessen entweder die Empfehlungen der DIN-Norm umsetzen oder aber die erforderliche Sicherheit gegenüber der dieser Norm zugrunde liegenden Gefahr auf andere Weise gewährleisten, um Schäden der Heimbewohner zu vermeiden. Dies gilt jedenfalls, wenn ihm dies dies mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand möglich und für die Heimbewohner sowie das Pflege- und Betreuungspersonal zumutbar ist.

 

Folge der Unterlassung medizinisch gebotener Befunderhebung oder Befundsicherung

BGH

Das Fehlen der Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme begründet die Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist. Der Behandlungsseite obliegt es dann, die Vermutung zu widerlegen. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Erhebung und Sicherung medizinischer Befunde und zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung der Befundträger lässt im Wege der Beweiserleichterung für den Patienten zwar auf ein reaktionspflichtiges positives Befundergebnis schließen. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn ein solches Ergebnis hinreichend wahrscheinlich ist. Es geht zu weit, als Folge der Unterlassung medizinisch gebotener Befunderhebung oder Befundsicherung unabhängig von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Befundergebnisses eine Vermutung dahingehend anzunehmen, dass zugunsten des Patienten der von diesem vorgetragene Sachverhalt für den Befund als bestätigt gilt.

 

„Schockschaden“ und Arzthaftung

BGH

Die zum „Schockschaden“ entwickelten Grundsätze sind auch in dem Fall anzuwenden, in dem das haftungsbegründende Ereignis kein Unfallereignis im eigentlichen Sinne, sondern eine fehlerhafte ärztliche Behandlung ist. Eine Rechtfertigung dafür, die  Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“ im Falle ärztlicher Behandlungsfehler weiter einzuschränken, als im Fall von Unfallereignissen, besteht grundsätzlich nicht.

 

Darlegungslasten bei der Rüge eines Hygieneverstoßes

BGH 

Auch für die Behauptung des Patienten, es lägen Hygieneverstöße vor, gelten maßvolle Anforderungen an die primäre Darlegungslast. Es genügt, wenn die Patientenseite Vortrag hält, der die Vermutung eines Hygienefehlers gestattet. Es ist dann im Rahmen der sekundären Darlegungslast Sache des Beklagten, konkret zu den von ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Sicherstellung der Hygiene und zum Infektionsschutz bei der Behandlung des Patienten, insbesondere auf der Intensivstation, vorzutragen, etwa durch Vorlage von Desinfektions- und Reinigungsplänen sowie der einschlägigen Hausanordnungen und Bestimmungen des Hygieneplanes.

 

Anwendung eines nicht allgemein anerkannten Behandlungskonzepts

BGH

Die Anwendung eines nicht allgemein anerkannten, den Korridor des medizinischen Standards verlassenden Behandlungskonzepts stellt nicht ohne weiteres einen Behandlungsfehler dar. Denn die Therapiewahl ist primär Sache des Arztes. Der Arzt ist bei der Wahl der Therapie insbesondere nicht stets auf den jeweils sichersten therapeutischen Weg festgelegt. Eine nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode darf aber nur dann angewendet werden, wenn eine verantwortliche medizinische Abwägung unter Vergleich der zu erwartenden Vorteile dieser Methode und ihrer abzusehenden und zu vermutenden Nachteile mit der standardgemäßen Behandlung unter Berücksichtigung des Wohles des Patienten die Anwendung dieser Methode rechtfertigt. Höhere Belastungen oder Risiken für den Patienten müssen in den Besonderheiten des konkreten Falles oder in einer günstigeren Heilungsprognose eine sachliche Rechtfertigung finden.

 

Verpflichtung des Allgemeinarztes zur Zuführung des Patienten zu einer fachärztlichen Behandlung

OLG Dresden

Der Allgemeinarzt ist verpflichtet, den Patienten, soweit erforderlich, einer fachärztlichen Behandlung zuzuführen. Stellt sich ein Patient mit einem geröteten Auge bei einem Allgemeinarzt vor, besteht eine solche Verpflichtung jedoch nur, wenn aufgrund einer Untersuchung mit in der Hausarztpraxis zur Verfügung stehenden Mitteln und der Anamnese des Patienten der konkrete Verdacht auf eine Erkrankung des Auges oder einen eingedrungenen Fremdkörper besteht; lediglich unspezifische Beschwerden rechtfertigen es, von einer Überweisung abzusehen und den Patienten zu einer Wiedervorstellung zu veranlassen.

 

Keine hypothetische Einwilligung bei Absehen von operativem Eingriff als Ergebnis eines echten Entscheidungskonfliktes

BGH

1. Genügt die Aufklärung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, kann sich der Behandelnde darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte. An einen dahingehenden Nachweis, der dem Behandelnden obliegt, sind strenge Anforderungen zu stellen, damit nicht auf diesem Weg der Aufklärungsanspruch des Patienten unterlaufen wird.

2. Den Arzt trifft für seine Behauptung, der Patient hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt, die Beweislast aber erst dann, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er – wären ihm rechtzeitig die Risiken des Eingriffs verdeutlicht worden – vor einem echten Entscheidungskonflikt bestanden hätte.

3. Gedankliche Voraussetzung der hypothetischen Einwilligung ist stets die Hypothese einer ordnungsgemäßen, insbesondere auch vollständigen Aufklärung.

4. Kann eine Einwilligung für eine unaufschiebare Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf sie ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht. In diesem Fall ist auch eine Aufklärung entbehrlich.

 

Schutz- und Verkehrssicherungspflichten des Heimträgers gegenüber Heimbewohnern bei in einer DIN-Norm beschriebenen Gefahrenlage

BGH

1. Ein Heimbewohner, der dem Heimträger zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit anvertraut ist, kann erwarten, dass der Heimträger ihn vor einer – jedenfalls in einer DIN-Norm beschriebenen – Gefahrenlage schützt, wenn er selbst aufgrund körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht in der Lage ist, die Gefahr eigenverantwortlich zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren.

2. Um die daraus folgende Obhutspflicht zu erfüllen, muss der Heimträger, soweit dies mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand möglich und für die Heimbewohner sowie das Pflege- und Betreuungspersonal zumutbar ist, nach seinem Ermessen entweder die Empfehlungen der DIN-Norm umsetzen oder aber die erforderliche Sicherheit gegenüber der dieser Norm zugrunde liegenden Gefahr auf andere Weise gewährleisten, um Schäden der Heimwohner zu vermeiden (hier: Verbrennungen in einer Sitzbadewanne).
 

Pflichten eines Allgemeinarztes bei einem Patienten mit gerötetem Auge

OLG Dresden

Die Frage, welche Maßnahmen ein Arzt ergreifen muss, richtet sich immer nach der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs unter Berücksichtigung der in seinem Fachbereich vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten in der jeweiligen Behandlungssituation. Der Allgemeinarzt ist verpflichtet, den Patienten, soweit erforderlich, einer fachärztlichen Behandlung zuzuführen. Stellt sich ein Patient mit einem geröteten Auge bei einem Allgemeinarzt vor, besteht eine solche Verpflichtung jedoch nur, wenn aufgrund einer Untersuchung mit in der Hausarztpraxis zur Verfügung stehenden Mitteln und der Anamnese des Patienten der konkrete Verdacht auf eine Erkrankung des Auges oder einen eingedrungenen Fremdkörper besteht. Lediglich unspezifische Beschwerden rechtfertigen es, von einer Überweisung abzusehen und den Patienten zu einer Wiedervorstellung zu veranlassen.

 

Zuständigkeit für Ansprüche des Trägers der Unfallversicherung nach einem  Behandlungsfehler des Durchgangsarztes

OLG Dresden

Der Anspruch des Trägers der Unfallversicherung wegen der Mehrkosten einer aufgrund behandlungsfehlerhafter durchgangsärztlicher Tätigkeit notwendigen medizinischen Behandlung ist vor den Sozialgerichten geltend zu machen. Soweit die gesetzliche Unfallversicherungsträgerin Schadensersatzansprüche geltend macht, weil sie ihrerseits von dem Versicherten auf Schadensersatz (Verdienstausfall und Schmerzensgeld) wegen behaupteter Fehlbehandlung aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG in Anspruch genommen wird, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß Art. 34 Satz 3 GG, § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG eröffnet. Für Amtshaftungsklagen und Innenregressansprüche darf nach Art. 34 Satz 3 GG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht ausgeschlossen werden.

 

Durchführung und Befundung einer Röntgenaufnahme durch Pneumologen

LG Flensburg

Die Durchführung und Befundung einer Röntgenaufnahme des Thorax gehört noch in das Fachgebiet eines niedergelassenen Pneumologen. Bei der Durchführung und Befundung einer Röntgenaufnahme des Thorax muss ein niedergelassener Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie deswegen den Standard seines Fachgebiets waren, nicht den eines Radiologen. Denn nur wenn ein Arzt Untersuchungs- und Behandlungsmethoden anwendet, die ein fremdes Fachgebiet betreffen, hat er dessen Standard zu garantieren.

 

Keine Aussetzung des Haftungsverfahrens bei Verdacht auf Unterlagenfälschung

Oberlandesgericht Dresden

In Arzthaftungssachen kommt eine Aussetzung mit Blick auf ein gegen den Arzt anhängiges Strafverfahren regelmäßig nicht in Betracht. Denn aus begleitenden Strafverfahren können keine Erkenntnisse erwartet werden, die so gewichtig sind, dass der Zivilrechtsstreit zunächst nicht weiter betrieben zu werden braucht. Es ist davon auszugehen, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu einer angeblichen Verfälschung von Behandlungsunterlagen keinen Einfluss auf die Entscheidung des Zivilrechtsstreits haben, da der Gutachter durch angeblich nicht zutreffende bzw. fehlende Akteneinträge in seiner Begutachtung nicht beeinflusst wurde.

 

Zum Beweisverfahren in Arzthaftungsprozessen

Oberlandesgericht Köln

1. Eine sofortige Beschwerde im Arzthaftungsbeweisverfahren ist unzulässig, soweit sie sich gegen eine begehrte Verfahrensanordnung auf Beiziehung von Behandlungsunterlagen durch das Gericht oder den Sachverständigen oder die ausdrückliche Anordnung einer körperlichen Untersuchung richtet. Beweisbeschlüsse - auch im selbstständigen Beweisverfahren - sind insoweit grundsätzlich nicht selbstständig anfechtbar, sondern nur in Verbindung mit einem Rechtsmittel in der Hauptsache.

2. Beweisfragen an den Sachverständigen, ob es eine gleichwertige Behandlungsalternative zu dem tatsächlich erfolgten Eingriff gab, sind im Beweisverfahren zuzulassen, da diese Frage der Begutachtung durch den Sachverständigen zugänglich ist und sinnvollerweise nur durch ihn beantwortet werden kann. Die Klärung dieses Punktes ist i.S.v. § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO grundsätzlich geeignet, einen Rechtsstreit zu vermeiden, und es spricht nichts dagegen, einen konkret bezeichneten Aufklärungsfehler im selbstständigen Beweisverfahren „miterledigen zu lassen“.

3. Die Frage, ob ein Patient tatsächlich über bestehende Behandlungsalternativen aufgeklärt wurde, ist nicht durch einen Sachverständigen zu klären und kann daher nicht Gegenstand des Arzthaftungsbeweisverfahrens sein.

 

Umfang der Substantiierungspflichten des Patienten im Arzthaftungsprozess

BGH

An die Substantiierungspflichten des Patienten im Arzthaftungsprozess sind nur maßvolle Anforderungen zu stellen. Vom Patienten kann keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden. Er ist nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Die Patientenseite darf sich auf den Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet. Der Patient ist nicht verpflichtet, mögliche Entstehungsursachen einer Infektion mit Keimen zu ermitteln und vorzutragen.

 

Kläger muss sich kein medizinisches Fachwissen zur ordnungsgemäßen Prozessführung aneignen

BGH

1. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG , wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat.

2. Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten.

3. Von einem Kläger, der Schadensersatz wegen Verletzung seines Körpers oder seiner Gesundheit verlangt, kann keine genaue Kenntnis medizinischer Zusammenhänge erwartet und gefordert werden. Ihm fehlt insoweit das nötige Fachwissen. Er ist nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen.

 

Mitverschulden eines Patienten

OLG Braunschweig

1. Ist ein Arzt wegen eines Behandlungsfehlers zum Schadensersatz verpflichtet, ist es ihm zwar nicht grundsätzlich verwehrt, sich auf ein Mitverschulden des Patienten zu berufen. Bei der Bejahung mitverschuldensbegründender Obliegenheitsverletzungen des Patienten ist allerdings Zurückhaltung geboten (BGH, Urt. v. 17. Dezember 1996 - VI ZR 133/95, juris-Rn. 13).

2. Im Allgemeinen obliegt es zwar dem Patienten, grundsätzlich einen Arzt aufzusuchen, wenn eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes dies nahelegt (vgl. OLG München vom 23. September 2004 - 1 U 5198/03, juris-Rn. 83). Es hängt indes von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab, wann die Nicht-Konsultation eines Arztes diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt.

3. Treten bei dem Patienten erneut Symptome (hier: Darmblutungen) auf, für die aufgrund der vorangegangenen, auf unzureichender Befunderhebung basierenden Diagnose des Arztes dem Patienten Erklärungen (hier: Hämorrhoiden und Analfissur) genannt wurden, die keine zeitnahe Wiedervorstellung nahelegen, so stellt es keinen ein Mitverschulden begründenden Sorgfaltsverstoß dar, wenn sich der Patient beim Wiederauftreten der Symptome nicht sofort wieder in Behandlung begibt. Vielmehr darf insoweit der Patient zumindest eine Zeit lang darauf vertrauen, dass keine ernsthafte Erkrankung (hier: Darmkrebs) vorliegt.

4. Ist einem Arzt durch schuldhaftes Unterlassen der gebotenen Befunderhebung nach dem Grundsatz des groben Behandlungsfehlers zuzurechnen, dass eine an Darmkrebs erkrankte 47-jährige Patientin nach 4 ½ Jahren Überlebenszeit mit zahlreichen belastenden Therapien und Operationen verstorben ist, indem ihr die Chance auf eine zeitgerechte, weniger invasive Behandlung von 4-5 Monaten mit vollständiger Genesung genommen wurde, so ist die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 70.000,00 € angemessen und keinesfalls überhöht.

 

Keine Haftung des Arztes für bloßen Diagnoseirrtum

OLG Dresden

1. Beschränkt sich die Berufung auf das Bestreiten der Ergebnisse eines erstinstanzlichen Gerichtsgutachtens und der darauf aufbauenden, in sich schlüssigen Beweiswürdigung, ohne ihre abweichende Bewertung durch ein Privatgutachten oder andere medizinische Belege anzugreifen, ist auch in Arzthaftungsverfahren grundsätzlich keine weitere Beweisaufnahme erforderlich.

2. Ist ein Diagnoseirrtum eines Arztes nicht als fundamental einzuordnen, ist eine Haftung lediglich dann in Betracht zu ziehen, wenn die von ihm erhobenen Befunde nicht anzuzweifeln sind, sondern bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt lediglich den Schluss auf eine bestimmte Diagnose zulassen.

 

Entkräftung einer Vermutung für ein behandlungsbedürftiges Krankheitsbild

OLG Dresden

Die Entkräftung der durch eine ärztliche Dokumentation begründete Vermutung für ein behandlungsbedürftiges Krankheitsbild kann auch durch die Behandlungsunterlagen selbst erfolgen. Die Festlegung des Behandlungsstandards vor und während einer Nierenoperation einschließlich notwendiger ergänzender Befunderhebungen wegen festgestellter Vorerkrankungen obliegt gemäß dem Grundsatz fachgleicher Begutachtungen einem internistischen Sachverständigen. Wird der Sachverständige im Anschluss an sein Gutachten mündlich angehört und das Ergebnis der Beweisaufnahme mit den Parteien erörtert, ohne dass anschließend ein Schriftsatznachlass beantragt wird, ist eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wegen neuen Vorbringens regelmäßig nicht möglich.

 

Aussetzung eines Arzthaftungsprozesses mit Blick auf ein gegen einen Arzt anhängiges Strafverfahren

OLG Dresden

Wegen eines gegen einen Arzt anhängigen Strafverfahrens kommt in Arzthaftungssachen eine Aussetzung regelmäßig nicht in Betracht. Denn aus einem begleitenden Strafverfahren können durchweg keine so gewichtigen Erkenntnisse erwartet werden, dass der Zivilrechtsstreit nicht weiter betrieben werden muss.

 

Ersatz von Verdienstausfallschaden

OLG München

1. Beim Ersatz vom Verdienstausfallschaden sind im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte berufsbedingte Aufwendungen anzurechnen, weil sie in einem inneren Zusammenhang mit dem erlittenen und vom Schädiger zu tragenden Erwerbsschaden stehen.

2. In Ermangelung anderer Angaben ist eine Pauschalierung der berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von 10 % des Nettoeinkommens vorzunehmen, wenn keine besonderen, vom Geschädigten vorzutragenden und ggf. zu beweisenden Umstände vorliegen, aus denen sich niedrigere Aufwendungen ergeben.

 

Schätzung des Haushaltsführungsschadens und Ablehnung „taggenauer“ Schmerzensgeldberechnung

OLG Celle

1. Zu den vermehrten Bedürfnissen i. S. d. § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB gehört auch der Betreuungsaufwand naher Angehöriger, der über die üblicherweise im Krankheitsfall zu erwartende persönliche Zuwendung innerhalb der Familie hinausgeht. Der ersatzfähige Aufwand zur Befriedigung vermehrter Bedürfnisse be-stimmt sich nach den Dispositionen, die ein verständiger Geschädigter in seiner besonderen Lage treffen würde (i. A. an BGH VersR 2019, 51).

2. Die Grundsätze für die Berechnung des Haushaltsführungsschadens bei Nichteinstellung einer Ersatz-kraft können auch für die Berechnung der Pflegekosten im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung berücksichtigt werden.

3. Bereitschaftsdienst ist nicht gleichzusetzen mit einer ständigen aktiven Arbeitsleistung. Deshalb ist bei der fiktiven Abrechnung von Hilfsdienstleistungen im Rahmen des Bereitschaftsdienstes vom üblichen Stundensatz (8 Euro) ein angemessener Abschlag vorzunehmen.

4. Für den Bereitschaftsdienst der nahen Angehörigen ist bei fiktiver Abrechnung ein Stundensatz von 6 Euro angemessen.

5. Die Aufteilung der Hausarbeit bestimmt sich grundsätzlich nach der in der Familie des Verletzten vor dem Unfall getroffenen Vereinbarung bzw. der dort gelebten Praxis. Eine nachträgliche Umverteilung gemäß den heute überwiegend in Deutschland üblichen Gepflogenheiten bei der Lebensführung findet nicht statt.

6. Die für die Bemessung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Hausarbeit regelmäßig verwendeten Tabellenwerke sind im Rahmen eines Rechtsstreits für die Schadensschätzung (§ 287 ZPO) untauglich. Denn die Tabellenwerke weisen schwerwiegende Unstimmigkeiten auf, haben keinen Bezug zum konkreten Schaden und setzen willkürliche Werte ohne belastbares Datenmaterial an. Sie sind für die Schadens-schätzung auch nicht ergänzend heranzuziehen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).

7. Die Bemessung des auszugleichenden Haushaltsführungsschadens hat sich nach den tatsächlichen Verhältnissen des betroffenen Haushalts zu richten. Diese sind vom Geschädigten oder auch seinen An-gehörigen im Einzelnen darzulegen.

8. Bei der Bemessung des Haushaltsführungsschadens ist im Rahmen der fiktiven Abrechnung ein Stundensatz von 8 Euro angemessen.

9. Bei der Bemessung des Schmerzensgelds (Kapitalbetrag oder Rente) ist ein geänderter Berechnungsansatz, der einen insgesamt höheren Schmerzensgeldbetrag ermöglicht (oder ermöglichen kann), ohne weite-re Gründe für die Bemessung unbeachtlich (entgegen OLG Frankfurt/M. VersR 2019, 435 [taggenaue Ab-rechnung]).

 

Der Betreiber eines Pflegeheims ist ohne Anhaltspunkte für eine Sturzgefahr, nicht dazu verpflichtet, eine durchgehende Beaufsichtigung demenzkranker Patienten zu gewähren; insb. nicht beim Toilettengang

OLG Karlsruhe

1. Zwar besteht grundsätzlich eine Verpflichtung des Pflegeheims, Patienten nach Möglichkeit vor Stürzen zu bewahren. Der Umfang der zu treffenden Sicherungsmaßnahmen richtet sich danach, ob und inwieweit sich ein Sturzrisiko absehen lässt. Dabei ist der Schutz des Patienten vor einem Sturz abzuwägen mit dem Schutz seiner Intimsphäre, die auch bei einem Demenzkranken zu beachten ist und die bei einer lückenlosen Überwachung während des Toilettengangs beeinträchtigt wäre.

2. Eine lückenlose Überwachung wäre nur dann zu fordern gewesen, wenn sich Anhaltspunkte für eine Sturzgefahr nicht nur bei der allgemeinen Fortbewegung im Heim, sondern gerade auch während des Toilettengangs ergeben hätten, was hier vor dem Sturz nicht der Fall gewesen war. Die Entscheidung des Pflege-heims im konkreten Fall ist daher pflegefachlich nachvollziehbar. Das Pflegeheim war nicht dazu verpflichtet, eine durchgehende Beaufsichtigung der demenzkranken Patientin zu gewährleisten.

 

Anforderungen an die Feststellung einer hypothetischen Einwilligung (hier: zum erforderlichen Inhalt der zu unterstellenden ordnungsgemäßen Aufklärung)

BGH

Genügt eine ärztliche Aufklärung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, so kann sich der Behandelnde darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte. An einen dahingehenden Nachweis, der dem Behandelnden obliegt, sind strenge Anforderungen zu stellen. Für die Behauptung, der Patient hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt, trifft den Behandelnden aber erst dann die Beweislast, wenn der Patient plausibel macht, dass er - wären ihm rechtzeitig die Risiken des Eingriffs verdeutlicht worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte. Gedankliche Voraussetzung der hypothetischen Einwilligung ist stets die Hypothese einer ordnungsgemäßen, insbesondere auch vollständigen Aufklärung.

 

Schockschaden nach ärztlichem Behandlungsfehler

BGH

Die zum „Schockschaden“ entwickelten Grundsätze sind auch in dem Fall anzuwenden, in dem das haftungsbegründende Ereignis kein Unfallereignis im eigentlichen Sinne, sondern eine fehlerhafte ärztliche Behandlung ist. Eine Rechtfertigung dafür, die Ersatzfähigkeit von Schockschäden im Falle ärztlicher Behandlungsfehler weiter einzuschränken als im Falle von Unfallereignissen, besteht grundsätzlich nicht.

 

Ohne Grundaufklärung über Art und Schwere des Eingriffs haftet der Arzt auch für realisierte nicht aufklärungspflichtige Risiken

BGH

Haben sich bei einem mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrigen ärztlichen Eingriff nur Risiken verwirklicht, über die nicht aufzuklären war, kommt ein Wegfall der Haftung des Arztes für Aufklärungsversäumnisse lediglich dann in Betracht, wenn der Patient wenigstens eine Grundaufklärung über die Art und den Schweregrad des Eingriffs erhalten hat; das gilt auch dann, wenn das realisierte – nicht aufklärungspflichtige – Risiko mit den nicht realisierten – aufklärungspflichtigen – Risiken nach Bedeutung und Auswirkung für den Patienten nicht vergleichbar ist.

 

12.000,00 € Schmerzensgeld wegen Fixierung ohne richterliche Genehmigung

OLG Frankfurt

Die Fixierung einer Patientin stellt einen Eingriff in deren Grundrecht auf Freiheit der Person dar. Sowohl bei einer 5. als auch bei einer 7. Fixierung von nicht nur kurzfristiger Dauer handelt es sich um eine Freiheitsentziehung. Das gilt auch, wenn im Rahmen der Unterbringung die Freiheit bereits entzogen wurde. Die Fixierung nimmt den Betroffenen die noch verbliebene Freiheit, sich innerhalb der Station oder jedenfalls im Zimmer freizubewegen. Infolge der besonderen Eingriffsqualität ist eine solche Fixierung nicht von der richterlichen Unterbringungsanordnung gedeckt, sodass es einer richterlichen Genehmigung bedarf. Angesichts des Ausmaßes der konkreten Beeinträchtigungen und der Funktion eines Schmerzensgeldes ist ein Betrag von 12.000,00 € angemessen, aber auch ausreichend bemessen.

 

Einwilligungserklärung unmittelbar nach der Aufklärung kann die Entscheidungsfreiheit des Patienten unzulässig verkürzen

OLG Köln

1. Ist ein operativer Eingriff zwar dringlich veranlasst, muss aber nicht sofort erfolgen (hier: operative Versorgung einer Oberschenkelhalsfraktur), muss dem Patienten zwischen Aufklärung und Einwilligung eine den Umständen nach angemessene Bedenkzeit gelassen werden.

2. Besteht in einem Krankenhaus aus organisatorischen Gründen die Übung, den Patienten unmittelbar im Anschluss an die Aufklärung zur Unterschrift unter die vorgedruckte Einwilligungserklärung zu bewegen, wird die Entscheidungsfreiheit des Patienten unzulässig verkürzt. Eine solche Einwilligungserklärung muss vom Patienten nicht ausdrücklich widerrufen werden. Vielmehr trifft die den Eingriff durchführenden Ärzte die Pflicht – was durch organisatorische Maßnahmen sicher zu stellen ist -, sich vor dem Eingriff davon zu überzeugen, dass die Einwilligungserklärung nach wie vor dem freien Willen des Patienten entspricht.

 

Besondere  Schutzpflichten des Trägers von Wohnheimen für Menschen mit einer geistigen Behinderung vor einer Selbstgefährdung (Hier. Schutz vor Verbrühungen)

BGH

Ein Heimbewohner, der dem Heimträger zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit anvertraut ist, kann erwarten, dass der Heimträger ihn jedenfalls vor einer in einer DIN-Norm beschriebenen Gefahrenlage schützt, wenn er selbst auf Grund körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht in der Lage ist, die Gefahr eigenverantwortlich zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren. Um die daraus folgende Obhutspflicht zu erfüllen, muss der Heimträger, soweit dies mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand möglich und für die Heimbewohner sowie das Pflege- und Betreuungspersonal zumutbar ist, nach seinem Ermessen entweder die Empfehlungen der DIN-Norm umsetzen oder aber die erforderliche Sicherheit gegenüber der dieser Norm zugrunde liegenden Gefahr auf andere Weise gewährleisten, um Schäden der Heimbewohner zu vermeiden. 

 

Aufklärungspflicht eines in Krankenhaus einweisenden Arztes

OLG Hamm

Ein Arzt muss den Patienten vor einem relativ indizierten Eingriff grundsätzlich nicht über die Möglichkeit eines Aufschiebens oder gänzlichen Unterlassens der Operation aufklären, wenn er von einer entsprechenden Kenntnis des Patienten - ohne Fehlvorstellung über die Risiken des Nichtstuns - ausgehen darf. Ein Arzt, der eine andernorts durchzuführende Operation empfiehlt, ist nicht verpflichtet, den Patienten aufzuklären. Vielmehr darf er davon ausgehen, dass die Risikoaufklärung durch das Krankenhaus erfolgt, an das der Patient überwiesen wurde. Übernimmt der Arzt, der einen Patienten zur Operation in ein Krankenhaus einweist, allerdings tatsächlich die Risikoaufklärung, muss diese richtig und grundsätzlich vollständig sein.
 

Kein Schmerzensgeld für Lebensverlängerung

BGH

1. Das menschliche Leben ist ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Das Urteil über seinen Wert steht keinem Dritten zu. Deshalb verbietet es sich, das Leben – auch ein leidensbehaftetes Weiterleben – als Schaden anzusehen. Aus dem durch lebenserhaltende Maßnahmen ermöglichten Weiterleben eines Patienten lässt sich daher ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld nicht herleiten.

2. Schutzzweck etwaiger Aufklärungs- und Behandlungspflichten im Zusammenhang mit lebenserhaltenden Maßnahmen ist es nicht, wirtschaftliche Belastungen, die mit dem Weiterleben und den dem Leben anhaftenden krankheitsbedingten Leiden verbunden sind, zu verhindern. Insbesondere dienen diese Pflichten nicht dazu, den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten.
 

Schmerzensgeld bei baldigem Tod wegen eines grob fahrlässig nicht behandelten septischen Schocks

OLG Köln

1. Ein Arzt, der auf Hinweise der Krankenschwester, die auf einen beginnenden septischen Schock des Patienten hindeuten, nicht zumindest Anordnungen zu engmaschiger und intensiver Überwachung trifft, handelt grob fehlerhaft. 

2. Verstirbt ein Patient infolge eines grob fehlerhaft nicht behandelten septischen Schocks binnen weniger Stunden, ist ein höheres Schmerzensgeld als 2.000,- Euro nicht gerechtfertigt. 

3. Liegt dem Erben seit fünf Jahren ein von ihm eingeholtes Privatgutachten vor, aus dem sich die Umstände ergeben, die einen groben Fehler des Arztes begründen, beschränkt er sich zunächst auf die Geltendmachung von ererbten Ansprüchen des Erblassers und erweitert er dann die Klage um eigene Ansprüche aus behaupteter eigener psychischer Schädigung (hier: insbesondere darauf gestützter Verdienstausfall), so handelt es sich insoweit um einen eigenen Streitgegenstand, hinsichtlich dessen die (hier bejahte) Verjährung durch die erhobene Klage nicht gehemmt wird.

 

Zur Berechnung von Haushaltsführungsschaden und Schmerzensgeld

OLG Frankfurt

1. Hat der Geschädigte Ansprüche auf Verdienstausfall, die ihm gegen den Schädiger zustehen, ausdrücklich an Arbeitgeber oder Krankentagegeld-Versicherer abgetreten, verliert er diesen Anspruch. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die von diesen erbrachten Leistungen nach der normativen Schadensberechnung auf den Ersatzanspruch anzurechnen wären. 

2. Für die Ermittlung des Haushaltsführungsschadens muss der Geschädigte im Einzelnen vortragen, in welchem Umfang er durch die Verletzung in der Erbringung der dafür erforderlichen Leistungen eingeschränkt war. Tabellenwerke zur Berechnung ersetzen den Sachvortrag nicht, dienen aber für den Richter zur Überprüfung der Plausibilität des Parteivortrags. Der Senat hält die dafür bisher zur Verfügung stehenden Quellen (z. B. Pardey, Haushaltsführungsschaden) – gerade im Bereich des Haushaltszuschnitts – für nicht mehr zeitgemäß und orientiert sich an den Tabellen von Schah Sedi, Praxishandbuch Haushaltsführungsschaden 2017. Für die fiktive Abrechnung des Schadens erscheint bei einfachen Arbeiten im Haushalt ein Stundensatz von 8,50 Euro angemessen, der aber hinsichtlich des Zuschnitts des Haushalts auf 10,- Euro angehoben werden kann. 

3. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte sind weder Maßstab noch Begrenzung. Angesichts der mangelnden Vergleichbarkeit vieler Fallgestaltungen fehlt es oft an brauchbaren Kriterien, wie insbesondere auch die Dauer der Beeinträchtigung ausreichend berücksichtigt wird. Der Senat hält deshalb eine Methode, das Schmerzensgeld nach der Art der Behandlung (Krankenhaus, Reha) und der Dauer der Beeinträchtigung zu bemessen, für geeignet, eine angemessene und vergleichbare Entschädigung zu errechnen. Die im Handbuch Schmerzensgeld 2013 unter Berücksichtigung des Grades der Schädigungsfolgen dargelegten Ansätze können dazu dienen.

 

Implantologisch nutzlose Leistungen des Zahnarztes rechtfertigen die Kündigung des Patienten und den Wegfall der Vergütungspflicht

BGH

1. Bei einer schuldhaften Fehlleistung des Arztes hat der Patient einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Absatz 1 BGB. Ist die fehlerhafte Leistung des Arztes für den Patienten ohne Interesse und völlig unbrauchbar, besteht der (Mindest-)Schaden des Patienten darin, dass er für eine im Ergebnis unbrauchbare ärztliche Behandlung eine Vergütung zahlen soll. In diesem Fall ist der Schadensersatzanspruch unmittelbar auf Befreiung von der Vergütungspflicht gerichtet, wenn weder der Patient noch seine Versicherung bereits bezahlt haben. 

2. Fehlerhaft eingesetzte Implantate sind objektiv und subjektiv völlig wertlos i. S. d. § 628 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB, wenn es keine dem Patienten zumutbare Behandlungsvariante gibt, die zu einem wenigstens im Wesentlichen den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechenden Zustand hinreichend sicher führen könnte. Der Umstand, dass der Patient einzelne Implantate als Notmaßnahme zur Vermeidung eines eventuell noch größeren Übels weiterverwendet, ändert nichts an der völligen Unbrauchbarkeit der zahnärztlichen Leistung und dem Entfallen der Vergütungspflicht insgesamt.

 

Kenntnis von diabetischer Polyneuropathie kann gesteigerte Befunderhebungspflichten begründen

OLG Köln

1. Ein Durchgangsarzt, der nach einem Arbeitsunfall mit Aufprall des Fußes auf der Erde zunächst nur ein Umknicktrauma diagnostiziert, muss jedenfalls dann, wenn er im Rahmen der selbst weitergeführten Behandlung von der Diabetes-mellitus-Erkrankung des Patienten und einer darauf beruhenden Polyneuropathie erfährt, die Möglichkeit einer Mitbeteiligung von Fußknochen in Erwägung ziehen und röntgenologisch abklären. Ein entsprechendes Versäumnis stellt sich als Befunderhebungsmangel und nicht als Diagnosefehler dar.

2. Die vollständige und endgültige Ausbildung eines Charcot-Fußes bei einem 48-jährigen Mann rechtfertigt ein Schmerzensgeld von 50.000,- Euro.

 

Vorgezogene Aufklärung zur Sectio

BGH

1. Eine Haftung wegen Unterlassens der (vorgezogenen) Aufklärung über die Behandlungsalternative der Sectio kommt auch dann in Betracht, wenn die Sectio später durchgeführt wird als sie bei rechtzeitiger Aufklärung durchgeführt worden wäre und diese Verzögerung zu einem Geburtsschaden geführt hat.

2. Dafür, dass und in welchem Umfang in einer Überschreitung der empfohlenen EE-Zeit (Zeit von der Entscheidung zur Sectio bis zur Entwicklung des Kindes) ein Behandlungsfehler liegt, trägt der Geschädigte die Beweislast. Die Gefahren einer solchen Zeitüberschreitung sind für die Behandlungsseite nicht voll beherrschbar.

 

Mehrere voneinander unabhängige Primärverletzungen, Beweismaßstab

BGH

Das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO findet Anwendung, soweit es um die Frage geht, ob eine haftungsbegründende Primärverletzung weitere vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsbeeinträchtigungen zur Folge hatte (haftungsausfüllende Kausalität). Hier werden unabhängig davon aus der zu Grunde liegenden Verletzungshandlung weitere unfallursächliche Primärverletzungen geltend gemacht, unterfallen diese dem Beweismaß des § 286 ZPO (haftungsbegründende Kausalität).

 

Zur Haftung eines Zahntechnikers für das Beschleifen einer Prothese

OLG Frankfurt

1. § 1 Abs. 1 des Zahnheilkundegesetzes (ZHG) und die §§ 153, 161 Abs. 1 StGB sind Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

2. Die Höchstpersönlichkeit der Zeugenpflichten schließt es aus, eine GmbH für etwaige Falschaussagen ihres Geschäftsführers als Zeuge haftbar zu machen.

 

Wahrscheinlichkeitsangaben in Aufklärungsbögen müssen sich nicht am medical dictionary for regulatory activities (MedDRA) orientieren

BGH

Wahrscheinlichkeitsangaben im Rahmen der Selbstbestimmungsaufklärung vor einer ärztlichen Behandlung haben sich grundsätzlich nicht an den in Beipackzetteln für die Medikamente verwendeten Häufigkeitsdefinitionen des medical dictionary for regulatory activities zu orientieren. Dies gilt auch, wenn die Wahrscheinlichkeitsangaben in einem (schriftlichen) Aufklärungsbogen enthalten sind.

 

500.000 Euro Schmerzensgeld bei schwerst geschädigtem Kind

OLG Köln

Ist einem Kind infolge eines geburtsbedingtem und den Behandlern anzulastenden hypoxischen Hirnschadens (der dazu führt, dass das Kind weder jemals selbstständig essen und trinken noch sprechen noch sich selbstständig fortbewegen kann und dass eine maximale geistige Beeinträchtigung gegeben ist) jegliche Basis für die Entfaltung eigener Persönlichkeit genommen, so ist ein Schmerzensgeld an der Obergrenze – die der Senat bei einem rein als kapitalgeforderten Schmerzensgeld bei derzeit 500.000,00 € ansetzt – per se gerechtfertigt. Eine im Rahmen einer derartigen Schwerstschädigung vorgenommene weitere „Ausdifferenzierung“ (hier dahin, dass bei vergleichbaren Gerichtsentscheidungen etwa noch eine Tetraspastik oder eine Epilepsie hinzuträten) und eine damit begründeten Reduzierung des Schmerzensgeldes um 50.000,00 € sind nicht gerechtfertigt.

 

Fragen zur ärztlichen Aufklärung sind tauglicher Gegenstand im selbstständigen Beweisverfahren

OLG Rostock

1. Auch Fragen an einen medizinischen Sachverständigen, welche Inhalt und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht betreffen, können Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens sein.

2. Ein Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens ist auch dann zulässig, wenn er Fragen zum Gegenstand hat, die einer rechtlichen Wertung bedürfen (im Anschluss an BGH vom 24.09.2013 – VI ZB 12/13 zum groben Behandlungsfehler). Der Begriff des Aufklärungsfehlers ist zunächst vom Sachverständigen mit medizinischen Wertungen auszufüllen, weshalb es mithin immer um die Klärung tatsächlicher medizinischer Umstände und nicht allein um eine rechtliche Beurteilung geht.

3. Die Frage nach der Ursache eines Personenschadens (§ 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) kann in medizinischer Hinsicht vom Umfang der gebotenen Aufklärung mitbestimmt werden; ebenso bedingen sich der Zustand der Person (§ 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und die gebotene Aufklärung.

4. Selbst wenn der Sachverständige im selbstständigen Beweisverfahren zu der medizinischen Bewertung kommt, dass die von der Behandlerseite vorzulegenden ärztlichen Behandlungsunterlagen keine pflichtgemäße Aufklärungsdokumentation enthalten, ist diese Feststellung für die Bewertung als Schadensursache im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO erheblich.

5. Durch das selbstständige Beweisverfahren kann für Arzthaftungsansprüche eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB nicht nur wegen vermeintlichen Behandlungsfehlern, sondern – selbstständig daneben – auch wegen etwaiger Aufklärungsfehler bewirkt werden.

 

Fragen zur ärztlichen Aufklärung sind kein tauglicher Gegenstand im selbstständigen Beweisverfahren

OLG Karlsruhe

1. Fragen zur ärztlichen Aufklärung beziehen sich weder auf das Tatbestandsmerkmal „Zustand einer Person“ (§ 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch auf das Tatbestandsmerkmal „Ursache eines Personenschadens“ (§ 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und können damit kein Gegenstand im selbstständigen Beweisverfahren sein.

2. Bei der Beweisfrage zur medizinischen Bewertung der Aufklärungsdokumentation geht es nicht um die Klärung der Frage, ob Aufklärungsfehler Ursache eines Personenschadens wurden, sondern um eine abstrakte Klärung der Frage, welche Anforderungen aus sachverständiger Sicht an die Aufklärung zu stellen sind und ob die dokumentierte Aufklärung dem entspricht.

3. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die gutachterliche Klärung einer solchen abstrakten Vorfrage im selbstständigen Beweisverfahren, die auf (aufklärungsbeweisbelasteter) Behandlerseite dazu veranlassen könnte, sich vorgerichtlich gütlich zu einigen bzw. auch sonst der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

4. Der Aufklärungsbogen ist lediglich Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs. Soweit dem ärztlichen Aufklärungsbogen aber bereits Feststellungen zu aufklärungspflichtigen Umständen zu entnehmen sind, kommt eine Beweisaufnahme hierzu im selbstständigen Beweisverfahren nicht in Betracht, da sich die Frage der Aufklärung insoweit auch ohne medizinische Kenntnisse bereits beantworten lassen.

 

Nachweis des Inhalts der mündlichen Aufklärung

KG

Der Inhalt eines streitigen Aufklärungsgesprächs kann niemals ausschließlich durch Bezugnahme auf einen Aufklärungsbogen festgestellt werden, es bedarf der Vernehmung der zum Gesprächshergang benannten Zeugen.

 

Rückgriff des nach dem Notarzt hinzugezogenen Arztes auf dessen Anamnese

OLG Naumburg

1. Der nach dem Notarzt hingezogene Arzt des kassenärztlichen Notdienstes muss sich bei seiner Anamnese mit der vorangegangenen Notarztbehandlung befassen und nach der Entwicklung der dort geschilderten und dokumentierten Beschwerden fragen.

2. Das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Anamnese führt selbst als einfacher Befunderhebungsfehler nicht zur Umkehr der Beweislast für die haftungsbegründende Kausalität, wenn die gebotene Nachfrage keinen gravierenden und reaktionspflichtigen Befund ergeben hätte (hier im Hinblick auf den Vorderwandherzinfarkt einer Frau Mitte 30, ohne bekannte vaskuläre Erkrankungen bei belastungsunabhängigen Beschwerden, normalem Blutdruck, unauffälliger Atmung, fehlender Atemnot, fehlender Übelkeit und keiner schweißigen Haut).

 

Schmerzensgeld für nicht erkannten Darmkrebs

OLG Braunschweig

1. Leidet der Patient unter heftigen Blutungen aus dem Anus und diagnostiziert der Arzt ohne eine Darmspiegelung gemacht oder empfohlen zu haben lediglich Hämorrhoiden und eine Analfissur, ist dem Arzt ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen. Weil dieser Fehler in gravierender Weise gegen die Regeln der ärztlichen Kund verstößt, greift zugunsten des Patienten eine Beweislastumkehr. Nicht der Patient hat zu beweisen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und den gesundheitlichen Folgen besteht. Vielmehr hat der Arzt den Nachweis zu führen, dass die hier um 9 Monate verspätete Diagnose nicht für den weiteren Krankheitsverlauf ursächlich geworden ist.

2. Dem verstorbenen Kläger steht hierfür ein Schmerzensgeld von 70.000,00 € sowie Schadensersatz zu.

 

Vom Patient behaupteter Hygieneverstoß kann sekundäre Darlegungslast der Behandlungsseite auslösen

BGH

Im Arzthaftungsprozess wird die erweiterte – sekundäre – Darlegungslast der Behandlungsseite ausgelöst, wenn die primäre Darlegung des Konfliktstoffs durch den Patienten den insoweit geltenden maßvollen Anforderungen genügt und die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für ihn gestattet, während es dieser möglich und zumutbar ist, den Sachverhalt näher aufzuklären. Letzteres wird bei der Behauptung eines Hygieneverstoßes regelmäßig der Fall sein.

 

Grober Behandlungsfehler durch Vergessen eines Instruments im Patienten

OLG Oldenburg

1. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn ein Arzt trotz des Bemerkens des Abbruchs einer Metallspitze eines Operationsinstruments im Körper des Patienten eine Entfernung unterlässt.

2. Ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 € ist hierfür angemessen, wenn der Patient möglicherweise durch das Verbleiben der Metallspitze einen dauerhaften Knorpelschaden mit erheblichen Schmerzen bei längerem Stehen und Gehen erlitten hat.

 

Behandlungsfehler aufgrund unterlassener Zählkontrolle

OLG Stuttgart

Das Zurücklassen einer Nadel im Bauchraum bei einer urologischen Operation stellt einen Behandlungsfehler dar. Die Ärzte müssen alle möglichen und zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen gegen das Zurücklassen eines Fremdkörpers im Operationsgebiet treffen und Instrumente auf Vollständigkeit überprüfen. Die klagende Patientin erhielt ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 €.

 

Keine generelle Obergrenze für den Ersatz von vermehrten Bedürfnissen bei häuslicher Pflege eines Schwerstgeschädigten

BGH

1. Zu den vermehrten Bedürfnissen im Sinne des § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB gehören sowohl die Kosten für die Beschäftigung einer Pflegeperson als auch der Betreuungsaufwand na-her Angehöriger, der über die üblicherweise im Krankheitsfall zu erwartende persönliche Zuwendung innerhalb der Familie hinausgeht.

2. Der ersatzfähige Aufwand zur Befriedigung vermehrter Bedürfnisse bestimmt sich nach den Dispositionen, die ein verständiger Geschädigter in seiner besonderen Lage treffen würde.

3. Kommen zum Ausgleich der Pflegebedürftigkeit verschiedene Möglichkeiten mit unter-schiedlichem Kostenaufwand in Betracht, so bestimmt sich die Höhe des Anspruchs da-nach, welcher Bedarf der vom Geschädigten in zumutbarer Weise gewählten Lebensgestal-tung tatsächlich anfällt. Die Frage, ob der Geschädigte seine Lebensgestaltung in zumutba-rer Weise gewählt hat, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Eine für sämtliche Fallgestaltungen geltende Obergrenze in dem Sinne, dass der Ersatz, der für die häusliche Pflege anfallenden Kosten generell auf den doppelten Betrag (oder ein ande-res Vielfaches) der jeweiligen Heimunterbringungskosten beschränkt wäre, existiert nicht.

 

Sachkunde des Tatrichters - Verzicht auf medizinisches Sachverständigengutachten

BGH

1. Der Tatrichter darf, wenn es um die Frage einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde aufzuweisen vermag. Zudem muss der Tatrichter, wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen.

2. Dies gilt auch, wenn der Tatrichter auf ein Sachverständigengutachten verzichten will, weil er es auf der Grundlage eigener Sachkunde für ungeeignet hält.  

 

Bei Gefahr eines Geburtsschadens durch Verzögerung muss die Aufklärung über die Behandlungsalternative der Sectio vorgezogen werden

BGH

1. Eine Haftung wegen Unterlassens der (vorgezogenen) Aufklärung über die Behandlungsalternative der Sectio kommt auch dann in Betracht, wenn die Sectio später durchgeführt wird als sie bei rechtzeitiger Aufklärung durchgeführt worden wäre und diese Verzögerung zu einem Geburtsschaden geführt hat.

2. Dafür, dass und in welchem Umfang in einer Überschreitung der empfohlenen EE-Zeit (Zeit von der Entscheidung zur Sectio bis zur Entwicklung des Kindes) ein Behandlungsfehler liegt, trägt der  Geschädigte die Beweislast. Die Gefahren einer solchen Zeitüberschreitung sind für die Behandlungsseite nicht voll beherrschbar.

 

Einsatz eines nur notdürftig mit einem Heftpflaster reparierten CTG-Geräts kann Befunderhebungsfehler begründen

BGH

Der für die Annahme eines Befunderhebungsfehlers erforderliche Pflichtwidrigkeitsvorwurf kann darin bestehen, dass die medizinisch gebotene Befundung mit einem von Beginn an nur notdürftig reparierten Gerät unternommen wird, auch wenn das Gerät zunächst noch verwertbare Aufzeichnungen liefert (hier: CTG-Kontrolle mit einem lediglich mit einem Heftpflaster geflickten CTG-Gerät).

 

Ein während der gynäkologischen Behandlung überobligationsmäßig geschriebenes CTG muss zeitnah fachkundig beurteilt werden

OLG Hamm

1. Ein niedergelassener Gynäkologe muss die Auswertung eines routinemäßig geschriebenen CTG einer Schwangeren so organisieren, dass er auf ein Silentes CTG zeitnah reagieren kann, gerade wenn seine Helferinnen das CTG zwar anlegen können, aber nicht darin geschult und eingewiesen sind, grobe Auffälligkeiten oder einen groben pathologischen Befund selbst zu beurteilen. Der Arzt muss dann selbst zeitnah, etwa 15 bis 20 Minuten nach Beendigung des CTG, dieses auf grobe Pathologien prüfen.

2. Erleidet das Neugeborene unter der Geburt einen hypoxischen Hirnschaden, der (auch) auf zeitverzögerte Einweisung in eine Klinik zurückzuführen ist, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000,00 € angemessen, wenn das schwersthirngeschädigt geborene Kind unter seinem Zustand nicht zusätzlich leidet.

 

Befunderhebungsfehler durch unterlassene Krankenhauseinweisung

OLG Köln

1. Unterlässt ein Arzt zum Ausschluss einer akuten Appendizitis einen Rat zu einer bestimmten diagnostischen Maßnahme oder eine einer bestimmten diagnostischen Untersuchung dienende Überweisung an einen anderen Arzt oder in ein Krankenhaus, liegt der Schwerpunkt ärztlichen Fehlverhaltens in der unterbliebenen Befunderhebung als solcher.

2. Bei Verdacht auf akute Appendizitis genügt der Rat, sich „bei Persistenz oder Verschlechterung der Beschwerden“ sofort in einem Krankenhaus vorzustellen, nicht fachärztlichem Standard.

3. Der Arzt kann in einem solchen Fall gegen die Umkehr der Beweislast nicht geltend machen, die vom Patienten unterlassene Vorstellung im Krankenhaus habe durch sein Verhalten eine selbstständige Komponente gesetzt und in gleicher Weise wie der Arzt dazu beigetragen, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden könne.

 

Grundsatz der fachgleichen Begutachtung im Arzthaftungsprozess

LG Frankfurt

1. Im Arzthaftungsprozess ist der medizinische Sachverständige aus dem Fachgebiet des beklagten Arztes auszuwählen.

2. Fällt die zu beurteilende medizinische Frage auch in benachbartes medizinisches Fachgebiet, kann die Sachverständigenbeurteilung grundsätzlich auch durch einen Sachverständigen aus diesem Gebiet erfolgen. Maßgeblich als Anknüpfungspunkt ist aber auch im Fall der Überschneidung von Fachgebieten, ob nach dem Behandlungsvertrag und den Willenserklärungen von Arzt und Patient eine dem Facharztstandard in dem Fachgebiet des beklagten Arztes entsprechende Behandlung vereinbart ist.

 

Pflicht des Arztes zur Information des Patienten über bedrohliche Befunde

BGH

Der Patient hat einen Anspruch auf Unterrichtung über die im Rahmen einer ärztlichen Behandlung erhobenen Befunde und Prognosen. Das gilt in besonderem Maße, wenn ihn erst die zutreffende Information in die Lage versetzt, eine medizinisch gebotene Behandlung durchführen zu lassen (Therapeutische Aufklärung/Sicherungsaufklärung). Es ist ein (schwerer) ärztlicher Behandlungsfehler, wenn der Patient über einen bedrohlichen Befund, der Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gibt, nicht informiert und ihm die erforderliche ärztliche Beratung versagt wird. Der Arzt hat sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden - und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung - Kenntnis erhält, auch wenn diese nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen. Ihn trifft eine aus dem Behandlungsvertrag nachwirkende Schutz- und Fürsorgepflicht.

 

Überprüfung der Äußerungen medizinischer Sachverständiger

OLG Dresden

In Arzthaftungssachen sind Äußerungen medizinischer Sachverständiger kritisch sowohl auf innere Widersprüche als auch auf Widersprüche zu anderen Gutachtern, auch wenn es sich dabei um Privatgutachter handelt, zu überprüfen. Lassen sich derartige Widersprüche auch durch eine ergänzende Anhörung nicht ausräumen, ist ein weiteres Gutachten eines anderen Sachverständigen einzuholen

 

Zur Auslegung eines Vergleichs, den der Haftpflichtversicherer eines Krankenhausträgers mit dem Krankenversicherer eines geschädigten Patienten

OLG Hamm

Zur Auslegung eines Vergleichs, den der Haftpflichtversicherer eines Krankenhausträgers mit dem Krankenversicherer eines geschädigten Patienten schließt, insbesondere zur diesbezüglichen Bedeutung einer vom Haftpflichtversicherer in den Vergleichsverhandlungen nicht offengelegten Beschränkung der Deckungssumme.

 

Tierarzthaftung: Umfang der Beratungs- und Aufklärungspflichten; Sturz eines narkotisierten Pferdes in der Aufwachbox

OLG Dresden

1. Auf die Beratungspflichten des Tierarztes vor der Operation eines Pferdes sind die in §§ 630a ff BGB kodifizierten Grundsätze nicht entsprechend anwendbar. Auch § 90a BGB erweitert den Umfang der Aufklärungspflichten nicht.

2. Über das Risiko, dass ein narkotisiertes Pferd in der Aufwachbox stürzen und sich hierdurch erheblich verletzen kann, hat der Tierarzt ohne konkreten Anlass nicht aufzuklären.

 

Berechnung von Schmerzensgeld und behinderungsbedingten Mehrbetreuungskosten bei schwerpflegebedürftigen Minderjährigen

KG

1. Ein Kleinkind, das im Alter von fast 2 Jahren durch einen groben Behandlungsfehler einen hypoxischen Hirnschaden erleidet, hat keine Erinnerung an sein Leben vor der Schädigung und empfindet dadurch keinen Bruch der Vita. Hat das Kind jedoch eine Zwillingsschwester, werden ihm mit zunehmendem Alter seine schwersten körperlichen und geistigen Einschränkungen täglich vor Augen geführt. Das dadurch empfundene zusätzliche Leid rechtfertigt ein Schmerzensgeld von (mindestens) 500.000,00 €.

2. Wird ein schwerst hirngeschädigtes Kind, das rund um die Uhr pflegebedürftig ist, durch Familienangehörige unentgeltlich gepflegt, so hat das Kind den Anspruch, dass deren Pflegeleistung angemessen ausgeglichen wird. Die Höhe des Ausgleichs bemisst sich nach dem Nettolohn einer vergleichbaren entgeltlich eingesetzten Hilfskraft. Der Nettolohn betrug im Raum Berlin für die Zeit von 2002 bis Mitte 2010 jeweils pro Stunde 10 €.

3. Der Umstand, dass ein pflegender Familienangehöriger seine Erwerbstätigkeit reduziert hat, für die er mit 20,00 € pro Stunde netto bezahlt wurde, führt nicht dazu, den Anspruch des Pflegebedürftigen über den Betrag von 10,00 € pro Stunde zu erhöhen.

 

Verjährung rechtskräftig festgestellter Ansprüche auf Ersatz von Rezept- und Fahrtkosten

OLG Oldenburg

Rezept- und Fahrtkosten als Behandlungskosten unterfallen nicht dem Anwendungsbereich des § 197 Abs. 2 BGB.

 

Krankenversicherer darf den Patienten auf einen vermuteten Behandlungsfehlers des Arztes hinweisen

OLG Köln

 

Schmerzensgeld von 10.000,00 € bei Vergessen einer OP-Nadel im Bauchraum eines Patienten
OLG
1. Es stellt einen Behandlungsfehler dar, wenn eine Nadel im Bauchraum des Patienten zurückgeblieben ist und dies bei Zählkontrolle nach einer Operation aufgefallen wäre, die unterblieben ist.
2. Der Operateur ist verpflichtet, alle möglichen und zumutbaren Sicherungsvorkehrungen gegen das unbeabsichtigte Zurücklassen eines Fremdkörpers im Operationsgebiet zu ergreifen und sämtliche Instrumente nach einer Operation auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen.

Die Regeln zu hypothetischen Einwilligungen sind bei Organtransplantationen nicht anwendbar.
BGH
1. Die Form- und Verfahrensvorschrift gemäß § 8 TPG ist ein starkes Indiz dafür, dass eine Aufklärung und Einwilligung des Spenders in die Organentnahme erfolgt ist.
2. Wenn eine Einwilligung des Patienten in eine Behandlungsmaßnahme im Allgemeinen nicht vorliegt oder nicht nachgewiesen werden kann, kommt eine hypothetische Einwilligung in Betracht, wenn der Patient nicht plausibel darlegt, dass er bei ordnungsgemäßer Aufklärung von dem Eingriff abgesehen hätte.
3. Bei der Spende eines nicht regenerierungsfähigen Organs kommt eine hypothetische Einwilligung angesichts der strengen Sonderregelungen des TPG zur ärztlichen Aufklärung nicht in Betracht.

Der Patient muss über bekannte Umstände nicht erneut aufgeklärt werden
Oberlandesgericht Frankfurt
Der Patient braucht über gleichwertige Behandlungsalternativen nicht erneut aufgeklärt werden, wenn er darüber bereits Kenntnis hatte. Dies kann der Fall sein, wenn der Patient bereits einige Wochen oder Monate vor der Behandlung im Rahmen der Vorbehandlung zu bestehenden Risiken und zur Frage etwaiger gleichwertiger Behandlungsalternativen aufgeklärt worden ist. Das gilt nicht, wenn sich die Umstände oder die Risikolage erhöht haben.

Verdacht auf Verbleib von Fremdkörpern oder Operationsbesteck in der Wunde muss zwingend nachgegangen werden
OLG Oldenburg
1. Hat der Operateur den Verdacht, dass die Trokarspitze im Kniegelenk des Operierten verblieben ist, muss er diesem Verdacht umgehend nachgehen. Verzichtet er darauf, begeht er einen groben Behandlungsfehler.
2. Jedenfalls im Falle bedingten Vorsatzes oder gröbster Fahrlässigkeit ist das Verschulden des Schädigers auch bei ärztlichen Behandlungsfehlern mit Blick auf die erforderliche Genugtuung des Patienten schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen.

Zustandekommen des Vertrages mit einem Laborarzt
OLG Dresden
1. Durch die Entnahme und Untersuchung von Körpermaterial kommt auch dann ein Vertrag zwischen dem Laborarzt und dem Patienten zustande, wenn sein Tätigwerden auf einer Überweisung des Patienten durch den Hausarzt beruht.
2. Die Pflicht zur Behandlung des Patienten und zur Koordination verbleibt allerdings bei dem überweisenden Arzt, der Laborarzt ist auch grundsätzlich nicht verpflichtet, dessen Indikation zu überprüfen.

Fehlerhafte Hüfttotalendoprothese
LG Freiburg
1. Eine Hüfttotalendoprothese ist fehlerhaft, wenn sie zu erhöhtem und gesundheitlich bedenklichem Metallabrieb in der Konussteckverbindung führt. Einem solchen Versagen der Konussteckverbindung kann dadurch entgegengewirkt werden, dass die Prothesenteile während der Implantation mit hoher Kraft gefügt werden. Eine OP-Anleitung, die hierfür lediglich einen "leichten Schlag" vorsieht, ist fehlerhaft (Instruktionsfehler i.S.v. § 3 ProdHG).
2. Kommen für das Versagen einer Hüftprothese verschiedene Ursachen in Betracht und lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob und in welcher Weise sich diese ausgewirkt haben, so ist der Hersteller gleichwohl für den Fehler des Produkts verantwortlich, wenn alle denkbaren Ursachen im Verantwortungsbereich des Herstellers liegen, selbst wenn der Fehler nicht bei allen Produkten der Reihe auftritt (Bestätigung LG Freiburg, 6. Zivilkammer, Urteil vom 24. Februar 2017, 6 O 359/10).
3. Die Herstellerin konnte das mit der gewählten Konzeption verbundene allgemeine Fehlerrisiko im Jahr 2005 aus objektiv zugänglichen Quellen kennen; sie kann sich deshalb nicht auf einen sog. Entwicklungsfehler nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG berufen.
4. Bei einer Metall-auf-Metall-Großkopfhüftprothese mit Konussteckverbindung handelte es sich im Jahr 2005 in mehrfacher Hinsicht um eine Innovation. Weil die grundsätzlichen Risiken von Konussteckverbindungen und Großkopfprothesen sowie die Bedeutung der Fügekraft bekannt waren, war es geboten, vor der Markteinführung eine dem Risikopotential gerecht werdende Testung durchzuführen, was das Erfordernis klinischer Tests einschloss.

Arzt -und Krankenhaushaftung bei Entbindung: Unterlassen der  vorgezogenen Aufklärung über die Behandlungsalternative der Sectio; Beweislast für Behandlungsfehler wegen Überschreitung der empfohlenen EE-Zeit
BGH
1. Eine Haftung wegen Unterlassens der (vorgezogenen) Aufklärung über die Behandlungsalternative der Sectio kommt auch dann in Betracht, wenn die Sectio später durchgeführt wird als sie bei rechtzeitiger Aufklärung durchgeführt worden wäre und diese Verzögerung zu einem Geburtsschaden geführt hat.
2. Dafür, dass und in welchem Umfang in einer Überschreitung der empfohlenen EE-Zeit (Zeit von der Entscheidung zur Sectio bis zur Entwicklung des Kindes) ein Behandlungsfehler liegt, trägt der Geschädigte die Beweislast. Die Gefahren einer solchen Zeitüberschreitung sind für die Behandlungsseite nicht voll beherrschbar.

Befunderhebung bei einem Geburtsvorgang mit einem von Beginn an nur notdürftig reparierten CTG-Gerät
BGH
Der für die Annahme eines Befunderhebungsfehlers erforderliche Pflichtwidrigkeitsvorwurf kann darin bestehen, dass die medizinisch gebotene Befundung mit einem von Beginn an nur notdürftig reparierten Gerät unternommen wird, auch wenn das Gerät zunächst noch verwertbare Aufzeichnungen liefert (hier: CTG-Kontrolle mit einem lediglich mit einem Heftpflaster geflickten CTG-Gerät).

Pflicht zur Weiterleitung von Informationen über bedrohliche Befunde in Arztbriefen an den Patienten
BGH
Der Arzt hat sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden - und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung - Kenntnis erhält, auch wenn diese nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen. Der Arzt, der als einziger eine solche Information bekommt, muss den Informationsfluss aufrechterhalten, wenn sich aus der Information selbst nicht eindeutig ergibt, dass der Patient oder der diesen weiterbehandelnde Arzt sie ebenfalls erhalten hat.

Grenzen ärztlicher Risikoaufklärungspflicht
BGH
Eine Aufklärungspflicht des Arztes besteht nur hinsichtlich solcher Risiken, die im Zeitpunkt der Behandlung bereits bekannt sind

Zahnärztlicher Behandlungsvertrag: Entfallen des Vergütungsanspruchs wegen Unbrauchbarkeit der zahnärztlichen Leistung
LG Münster
1. Der zahnärztliche Vergütungsanspruch entfällt, wenn und soweit die Behandlung für den Patienten völlig unbrauchbar ist (vgl. u.a. OLG Hamm, Urteil vom 05. September 2014, I-26 U 21/13).
2. Die den klagenden Patienten behandelnde Zedentin hat die sich aus den Röntgenbildern ergebenden deutlichen Zeichen einer Parodontitis grob fehlerhaft nicht berücksichtigt, keine vollständige Gesamtplanung (sog. backward-planning) vorgenommen und grob fehlerhaft kariöse Defekte vor den Implantationsmaßnahmen unversorgt gelassen.
3. Da der Beklagte von acht Implantaten im Oberkiefer sieben Implantate verloren hat, sind die in diesem Zusammenhang abgerechneten eigenen und Fremdleistungen gänzlich unbrauchbar.
4. Dem Beklagten kommt die Beweislastregel des § 630h Abs. 5 S. 1 BGB zu Gute, so dass zu vermuten ist, dass der Verlust der Implantate und damit die Unbrauchbarkeit der Leistung auf dem groben Behandlungsfehler beruht.

Unterlassene Berücksichtigung des durch eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift belegten Parteivortrags
BGH
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist verletzt, wenn das Gericht den durch eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift belegten Vortrag einer Partei zur Aufklärungspflicht des Arztes über Behandlungsalternativen vor einer Hüftoperation nicht berücksichtigt.

Wehrdienstbeschädigung durch ärztliche Behandlung eines Soldaten in einem Bundeswehrkrankenhaus
OLG Koblenz
Die Anspruchsbegrenzung nach § 91a Abs 1 S 1 SVG kann auch Ansprüche im Zusammenhang mit der ärztlichen Betreuung eines Soldaten aufgrund eines Wehrdienstverhältnisses umfassen, selbst wenn diese ausschließlich auf den ärztlichen Behandlungsfehler gestützt werden

Grob fehlerhafte Behandlung eines niedergelassenen Gynäkologen: Organisationspflichten bei der Auswertung eines CTG; Hirnschädigung durch Geburtsverzögerung; Schmerzensgeldanspruch des hirngeschädigten Kindes
OLG Hamm
1. Ein niedergelassener Gynäkologe muss die Auswertung eines routinemäßig geschriebenen CTG einer Schwangeren so organisieren, dass er auf ein silentes CTG zeitnah reagieren kann, gerade wenn seine Helferinnen das CTG zwar anlegen können, aber nicht darin geschult und eingewiesen sind, grobe Auffälligkeiten oder einen groben pathologischen Befund selbst zu beurteilen. Der Arzt muss dann selbst zeitnah, etwa 15 bis 20 min nach Beendigung des CTG, dieses auf grobe Pathologien prüfen.
2. Erleidet das Neugeborene unter der Geburt einen hypoxischen Hirnschaden, der (auch) auf zeitverzögerte Einweisung in eine Klinik zurückzuführen ist, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 400 000 Euro angemessen, wenn das schwerst hirngeschädigt geborene Kind unter seinem Zustand nicht zusätzlich leidet.


Krankenhaushaftung: Umfang der Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit einer durch eine Assistenzärztin durchgeführte Muskelbiopsie
OLG Köln
1. Die Entnahme einer Gewebeprobe (Muskelbiopsie) kann als niedrig-komplexer Eingriff ohne Weiteres auch durch eine Assistenzärztin unter Aufsicht eines Oberarztes durchgeführt werden.
2. Der Patient muss nicht darüber aufgeklärt werden, dass der Eingriff durch eine Assistenzärztin vorgenommen wird.
3. Die Indizwirkung eines vom Patienten unterzeichneten Aufklärungsformulars wird nicht dadurch beseitigt, dass der Arzt handschriftliche Eintragungen zur Vorbereitung auf das mündlichen Aufklärungsgespräch bereits vorab vornimmt.

Aufklärung bei Verwendung von Aufklärungsbögen
OLG Koblenz
1. Von einer ordnungsgemäßen Aufklärung kann nicht allein aufgrund der vorgelegten Aufklärungsbögen ausgegangen werden. Diese können allenfalls ein Indiz für Inhalt und Umfang des Aufklärungsgesprächs bieten. Sie sind jedoch kein Beleg dafür, dass tatsächlich ein ausreichendes Aufklärungsgespräch stattgefunden hat.
2. Die Bestimmung des (streitigen) notwendigen Aufklärungsumfangs bedarf einer Hinzuziehung des Sachverständigen.
3. Kann der Patient wegen Verständnisschwierigkeiten dem Aufklärungsgespräch nicht folgen, fehlt es an einer hinreichenden Aufklärung, die Grundlage einer wirksamen Einwilligung sein könnte.
4. Für die Beurteilung, ob ein sogenannter echter Entscheidungskonflikt vorgelegen hat, ist zunächst zu klären, welchen Inhalt eine ordnungsgemäße Aufklärung hätte haben müssen.

Arzt- und Krankenhaushaftung: Verjährung von Schadensersatzansprüchen; Schadensersatz für Pflegemehraufwand eines Schwerstbehinderten nach grobem Behandlungsfehler
KG Berlin
1. Auch bei negativem Ausgang ärztlicher Bemühungen muss sich einem Patienten nicht der Gedanke eines behandlungsfehlerhaften Verhaltens aufdrängen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Patient aufgrund des für ihn negativen medizinischen Ergebnisses veranlasst sieht, die Frage nach einem ärztlichen Behandlungsfehler aufzuwerfen und klären zu lassen. Den zwingenden Schluss auf eine den Verjährungsbeginn nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB auslösende Kenntnis des Patienten von einem Behandlungsfehler lässt ein Schreiben seines Prozessbevollmächtigten, in dem dieser um Überprüfung des Vorfalls und Prüfung der weiteren Vorgehensweise sowie um Übersendung der Behandlungsunterlagen bittet, nicht zu.
2. Unentgeltliche Pflegeleistungen durch Familienangehörige sind bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs für verletzungsbedingte Pflege- und Betreuungsleistungen in marktgerechter Weise zu berücksichtigen. Bei mehreren in Betracht kommenden mit unterschiedlichem Kostenaufwand verbundenen Möglichkeiten zum Ausgleich der Pflegebedürftigkeit bemisst sich die Höhe des Anspruchs hinsichtlich des Mehraufwands nicht stets nach der aufwendigsten Möglichkeit, sondern danach, welcher Bedarf in der vom Geschädigten gewählten Lebensgestaltung tatsächlich entsteht. Ungeachtet der Qualifikation der pflegenden Angehörigen ist der Nettolohn einer qualifizierten Pflegekraft insofern marktangemessen.

Honorar- oder Schadensersatzanspruch des Arztes bei Versäumung eines Arzttermins
AG Diepholz
1. Voraussetzung einer ärztlichen Vergütung für nicht geleistete ärztliche Leistungen ist eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien, dass der Patient auch im Falle der Terminsversäumung die zu erwartende Vergütung zahlen wird.
2. Eine Terminvereinbarung beim Arzt erfüllt nicht diese Voraussetzung. Sie dient lediglich dem generellen Praxisablauf und hat keinen Schadensersatz bzw. Vergütung auslösenden Charakter.

Zu den Voraussetzungen und Grenzen der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht des Arztes über die fragliche Erstattungsfähigkeit seiner Leistungen gegenüber der Krankenversicherung des Patienten
LG Wiesbaden
Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Rückzahlung von 10.821,40 EUR ist insbesondere nicht aus dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wirtschaftlichen Informationspflicht gegeben (§ 280 BGB). Dem Kläger ist zwar zuzugeben, daß es
1. Grundsätzlich gehört es anerkanntermaßen zu den einem Arzt oder sonstigen medizinischen Behandler abzuverlangenden Pflichten auch gehört, einen Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren; bei einem schuldhaften Verstoß gegen diese wirtschaftliche Aufklärungspflicht kann dem Patienten ein Schadensersatzanspruch zustehen, den er dem Anspruch des Behandlers auf Bezahlung der Behandlungskosten entgegenhalten beziehungsweise aus welchem ein Rückforderungsanspruch des Patienten gegen den Behandler erwachsen kann (vgl. BGH, VersR 2000, 999).
2. Dies setzt allerdings voraus, daß der Arzt oder sonstige medizinische Behandler aus seiner Expertenstellung heraus über bessere Kenntnisse und ein überlegenes Wissen verfügt. Wenn der Arzt dieserhalb insbesondere weiß, daß eine bestimmte ärztliche Behandlung von der Krankenversicherung nicht oder aber nur unter ganz bestimmten und obendrein nur schwer zu erfüllenden beziehungsweise darzustellenden Voraussetzungen übernommen werden wird, hat er den jeweiligen Patienten eben hierauf grundsätzlich ungefragt und vor Abschluß des Behandlungsvertrages hinzuweisen. Eine derartige Aufklärungspflicht kraft überlegenen Wissens besteht dagegen nicht, wenn die Zweifelhaftigkeit der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung entweder dem Patienten selbst bekannt ist oder aber von diesem ohne weiteres selbst und in zumutbarer Weise geklärt werden kann. In einer derartigen Konstellation kann von einer schuldhaften Pflichtverletzung in dem vorskizzierten Sinne nicht die Rede sein.
3. Letzteres ist der Fall, wenn der Zahnarzt seinem Patienten einen Heil- und Behandlungsplan sowie einen Kostenvoranschlag Vor Behandlungsbeginn gibt, den der Patient ohne weiteres bei seiner Krankenversicherung hätte vorlegen können und müssen.

Auch für Zahnbehandlungen gibt es grundsätzlich keine Klage auf Vorschuss von Kosten einer noch durchzuführenden Nachbehandlung
OLG Köln
In Arzthaftungsstreitigkeiten gibt es grundsätzlich keine Klage auf Vorschuss von Kosten einer noch durchzuführenden Nachbehandlung. Dies gilt ebenso in Bezug auf Zahnbehandlungen. Insbesondere gilt dies, wenn mit der Behandlung insoweit noch nicht begonnen worden ist.

Krankenhaus hat nur eingeschränkte Nebenpflicht zur Verwahrung von Gegenständen eines Patienten
OLG Köln
Den Träger eines Krankenhauses trifft eine lediglich eingeschränkte Nebenpflicht zur Verwahrung von Gegenständen eines Patienten. Eine diesbezügliche Haftung kommt nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in Betracht. Eine mögliche Vereinbarung zwischen dem Pflegepersonal und Patient, die an die Stelle der sonst üblichen Nebenpflicht getreten sein soll, muss sich aus dem Vorbringen des Patienten ergeben.

Zur Verneinung eines Behandlungsfehlers wegen Verweigerung der medizinisch gebotenen Maßnahmen durch den Patienten
BGH
1. Nach der Senatsrechtsprechung kann zur Ermittlung des getroffenen medizinischen Fachgebiets auf die fachärztliche Weiterbildungsverordnung abgestellt werden.
2. Die Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer differenziert zwischen dem Facharzt für Kinderchirurgie einerseits und dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie andererseits. Dem entspricht es, dass es sowohl eine Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie als auch eine solche für Kinderchirurgie gibt. Beide Gesellschaften geben eigenständige Leitlinien heraus (vgl. www.dgou.de).
3. Zur Verneinung eines Behandlungsfehlers wegen Verweigerung der medizinisch gebotenen Maßnahmen durch den Patienten.

Unterzeichneter Aufklärungsbogen ist nur Indiz für Inhalt und Umfang des Aufklärungsgesprächs
OLG Koblenz
1. Von einer ordnungsgemäßen Aufklärung kann nicht allein aufgrund der vorgelegten Aufklärungsbögen ausgegangen werden. Diese können allenfalls ein Indiz für Inhalt und Umfang des Aufklärungsgespräches bieten. Sie sind jedoch kein Beleg dafür, dass tatsächlich ein ausreichendes Aufklärungsgespräch stattgefunden hat.
2. Die Bestimmung (streitigen) notwendigen Aufklärungsumfangs bedarf einer Hinzuziehung des Sachverständigen.
3. Kann der Patient wegen Verständnisschwierigkeiten dem Aufklärungsgespräch nicht folgen, fehlt es an einer hinreichenden Aufklärung, die Grundlage einer wirksamen Einwilligung sein könnte.
4. Für die Beurteilung, ob ein sog. echter Entscheidungskonflikt vorgelegen hat, ist zunächst zu klären, welchen Inhalt eine ordnungsgemäße Aufklärung hätte haben müssen.

Keine Aufklärungspflicht über den Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannte Risiken
BGH
1. Eine Aufklärungspflicht des Arztes besteht nur hinsichtlich solcher Risiken, die im Zeitpunkt der Behandlung bereits bekannt sind.
2. Der in erster Instanz siegreiche Berufungsbeklagte darf darauf vertrauen, nicht nur rechtzeitig darauf hingewiesen zu werden, dass und aufgrund welcher Erwägungen das Berufungsgericht der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, sondern dann auch Gelegenheit zu erhalten, seinen Tatsachenvortrag sachdienlich zu ergänzen oder weiteren Beweis anzutreten.

Schmerzensgeldbemessung bei einer inkompletten Kaudalähnmung mit Störung der Sexualfunktion, Fußheber- und Fußsenkerparese
OLG Hamm
1. Bei einer relativen Indikation zur Operation an der Lendenwirbelsäule bedarf es einer dezidierten Aufklärung über die echte Alternative einer konservativen Behandlung.
2. An die Aufklärung bei einer relativen Operationsindikation sind besondere Anforderungen zu stellen, wenn der konservative Therapieansatz zu kurz gewählt worden ist. Auf das erhöhte Risiko einer Dura-Verletzung - wegen einer Voroperation - ist gesondert hinzuweisen.
3. Bei einer chronischen inkompletten Kaudalähmung mit Störung der Sexualfunktion, Fußheber- und Fußsenkerparese und rückgebildeter Blasenentleerungsstörung sowie einer reaktiven depressiven Entwicklung kann ein Schmerzensgeld von 75.000,00 € angemessen sein.

Wehrdienstbeschädigung kann durch ärztliche Behandlung eines Soldaten in einem Bundeswehrkrankenhaus verursacht werden
OLG Koblenz
Die Anspruchsbegrenzung nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 SVG kann auch Ansprüche im Zusammenhang mit der ärztlichen Betreuung eines Soldaten aufgrund eines Wehrdienstverhältnisses umfassen, selbst wenn dieser ausschließlich auf den ärztlichen Behandlungsfehler gestützt werden.

Vergütungsanspruch des Zahnarztes entfällt bei Unbrauchbarkeit der bisherigen Leistungen
LG Münster
Nach ständiger Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, entfällt der zahnärztliche Vergütungsanspruch, wenn und soweit die Behandlung für den Patienten völlig unbrauchbar ist, § 628 Abs. 1 S. 2 BGB.

Anforderungen an einen Anspruch eines Patienten auf Honorarerlass
OLG Dresden
Ein Anspruch eines Patienten auf Honorarerlass oder Entfallen des Honoraranspruches wegen einer (zahn-)ärztlichen Leistung setzt einen vollständigen Interessenwegfall an der Leistung voraus. Ein solcher liegt nicht vor, wenn der Patient die Leistung tatsächlich und gleichwohl nutzt. Der Zahnarzt darf Teile seiner Leistung, namentlich die Anfechtung und Farbwahl eines Zahnimplantates an ein Labor delegieren, soweit er die Hoheit über das Behandlungskonzept behält.

Schmerzensgeld für die behandlungsfehlerhafte Implantation eines Hirnimpulsgenerators
OLG Dresden
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes überwiegt regelmäßig die Ausgleichsfunktion die Genugtuungsfunktion. Bei der Schmerzensgeldbemessung ist zu beachten, dass für vergleichbare Verletzungen möglichst annähernd gleiches Schmerzensgeld zu gewähren ist, weshalb Schmerzensgeldtabellen eine wichtige Bedeutung zukommt. Andererseits sind die in den Tabellen erfassten Fälle keine verbindlichen Präjudizien, vielmehr bilden sie nur den Ausgangspunkt für die gerichtlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung und sind nur im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen. Für die behandlungsfehlerhafte Implantation eines Hirnimpulsgenerators bei einem langjährigen an M. Parkinson leidenden Patienten ist ein Schmerzensgelt in Höhe von 35.000,- Euro gerechtfertigt.

Überprüfung der Äußerungen medizinischer Sachverständiger
OLG Dresden
In Arzthaftungssachen sind Äußerungen medizinischer Sachverständiger kritisch auf ihre Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit zu prüfen. Das gilt sowohl für Widersprüche zwischen einzelnen Erklärungen desselben Sachverständigen als auch für Widersprüche zwischen Äußerungen mehrerer Sachverständiger, selbst wenn es sich dabei um Privatgutachten handelt. Lassen sich derartige Widersprüche auch durch eine ergänzende Anhörung nicht ausräumen, ist ein weiteres Gutachten eines anderen Sachverständigen einzuholen. Nutzt der Patient ein objektiv unbrauchbares Implantat gleichwohl über einen längeren Zeitraum, kann er sich nicht auf den Ausschluss des Vergütungsanspruches des Zahnarztes berufen

Vergütungsanspruch eines Zahnarztes für bereits erbrachte prothetische Leistungen
OLG Dresden
Nach Kündigung eines zahnärztlichen Behandlungsvertrages steht dem Zahnarzt kein Vergütungsanspruch für bereits erbrachte prothetische Leistungen zu, wenn eine Neuanfertigung erforderlich und daher der gefertigte Zahnersatz unbrauchbar ist. Eine Rechnungstellung im Anschluss an die Eingliederung des Zahnersatzes und vor Durchführung von Kontrollterminen stellt keinen Verstoß des Zahnarztes gegen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag dar. Der Zahnarzt ist vielmehr grundsätzlich zur Abrechnung seiner erbrachten Dienstleistungen gem. § 611 Abs. 1 BGB, § 10 GOZ berechtigt, auch wenn und soweit noch Kontrolltermine und gegebenenfalls Nachbesserungen bzw. Anpassungsleistungen hätten stattfinden müssen.

Information durch Arzt nach Ende des Behandlungsvertrages
BGH
1. Der Arzt hat sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden - und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung - Kenntnis erhält, auch wenn diese nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen. Der Arzt, der als einziger eine solche Information bekommt, muss den Informationsfluss aufrechterhalten, wenn sich aus der Information selbst nicht eindeutig ergibt, dass der Patient oder der diesen weiterbehandelnde Arzt sie ebenfalls erhalten hat.
2. Es ist ein (schwerer) ärztlicher Behandlungsfehler, wenn der Patient über einen bedrohlichen Befund, der Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gibt, nicht informiert und ihm die erforderliche ärztliche Beratung versagt wird. Der Arzt hat sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden - und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung - Kenntnis erhält, auch wenn diese nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen. Ihn trifft eine aus dem Behandlungsvertrag nachwirkende Schutz- und Fürsorgepflicht.

Behandlungsfehler bei Weigerung des Patienten
BGH
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird verletzt, wenn die vor Erlass einer Entscheidung vom Gericht gesetzte Frist zur Äußerung objektiv nicht ausreicht, um innerhalb der Frist eine sachlich fundierte Äußerung zum entscheidungserheblichen Sachverhalt und zur Rechtslage zu erbringen.
2. Zur Verneinung eines Behandlungsfehlers wegen Verweigerung der medizinisch gebotenen Maßnahmen durch den Patienten.

Kein Schadensersatz und Schmerzensgeld von deutschem Zertifizierer und französischer Versicherung wegen fehlerhafter Brustimplantate des französischen Herstellers PIP
OLG Karlsruhe
1. Der Bundesgerichtshof hat zu vergleichbaren Sachverhalten bereits entschieden, dass eine Haftung des Zertifizierers wegen der Nichtdurchführung unangekündigter Kontrollen nur dann in Betracht kommt, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Implantate nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen (BGH Urteil vom 22.06.2017, Az.: VII ZR 36/14). Entsprechende Anhaltspunkte konnten - jedenfalls vor der Operation der Klägerin - nicht feststellt werden.
2. In Deutschland mit PIP-Brustimplantaten versorgten Patientinnen steht auch kein Anspruch gegen die französische Versicherung des liquidierten Herstellers PIP zu. Die beklagte französische Versicherung hat in ihrem Vertrag mit der Fa. PIP ihre Haftung wirksam auf Schadensfälle in Frankreich begrenzt. Dies ist europarechtlich nicht zu beanstanden

Aufklärungspflicht gilt nur für im Zeitpunkt der Behandlung bereits bekannte Risiken
BGH
Ein Arzt muss seinen Patienten nur über bekannte Risiken aufklären. War ein Risiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt, besteht insoweit keine Aufklärungspflicht. War es dem behandelnden Arzt nicht bekannt und musste es ihm auch nicht bekannt sein, etwa weil es nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft aber nicht in seinem Fachgebiet diskutiert wurde, entfällt die Haftung des Arztes mangels schuldhafter Pflichtverletzung. Der in erster Instanz siegreiche Berufungsbeklagte darf darauf vertrauen, nicht nur rechtzeitig darauf hingewiesen zu werden, dass und aufgrund welcher Erwägungen das Berufungsgericht der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, sondern dann auch Gelegenheit zu erhalten, seinen Tatsachenvortrag sachdienlich zu ergänzen oder weiteren Beweis anzutreten.

Zurückweisung der Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil im Arzthaftungsprozess
OLG Dresden
Die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung ist nicht auf Verfahrensfehler beschränkt. Auch verfahrensfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen sind für das Berufungsgericht nicht bindend, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind. Für konkrete Anhaltspunkte, die in einem Arzthaftungsverfahren Zweifel an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung wecken sollen, reicht es nicht aus, dass der Kläger der medizinischen Auffassung eines erstinstanzlich bestellten Gerichtssachverständigen seine eigene entgegenstellt. Erforderlich ist vielmehr, dass er entweder ein Privatgutachten vorlegt oder medizinische Fundstellen oder Leitlinien benennt, die für seine Behauptung streiten. Wird ein solches Privatgutachten nicht vorgelegt und fehlt es auch im Übrigen an Anhaltspunkten dafür, dass das Gutachten in sich widersprüchlich oder der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig ist, kommt eine Wiederholung der Beweisaufnahme nicht in Betracht.

Keine Rückwirkung der Verjährungshemmung bei Wiederaufnahme abgebrochener Verhandlungen
BGH
Werden bereits nicht fortgesetzte und deswegen als abgebrochen anzusehende Verhandlungen wieder aufgenommen, kommt eine rückwirkende Hemmung durch die neuen Verhandlungen auf den Zeitpunkt der ersten Verhandlung nicht in Betracht. Für eine Rückwirkung der Hemmung unter wertenden Gesichtspunkten oder bei einem engen zeitlichen Zusammenhang besteht schon kein Bedarf, weil bei Vorliegen besonderer Umstände auch bei längeren Zeiträumen zwischen den Kontakten zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten nicht von einem das Verhandlungsende bewirkenden Einschlafen auszugehen ist. Im Übrigen muss die Frage, wie die Zeiträume zwischen beendeten und wiederaufgenommenen Verhandlungen verjährungsrechtlich zu bewerten sind, in beiden Fällen des Verhandlungsendes aus systematischen Gründen gleich beantwortet werden, also sowohl in dem Fall, dass Verhandlungen endgültig abgelehnt werden, als auch in dem Fall, dass sie einschlafen. Ein nachvollziehbarer Grund, eingeschlafen und ausdrücklich abgebrochene Verhandlungen bei der Bewertung ihrer Wiederaufnahme unterschiedlich zu behandeln, ist nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber wollte eingeschlafene und abgelehnte Vergleichsverhandlungen im Rahmen des § 203 BGB gleich behandeln.

Fixierung psychisch kranker Untergebrachter
BVerfG
1. a) Die Fixierung eines Patienten stellt einen Eingriff in dessen Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 GG) dar.
b) Sowohl bei einer 5-Punkt- als auch bei einer 7-Punkt-Fixierung von nicht nur kurzfristiger Dauer handelt es sich um eine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG, die von einer richterlichen Unterbringungsanordnung nicht gedeckt ist. Von einer kurzfristigen Maßnahme ist in der Regel auszugehen, wenn sie absehbar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unterschreitet.
2. Aus Art. 104 Abs. 2 Satz 4 GG folgt ein Regelungsauftrag, der den Gesetzgeber verpflichtet, den Richtervorbehalt verfahrensrechtlich auszugestalten, um den Besonderheiten der unterschiedlichen Anwendungszusammenhänge gerecht zu werden.
3. Um den Schutz des von einer freiheitsentziehenden Fixierung Betroffenen sicherzustellen, bedarf es eines täglichen richterlichen Bereitschaftsdienstes, der den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr abdeckt.

Zulässigkeit der Behandlung eines Kindes mit einem nur für Erwachsene zugelassenen Schmerzmittel
OLG Dresden
Bei der Behandlung eines Kindes ist der "off label use" eines Schmerzmedikaments, das nur für Erwachsene zugelassen ist, zulässig, wenn in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen Konsens über dessen voraussichtlichen Nutzen besteht. Unter Umständen kann dann sogar die Nichtverwendung des off label einzusetzenden Medikamentes, das Mittel der Wahl ist, grob fehlerhaft sein. Auch bei einer unzureichenden Aufklärung über schwerwiegende Nebenwirkungen eines Medikaments trägt der Patient die Darlegungs- und Beweislast, dass der von ihm behauptete Körperschaden auf der Einnahme beruht. Treten infolge der Behandlung mit einem Schmerzmedikament kurzzeitige Nebenwirkungen auf, so kann es auch bei unzureichender Aufklärung gerechtfertigt sein, hierfür einen Anspruch auf Schmerzensgeld zu versagen.

 

Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht
OLG Dresden
Grundsätzlich hat der aufklärungspflichtige Arzt nachzuweisen, dass er die von ihm geschuldete Aufklärung erbracht hat. Der Hinweis auf das Risiko einer Re-Operation reicht für eine Aufklärung "im Großen und Ganzen" aus. Eines Hinweises darauf, dass die Gefahr eines Fehlschlags der Primäroperation besteht, bedarf es nicht. Der Patient muss nur "im Großen und Ganzen" über Chancen und Risiken der Behandlung aufgeklärt werden. Nicht erforderlich ist die exakte medizinische Beschreibung der in Betracht kommenden Risiken in allen denkbaren Stoßrichtungen, sondern nur, dass dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt wird, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Vor der Behandlung einer Thoraxwandhernie ist auch nicht darüber aufzuklären, dass die Gefahr einer Dislokation des eingesetzten Prolenenetzes besteht.

Haftung eines Gynäkologen für die fehlerhafte gynäkologische Behandlung einer Mutter
OLG Hamm
Auch im Falle einer nach den Mutterschaftsrichtlinien nicht gebotenen Untersuchung müssen aus den dabei erhobenen Befunden die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Zeigt sich im Rahmen dieser Untersuchung ein pathologischer Befund, muss hierauf ebenso schnell wie bei einer nach den Mutterschaftsrichtlinien gebotenen Untersuchung reagiert werden. Dies kann wiederum nur dadurch sichergestellt werden, dass auch insoweit eine zeitnahe Erstsicht auf grobe Pathologien durch eine kompetente Person gewährleistet ist. Wenn nichtärztliches Personal das CTG abnimmt, das nicht dahingehend geschult und instruiert ist, ein eindeutig pathologisches CTG zu erkennen und dem niedergelassenen Gynäkologen zur Kenntnis zu bringen, muss eine zeitnahe Erstsicht des Gynäkologen persönlich sichergestellt sein, um auf mögliche pathologische Befunde rechtzeitig reagieren zu können. Gerade im Hinblick darauf, dass das CTG eine Momentaufnahme des kindlichen Zustandes darstellt, ist die Durchführung dieser Untersuchung nur dann sinnvoll, wenn auch eine zeitnahe Reaktion auf etwaige Pathologien gewährleistet ist.

Ärztliche Aufklärungspflicht über gleichwertige Behandlungsmethode
OLG Hamm
Obgleich primär die Ärzte die Wahl der Behandlungsmethode treffen, sind gleichwertige echte Behandlungsalternativen immer darzustellen, um dem Patienten in diesen Fällen nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung darüber zu überlassen, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will. Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erfordert dabei eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten. Vor einer minimalinvasiven TASH-Behandlung (Transkoronare Ablation der Septumhypertrophie) kann über eine Myektomie als gleichwertige Behandlungsmethode aufzuklären sein. Dabei kann es nicht genügen, die Myektomie nur als ultima ratio darzustellen.

Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht
OLG Dresden
Grundsätzlich hat der aufklärungspflichtige Arzt nachzuweisen, dass er die von ihm geschuldete Aufklärung erbracht hat. Der Hinweis auf das Risiko einer Re-Operation reicht für eine Aufklärung "im Großen und Ganzen" aus. Eines Hinweises darauf, dass die Gefahr eines Fehlschlags der Primäroperation besteht, bedarf es nicht. Der Patient muss nur "im Großen und Ganzen" über Chancen und Risiken der Behandlung aufgeklärt werden. Nicht erforderlich ist die exakte medizinische Beschreibung der in Betracht kommenden Risiken in allen denkbaren Stoßrichtungen, sondern nur, dass dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt wird, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Vor der Behandlung einer Thoraxwandhernie ist auch nicht darüber aufzuklären, dass die Gefahr einer Dislokation des eingesetzten Prolenenetzes besteht.

Haftung eines Gynäkologen für eine ungewollte Schwangerschaft
OLG Hamm
Weist ein Gynäkologe eine Patientin auf die begrenzte Aussagekraft des AMH-Wertes hin und unterlässt die Frau nach Bekanntwerden eines AMH-Wertes von weniger als 0,1 die weitere Empfängnisverhütung, haftet der Gynäkologe nicht für eine spätere ungewollte Schwangerschaft der Frau. Ein Patient kann von seiner Klinik aufgrund des Behandlungsvertrags nur dann Auskunft über Namen und Anschriften der behandelnden Ärzte verlangen, wenn er ein berechtigtes Interesse an diesen Daten nachweist. Auch muss die Klinik den Patienten nicht bei Recherchen unterstützen, durch die der Patient sich erst die Beschaffung von über die Dokumentation hinausgehender Informationen zu möglichen Behandlungsfehlern erhofft.

Abwarten anstelle einer relativ indizierten Operation als echte Behandlungsalternative
OLG Dresden
Es ist es zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten geboten, ihn über die Alternative zwischen einer konservativen Behandlung und einer Operation aufzuklären, wenn konservative Methoden eine echte Wahlmöglichkeit darstellen, weil sie zumindest gleichwertige Chancen, aber unterschiedliche Risiken in sich bergen. In gleicher Weise stellt das bloße Abwarten eine echte Behandlungsalternative dar, über die aufgeklärt werden muss, wenn die Operation nicht dringlich ist und zumindest ähnliche Chancen in sich birgt. Das Risiko, bei einer Operation eine Gefühlsminderung im Versorgungsgebiet eines Nerves zu erleiden, ist mit dem Hinweis auf die Möglichkeit von "Nervverletzungen" ausreichend beschrieben. Bei einer Kombinationsoperation (hier: Débridement einer Kreuzbandruptur und Entfernung einer Bakerzyste) ist es nicht erforderlich, über Operationsrisiken, die bei jedem der Eingriffe auch isoliert auftreten können, mehrfach aufzuklären.

Keine Aufklärungspflicht des Arztes über spezielle sozialrechtliche Fragen
OLG Köln
Weder aus § 630 c BGB noch aus anderer Rechtsgrundlage folgt eine Verpflichtung des Arztes, den Patienten, dessen Arbeitsunfähigkeit er zu bescheinigen hat, über sozialrechtliche Voraussetzungen und Zweifelsfragen zu informieren, die sich im Zusammengang mit lückenloser bzw. rückwirkender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellen.

Notwendige Risikoaufklärung über mögliche Komplikationen einer Knieprothesen-Operation
OLG Frankfurt am Main
Einem zu operierenden Patienten muss im Rahmen der Eingriffsaufklärung eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werden. Er muss "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dies bedeutet nicht, dass die Risiken in allen erdenkbaren Erscheinungsformen aufgezählt werden müssen. Etwaige verbale Risikobeschreibungen wie "gelegentlich", "selten" oder "sehr selten" in ärztlichen Aufklärungsbögen müssen sich nicht an den Häufigkeitsdefinitionen des Medicial Dictionary for Regulatory Activities (MedDRA), die in Medikamentenbeipackzetteln Verwendung finden, orientieren. Ein Herunterspielen von Operationsrisiken ist nicht darin zu sehen, dass in dem Aufklärungsbogen die Rede davon ist, es könne im Laufe der Zeit "gelegentlich" zu einer Lockerung der Prothese kommen.

Kein Anspruch auf Unterhaltszahlung für ungewolltes Kind bei Verletzung der Pflicht zur therapeutischen Beratung und Information
OLG Koblenz
1. Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs im Zusammenhang mit der Geburt eines nicht gewollten Kindes.
2. Wegen der Geburt eines Kindes erhobene Ansprüche auf Unterhaltsleistungen beziehen sich auf eine Verletzung der Pflicht zur therapeutischen Beratung und Information, nicht aber darauf, dass sich echte Risiken, nämlich schädliche Folgen des Eingriffs realisiert haben. Insofern kommt es nicht darauf an, ob die eigenständig zu bewertenden Anforderungen an die Aufklärung über den Eingriff und dessen Risiken gewahrt wurden.
3. Die vertragliche Beratungspflicht zum Versagensrisiko einer Kupferspirale bezieht sich auch auf die Verdeutlichung der Möglichkeit eines Misserfolgs. Die statistische Häufigkeit hierzu muss grundsätzlich nicht vermittelt werden; dies kann Nachfragen überlassen bleiben.

 

Durchführung eines Probezugs bei Chirotherapie an der Wirbelsäule; Dokumentationspflicht der Probemanipulation
LG Baden-Baden
1. Voraussetzung einer Chirotherapie an der Wirbelsäule ist die Durchführung eines Probezugs. Die Manipulation an der Wirbelsäule und der Probezug stehen in einem inneren Zusammenhang und werden gemeinsam ausgeführt.
2. Es besteht keine separate Dokumentationspflicht für einen Probemanipulation. Auch ist eine Dokumentation für einen Nachbehandler nicht mit einem Erkenntnisgewinn verbunden.

Pflichten des als Belegarzt operierenden Gynäkologen beim "Bridging"
OLG Frankfurt
Ein als Belegarzt operierender Gynäkologe, dem mitgeteilt wird, die Patientin befinde sich zurzeit in der Umstellung von Marcumar auf Heparin (sog. Bridging), ist nicht verpflichtet, sich von dessen tatsächlicher Durchführung zu überzeugen, wenn die OP kein besonderes Blutungsrisiko mit sich bringt (hier: Ausschabung der Gebärmutter).

Schadensersatzsansprüche bei mangelhafter Aufklärung über Risiken einer LASIK-OP
OLG Koblenz
Ein körperlicher Eingriff in Form einer Operation ist nicht von der Einwilligung des Patienten gedeckt, wenn er nur unzureichend über die Risiken aufgeklärt wurde. Im Rahmen der Aufklärung kann eine schriftliche Patienteninformation das ärztliche Aufklärungsgespräch allenfalls bei Routineeingriffen ersetzen. Vor einer Lasik-Operation muss der Augenarzt über das Risiko einer erheblichen und dauerhaften Verschlechterung des Sehvermögens bis hin zur Erblindung mündlich aufklären. Bespricht der Arzt allerdings lediglich die am häufigsten vorkommenden Komplikationen wie Entzündungen, Über- oder Unterkorrektur und Narbenbildung ohne das Risiko der erheblichen Verschlechterung des Sehvermögens zu erwähnen, so fehlt es an einer wirksamen Einwilligung des Patienten.

Fehlende Bescheidung eines Feststellungsantrages im Urteil
BGH
Hat das Erstgericht über einen vom Kläger gestellten Feststellungsantrag nicht entschieden und diesen Antrag auch nicht in den Tatbestand seines (unvollständigen) Urteils aufgenommen und hat der Kläger weder Tatbestandsberichtigung noch Urteilsergänzung beantragt, ist die Rechtshängigkeit der Klage, soweit sie Gegenstand des übergangenen Antrags gewesen ist, mit dem Ablauf der Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO entfallen. Hat der Kläger den vom Erstgericht übergangenen Feststellungsantrag in der Berufungsinstanz erneut gestellt und damit sein Feststellungsbegehren durch zulässige Klageerweiterung wieder in den Prozess eingeführt, kann über diesen Antrag in der Sache nur das Berufungsgericht selbst entscheiden.

Keine Haftung des Krankenhauses bei Sturz auf unbegleitetem Toilettengang
OLG Hamm
Eine Klinik haftet nicht für den Sturz einer Patientin bei einem Toilettengang, wenn die Patientin die Toilette alleine und ohne mögliche Hilfestellungen des Pflegepersonals aufsucht.

Darlegungs- und Beweiserleichterungen für geschädigten Patienten bei "voll beherrschbarem Risiko"
OLG Schleswig
Darlegungs- und Beweiserleichterungen für einen geschädigten Patienten unter dem Gesichtspunkt des "voll beherrschbaren Risikos" greifen bereits dann, wenn ein minimales Restrisiko verbleibt oder theoretisch bleiben könnte, dass ein für die Herzkatheteruntersuchung verwendetes technisches Gerät auch bei Intaktheit und richtiger Bedienung nicht richtig funktioniert (hier: Luft in der Spülleitung).

Keine überzogenen Anforderungen an Nachweis einer Risikoaufklärung durch den Arzt
OLG Naumburg
An den Nachweis einer erfolgten Aufklärung des Patienten dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Im Zweifel ist den Angaben des Arztes zu glauben, dass eine Risikoaufklärung erfolgt ist, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und einiger Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht worden ist. Darüber hinaus setzt dies weiter voraus, dass unstreitig oder nachgewiesen ist, dass zwischen dem Arzt und dem Patienten ein Gespräch stattgefunden hat, in dem über den Eingriff gesprochen wurde.

Anforderungen die Sicherung eines Schlaganfallpatienten vor einem Sturz aus dem Bett
OLG Köln
Bei einem Schlaganfallpatienten auf einer neurologischen Notfallstation, bei dem keine weiteren konkreten Anhaltspunkte für eine Eigengefährdung bestehen (etwa Agitiertheit, Uneinsichtigkeit, Bettflüchtigkeit), ist es nicht behandlungsfehlerhaft, wenn besondere Sicherungsmaßnahmen gegen einen Sturz (wie Bettgitter, Bauchgurt oder elektronische Überwachung) unterbleiben. Die Sicherung eines Patienten durch ein Bettgitter, auch wenn es nur auf der einen Seite erfolgt, stellt sich als freiheitsbeeinträchtigende Maßnahme dar, die nach dem klaren Willen des Gesetzgebers bei länger andauernden oder regelmäßig stattfindenden Maßnahmen besonderer Zurückhaltung und ausdrücklicher Einwilligung des betroffenen Patienten (ggf. seines Betreuers und richterlicher Genehmigung) bedarf. Es ist daher anerkannt, dass nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Patienten solche Maßnahmen in Betracht kommen und dabei strikt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird.

Substantiierungslast eines Patienten im Arzthaftungsprozess bei vorliegendem Sachverständigengutachten
OLG Naumburg
Der Patient ist in einem Arzthaftungsprozess für die behaupteten Behandlungsfehler darlegungspflichtig. Da der vermeintlich negative Ausgang einer Behandlung nicht stets auf einem Fehler des Arztes beruhen muss, verbietet es sich, von einem Körper- oder Gesundheitsschaden auf eine Pflichtverletzung des Arztes zu schließen, so dass allein das Misslingen der Heilbehandlung für einen Fehlerverdacht nicht ausreichend ist. Liegt bereits ein Sachverständigengutachten vor, das einen Behandlungsfehler verneint und nach dem sich ein dem Eingriff innewohnendes nicht voll beherrschbares Risiko verwirklicht hat, trifft den Patienten eine Substantiierungslast. Er muss sich mit dem Gutachten auseinander setzen und konkrete Behandlungsfehler des Arztes mindestens im Groben bezeichnen. Allein die Unterzeichnung eines Aufklärungsbogens durch den Patienten beweist für sich allein nicht, ob der Patient ihn gelesen und verstanden hat, oder dass der Inhalt mit ihm erörtert wurde.

Bei Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers des Arztes kein Feststellungsinteresse
OLG Koblenz
Teilt der Haftpflichtversicherer der Behandlungsseite dem geschädigten Patient mit, dessen künftige ereignisbedingte materielle Ansprüche blieben ebenso vorbehalten wie künftige ereignisbedingte immaterielle Ansprüche für den Fall einer nicht vorhersehbaren wesentlichen Verschlechterung im Sinne der BGH-Rechtsprechung, diesen Erklärungen komme die Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteiles zu, liegt darin trotz fehlender notarieller Beurkundung ein ausreichendes Anerkenntnis. Dieses lässt ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage des Patienten entfallen. Solche Erklärungen des Haftpflichtversicherers können ein befriedigendes Anerkenntnis dessen darstellen, was der Patient in Bezug auf die von ihm erhobenen Ansprüche verlangt und zum Gegenstand seines Feststellungsbegehrens macht.

Widersprüche in Sachverständigengutachten müssen im Arzthaftungsprozess von Amts wegen geklärt werden
BGH
1. In Arzthaftungsprozessen hat der Tatrichter die Pflicht, Widersprüchen zwischen Äußerungen mehrerer Sachverständiger von Amts wegen nachzugehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, auch wenn es sich um Privatgutachten handelt.
2. Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so darf der Tatrichter den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt.
3. Das Fehlen der Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme begründet die Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist. Diese Vermutung entfällt weder deshalb, weil in der Praxis mitunter der Pflicht zur Dokumentation nicht nachgekommen wird, noch deshalb, weil die Dokumentation insgesamt lückenhaft ist.

Keine Pflicht zur Aufklärung über Schlaganfallrisiko während einer Implantatbehandlung
OLG Köln
1. Es stellt keinen Behandlungsfehler in Form eines Übernahmeverschuldens dar, wenn ein niedergelassener Zahnarzt mit dem Schwerpunkt „Implantologie" einen 4- bis 5-stündigen Eingriff in Lokalanästhesie durchführt, bei dem 9 Implantate in den Oberkiefer eingesetzt werden sollen, sofern keine Umstände vorliegen, die eine stationäre Behandlung zwingend gebieten.
2. Ein anästhesiologisches „Stand by" ist bei Patienten der Risikostufe 1 (nach der Klassifikation der American Society of Anesthesiologists" bei einem solchen Eingriff nicht geboten.
3. Über das äußerst seltene Risiko, einen Schlaganfall während einer Implantatbehandlung zu erleiden, muss der Implantologe nicht aufklären.

Reichweite der Verantwortlichkeit des aufklärenden Arztes
BGH
1. Auch der Arzt, der einen Patienten ausschließlich über den von einem anderen Arzt angeratenen und durchzuführenden Eingriff aufklärt, kann dem Patienten im Falle einer fehlerhaften oder unzureichenden Aufklärung aus unerlaubter Handlung haften.
2. Zur Reichweite der Verantwortlichkeit des aufklärenden Arztes.

Verursachungs- und Verschuldensbeitrag zweier Hebammen im Zusammenhang mit einer Hausgeburt
OLG Köln
Hat eine Hebamme eine andere Hebamme im Rahmen einer Urlaubsvertretung bei einer Hausgeburt vertreten und sind beiden grobe Behandlungsfehler zur Last zu legen, die für die nachgeburtliche Hyperbilirubinanämie und anschließende Enzephalopathie des Geschädigten ursächlich sind, kann der Verursachungs- und Verschuldensbeitrag der die Hausgeburt betreuenden Hebamme den der anderen Hebamme vollständig überwiegen.

Zur Kürzung des Schmerzensgeldanspruchs bei Vorschädigung
OLG Hamm
Eine Vorschädigung führt nicht in jedem Fall zur Kürzung des Schmerzensgeldanspruchs. Ob und gegebenenfalls in welchem Maße eine Vorschädigung den Anspruch mindert, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei darf nicht allein im Wege einer Zukunftsprognose darauf abgestellt werden, ob sich der Gesundheitszustand zu einem späteren Zeitpunkt auch ohne den Unfall verschlechtert hätte (hier: Einbau einer Kniegelenksendoprothese unfallunabhängig 2-3 Jahre später wegen Arthrose). Von wesentlicher Bedeutung ist vielmehr, ob der Verletzte vor der schädigenden Handlung trotz der Vorschädigung beschwerdefrei war.

Berufshaftpflichtversicherung der Zahnärzte: Kein Versicherungsschutz für Erfüllungsschäden
OLG Zweibrücken
1. Dienen die Ansprüche des Patienten gegen seinen Zahnarzt lediglich seinem Erfüllungsinteresse, wie die Kosten für die Nachbehandlung als Erfüllungssurrogat, so sind sie gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b Abs. 3 vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Bei dieser Schadensposition handelt es sich nicht um Verlangen nach Schadensersatz neben, sondern statt der Leistung des Zahnarztes, die dieser nicht wie geschuldet erbracht haben soll. Dass dem Zahnarzt kein ärztlicher Behandlungsfehler vorgeworfen wird, sondern eine Verletzung der ihn treffenden Aufklärungspflicht, ist dabei unerheblich.
2. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Die Berufung ist nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen worden.

Aufklärungsversäumnis vor alternativlosem Legen eines zentralen Venenkatheters; Thrombosetherapie bei einem Patienten bei dessen Ablehnungshaltung gegen Bluttransfusionen aus religiösen Gründen
OLG Koblenz
1. Muss wegen einer nekrotisierenden Pankreatitis in erheblichem Maße Flüssigkeit zugeführt werden und stellt das Legen eines peripheren Zugangs keine echte Behandlungsalternative dar, ist die unterbliebene Aufklärung über das Risiko einer Thrombose bei Legen eines zentralen Venenkatheters nicht haftungsrelevant, wenn angesichts der Alternativlosigkeit dieser Maßnahme von einer hypothetischen Einwilligung auszugehen ist.
2. Bei Thromboseverdacht ist die Verabreichung von niedrig dosiertem Heparin alternativlos, wenn sich eine Vollantikoagulation mit Marcumar® oder Xarelto® im Hinblick auf das bei einer Pankreatitis bestehende lebensbedrohliche Blutungsrisiko verbietet, dem im konkreten Behandlungsfall nicht mit der Gabe von Fremdblut hätte begegnet werden können, weil der Patient eine solche Maßnahme aus religiösen Gründen ablehnte.

Thromboseprophylaxe kann bei einem teilmobilen Patienten im Einzelfall verzichtbar sein
OLG Koblenz
Waren an einer stationären Krankenhausbehandlung Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen beteiligt, muss der Patient im Arzthaftungsprozess darlegen, welches konkrete Fehlverhalten er jedem einzelnen Arzt zur Last legt. Pauschale Hinweise auf vermeintliche Organisationsmängel und/oder Verstöße gegen Kontroll- und Überwachungspflichten sind unzureichend. Orthopädische Beschwerden der Lendenwirbelsäule erfordern auch bei einem stationären Krankenhausaufenthalt nicht zwingend eine medikamentöse oder mechanische Thromboseprophylaxe, falls der Patient teilmobil ist und außer einer Adipositas keine weiteren Risikofaktoren bestehen. Maßgeblich ist die Befundlage des jeweiligen Einzelfalls. Bei einer grundsätzlich vorhandenen Mobilität des Patienten kann die Gabe medikamentöser Thrombosehemmer oder die Applikation von Kompressionsstrümpfen verzichtbar sien.

Eine total extraperitoneale Hernioplastik (TEPP/TEP) ist gegenüber einer trans- abdominellen präperitonealen Hernioplastik (TAPP) mit geringeren, allerdings anderen Risiken behaftet
OLG Koblenz
Gibt es zur Behandlung eines Leistenbruchs verschiedene Methoden mit deutlich unterschiedlichen Risiken und Chancen, muss der Patient darüber aufgeklärt werden, damit er eigenverantwortlich entscheiden kann, auf welches Risiko er sich einlassen will. Nur wenn der Arzt nach Darstellung des Für und Wider eine konkrete Empfehlung erteilt, die unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen medizinischen Fakten im Rahmen des Vertretbaren liegt, ist die Aufklärung nicht zu beanstanden. Eine total extraperitoneale Hernioplastik (TEPP/TEP) ist gegenüber einer trans- abdominellen präperitonealen Hernioplastik (TAPP) mit geringeren, allerdings anderen Risiken behaftet. Daher muss ein Patient über beide Methoden auch dann aufgeklärt werden, wenn die alternativ in Betracht kommende im jeweiligen Krankenhaus nicht praktiziert wird.

Darstellung von Operationsrisiken in einer dem Laien verständlichen Weise vor OP notwendig
OLG Koblenz
Vor einem operativen Revisionseingriff an einem bereits mehrmals voroperierten und zuletzt prothetisch versorgten Kniegelenk wegen eines mechanischen Prothesenproblems mit Schmerzsymptomatik hat der Arzt gegenüber dem Patienten eine Risikoaufklärung vorzunehmen. Die Risiken des Eingriffs sind nicht mit medizinischen Fachbegriffen, sondern in einer dem Laien verständlichen Weise darzustellen. Die Gefahr einer Arthrofibrose nach einer Kniegelenksoperation ist durch den Hinweis hinreichend umschrieben, dass Funktions- und Bewegungseinschränkungen auftreten können und die Gefahr von Verkalkungen in benachbarten Muskeln besteht, die zu erheblichen Bewegungseinschränkungen führen können und langdauernde krankengymnastische oder operative Nachbehandlungen erfordern.

Mögliche Beweiserleichterung für einen Patienten bei Missachtung von Hygienestandards
OLG Koblenz
Macht ein Krankenhauspatient eine Verletzung von Hygienestandards durch den Krankenhausträger geltend, so kommen dem Patienten Erleichterungen in der Darlegung und Beweisführung nur zugute, wenn gesichert ist, dass die Infektion ihren Ursprung in einem von der Krankenhausträger hygienisch voll beherrschbaren Bereich gehabt hat und bei Einhaltung der Hygieneerfordernisse vermeidbar gewesen wäre. Auch die Behauptung, auf erste Anzeichen der Infektion sei eine unverzügliche zielführende Befunderhebung unterblieben, bewirkt keine Beweislastumkehr zu Lasten der Behandlungsseite, wenn ein positives Ergebnis der unterbliebenen Befundung nicht hinreichend wahrscheinlich ist.

Keine Haftung einer Frauenärztin wegen fehlerhaft nicht erkannter Schwangerschaft, falls ein Schwangerschaftsabbruch zwar straflos aber rechtwidrig gewesen wäre
OLG Oldenburg
1. Ein Schadensersatzanspruch gegen einen Frauenarzt, dem vorgeworfen wird, eine Schwangerschaft fehlerhaft nicht erkannt zu haben, kann nicht damit begründet werden, die Patientin hätte bei zutreffendem Befund von der Möglichkeit einer Abtreibung nach § 218a Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht, denn diese Form der Abtreibung (sog. Fristenlösung) ist zwar straflos, bleibt aber rechtswidrig.
2. Beruft sich die Klägerin erstmals im zweiten Rechtszug darauf, dass bei ihr die Voraussetzungen einer medizinisch indizierten Abtreibung nach § 218a Abs. 2 StGB vorgelegen hätten und sie von dieser Möglichkeit bei zutreffendem Befund durch den Frauenarzt Gebrauch gemacht hätte, ist das Vorbringen regelmäßig nach § 531 ZPO im Berufungsrechtszug nicht mehr zu berücksichtigen.

Befundsicherungs- und Dokumentationspflicht bei abhanden gekommenen Bissmodell
OLG Köln
Geht ein von einem Zahnarzt gefertigtes Bissmodell verloren, so ist eine Verletzung einer Befundsicherungs- oder Dokumentationspflicht nicht gegeben. Ein Zahnarzt ist nicht verpflichtet, Modelle aufzubewahren, um eine ordnungsgemäße Nachbehandlung durch ihn oder einen Dritten zu gewährleisten.

Nachweisproblematik zahnmedizinischer Behandlungsfehler bei einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD)
OLG Köln
Eine fehlerhafte Veränderung des Bisses lässt sich nicht allein daraus ableiten, dass bei der betroffenen Person Schmerzen im Bereich der Kiefergelenke und der Kaumuskulatur aufgetreten sind. Eine dieser Symptomatik zugrunde liegende craniomandibuläre Dysfunktion kann unterschiedliche Ursachen haben. Ob der behandelnde Arzt den Biss fehlerhaft verändert und die Okklusion fehlerhaft ausgeführt hat, lässe sich konkret nicht mit Sicherheit beweisen.

Hygieneanforderungen bei intraartikulären Punktionen und Injektionen
OLG Köln
Der ärztliche Standard gebietet es nicht, dass vor einer artikulären Injektion die Kleidung zu wechseln ist. Das Ablegen der üblichen Kleidung und das Anziehen zweckmäßiger Schutzkleidung werden in der Leitlinie "Hygienemaßnahmen bei Intraartikulären Punktionen und Injektionen" nicht für jede Injektion, sondern nur für den Fall einer Kontaminationsgefährdung des Arztes empfohlen. Da ein unterbliebener Kleidungswechsel daher nicht als grober Behandlungsfehler zu werten ist, ist ein Nachweis, dass dieser für Komplikationen ursächlich geworden ist, nicht zu führen.

Umfang der Haftung eines Zahnarztes für fehlerhafte prothetische Versorgung
OLG Köln
Erweist sich eine von einem Zahnarzt angefertigte und eingegliederte prothetische Versorgung als unbrauchbar, so kann der Patient das hierfür gezahlte Honorar zurück verlangen. Unbrauchbar ist eine Zahnprothese dann, wenn eine Bisserhöhung im Seitenzahnbereich um 2 bis 3 mm vorgenommen wurde, ohne deren Auswirkungen, insbesondere die Aufhebung der Okklusion der Front- und Eckzähne, ausreichend lang durch eine Aufbissschiene oder ein Provisorium auszutesten. Eine therapeutische Bisserhöhung muss ungeachtet der durchgeführten Funktionsdiagnostik über einen längeren Zeitraum erprobt und ausgetestet werden, bevor die definitive Versorgung eingegliedert wird, weil es letztlich darauf ankommt, ob der Patient sie individuell toleriert. Der Haftung des Zahnarztes steht nicht entgegen, dass der Patient zwischendurch schmerz- und beschwerdefrei war, nachdem wiederholt Einschleifmaßnahmen erfolgt waren.

Zur Kürzung des Schmerzensgeldanspruchs bei Vorschädigung
OLG Hamm
Eine Vorschädigung führt nicht in jedem Fall zur Kürzung des Schmerzensgeldanspruchs. Ob und gegebenenfalls in welchem Maße eine Vorschädigung den Anspruch mindert, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei darf nicht allein im Wege einer Zukunftsprognose darauf abgestellt werden, ob sich der Gesundheitszustand zu einem späteren Zeitpunkt auch ohne den Unfall verschlechtert hätte (hier: Einbau einer Kniegelenksendoprothese unfallunabhängig 2-3 Jahre später wegen Arthrose). Von wesentlicher Bedeutung ist vielmehr, ob der Verletzte vor dem Unfall trotz der Vorschädigung beschwerdefrei war.

Anlass zur Anhörung eines gerichtlich bestellten medizinischen Sachverständigen
BGH
Für die Frage, ob die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des von ihm erstatteten Gutachtens geboten ist, kommt es nicht darauf an, ob das Gericht noch Erläuterungsbedarf sieht oder ob zu erwarten ist, dass der Gutachter seine Auffassung ändert. Weiter ist unerheblich, ob das schriftliche Gutachten Mängel aufweist. Die Parteien haben zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für wesentlich erachten, in einer mündlichen Anhörung stellen können. Dabei kann von der Partei, die einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, nicht verlangt werden, dass sie die Fragen, die sie an den Sachverständigen zu richten beabsichtigt, im Voraus konkret formuliert. Es genügt, wenn sie allgemein angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht.

Amtswegige Aufklärung von Widersprüchen zwischen ärztlichen Gutachten
BGH
1. Der Tatrichter hat in Arzthaftungssachen die Pflicht, Widersprüchen zwischen Äußerungen mehrerer Sachverständiger von Amts wegen nachzugehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, auch wenn es sich um Privatgutachten handelt.
2. Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so darf der Tatrichter den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt.
3. Das Fehlen der Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme begründet die Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist. Diese Vermutung entfällt weder deshalb, weil in der Praxis mitunter der Pflicht zur Dokumentation nicht nachgekommen wird, noch deshalb, weil die Dokumentation insgesamt lückenhaft ist.

Verdienstausfall unter Berücksichtigung der voraussichtlichen beruflichen Entwicklung (hier: einer Krankenschwester)
OLG Frankfurt
1. Zu dem zu ersetzenden Schaden gehört gemäß § 252 S. 1 BGB auch ein Verdienstausfall der Klägerin. Dieser ist unter Heranziehung von § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO zu ermitteln. Ist die voraussichtliche berufliche Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis zu beurteilen, muss der Geschädigte zwar soweit wie möglich konkrete Anhaltspunkte für die erforderliche Prognose dartun. Doch dürfen insoweit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn das haftungsauslösende Ereignis den Geschädigten zu einem Zeitpunkt getroffen hat, als er noch in der Ausbildung oder am Anfang seiner beruflichen Entwicklung stand und deshalb noch keine Erfolge in der von ihm angestrebten Tätigkeit nachweisen konnte. Soweit sich keine Anhaltspunkte ergeben, die überwiegend für einen Erfolg oder einen Misserfolg sprechen, liegt es nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Grundlage die weitere Prognose der entgangenen Einnahmen anzustellen und den Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen; verbleibenden Risiken kann durch gewisse Abschläge Rechnung getragen werden.

Eingeschränkte Überprüfung der Höhe des Schmerzensgeldes in der Berufungsinstanz
OLG Frankfurt
Die Überprüfung des Schmerzensgelds in der Berufungsinstanz ist nicht auf eine Überprüfung von Rechtsfehlern beschränkt. Vielmehr hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie für zwar vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das Berufungsgericht darf es nicht dabei belassen zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen bemüht hat.

Haftung des Zahnarztes wegen verfrühtem Einsatz von Zahnersatz bei noch nicht abgeschlossener Schienentherapie
Oberlandesgericht Hamm
Ein Zahnarzt, der nach einer Therapie mittels Protrusionsschienen provisorischen Zahnersatz verfrüht eingliedert, handelt grob fehlerhaft und haftet der betroffenen Patientin auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld, entschied das Oberlandesgericht Hamm.
Es sah als erwiesen an, dass der Beklagte die Klägerin provisorisch prothetisch versorgt habe, obwohl die Position ihres Unterkiefers durch die Schienentherapie noch nicht ausreichend gesichert gewesen sei. Ein grober Behandlungsfehler liege vor, weil die zu fordernde halbjährige Beschwerdefreiheit so deutlich unterschritten worden sei, dass sich ein Scheitern der zahnärztlichen Bemühungen geradezu aufgedrängt habe. Der Beklagte hafte daher für die bei der Klägerin eingetretenen Schäden einschließlich ihrer Folgewirkungen, weil er den Gegenbeweis mangelnder Kausalität nicht geführt habe.

Arzthaftung wegen Nichtabklärung einer Blutgerinnungsstörung (Beweislastumkehr)
Oberlandesgericht Hamm
Es stellt einen sog. Befunderhebungsfehler dar, wenn vor einer Operation (Hüftimplantation) eine Blutgerinnungsstörung nicht abgeklärt wird, obwohl die anamnestischen Angaben und die pathologischen Blutwerte hierzu Veranlassung geben.
Wird eine Blutungsstörung präoperativ nicht behandelt, ist das ein grober Behandlungsfehler, weil dies aus objektiver Sicht nicht verständlich ist und einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Zugunsten der Patientin greift dann eine Beweislastumkehr. Der behandelnde Arzt trägt die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei einer zweckmäßigen Alternativbehandlung - präoperative Befunderhebung und Gerinnungstherapie - eingetreten wäre.

Der Honoraranspruch des Zahnarztes kann auch bei mangelhafter Prothetik bestehen
Landgericht Berlin
Das Landgericht Berlin hat einem Zahnarzt trotz Behandlungsabbruchs und Verlustes des angefertigten Zahnersatzes durch eine Patientin einen vollen Honoraranspruch zugesprochen und damit die Abweisung seiner Honorarklage in erster Instanz revidiert.
In der Zahnersatz-Fertigung, so hatte das Amtsgericht ausgeführt, sei ein werkvertragliches Element des Behandlungsvertrages zu sehen. Weil die durch ihn für die Beklagte angefertigten Brücken offenbar verlustig gegangen seien, habe er keinen Beweis dafür erbringen können, dass zum Zeitpunkt der (provisorischen) Eingliederung der Zahnersatz mangelfrei angefertigt war.
Dem Landgericht zufolge hat der Zahnarzt lediglich für die technische Anfertigung des Zahnersatzes nach werkvertraglichen Grundsätzen einzustehen. Hierzu gehörten nicht die von der Beklagten behaupteten angeblichen Schwierigkeiten der Okklusion, der Größe der neu gestalteten Zähne und des Zungenbisses, da diese zum Bereich der Planung und Gestaltung in Erfüllung des Dienstvertrages zählten. Daher sei der Honoraranspruch in voller Höhe entstanden. Denn die Dienstleistung des Zahnarztes könne bereits durch Eingliederung einer herausnehmbaren Prothetik erbracht und fällig sein, wenn - wie im entschiedenen Fall - nach dem Parteiwillen keine feste Eingliederung gewünscht war bzw. ist. Eine spätere Ausgliederung des Zahnersatzes auf Patientenwunsch und aus Kulanz stehe dem nicht entgegen.

Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro nach fehlerhafter Schulteroperation
Oberlandesgericht Hamm
Dem OLG Hamm zufolge erscheint für den Funktionsverlust der linken Schulter nach einer nicht indizierten fehlerhaften Operation ein Schmerzensgeld von 50.000,- Euro angemessen. Bei der Bewertung als grober Behandlungsfehler kann auch berücksichtigt werden, dass die gewählte Operationsart nicht die Methode der Wahl war und selbst fehlerhaft durchgeführt worden ist.

Das OLG verurteilte eine Klinik zur Schmerzensgeldzahlung und Zahlung künftigen Schadenersatzes. Die Durchführung einer offenen Schultergelenksoperation bei der Klägerin habe gegen den ärztlichen Standard verstoßen. Indiziert sei ein endoskopischer Eingriff gewesen. Eine fehlerhafte Durchführung der Operation habe zur Zerstörung des Schulterdachs bei der Klägerin geführt, weswegen diese massive Einschränkungen im täglichen Leben erfahre. Zudem habe sie deswegen eine Vielzahl weiterer Eingriffe über sich ergehen lassen müssen.

In erster Instanz war der Klägerin lediglich ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,- zugebilligt worden.

Zur ärztlichen Aufklärungspflicht im Nachgang einer Sterilisation
Oberlandesgericht Hamm
Das OLG Hamm hat die Abweisung der Arzthaftungsklage eines Ehepaares bestätigt, bei dem es nach der Operation zur Sterilisation der Frau zu einer ungewollten Schwangerschaft gekommen ist. Die Beweislast für eine Verletzung der Informationspflicht in Bezug auf die Möglichkeit einer erneuten Schwangerschaft nach einer Sterilisation liege bei der Patientin, so das Gericht. Daher müsse im Arzthaftungsverfahren sicher feststehen, dass der Hinweis auf die Versagerquote nach der Operation unterblieben ist.

Dem OLG zufolge sei kein Nachweis erfolgt, dass dem beklagten Arzt Fehler bei der Wahl der Operationsmethode und/oder der Operationsdurchführung unterlaufen sind. Daraus, dass offenbar ein Fimbrientrichter der Klägerin nur zum Teil entfernt worden ist, könne kein kausaler Behandlungsfehler hergeleitet werden; die Schwangerschaft sei auch nicht zwangsläufig hierauf zurückzuführen.

Auch einen Aufklärungsfehler sah das Gericht nicht. Den Beweis dafür, dass der Beklagte gegen seine Informationspflicht in Bezug auf die Notwendigkeit weiterer Verhütungsmaßnahmen auch nach der Sterilisation bei dem Wunsch nach 100%-igem Schutz vor einer Schwangerschaft verstoßen hat, sei nicht erbracht worden. Vielmehr habe ein Zeuge glaubhaft bestätigt, die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, dass bei der Sterilisation naturwissenschaftlich kein 100%-iger Schutz vor einer neuen Schwangerschaft bestehe.

Zur Aufklärungspflicht eines Arztes bei drohender Paravasation
Oberlandesgericht Koblenz
Kann sich nach brusterhaltender Entfernung eines Mammakarzinoms das Erfordernis einer Chemotherapie ergeben, muss der Arzt nicht bereits vor dem Ersteingriff darüber aufklären, dass es unter der Chemotherapie zu einem Paravasat kommen kann.

Die Aufklärung eines mit der ärztlichen Terminologie nicht vertrauten Patienten ist von medizinischen Fachausdrücken freizuhalten und in für den Laien verständlicher Sprache zu führen. Daher ist es unschädlich, dass der Arzt den Fachbegriff „Paravasat" bei der Aufklärung nicht benutzt hat.

Unterlassene Sicherungsaufklärung: Arzt zur Zahlung von knapp 160.000 Euro verurteilt
Oberlandesgericht Köln
Das OLG Köln hat einem an Krebs erkrankten Patienten wegen fehlender Sicherungsaufklärung ein Schmerzensgeld von 150.000 Euro sowie den Ersatz von Behandlungskosten zugesprochen.

Der Kläger hatte bei seinem Internisten eine allgemeine Gesundheitsüberprüfung mit Krebsvorsorge durchführen lassen, wobei eine Koloskopie unterblieb. Später wurde anderenorts ein großes Adenokarzinom diagnostiziert und stationär entfernt; eine umfangreiche Krebsbehandlung mit Entfernung wesentlicher Teile von Lunge, Leber und Galle und Chemotherapien schloss sich an.

Die befassten Gerichte stellten einen groben Behandlungsfehler fest: Ein unterbliebener Hinweis auf eine für den Patienten indizierte Behandlung oder - wie hier - auf eine notwendige diagnostische Abklärung stelle sich als Behandlungsfehler in Form einer verletzten Sicherheitsaufklärung dar. Es gehöre zu den Behandlungspflichten eines Arztes, dem Patienten die notwendigen therapeutischen Sicherheitshinweise zu erteilen. Dazu zählen die zur Sicherstellung eines Behandlungserfolgs notwendigen Schutz- und Warnhinweise, aber auch die Hinweise, die zur Vermeidung möglicher Selbstgefährdung dienen.

Misslungene Herzkatheteruntersuchung: 60.000 Euro Schmerzensgeld für Patientin
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Dem Schleswig-Holsteinischen OLG zufolge gehen Zweifel bei der Feststellung der Fehlerquelle im Rahmen des Einsatzes technischen Geräts bei einer Herzkatheteruntersuchung zu Lasten des Arztes.

Im Zuge einer solchen Untersuchung war es bei der Klägerin aufgrund einer Luftembolie aus der Spülleitung zu einem Verschluss des linken Koronarsystems mit elektromechanischer Entkopplung und zu einem Infarktgeschehen im Hirn rechts gekommen. Sie musste reanimiert werden. Es wurde eine rechtshirnige Ischämie mit beinbetonter linksseitiger Hemiparese festgestellt.

Ihre Haftungsklage hatte in zweiter Instanz Erfolg. Auch wenn ein minimales Restrisiko verbleibe, dass das Gerät selbst bei richtiger Bedienung und Intaktheit nicht hundertprozentig funktioniere, sei die Rechtsfigur des „voll beherrschbaren Risikos" anwendbar, die zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten führt, so das OLG. Der Arzt habe nicht dargelegt, alle technischen Risiken ausgeschlossen zu haben.

Keine Haftungsrelevanz von Aufklärungsversäumnissen bei fehlender Behandlungsalternative
OLG Koblenz
Der Arzthaftungssenat des OLG Koblenz geht in einer sehr weitreichenden Entscheidung davon aus, dass bei alternativlosen ärztlichen Handlungen (Legen eines zentralen Venenkatheters, Gabe von Heparin - bei Fremdblutgabe verweigerndem Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis) Aufklärungsversäumnisse keine Haftungsrelevanz entfalten, da wegen der Alternativlosigkeit der Maßnahmen von einer hypothetischen Einwilligung auszugehen sei.

Schulterdystokie eines Säuglings begründet Haftung des Arzt für Folge-OP und Krankengymnastik
Oberlandesgericht Oldenburg
Das OLG Oldenburg hat einen Arzt zur Zahlung von 11.000 Euro Schadenersatz verurteilt, weil er in der Schlussphase einer Geburt „eine Schulterdystokie entweder nicht erkannt oder nicht ordnungsgemäß auf diese reagiert" hat. Wer bei einem Verdacht auf Makrosomie unter der Geburt eine Schulterdystokie nicht erkenne bzw. er trotz Erkennens der Dystokie nicht die notwendigen Maßnahmen ergreife, begehe einen groben Diagnose- bzw. groben Behandlungsfehler, so das Gericht.
Bei Personenschäden seien die Kosten solcher Heilbehandlungsmaßnahmen zu ersetzen, die aus medizinischer Sicht eine Heilung oder Linderung versprechen; die erforderlichen Heilbehandlungsmaßnahmen müssten nicht zwingend mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung deckungsgleich sein, sondern könnten darüber hinausgehen.

Diagnoseirrtum in der Notfallambulanz nicht unbedingt ein Behandlungsfehler
Oberlandesgericht Koblenz
Ein Diagnoseirrtum, der objektiv auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen sein kann, darf nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden. Daher haftet die in der Notfallambulanz eines Krankenhauses tätige Fachärztin für Allgemeinmedizin nicht, wenn sie eine nach den Gesamtumständen fernliegende Carbamazepin-Unverträglichkeit naheliegend als Amoxicillin-Unverträglichkeit fehlinterpretiert, weil die Patientin dieses Medikament erst jüngst zusätzlich eingenommen hat.

Beim einfachen Diagnoseirrtum trifft den Patienten die Beweislast, dass der Kausalverlauf nach sofortiger richtiger Diagnose günstiger gewesen wäre.

Arzt haftet für Schmerzen nach fehlerhafter Kronenbehandlung
OLG Hamm
Abstehende Kronenränder (eine Stufe zwischen den natürlichen Zähnen und der künstlichen Krone) entsprechen nicht dem zahnärztlichen Standard. Ein Zahnarzt handelt grob behandlungsfehlerhaft, wenn er einen Patienten ohne ausdrücklichen Hinweis darauf entlässt, dass eine von ihm eingegliederte Brücke nachbesserungsbedürftig ist. Dies entschied das OLG Hamm und verurteilte einen Zahnarzt zu Zahlung von 1.000 € Schmerzensgeld.

Beanstandung unterschiedlicher Fehler in verschiedenen Instanzen: Klage unzulässig
Landgericht Wiesbaden
Verschiedene Behandlungsfehler, die im Rahmen derselben Heilbehandlung in einem unmittelbaren räumlichen, sachlichen und zeitlichen Zusammenhang geschehen, sind keine verschiedenen Streitgegenstände. Dies hat das LG Wiesbaden entschieden und eine in erster Instanz als unbegründet abgewiesene Arzthaftungsklage in zweiter Instanz für unzulässig befunden. Der Kläger hatte sich vor den Gerichten jeweils auf verschiedene Behandlungsfehler berufen.

Allein der Umstand, dass eine Heimbewohnerin im Bereich des Seniorenheims mit ihrem Rollstuhl gegen ein abgestelltes Kraftfahrzeug rollt, indiziert weder eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals noch, dass der allgemeine Zustand des Außengeländes des Heimes ursächlich hierfür war
AG Brandenburg
1. Grundsätzlich ist die Klägerin dafür beweispflichtig, dass ein pflichtwidriges Verhalten des Heimträgers zu dem Schaden geführt hat, das heißt, die Klägerin trägt die Beweislast für die Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung der Beklagten und dem eingetretenen Schaden, denn allein der Umstand, dass eine Heimbewohnerin im Bereich des Seniorenheims mit ihrem Rollstuhl gegen ein abgestelltes Kraftfahrzeug rollt, indiziert weder eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals noch, dass der allgemeine Zustand des Außengeländes des Heimes ursächlich hierfür war.
2. Da Mängel der Sicherung der Örtlichkeit durch die Beklagte - die sie ggf. haftbar machen würde - hier nicht ersichtlich sind, insbesondere die Klägerin hier nicht den Nachweis dafür erbracht hat, dass das Gefälle im Außenbereich vor dem Haupteingang tatsächlich - entgegen den Standards für Pflegeeinrichtungen - mehr als 6% beträgt, ist eine diesbezügliche Pflichtverletzung der Beklagten hier auch nicht erwiesen.
3. Zwar geht es auch hinsichtlich der Frage der Geeignetheit eines Rollstuhls um Risiken aus dem Betrieb des Altenheims der Beklagten, die von der Beklagten und dem dort tätigen Personal voll beherrscht werden müssen . Die Beklagte hat jedoch hier den Beweis erbracht, dass der für die Mobilisierung der Streitverkündeten vorgesehene Rollstuhl grundsätzlich dafür geeignet war, dass mit ihm auch eine unruhige Heimbewohnerin gefahrlos am selbstständigen wegrollen gehindert werden kann.
4. Ob der Rollstuhl für diesen Zweck geeignet war, betrifft zwar eine Frage der Gewähr einwandfreier Voraussetzungen für eine sachgemäße und gefahrlose pflegerische Betreuung.
5. Zudem verpflichtet die Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich nur dazu die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Der Verkehrssicherungspflichtige ist dabei aber nicht gehalten, für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge zu treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Die Maßnahmen müssen nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sein, solche Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßem oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen.
6. Dessen ungeachtet fehlt es hier aber an einer Verletzung der Pflichten, die der Heimleitung und dem Pflegepersonal oblagen. Bei einem Heimvertrag, wie er mit der Aufnahme der Streitverkündeten zustande kam, werden zwar grundsätzlich auch Obhutspflichten und inhaltsgleiche allgemeine Verkehrssicherungspflichten begründet. Dies zunächst vor allem aber zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Heimbewohner, welche so vor Schädigungen geschützt werden sollen.
7. Daneben soll diese Pflicht zwar grundsätzlich auch Dritte vor Schäden bewahren, die ggf. durch die Heimbewohner verursacht werden könnten, jedoch ist diese Pflicht immer beschränkt auf das Erforderliche und das für die Heimbewohner und das Pflegepersonal Zumutbare. Neben der Sicherung des Pflegestandards und einer dem korrespondierenden Qualität des Wohnens und der Betreuung ist Ziel der Pflege zugleich auch die Wahrung der Würde, der Verantwortung und die Förderung der Selbstständigkeit der Heimbewohner (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz). Welchen konkreten Inhalt die Verpflichtung hat, einerseits die Menschenwürde und das Freiheitsrecht eines älteren, ggf. kranken und auf fremde Hilfe angewiesenen, in einem Heim untergebrachten Menschen zu achten und andererseits sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit sowie das Leben und das Eigentum dritter Personen zu schützen, entzieht sich nach der Rechtsprechung schematischer Betrachtung und entscheidet sich auf Grund sorgfältiger Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls.

Patient muss grundsätzlich fehlende Einwilligungsfähigkeit beweisen
OLG Koblenz
Die Einwilligungsfähigkeit (hier: hinsichtlich einer Operation) ist beim erwachsenen Menschen die Regel. Deshalb muss derjenige, der sie in Abrede stellt (hier: der Patient), sein Vorbringen beweisen, sofern die Gesamtschau der unstreitigen medizinischen Fakten nicht eindeutig fehlende Einwilligungsfähigkeit belegt. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass starke Schmerzen die Einwilligungsfähigkeit immer einschränken oder gar aufheben. Auch im Arzthaftungsprozess ist nur über den vom Kläger unterbreiteten Streitstoff zu entscheiden. Führt das Gericht seinerseits einen neuen Aspekt ein, den der Patient sich zu eigen macht, ist insoweit eine besonders kritische Beweiswürdigung unter wertender Gesamtschau aller Umstände des Behandlungs- und Prozessverlaufs geboten.

Behandlungspflichten eines Internisten bei Borrelioseverdacht
OLG Köln
Ist die Diagnose einer Neuroborreliose nicht gesichert, so kann das Unterlassen einer Antibiose auf Verdacht hin jedenfalls nicht als grober Behandlungsfehler im Rechtssinne qualifiziert werden. Eine Inanspruchnahme des beklagten Krankenhausträgers kann dann daran scheitern, dass die Kausalität eines eventuellen Fehlers der Behandler nicht hinreichend sicher festgestellt werden kann, und dass für den Nachweis der Kausalität Beweiserleichterungen für den Patienten weder unter dem Gesichtspunkt des im Rechtssinne groben Behandlungsfehlers noch unter dem Gesichtspunkt des Befunderhebungsmangels in Betracht kommen.

Einbau einer ASR-Hüftprothese stellte im Jahr 2006 noch keinen Behandlungsfehler dar
Oberlandesgericht Saarbrücken
Der Einbau einer sog. ASR-Hüftprothese stellte im Jahr 2006 keinen ärztlichen Behandlungsfehler dar, da zu jenem Zeitpunkt noch nicht bekannt war, dass ASR-Prothesen in Gestalt eines erhöhten Kobalt- und Chromabriebs Gesundheitsrisiken bergen.

Anforderungen an die ärztliche Aufklärung über die Risiken eines Heileingriffs
OLG Köln
Soll bei einer kathetergestützten Operation am Herzen eines Kindes durch Applikation von hochfrequentem Strom eine störende Leitungsbahn verödet werden, so sind die Eltern auch auf das Risiko eines AV-Blocks mit lebenslanger Herzschrittmacher-Notwendigkeit hinzuweisen. Eine nicht gegebene bzw. nicht nachgewiesene Risikoaufklärung kann dazu führen, dass die seitens der Eltern für das Kind erteilte Einwilligung nicht wirksam ist und die Operation sich damit als rechtswidriger Eingriff der Ärzte in die Gesundheit des Kindes darstellt. Kommt es zu einer Schädigung der Hauptleitungsbahn mit lebenslanger Schrittmacher-Notwendigkeit, so stellt sich dies als Verschlechterung des Zustandes dar, wenn das Herz des Geschädgten die reelle Chance bot, irgendwann ohne Schrittmacher und ohne Medikamente auszukommen. Daher ist in der genannten Fallgestaltung auch ein Gesunheitsschaden eingetreten.

Arzthaftung wegen unterbliebener Sicherheitsaufklärung über eine vorsorglich durchzuführende Koloskopie
OLG Köln
Bei einem 57 Jahre alten Patienten, dessen Mutter an Darmkrebs verstorben ist, entspricht es fachärztlichem Standard, auf die Möglichkeit einer Koloskopie zur Abklärung eines Darmkrebsrisikos im Rahmen einer therapeutischen Sicherheitsaufklärung hinzuweisen. Unterlässt der behandelnde Arzt einen solchen Hinweis, stellt sich dies als grober Behandlungsfehler dar. Dieser hat zur Folge, dass der Arzt darlegen und ggfls. beweisen muss, dass eine später eingetretene Darmkrebserkrankung auch bei zum Zeitpunkt der Untersuchung durchgeführter Koloskopie nicht anders verlaufen wäre. Im Falle einer vom Patienten gewünschten Vorsorgeuntersuchung gehört es zu den ärztlichen Pflichten, auf solche Maßnahmen hinzuweisen, die der Arzt selbst nicht durchführen kann oder will, die aber zur Sicherstellung des Erfolges der Vorsorgeuntersuchung vom ärztlichen Standard aus als empfehlenswert oder gar als notwendig angesehen werden.

Haftung eines Zahnarztes wegen abstehender Kronenränder
OLG Hamm
Abstehende Kronenränder (eine Stufe zwischen den natürlichen Zähnen und der künstlichen Krone) entsprechen nicht dem zahnärztlichen Standard. Ein Zahnarzt handelt grob behandlungsfehlerhaft, wenn er einen Patienten ohne ausdrücklichen Hinweis darauf entlässt, dass eine von ihm eingegliederte Brücke nachbesserungsbedürftig ist. Wenn der Patient unangenehme Beeinträchtigungen beim Essen gehabt hat, weil er nicht schmerzfrei hat kräftig zubeißen können, kann ein Schmerzensgeld von 1.000 Euro angemessen sein. Zu berücksichtigen sind hierbei auch durch die Entzündung hervorgerufene Schmerzen, Rötungen, Reizungen und Schwellungen, die behandelt werden müssen. Gegen das Vorhandensein besonders starker Schmerzen kann der Umstand sprechen, dass der Patient erst ca. ein Jahr nach der Versorgung sich erneut beim Zahnarzt wieder vorgestellt hat.

Vergütungsanspruch eines Zahnarztes kann bei Behandlungsfehler ausgeschlossen sein
OLG Hamm
Ein Vertrag über die Sanierung eines Gebisses kann insgesamt als Dienstvertrag über Dienste höherer Art anzusehen sein. Deshalb steht dem Vergütungsanspruch eines Zahnarztes grundsätzlich auch nicht entgegen, dass der Patient den Vertrag gekündigt hat. Einem Zahnarzt steht ein Vergütungsanspruch aber dann nicht zu, wenn er durch ein vertragswidriges Verhalten die Kündigung durch den Patienten veranlasst hat. Dies kann bei einem Behandlungsfehler der Fall sein, etwa wenn eine Brückenkonstruktion mit zahlreichen Mängeln behaftet ist. Ist die geleistete Arbeit des Zahnarztes für den Patienten nicht wieder verwendungsfähig, entfällt auch der Anspruch auf anteilige Vergütung der zahnärztlichen Leistung. Ist die Neuanfertigung des Zahnersatzes geboten, muss der Patient sich nicht mit Nachbesserungsversuchen zufrieden geben.

Arzthaftung kann bei Fehldeutung einer Carbamazepin-Unverträglichkeit ausgeschlossen sein
OLG Koblenz
Grundsätzlich ist zwar das Nichterkennen einer erkennbaren Erkrankung und der für sie kennzeichnenden Symptome als Behandlungsfehler zu werten. Irrtümer bei der Diagnosestellung, die in der Praxis nicht selten vorkommen, sind jedoch oft nicht die Folge eines vorwerfbaren Versehens des Arztes. Die Symptome einer Erkrankung sind nämlich nicht immer eindeutig, sondern können auf die verschiedensten Ursachen hinweisen. Diagnoseirrtümer, die objektiv auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen sind, können deshalb nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden. Daher haftet die in der Notfallambulanz eines Krankenhauses tätige Fachärztin für Allgemeinmedizin nicht, wenn sie eine nach den Gesamtumständen fernliegende Carbamazepin-Unverträglichkeit naheliegend als Amoxicillin-Unverträglichkeit fehlinterpretiert, weil die Patientin dieses Medikament erst jüngst zusätzlich eingenommen hat.

Anforderungen an die Begründetheit einer auf die Ersatzpflicht für zukünftige Schäden gerichteten Feststellungsklage
OLG Frankfurt
Der BGH unterscheidet bei zukünftigen Schäden zwischen der Zulässigkeit der Feststellungsklage, für die lediglich die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts ausreicht, also der Geschädigte bei verständiger Würdigung damit rechnen kann, und der Begründetheit. Ob dafür eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen ist, hat er offen gelassen.

20.000 Euro Schmerzensgeld für nicht gerechtfertigte Bandscheibenersatzoperation
OLG Hamm
Ein Patient kann von einem Krankenhaus 20.000 Euro Schmerzensgeld verlangen, nachdem er im Krankenhaus ohne ausreichende Aufklärung und ohne ausreichende Indikation nach der neueren Methode des Bandscheibenersatzes operiert wurde.

Vitale 66-jährige Krankenhauspatientin muss bei einem Wannenbad grundsätzlich nicht lückenlos überwacht werden
OLG Koblenz
Eine 66-jährige Patientin ohne erkennbare gesundheitliche Probleme bedarf während und nach einem Wannenbad keiner lückenlosen Überwachung und Betreuung, falls sichergestellt ist, dass sie durch Betätigen einer Klingel in Griffnähe das Personal für Hilfestellung herbeirufen kann. Es ist überzogen, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Krankenhauses während der Gesamtdauer des Bades neben der Wanne Sitzwache halten müssten, um eventuellen beim Verlassen der Wanne überraschend auftretenden Kreislaufproblemen durch pflegerische Hilfestellung zu begegnen. Eine derart ausgeprägte Fürsorge, kann gerade von Patienten, die sich zuvor rüstig und vital präsentiert haben, als unangemessen empfunden werden, zumal eine stützende Hilfestellung von einem Nackten auch nicht zwingend akzeptiert wird.

Schmerzensgeld für eine verzögerte Bursitisoperation
OLG Koblenz
Der Arzt (hier: Chirurg) hat die Anamnese umfassend und sorgfältig zu erheben. Dabei ist er auch verpflichtet, bei einem vorbehandelnden Arzt die dort veranlassten Laborbefunde telefonisch zu erfragen. Einfache, aber aussagekräftige Untersuchungen wie Messung der Körpertemperatur und Bestimmung der Blutsenkungsgeschwindigkeit hat er selbst auch dann durchzuführen, wenn er Derartiges für "veraltet" hält. Bleiben einem Arzt infolge seiner Befunderhebungsversäumnisse die Leitsymptome einer floriden Bursitis (Schleimbeutelentzündung) mit sofortiger operativer Interventionspflicht verborgen, führt das zu einer Beweislastumkehr. Daher muss der Arzt beweisen, dass die gravierenden Folgen des um sechs Tage verzögerten Eingriffs bei sofortiger Operation gleichermaßen eingetreten wären. Bei einer verzögerter Bursitisoperation kann ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro angemessen sein, wenn der Heilungs- und Genesungsprozess von erheblichen Belastungen und Einschränkungen geprägt war, zu denen es nicht gekommen wäre, wenn der Arzt unverzüglich operiert hätte.

Unterbliebene Proktoskopie durch einen Chirurgen führt nicht notwendigerweise zu einer Beweislastumkehr
OLG Koblenz
Grundsätzlich muss der Patient die Voraussetzungen eines Behandlungsfehlers und dessen Ursächlichkeit für den geklagten Gesundheitsschaden darlegen und beweisen. Dies gilt sowohl für den Vorwurf eines Diagnosefehlers als auch den eines Fehlers in der Befunderhebung. Sieht ein Arzt von einer unzutreffenden Diagnose ausgehend von weiteren Befunderhebungen ab, so kommt es für die Abgrenzung zwischen Befunderhebungs- und Diagnosefehler darauf an, ob der Schwerpunkt des vorwerfbaren Verhaltens in der fehlerhaften Diagnose oder in der unterlassenen Erhebung weiterer Befunde zur Absicherung der Diagnose liegt. Hat der Chirurg vor Entfernung einer Vaginalfistel von einer sinnvollen, aber nicht hinreichend verlässlichen Untersuchung abgesehen (hier: Proktoskopie) und stattdessen eine aussagekräftige Bildgebung (hier: MRT) veranlasst und außerdem unter der Operation durch Blaufüllung eine Fistelverbindung zum Enddarm ausgeschlossen, lässt sich der Vorwurf eines zur Beweislastumkehr führenden Befunderhebungsversäumnisses nicht auf die unterbliebene Proktoskopie stützen.

Haftung eines Krankenhausträgers für Infektion des Patienten mit multiresistenten Keimen (MRSA)
OLG Koblenz
Für eine Infektion des Patienten mit multiresistenten Keimen haftet die Behandlungsseite (hier: der Träger des betreffenden Krankenhauses) nur, wenn das Schadensereignis aus einem von ihr beherrschbaren Bereich herrührt. Das muss der Patient darlegen und beweisen. Gelingt dies, haftet der Träger des Krankenhauses freilich, solange er nicht in der Lage ist, sich in jeder Hinsicht zu exkulpieren. Eine Abweichung von allgemeinen Hygiene-Vorgaben bedeutet nicht automatisch einen groben Fehler, nämlich einen eindeutigen Verstoß gegen bewährte medizinische Behandlungsregeln oder Erkenntnisse, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er schlechterdings nicht unterlaufen darf. Davon kann im Hygienebereich erst dann ausgegangen werden, wenn offen zutage getretenen Gefahrensituationen nicht begegnet wird.

Darlegungs- und Beweiserleichterungen für geschädigten Patienten bei "voll beherrschbarem Risiko"
OLG Schleswig
Steht fest, dass die Schädigung eines Patienten weder aus einer Sphäre stammt, die - wie z. B. Risiken aus dem eigenen menschlichen Organismus - dem Patienten zuzurechnen ist, noch aus dem Kernbereich des ärztlichen Handelns herrührt, kommt die Anwendung der Rechtsfigur des "voll beherrschbaren Risikos" in Betracht. Darlegungs- und Beweiserleichterungen für einen geschädigten Patienten unter dem Gesichtspunkt des "voll beherrschbaren Risikos" greifen bereits dann, wenn ein minimales Restrisiko verbleibt oder theoretisch bleiben könnte, dass ein für die Herzkatheteruntersuchung verwendetes technisches Gerät auch bei Intaktheit und richtiger Bedienung nicht richtig funktioniert (hier: Luft in der Spülleitung).

Haftung eines Arztes für psychische Folgen der unerwünschten Mitteilung einer Erbkrankheit des anderen Elternteils
BGH
Die Mitteilung belastender Informationen ausgelöste psychische Störungen von Krankheitswert kann eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen. Die Schadensersatzpflicht wird jedoch durch den Schutzzweck der Norm begrenzt. Dass eine schwerwiegende - möglicherweise auch für die Gesundheit der gemeinsamen Kinder relevante - Krankheit eines Elternteils erkannt und dem anderen Elternteil bekannt wird, ist ein Schicksal, das Eltern jederzeit widerfahren kann. Es gehört zu den allgemeinen Lebensrisiken, fällt aber nicht in den Bereich der Gefahren, vor denen § 823 Abs. 1 BGB schützen will. Die Bestimmung bezweckt nicht den Schutz eines sorgeberechtigen Elternteils vor den psychischen Belastungen, die damit verbunden sind, dass er von einer genetisch bedingten Erkrankung des anderen Elternteils und dem damit einhergehenden Risiko Kenntnis erlangt, dass die gemeinsamen Kinder auch Träger der Krankheit sein könnten.

Feststellungsklage kann bei "sehr, sehr geringer" Möglichkeit eines Schadenseintritts unzulässig sein
BGH
Eine auf Ersatz künftigen Schadens gerichtete Feststellungsklage (hier: dass der Vermieter verpflichtet ist, dem Mieter bzw. seinen Kindern alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihm aus der Gesundheitsgefährdung, die durch den Asbestkontakt in den Mieträumen in der Wohnung bereits entstanden sind und/oder als Spätfolgen noch entstehen werden, zu ersetzen) kann unzulässig sein, wenn bei verständiger Würdigung aus der Sicht der Mieter kein Grund besteht, mit einem Schaden "wenigstens zu rechnen". Dies kann der Fall sein, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts zwar minimal über dem allgemeinen Lebensrisiko liegt, jedoch aufgrund der Umstände des Einzelfalls als "sehr, sehr gering" anzusehen ist.

Vermehrte Bedürfnisse" im Sinne von § 843 BGB
LG Wiesbaden
Die Erneuerung einer unfallbedingt notwendigen Zahnprothese ist kein vermehrtes Bedürfnis im Sinne des § 843 Abs. 1 BGB, wenn sie aufgrund einer Zahnwurzelentzündung notwendig ist.

Arzt haftet nicht wegen unerkannter Gasbrandinfektion
OLG Koblenz
Die Erben einer Patientin, die nach Operation eines Oberschenkelhalsbruchs an den Folgen einer unerkannten Gasbrandinfektion verstorben ist, haben auch dann keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die behandelnden Ärzte, wenn nach dem Eingriff starke Schwellungen aufgetreten sind. Allein der Umstand, dass der Behandler die Möglichkeit eines Gasbrands nicht in Erwägung gezogen und die Beschwerden der Patientin unkritisch mit einer Einblutung ins Weichgewebe oder auch einer Thrombose erklärt hat, begründet kein Haftung. Irrtümer in der Diagnosestellung rechtfertigen aus sich heraus nicht den Schluss auf ein schuldhaftes ärztliches Verhalten. Dies gilt insbesondere im Fall, in dem die auftretende Sympotmatik einer Anschwellung die naheliegende Diagnose Einblutung zulässt und eine mögliche Infektion mit Gasbranderregern extrem selten anzutreffen ist.

Keine Haftung eines Krankenhauses für Eigenverletzungen eines Patienten der geriatrischen Abteilung
OLG Koblenz
Sowohl ein Pflegewohnheim als auch ein Krankenhaus mit offenen Stationen hat den Schutz seiner Patienten vor Gefährdungen zu gewährleisten. Gibt es für Patienten, die dort in einem Delirium eingeliefert werden, zu ihrer Sicherung weder technische noch medizinische Standards, kann insbesondere auch wegen anderer Patienten nicht verlangt werden, dass Türen und Fenster verschlossen werden- Daher genügt es zum Schutz eines in der geriatrischen Abteilung liegenden Patienten, wenn dieser alle 15 Minuten kontrolliert wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn es unter der eingesetzten Medikation zu einer Beruhigung kommt und es für eine abstrakte oder konkrete Eigengefährdung keinen akuten Anhalt gibt. Das Krankenhaus haftet in diesem Fall nicht für Verletzungen, die sich ein Patient dadurch zuzieht, dass er nachts aus dem Fenster seines Krankenzimmers springt.

Die Kosten für ein während des laufenden Rechtstreits von einer nicht am Rechtsstreit beteiligten Haftpflichtversicherung eingeholtes und bezahltes Privatgutachten sind keine Kosten des Rechtsstreits
OLG Köln
1. Diese Frage wird allerdings nicht einheitlich beantwortet. Nach weitaus überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur hängt die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten oder etwa Detektivkosten nicht davon ab, dass diese einer Prozesspartei in eigener Person entstanden sind. Dies wird für den Fall vertreten, dass die hinter dieser, am Prozess nicht selbst beteiligte Privathaftpflichtversicherung das Privatgutachten einholt und auch bezahlt. Trotzdem sollen diese Kosten von dem Versicherungsnehmer als Prozesspartei anlässlich der Kostenerstattung oder -ausgleichung geltend gemacht werden können.
2. Dieser Rechtsansicht vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Sie lässt allein aus Gründen der Billigkeit maßgebliche Grundsätze des Kosten- und des Kostenerstattungsrechts außer Acht. Das Kostenrecht ist von dem Grundsatz beherrscht wird, dass nur diejenigen Kosten zugunsten des Gläubigers festgesetzt werden dürfen, die diesem tatsächlich entstanden sind.

Gerichtliche Anordnung der Entbindung eines Arztes von der Schweigepflicht zu Beweiszwecken
BVerwG
Die gerichtliche Anordnung, einen Arzt zu Beweiszwecken von der Schweigepflicht zu entbinden und sich mit der Beiziehung einer früheren ärztlichen Begutachtung einverstanden zu erklären, muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Das gilt insbesondere bei psychischen Erkrankungen. Eine Beweisanordnung ist dann rechtswidrig, wenn sie dem Betroffenen eine unverhältnismäßig weitgehende Entbindung von der Schweigepflicht und ein ebensolches Einverständnis zur Aktenbeiziehung abverlangt. Das Gericht darf die Weigerung eines Angehörigen des Freiwilligen Polizeidienstes hinsichtlich einer umfassenden Schweigepflichtentbindung nicht zum Anlass für die Anwendung der Beweislastregel des § 444 ZPO nehmen, wenn der Betroffene zu einer eingeschränkten Entbindungserklärung bereit war.

Mehrere einfache Behandlungsfehler können in ihrer Gesamtheit als grob fehlerhaft erscheinen
OLG Hamm
Mehrere einfache Behandlungsfehler können in ihrer Gesamtheit als grob fehlerhaft erscheinen. Wird auf eine gebotene Mikroblutuntersuchung des Kindes verzichtet, ist die Entbindung des Kindes schnellstmöglichst zu veranlassen. Wird bei pathologischen CTG-Werten die Geburt verzögert, kann dies als grober Behandlungsfehler zu bewerten sein. Dies ist der Fall, wenn die Vorgehensweise aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil sie einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Eine Beweislastumkehr ist nur dann ausgeschlossen, wenn ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist.

Keine Arzthaftung bei hohem Zweifel an der Schadenskausalität des Vorgehens
OLG Koblenz
Hat sich der Arzt bei der Reposition des Humerus darauf beschränkt, den nervus radialis kontinuierlich zu ertasten und zu umgehen, statt den Nerv zu präparieren und mit einer Schlinge beiseite zu halten, kann darin kein haftungsrelevantes Versäumnis gesehen werden, wenn nach sachverständiger Einschätzung auch unter der weiter greifenden Sicherung mit 10-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Radialisschädigung zu erwarten war und das Versäumnis nicht als grober Behandlungsfehler gewertet werden kann. Das weckt so hohe Zweifel an der Schadenskausalität des Vorgehens des behandelnden Arztes, dass eine Haftung unter diesem Aspekt ausscheiden muss. Anders wäre es nur, wenn ein grober ärztlicher Fehler vorläge, weil sich dann die Beweislast umkehren würde.

Verjährung des Schadenersatzanspruches der Patientenseite; subjektive Voraussetzungen des Verjährungsbeginns infolge einer auf grober Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntnis des Patienten von den beurteilungserheblichen Umständen des Behandlungsgeschehens; Obliegenheit der Patientenseite zur Nutzung leicht zugänglicher Informationsquellen
OLG Bamberg
1. Eine den Verjährungsbeginn auslösende, weil auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis der Gläubigerseite kann auch darin liegen, dass der Gläubiger auf der Hand liegende, leicht zugängliche Informationsquellen, die weiterführende Erkenntnisse über die anspruchsbegründenden Umstände erwarten lassen, nicht genutzt hat. Entsprechendes gilt, wenn von dritter Seite angebotene Erkenntnismöglichkeiten nicht innerhalb angemessener Zeit oder offenkundig nur unvollständig genutzt wurden (Fortführung von BGH NJW 2012, 2644.
2. Eine in diesem Sinne jederzeit zugängliche Informationsquelle stellt auch der Kenntnisstand einer Krankenkasse bzw. Krankenversicherung dar, die sich mit dem versicherten Patienten auf die Überprüfung einer fehlgeschlagenen ärztlichen Behandlung durch einen Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherer (MDK) verständigt hat und dementsprechend die anwaltlich vertretene Patientenseite fortlaufend über den Stand der Angelegenheit unterrichtet.
3. In einem solchen Fall gehört es zu einer obliegenheitsgerechten Umsetzung der Kooperationsvereinbarung, dass die Patientenseite
(1) die ihr zugänglichen Behandlungsunterlagen unverzüglich für die angestrebte Begutachtung zur Verfügung stellt und auch in sonstiger Weise auf eine zügige Erstellung des Gutachtens hinwirkt,
(2) sodann das erholte Gutachten gewissenhaft und in zeitnaher Abstimmung mit der Krankenkasse usw. auswertet sowie
(3) gegebenenfalls eine wiederum zeitnahe Einholung eines Ergänzungsgutachtens veranlasst.
4. Sofern die anwaltlich beratene Patientenseite dagegen schon im Vorfeld der Begutachtung nur schleppend kooperiert hat und nach dem Eingang des für sich genommen aussagekräftigen Erstgutachtens überhaupt untätig geblieben ist, sind die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns jedenfalls ab dem Zeitpunkt erfüllt, in dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge der Eingang des ersten Gutachtens bei der Patientenseite zu erwarten gewesen wäre, wenn sie angemessen kooperiert hätte.
5. Eine im Sinn des § 199 I Nr. 2 BGB hinreichende Kenntnis von einem Fehlverhalten des behandelnden Arztes kann auch durch ein Privatgutachten vermittelt werden, in welchem zwar abschließend das Vorliegen eines Behandlungsfehlers (floskelhaft) verneint, aber im Rahmen der vorausgehenden Würdigung der angewendeten Operationstechnik eindrücklich und allgemein verständlich veranschaulicht wird, dass die Operationsmethode sowohl therapeutisch als auch wegen des (dann auch eingetretenen) Eingriffsrisikos in hohem Maße bedenklich war und zudem - aus eben diesem Grund - eine qualifizierte Aufklärung erfordert hätte.

Zur Bejahung eines abgrenzbaren Teils des Gesundheitsschadens bei Mitverursachung der Gesundheitsverletzung
BGH
1. Die Bindungswirkung eines Grund- und Teilurteils ergibt sich aus § 318 ZPO. Ihr Umfang richtet sich danach, worüber das Gericht wirklich entschieden hat. Dies ist durch Auslegung von Urteilsformel und Entscheidungsgründen zu ermitteln. Eine Bindung an Tatbestand und Entscheidungsgründe tritt insoweit ein, als sie den festgestellten Anspruch kennzeichnen, mithin dessen Inhalt bestimmen.
2. Die Auslegung eines dem angefochtenen Urteil des Berufungsgerichts zugrundeliegenden Grund- und Teilurteils ist vom Revisionsgericht selbstständig vorzunehmen.
3. Ist in einem Haftungsprozess gegen Belegarzt, Krankenhausträger, Hebamme und Kinderschwester wegen schwerster körperlicher und geistiger Schäden eines neugeborenen Kindes wegen eines Postasphyxie-Syndroms mit Subarachnoidalblutung und ZNS-Anfällen ein Berufungsurteil zur "Klarstellung" eines Grund- und Teilurteils ergangen, dem nicht zu entnehmen ist, dass die Beklagten als Gesamtschuldner für die Gesundheitsverletzung in vollem Umfang haften, sondern nur mit Bindungswirkung zu entnehmen ist, dass die Beklagten für die Gesundheitsschäden haften, welche auf postpartalen Pflichtversäumnissen der Beklagten beruhen, die für die Gesundheitsverletzung des Kindes mitursächlich geworden sind, wird dadurch der festgestellte Anspruch gekennzeichnet und mithin dessen Inhalt bestimmt. Infolgedessen ist auch nur insoweit eine Bindungswirkung eingetreten.
4. Hinsichtlich des Umfanges der sich aus der Mitverursachung der Gesundheitsverletzung ergebenden Haftung liegt eine Bindungswirkung nicht vor. Denn bei vernünftigem Verständnis des Grundurteils ist ihm mit Rücksicht auf den bisherigen Prozessverlauf zu entnehmen, dass der Prüfung im Betragsverfahren vorbehalten bleiben sollte, in welchem Umfang die Beklagten wegen ihrer Versäumnisse haften.
5. Das Berufungsgericht konnte die Haftung der Beklagten rechtsfehlerfrei auf einen Haftungsanteil von 20% begrenzen, denn der Behandlungsfehler hat nur zu einem abgrenzbaren Teil des Schadens geführt. Es liegt also eine sogenannte abgrenzbare Teilkausalität vor. Die Beklagten haben nämlich den Nachweis erbracht, dass der größte Teil des Gesundheitsschadens nicht in dem Zeitraum entstanden ist, für den sie schadensersatzpflichtig sind, sondern zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden war. Nach den bindenden Feststellungen des Grund- und Teilurteils ist beim Kläger in den Minuten vor der Geburt am 14. Oktober 1984 ohne eine Pflichtwidrigkeit der Beklagten eine Hirnblutung und damit eine Gesundheitsverletzung eingetreten, die sich bis zur Verlegung am 16. Oktober 1984 in die Kinderklinik weiter ausgebreitet hat. Der - durch das nicht pflichtwidrige Kristellern - verursachte traumatische Schaden ist bereits intra partum irreparabel eingetreten, so dass es auch bei seiner frühzeitigen Feststellung bei der nachgeburtlichen Betreuung und Behandlung nur noch um die postpartale Stabilisierung des Zustands des Klägers ging.

Regressprozess einer Kfz-Haftpflichtversicherung gegen einen Krankenhausträger wegen Fehlbehandlung eines Verkehrsunfallopfers: Schädigung des nervus radialis bei einer operativen Humerus-Reposition; Verjährung des Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs
OLG Koblenz
1. Hat sich der Arzt bei der Reposition des Humerus darauf beschränkt, den nervus radialis kontinuierlich zu ertasten und zu umgehen, statt den Nerv zu präparieren und mit einer Schlinge beiseite zu halten, kann darin kein haftungsrelevantes Versäumnis gesehen werden, wenn nach sachverständiger Einschätzung auch unter der weiter greifenden Sicherung mit 10%-iger Wahrscheinlichkeit eine Radialisschädigung zu erwarten war und das Versäumnis nicht als grober Behandlungsfehler gewertet werden kann.
2. Auch die Verzögerung eines Revisionseingriffs nach Verletzung des nervus radialis ist nicht haftungsrelevant, wenn kein zureichender Anhalt dafür besteht, dass die Schädigung dadurch behoben oder auch nur gebessert werden konnte.
3. Die Verjährung des Gesamtschuldnerausgleichungsanspruchs nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zwischen Kfz.-Haftpflichtversicherer und Arzt, der das Unfallopfer fehlbehandelt haben soll, beginnt erst dann, wenn der Versicherer von der Mithaftung des Arztes Kenntnis erlangt oder die Mitverantwortlichkeit ohne Weiteres hätte erkennen können.
4. Nur für den Beginn der Verjährung des Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB kommt es auf die Kenntnis des Unfallgeschädigten an.

Berufshaftpflichtversicherung eines Zahnarztes: Ausschluss eines Direktanspruchs eines geschädigten Patienten im Falle der Insolvenz des Zahnarztes
AG Regensburg
1. Die Verpflichtung zum Abschluss einer Versicherung i.S.d. §§ 113, 115 VVG (hier: Berufshaftpflichtversicherung für Ärzte) kann nur durch formelles Gesetz und nicht allein durch eine berufsrechtliche Satzung begründet werden.
2. Diese Ermächtigung ist in Bayern erst mit Wirkung zum 1. August 2013 als Art. 18 Abs. 1 Nr. 4 HKG BY geschaffen worden. Dies führt jedoch nicht dazu, dass rückwirkend Direktansprüche auch für bereits vor der Gesetzesänderung bestehende Ansprüche gegen den Versicherten eröffnet würden.
3. Von daher hat ein durch Behandlungsfehler eines Zahnarztes im Jahre 2010 geschädigter Patient keinen Direktanspruch gegen den Versicherer in der Insolvenz des Zahnarztes.

Voraussetzung für eine Übertragung der ärztlichen Eingriffs- und Risikoaufklärung an einen Medizinstudenten im Praktischen Jahr
OLG Karlsruhe
Die ärztliche Aufgabe der Eingriffs- und Risikoaufklärung kann einem Medizinstudenten im praktischen Jahr übertragen werden, wenn sie seinem Ausbildungsstand entspricht und unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes stattfindet. Dies setzt nicht unbedingt voraus, dass der Arzt bei jedem Aufklärungsgespräch anwesend ist

Zum Beginn der Kenntnis eines anwaltlich vertretenen Geschädigten
OLG Saarbrücken
1. Ansprüche eines Patienten verjähren innerhalb von 3 Jahren ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen.
2. Sucht ein Patient, der über die Ordnungsgemäßheit einer ärztlichen Behandlung zweifelt, einen Rechtsanwalt auf und ist das Ergebnis dieser Konsultation ein Anspruch anmeldendes Schreiben an den vermeintlichen Haftungsschuldner, liegt regelmäßig die erforderliche Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.

Zum Beginn der Kenntnis einer wegen eines Behandlungsfehlers regressierenden Krankenkasse
OLG Naumburg
Hat eine Krankenkasse Kenntnis von einem durch die Patientin geführten Prozess, in dem der Vorwurf unterlassener Befunde geltend gemacht wird, und führt sie auch in diesem Zeitraum Verhandlungen mit der hinter den Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung, hat sie die für eine Klageerhebung erforderliche Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Diese erlangt sie nicht erst durch ein in einem weiteren Prozess einer anderen Krankenkasse erstattetes neues Gutachten, welches zu anderen Schlussfolgerungen kommt als der Gutachter im ersten Prozess.

Stundensatz von 14 EUR im Rahmen des Haushaltsführungsschadens ist angemessen
LG Tübingen
Der Stundensatz bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens kann gem. § 287 ZPO der entsprechenden Regelung des JVEG (§ 21 JVEG: 12 EUR bzw. jetzt 14 EUR) entnommen werden.

Leitlinien ärztlicher Fachgremien ersetzen kein Sachverständigengutachten
BGH
Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände dürfen nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Dies gilt in besonderem Maße für Leitlinien, die erst nach der zu beurteilenden medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind. Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den medizinischen Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können aber auch Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten

Kein Feststellungsinteresse bei nur minimal über dem allgemeinen Lebensrisiko liegendem Risiko für einen künftigen Schaden
BGH
Das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse fehlt, wenn eine vertragliche Pflichtverletzung bisher noch nicht zu einer Rechtsgutsverletzung geführt hat und das Risiko des Eintritts eines künftigen Schadens infolge der Pflichtverletzung nur minimal über dem allgemeinen Lebensrisiko liegt und daher sehr gering ist.

Behandlungsfehler kann zu verneinen sein bei Aufnahme und Behandlung einer Schwangeren in einem Krankenhaus der Grundversorgung
BGH
Die Behandlung einer Schwangeren im Jahr 1995 in einem Krankenhaus der Grundversorgung, statt ihr die Aufnahme in einem Perinatalzentrum nahezulegen, kann nur dann als Behandlungsfehler qualifiziert werden, wenn sie dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief.

Schadensersatzanspruch eines Zahnarztpatienten bei fehlerhafter prothetischer Versorgung
OLG Köln
Der durch eine fehlerhafte zahnärztliche Behandlung geschädigte Patient kann entweder die von ihm im Rahmen des Erforderlichen für die Behebung des Mangels aufgewandten Kosten ersetzt verlangen oder bei Unbrauchbarkeit der erbrachten Leistung das geleistete Honorar zurückfordern und zusätzlich die für die Behebung des Mangels aufgewandten Mehrkosten geltend machen. Macht er zunächst das Eine und sodann das Andere geltend, so handelt es sich nicht um einen Haupt- und einen verdeckten Hilfsantrag, sondern um eine Haupt- und eine Hilfsbegründung, so dass kein Teilunterliegen anzunehmen ist.

Keine Haftung des TÜV Rheinland für Zulassung minderwertiger Brustimplantate
OLG Zweibrücken
Der "TÜV Rheinland" als sog. Benannte Stelle im Sinne des europäisch harmonisierten Medizinprodukterechts ist durch minderwertige Silikon-Brustimplantate des französischen Herstellers "Poly Implant Prothese" (Fa. PIP) geschädigten Frauen nach deutschem Recht weder vertraglich noch aus unerlaubter Handlung zum Schadensersatz verpflichtet.

Zu den Aufklärungspflichten vor dem Legen einer PEG-Sonde
OLG Koblenz
1. Der Arzt muss den Patienten vor dem Legen einer PEG-Sonde auch über das Risiko einer durch Sondendislokation hervorgerufenen letalen Peritonitis aufklären. Ist die Behandlungsseite vom üblichen Ablauf vor einem derartigen Eingriff erheblich abgewichen, spricht das auch im Aufklärungspunkt gegen eine Patienteninformation "wie gewöhnlich".
2. Zur (hier bejahten) hypothetischen Einwilligung eines durch ein Karzinom schwerstgeschädigten Patienten, dem die Behandlungsseite durch Entlassung mit der PEG-Magensonde ermöglichen will, die Weihnachtsfeiertage ein letztes Mal zu Hause im Kreis der Familie zu verbringen.

Für die Hallux Valgus - Behandlung gibt es angesichts einer Vielzahl von Operationsverfahren kein einheitliches Behandlungskonzept, so dass die Wahl der Behandlungsmethode grundsätzlich Sache des Arztes ist
OLG Hamm
Die Wahl der Behandlungsmethode ist bei mehreren lege artis bestehenden Möglichkeiten grundsätzlich Sache des Arztes. Unter mehreren gleichwertigen Operationsverfahren darf der Arzt daher diejenige wählen, die er am besten beherrscht. Entscheidet sich der Arzt für das von ihm am besten beherrschte Operationsverfahren, ist er nicht verpflichtet, den Patienten über alternative Operationsverfahren aufzuklären. Für die Hallux Valgus - Behandlung gibt es angesichts einer Vielzahl von 150 - 200 Operationsverfahren kein einheitliches Behandlungskonzept, insbesondere keinen "Goldstandard". Auch unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts wäre der fachunkundige Patient mit einer solchen Auswahl-Entscheidung unter bis zu 200 Operationsverfahren überfordert.

Verzicht auf neurologische Messung der Nervenleitgeschwindigkeit vor Operation eines Karpaltunnelsyndroms nicht behandlungsfehlerhaft
OLG Hamm
Verzichtet der Arzt auf eine neurologische Messung der Nervenleitgeschwindigkeit vor Durchführung einer Operation des Karpaltunnelsyndroms verstößt dies nicht gegen den fachärztlichen Standard und stellt von daher keinen Behandlungsfehler dar. Eine solche Messung ist zwar zum zuverlässigen Nachweis eines Karpaltunnelsyndroms zu empfehlen. Dies jedoch nur, wenn Unsicherheiten im Hinblick auf die Diagnose bestehen. Bei einer eindeutigen Klinik darf unabhängig vom Ergebnis einer neurologischen Messung operiert werden.

Anscheinsbeweis hat in Arzthaftungsprozessen nur geringe Bedeutung
OLG Naumburg
Zwar kann auch in Arzthaftungsprozessen ein Anscheinsbeweis vorliegen. Dies setzt aber - wie in anderen Rechtsgebieten auch - einen typischen Geschehensablauf voraus. Daraus folgt, dass dem Anscheinsbeweis in Arzthaftungsprozessen nur eine geringe Bedeutung zukommt, weil wegen der Verschiedenartigkeit der Abläufe im menschlichen Organismus und dessen oft nicht vorhersehbaren individuellen Reaktionen häufig eben gerade keine Verlaufstypizität festgestellt werden kann. Liegt bei einem Schlaganfallpatienten ein sogenannter stummer Infarkt vor, sodass zunächst gerade keine Symptome ersichtlich sind, besteht auch keine Veranlassung zu irgendeiner Befunderhebung.

Lediglich dringliche Bandscheibenoperation muss nicht sofort durchgeführt werden
OLG Naumburg
Das Unterlassen der Erhebung medizinisch gebotener Befunde kann zu einer Umkehr der Beweislast für die haftungsbegründende Kausalität führen, wenn die versäumte Untersuchung fiktiv mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 % einen so deutlichen und gravierenden reaktionspflichtigen Befund ergeben hätte, dass sich die Nichtreaktion auf diesen Befund als grob fehlerhaft darstellen würde. Bei einem Bandscheibenvorfall hat regelmäßig der operativen Therapie eine konservative Therapie vorauszugehen. Eine Operation ist allerdings dann durchzuführen, wenn die Beschwerden anhalten oder Störungen der betroffenen Nervenwurzelanteile zunehmen oder mit einen Erholung der Nervenwurzel nicht mehr zu rechnen ist. Eine bedrängte Nervenwurzel des Patienten ist dagegen kein Notfall, der eine sofortige Operation erfordert, sondern es besteht lediglich die Dringlichkeit einer Behandlung.

Haftung eines Arztes für unterlassene Lebendspende im Verhältnis Kind-Elternteil kann ausgeschlossen sein
OLG Hamm
Solange es keine ausreichende Anzahl von Organspenden gibt, gelten für das Auswahlverfahren strenge Kriterien. Besteht nach den sogenannten Mailand-Kriterien keine reelle Anmeldemöglichkeit, müssen die behandelnden Ärzte mit den Patienten nicht über eine Transplantation sprechen. Im Falle der Lebendspende eines Kindes an ein Elternteil muss der Arzt nicht darauf eingehen. Sowohl für den Spender als auch für den Patienten gibt ein zu berücksichtigendes Risiko eines Fehlschlagens. Für den Spender liegt das letale Risiko bei 1%. Kein Arzt kann verpflichtet werden, ein tödliches Risiko von 1 % für den - kindlichen - Spender in Kauf zu nehmen. Es ist nachvollziehbar, wenn ein Arzt dieses Risiko bei einem gesunden Menschen nicht eingehen will, weil er ihn nicht tödlich schädigen will. Dies gilt insbesondere dann, falls die sogenannten Mailand-Kriterien nicht vorliegen.

Unbehandelte Blutgerinnungsstörung vor Operation stellt groben Behandlungsfehler dar
OLG Hamm
Ist aufgrund einer präoperativ durchgeführten Anamnese davon auszugehen, dass bei einer Patientin eine Blutgerinnungsstörung vorliegt, so stellt es einen Befunderhebungsfehler dar, wenn vor der geplanten Hüftimplantation die Gerinnungsstörung nicht behandelt wird. Ein solcher Befunderhebungsfehler stellt einen groben Behandlungsfehler dar. Zugunsten der Patientin greift in einem solchen Fall eine Beweislastumkehr, so dass der behandelnde Arzt die Beweislast dafür trägt, dass der Schaden auch bei einer zweckmäßigen Alternativbehandlung im Sinne einer präoperativen Befunderhebung und Gerinnungstherapie eingetreten wäre. Nur bei einem sicheren Auftreten von Nachblutungen in jedem Fall kann sich der Arzt mit Erfolg darauf berufen, dass die eingetretene Gesundheitsbeeinträchtigung der Patientin nicht darauf beruht, dass die erforderliche Therapie unterlassen worden ist, sondern unabhängig davon aufgetreten ist.

Arzt muss nach OP-Eingriff bei Verdacht auf Ischämie sofort Thromboseprophylaxe einleiten
OLG Naumburg
Nach einem operativen Eingriff wegen einer Tibiakopfmehrfragmentfraktur müssen bei Verdacht auf eine komplette oder inkomplette Ischämie von Gliedmaßen eine einfache Blutdruckmessung am Arm und dem betroffenen Bein, eine Doppleruntersuchung, eine Duplexsonographie und eine Angiographie durchgeführt werden. Die Unterlassung dieser Maßnahmen stellt sich als grob behandlungsfehlerhaft dar. In einem solchen Fall haftet der Arzt, wenn sich ein Thromboserisiko verwirklicht und es zur Amputation der betroffenen Gliedmaßen kommt.

Vortrag mangelnder Aufklärung über Behandlungsalternative erst in zweiter Instanz kann prozessual unbeachtlich sein
OLG Koblenz
Hat der Patient in erster Instanz lediglich beanstandet, über ein Operationsrisiko (Arthrofibrose nach Kniegelenksoperation) nicht aufgeklärt worden zu sein, ist die in zweiter Instanz erhobene Rüge, der Arzt habe über eine Behandlungsalternative nicht aufgeklärt, prozessual unbeachtlich, wenn das neue Vorbringen nicht als bloße Konkretisierung des in erster Instanz behaupteten Aufklärungsdefizits angesehen werden kann. Ob ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen neu ist, hängt davon ab, wie allgemein es in erster Instanz gehalten war. Wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert oder erstmals substantiiert, ist es neu, nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird.

Aufklärungspflicht des Schönheitschirurgen über die Risiken und das mögliche Ergebnis einer Brustvergrößerung
LG Essen
Ein Arzt ist insbesondere bei rein kosmetischen Operationen zu einer umfassenden und schonungslosen Aufklärung des Patienten verpflichtet. Wünscht die Patientin eine maßvolle Brustvergrößerung sowie eine Straffung der Brust, so muss der Arzt deutlich darauf hinweisen, dass die von ihm beabsichtigte Methode anstatt des gewünschten Operationsergebnisses auch eine deutlich größere als die gewünschte Brust zum Ergebnis haben könnte, und dass allenfalls mit einer weiteren alternativen Operation möglicherweise das gewünschte Ergebnis zu erzielen sei. Eine ohne diesbezügliche Aufklärung durchgeführte Operation, die zu einer massiven Brustvergrößerung führt, begründet einen Schmerzensgeldanspruch der Patientin in Höhe von 5.000 Euro.

Wirksamkeit einer Einwilligungserklärung bei unangekündigter Operation durch Chefarztvertreter trotz vereinbarter Chefarztbehandlung
OLG Braunschweig
1. Vereinbart der Patient vor einem geplanten Heileingriff gegen zusätzliches Honorar die Behandlung durch den Chefarzt der Klinik, so ist seine Einwilligungserklärung auf die Durchführung der Operation durch den Chefarzt persönlich beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2010, VI ZR 252/08).
2. Wird die Operation in einem solchen Fall durch einen, selbst vorher namentlich aufgelisteten Vertreter des Chefarztes durchgeführt, so ist der Eingriff mangels Einwilligungserklärung gleichwohl rechtswidrig, wenn nicht der Patient zuvor von der - tatsächlich bestehenden und der Behandlungsseite nachzuweisenden - unvorhergesehen Verhinderung des Chefarztes informiert worden ist.
3. Bezahlt ein Patient in einer solchen Situation in dem Wissen, dass sich bei der durch den Vertreter des Chefarztes durchgeführten Operation eingriffspezifische Risiken verwirklicht haben, so liegt in einer Bezahlung der Arztrechnung keine konkludente nachträgliche Billigung der Behandlersubstitution (entgegen OLG Köln, Urteil vom 12. Oktober 1995, 5 U 234/94 = VersR 1997, 115). Dem eine Chefarztrechnung bezahlenden Patienten fehlt regelmäßig das erforderliche Erklärungsbewusstsein, die Durchführung der Operation durch den Vertreter des Chefarztes nachträglich zu genehmigen.
4. Ist die Frage der Stellvertretung - wie hier - in AGB geregelt, ist zur wirksamen Vertreterregelung gemäß § 308 Nr. 4 BGB nur eine solche Klausel zulässig, in der der Eintritt eines Vertreters des Wahlarztes auf die Fälle beschränkt ist, in denen dessen Verhinderung im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung nicht bereits feststeht, etwa weil die Verhinderung (Krankheit, Urlaub etc.) selbst noch nicht absehbar oder weil noch nicht bekannt ist, dass ein bestimmter verhinderter Wahlarzt, auf den sich die Wahlleistungsvereinbarung erstreckt, zu Behandlung hinzugezogen werden muss. Überdies ist eine Stellvertretervereinbarung in AGB nach § 308 Nr. 4 BGB nur dann wirksam, wenn darin als Vertreter der ständige ärztliche Vertreter bestimmt ist. Außerdem muss auch der ständige ärztliche Vertreter in der Vereinbarung namentlich benannt sein (Anschluss an BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007, III ZR 144/07.
5. Sämtliche vorgenannten Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es um einen Honoraranspruch des Arztes oder um einen gegen den Arzt gerichteten behandlungsvertraglichen Haftungsanspruch des Patienten geht.

30.000 € Schmerzensgeld bei Stimmbandlähmung nach Schilddrüsenentfernung
OLG Braunschweig
Für die in der Folge einer Schilddrüsenentfernung erlittene dauerhafte einseitige Stimmbandlähmung ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 € gerechtfertigt.

Haftung behandelnder Ärzte sowie der Krankenhausbetreiber für Aufklärungsmängel im Zusammenhang mit einer Geburt
OLG Hamm
Bei einer stattgefundenen Schulterdystokie ist die Kindesmutter auf das erhöhte Wiederholungsrisiko einer Schulterdystokie hinzuweisen. Ist wegen des Wiederholungsrisikos vom Arzt zu einer Sectio zu raten und entscheidet sich die Schwangere gleichwohl gegen die Schnittentbindung, so muss die Beratung der Kindesmutter ausführlich sein. Der Inhalt dieses Aufkärungsgespräches ist zu dokumentieren. Für die Aufklärung ist allein das ärztliche Personal verantwortlich und nicht die Hebamme. Die behandelnden Ärzte sowie der Krankenhausbetreiber können daher haften, wenn ein Aufklärungsmangel vorliegt, der eine Plexuslähmung des Kindes verursacht hat. Eine fehlende Schnittentbindung kann ein Plexuslähmung verursacht haben.

Ärztliche Aufklärung über Risiko und Erfolgsaussichten eines beabsichtigten Eingriffs erfordert nicht zwingend Prozentangaben
KG Berlin
Eine ordnungsgemäße Aufklärung vor einem ärztlichen Eingriff beinhaltet die Aufklärung "im Großen und Ganzen" über den Verlauf des Eingriffs, die Erfolgsaussichten, die Risiken und die Behandlungsalternativen. Über das Risiko und die Erfolgsaussichten eines beabsichtigten Eingriffs muss nicht zwingend unter Angabe konkreter Prozentzahlen oder Mitteilung evtl. erhobener Statistiken aufgeklärt werden. Vielmehr reicht es aus, wenn dem Patienten mitgeteilt wird, dass die Operation trotz aller ärztlichen Kunst dazu führen kann, dass sich die Beschwerden nicht verbessern, sondern sogar verschlimmern. Zumindest in manchen Fällen kann es allerdings angezeigt sein, dem Patienten genauer mitzuteilen, mit welcher prozentualen Wahrscheinlichkeit der Eingriff zu einem Erfolg führen kann. Der Umfang und die Genauigkeit der geschuldeten Aufklärung über die Erfolgsaussichten eines Eingriffs hängen u.a. davon ab, ob eine absolute Indikation oder "nur" eine relative Indikation für den Eingriff vorliegt. Ferner kommt es auf die Relation zwischen den Risiken den Eingriffs und der Größenordnung der Heilungschance an.

Reparatur des Hüftgelenks unterliegt nicht dem Produkthaftungs- oder Medizinproduktegesetz
KG Berlin
1. Durch den Austausch einzelner Komponenten einer bereits implantierten Prothese wird auch dann kein neues Produkt im Sinne des Produkthaftgesetzes hergestellt, wenn es sich um Komponenten verschiedener Hersteller handelt.
2. Der Arzt wird nicht zum Hersteller eines neuen Produktes; es handelt sich vielmehr um eine Reparatur der Hüftprothetik.
3. Ob ein Verstoß gegen das Medizinproduktegesetz oder die Medizinprodukte-Betreiberverordnung vorliegt, kann nicht isoliert ohne Eingehen auf den ärztlichen Standard gesehen werden.
4. Eine dem ärztlichen Standard entsprechende, behandlungsfehlerfreie Behandlung, die als solche geeignet und notwendig ist, die Gesundheit des Patienten wieder herzustellen, darf nicht allein deswegen versagt werden müssen, weil sich der behandelnde Arzt anderenfalls der Haftung wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften des Medizinproduktegesetzes oder die Medizinprodukte-Betreiberverordnung aussetzen würde.

Schraubeneinbringung ohne Röntgendurchleuchtung grob behandlungsfehlerhaft
OLG Hamm
Die operative Versorgung einer Schultereckgelenksprengung ist grob behandlungsfehlerhaft, wenn die Bohrung für die einzubringende Schraube zu nahe am Gelenk liegt und der Operateur diesen Umstand nicht erkennt, weil er die gebotene intraoperative Bildgebung zur Überprüfung der Bohrung unterlässt.

Pflicht zur engmaschigen Kontrolle bei bestehendem hohen Dekubitusrisiko
OLG Naumburg
1. Bei der Eintragung im Operationsbericht "auf die Durchblutung des rechten Beins achten", bei dokumentierten Ulzera im Fersenbereich, seitlichem Fußbereich, Schienbeinvorderkante und im Bereich der Achillessehne und subjektiven Hinweisen des Patienten auf Schmerzen im Zehen- und Fußbereich sind bloße kurze optisch, taktile Untersuchungen anlässlich der Visite unzureichend. Das Unterlassen weiterer Untersuchungen (CW-Dopplersonographie, farbcodierter Duplexsonographie) ist grob fehlerhaft.
2. Wird beim Patienten ein sehr hohes Dekubitusrisiko festgestellt (Wert von 40 nach der Klassifizierung nach Waterlo) muss dies ein individuelles Lagerungskonzept veranlassen. Dessen Fehlen und der erst am 11. postoperativen Tag erfolgte Einsatz einer Wechseldruckmatratze stellen einen groben Behandlungsfehler dar.

Zulässigkeit selbständiger Beweisverfahren in Arzthaftungssachen
OLG Naumburg
Auch in Arzthaftungsfällen ist im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen zur Vermeidung eines Rechtsstreits möglich. Dabei ergeben sich die möglichen Gegenstände der sachverständigen Feststellungen aus § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO: Zustand des Antragstellers und seiner ggf. prothetischen Versorgung (Nr.1), die Ursachen eines insoweit festzustellenden Mangels oder Schadens (Nr. 2) und der Beseitigungsaufwand (Nr. 3). Weitergehende Feststellungen sind nicht Sache des selbständigen Beweisverfahrens, insbesondere nicht die Vorlage von Behandlungsunterlagen.

Beweisanforderungen an das Aufklärungsgespräch
BGH
1. Das Gericht darf seine Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Risikoaufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und "einiger" Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben.
2. Das unterzeichnete Einwilligungsformular ist - sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht - ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs. 2. Eine Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten zu 1) kommt im gegebenen Fall nicht in Betracht.

Zur Frage der Beweislast, wenn der Schaden durch den Sturz einer Heimbewohnerin oder durch eine anlagebedingte Vorerkrankung entstanden sein kann
OLG Hamm
Ereignet sich der Schadensfall im Rahmen einer Situation, die dem Bereich des so genannten "voll beherrschbaren Risikos" zuzuordnen ist können nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung Beweiserleichterungen für den Geschädigten greifen. Der normale alltägliche Gefahrenbereich im Heim fällt grundsätzlich in die Risikosphäre des Bewohners, der im Schadensfall für die Pflichtverletzung und deren Kausalität darlegungs- und beweisbelastet ist. In einer konkreten Gefahrensituation, die gesteigerte (erfolgsbezogene) Obhutspflichten bezüglich des Heimbewohners auslöst und deren Beherrschung gerade einer speziell dafür eingesetzten Pflegekraft anvertraut ist, greift indes eine Beweislastumkehr analog § 280 Abs. 1 S. 2 n.F. (§ 282 BGB a.F.) ein, so dass sich der Heimträger entlasten muss (vgl. zB. BGH vom 18.12.1990, NJW 1991, 1540).

Aufklärungspflicht des Zahnarztes bei Behandlungsalternativen
OLG Hamm
1. Ein Zahnarzt hat einen Patienten über eine prothetische Versorgung mittels Einzelkronen oder einer Verblockung vollständig aufzuklären, wenn beide Behandlungsmethoden medizinisch gleichermaßen indiziert und üblich sind und wesentlich unterschiedliche Risiken und medizinische Erfolgschancen aufweisen, so dass der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat.
2. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die auch vom erkennenden Senat getragen wird, ist die Wahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes. Gibt es jedoch mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht demnach also eine echte Wahlmöglichkeit für die Patientin, dann muss dieser nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko sie sich einlassen will .
3. Eine solche echte und deshalb mit dem Patienten insbesondere zur Wahrung seines Selbstbestimmungsrechtes zu besprechende Alternative hat hier hinsichtlich einer Herstellung von Einzelkronen im Oberkiefer bestanden. Nach den überzeugenden Erläuterungen des Sachverständigen in seiner erstinstanzlichen schriftlichen Begutachtung und bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat haben Einzelkronen Vorteile gegenüber der Verblockung, weil sie nicht nur ästhetisch ansprechender sind, sondern auch besser - etwa durch den Gebrauch von Zahnseide - zu reinigen sind.

Suizidgefährdung - Unterbringung im 6. Stock - Sachverständigengutachten - § 448 ZPO
KG Berlin
1.. Die Unterbringung im 6. Stock ist bei Suizidgefährdung nicht per se fehlerhaft. Es kommt darauf an, ob von einer akuten Suizidgefährdung ausgegangen werden musste.
2. Allein der Umstand, dass ein Sachverständiger das bisherige Ergebnis seiner schriftlichen Begutachtung in Zweifel zieht kann nicht die Annahme der Verletzung des rechtlichen Gehörs begründen.
3. Sowohl die Parteien als auch das Gericht müssen damit rechnen, das ein Sachverständiger im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu einer anderen Einschätzung kommen kann.
4. Auch das nachvollziehbare Interesse einer Partei an einem Unfallhergang (hier nähere Umstände des Suizids der Ehefrau) rechtfertigt ohne weitere Umstände keine Parteivernehmung nach § 448 ZPO.

Keine Haftung des TÜV für minderwertige Brustimplantate (hier: PIP Implantate)
OLG Zweibrücken
Der „TÜV Rheinland" als sog. Benannte Stelle im Sinne des europäisch harmonisierten Medizinprodukterechts ist durch minderwertige Silikon-Brustimplantate des französischen Herstellers „Poly Implant Prothèse" (Fa. PIP) geschädigten Frauen nach deutschem Recht weder vertraglich noch aus unerlaubter Handlung zum Schadensersatz verpflichtet.

Amtshaftung eines Arztes
BGH
Die ärztliche Heilbehandlung erfolgt regelmäßig nicht in Ausübung eines öffentlichen Amts; eine Amtshaftung kommt in Betracht, wenn der Arzt eine dem Hoheitsträger selbst obliegende Aufgabe erledigt und ihm insoweit ein öffentliches Amt anvertraut ist. Ein Arzt übt nicht deshalb ein öffentliches Amt aus, weil sein Patient im Staatsdienst beschäftigt ist.

Krankenhausträger haftet einem Patienten für Arztfehler eines Konsiliararztes
BGH
1. Erkennt ein Arzt, dass das unklare klinische Beschwerdebild des Patienten umgehend weitere diagnostische Maßnahmen (hier: Hirndiagnostik) erfordert, verschiebt er die wegen unzureichender Ausstattung der Klinik erforderliche Verlegung in ein ausreichend ausgestattetes Krankenhaus aber auf den nächsten Tag, liegt ein Befunderhebungsfehler, nicht aber ein Diagnosefehler vor.
2. Ein Krankenhausträger haftet einem Patienten für Arztfehler eines Konsiliararztes als seines Erfüllungsgehilfen aus Vertrag (§ 278 BGB), wenn der Konsiliararzt hinzugezogen wird, weil es dem Krankenhaus an eigenem fachkundigen ärztlichen Personal mangelt, der Krankenhausträger mit den Leistungen des Konsiliararztes seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Patienten (hier: im Rahmen einer Schlaganfalleinheit) erfüllt und die Honorierung des Konsiliararztes durch den Krankenhausträger erfolgt.

Weite Auslegung des Begriffs der verjährungshemmenden Verhandlungen
OLG Saarbrücken
Der Begriff "Verhandlungen" i.S.v. § 203 S. 1 BGB ist weit auszulegen. Sie werden im Regelfall dadurch initiiert, dass der Gläubiger einen Anspruch geltend macht und klarstellt, worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die die Annahme gestatten, dass der Erklärende sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang einlasse. Demgegenüber ist es nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder die Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder gar Erfolgsaussicht besteht. Verjährungshemmende Verhandlungen über den Anspruch setzen daher nicht voraus, dass die Verhandlungen darauf abzielen, die Ansprüche zu realisieren. Vielmehr kann es im Einzelfall genügen, wenn sich der Anspruchsinhaber Ansprüchen berühmt, um seine Verhandlungsposition in Bezug auf ein anderes Interesse zu stärken.

Wirksame Aufklärung über Herzkatheteruntersuchung durch Medizinstudentin im Praktischen Jahr
OLG Karlsruhe
Wurde eine Patientin vor einer Herzkatheteruntersuchung darauf hingewiesen, dass es dort, wo der Katheter langeschoben wird, zu einer Gefäßverletzung kommen und deshalb gegebenenfalls eine Notoperation erforderlich werden kann, umfasst dieser Hinweis auch die ärztliche Aufklärung über eine tatsächlich eingetretene Dissektion der Arteria femoralis. Eine solche Aufklärung ist nicht als unwirksam anzusehen, wenn sie von einer Medizinstudentin im Praktischen Jahr durchgeführt wurde, da dies einer ärztlichen Aufklärung gleichsteht und alle für eine eigenverantwortliche Entscheidung erforderlichen Kenntnisse vermittelt.

Schadensersatzanspruch nur bei medizinischem Zusammenhang zwischen Hormontherapie und Nierenerkrankung
OLG Hamm
Ein Patient, bei dem nach diagnostizierten Prostatakrebs eine medikamentöse Hormontherapie begonnen wird, kann vom behandelnden Urologen keinen Schadensersatz verlangen, wenn er in der Folge einer bei der Behandlung auftretenden Niereninsuffizienz dialysepflichtig wird und es keinen nachweisbaren medizinischen Zusammenhang zwischen medikamentöser Behandlung und der Nierenerkrankung gibt. Soweit der Patient durch den Einsatz des Medikamentes kurzfristig unter Übelkeit und Müdigkeit litt, stellen auch diese Beschwerden jedenfalls keine relevanten Beeinträchtigungen dar, die ein Schmerzensgeld rechtfertigen würden.

Schadensersatz wegen unterlassener Früherkennungs-Mammographie
OLG Hamm
Ein Frauenarzt haftet auf Schadensersatz, wenn er einer Patientin, bei der in späteren Jahren Brustkrebs diagnostiziert wurde, nicht bereits bei der im Jahre 2008 durchgeführten Krebsvorsorgeuntersuchung zu einem Mammographie-Screening geraten hat. Die unterlassene Beratung kann als grober Behandlungsfehler zu bewerten sein, wenn es der Patientin auf die Minimierung jedweden Brustkrebsrisikos ankam und ihr zudem ein Medikament verordnet wurde, das geeignet war, das Brustkrebsrisiko zu erhöhen.

Verletzung der Blasenwand bei der Operation eines Leistenbruchs einer Dreijährigen kann seltene Komplikation sein
OLG Hamm
Wird bei der Operation eines beidseitigen Leistenbruchs einer Dreijährigen die Blasenwand verletzt und infiziert sich die Patientin nach der Operation mit Noro-Viren, muss kein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegen. Dass es zu einer Eröffnung der Blase gekommen ist, lässt nicht den Schluss auf einen Behandlungsfehler zu. Vielmehr kann es sich stattdessen um eine seltene Komplikation handeln. Es kann fachgerecht sein, den Bruchsack zu eröffnen, um die darin befindlichen Strukturen festzustellen und zu sichern. Dass dabei die Blase eröffnet wird, kann auf einer Verwechslung beruhen, ohne den Vorwurf eines Behandlungsfehlers zu begründen. Eine solche Verwechslung ist nach dem Facharztstandard auch nicht durch präoperative und intraoperative weitergehende Befundungsmaßnahmen zu verhindern

Sachgemäße Aufklärung des Patienten kann unter Umständen durch Schilderung des gewöhnlichen Gesprächsinhalts nachgewiesen werden
OLG Koblenz
Ist der Aufklärungsbogen, der dem Patient vor einer Operation ausgehändigt wurde, abhanden gekommen, kann der beweispflichtige Arzt eine sachgemäße Aufklärung trotz fehlender konkreter Erinnerung durch Schilderung des gewöhnlichen Gesprächsinhalts in derartigen Fällen nachweisen, sofern eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass davon im konkreten Behandlungsfall nicht abgewichen wurde. Maßgeblich ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Eine Aufklärung ist bei einer alternativen Behandlungsmethode erforderlich, wenn sie gleichwertig und damit medizinisch sinnvoll ist und sie sich in ihren Belastungen, Risiken und Chancen unterscheidet. Dann muss dem Patienten die Gelegenheit gegeben werden, selbst zu prüfen, welche der nebeneinander zur Verfügung stehenden Möglichkeiten in seiner persönlichen Situation vorzugswürdig ist.

Haftung eines Zahnarztes für das Einsetzen eines zu großen Implantats - nur eingeschränkte Überprüfung der Angemessenheit eines erstinstanzlich ausgeurteilten Schmerzensgeldes durch das Berufungsgericht
OLG Koblenz
1. Hat der Zahnarzt eine falsche Bezugsebene für die Längenbestimmung gewählt und ein zu großes Implantat eingebracht, was zu 6-tägigen starken Nervenschmerzen und hiernach zu einer dauerhaften Gefühlsbeeinträchtigung im Behandlungsbereich führt, kann ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro angemessen sein. Die, wenn auch nur kurzzeitige, Intensität der Schmerzen sowie die Dauer der - wenn auch geringfügigeren - Beeinträchtigungen durch Gefühlsstörungen bei fortbestehender Ungewissheit über deren Ende begründen die Angemessenheit des Schmerzensgeldes.
2. Dem Gericht kommt bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ein Ermessen zu, da es ein "angemessenes" Schmerzensgeld festzusetzen hat. Der Ermessensspielraum ist auch im Berufungsverfahren zu respektieren.

Nicht indizierte Entscheidung eines Arztes lässt nicht stets den objektiven Zurechnungszusammenhang entfallen
OLG Hamm
Der objektive Zurechnungszusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und Verletzungsfrage (hier: nicht indizierte Entscheidung des Arztes zur Entfernung eines nach vorangegangenem Tritt des Schädigers in den Genitalbereich des Geschädigten verletzten Hodens) wird durch das fehlerhafte Verhalten des behandelnden Arztes nicht unterbrochen, sofern der Arzt nicht in außergewöhnlichem Maß die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht gelassen und gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat. Dem Schädiger werden auch Fehler der Personen zugerechnet, die der Geschädigte zur Abwicklung oder Beseitigung des Schadens hinzuzieht, also grundsätzlich auch Folgeschäden, die während der Behandlung durch ärztliche Kunstfehler entstehen.

Verlegung in eine Klinik der Maximalversorgung ist vor einer Operation nicht stets geboten
OLG Hamm
Eine Duadenalperforation, also ein Durchbruch des Zwölffingerdarms, kann bei einer operativen Entfernung einer Kunststoff-Endoprothese eine eingriffstypische Komplikation darstellen. Gleichwohl erforderte dieser Umstand nicht die Durchführung der Operation in einem Krankenhaus der Maximalversorgung. Kann in einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung bei einer Operation der medizinische Standard gewahrt werden, so muss der Patient nicht darauf hingewiesen werden, dass diese Operation auch von einem Krankenhaus der Maximalversorgung durchgeführt werden kann. Eine Verlegung in eine Klinik der Maximalversorgung ist vor einer Operation nur dann geboten, wenn absehbar ist, dass der medizinische Standard in der Klinik der Grund- und Regelversorgung nicht eingehalten werden kann.

Schmerzensgeld für einen Patienten wegen Gesundheitsschäden nach einer Operation am Handgelenk (CRPS)
OLG Hamm
Wird nach der Operation eines Handgelenksbruchs (distale Radiusmehrfragmentfraktur) ein fortbestehender zentraler Defekt der Gelenkfläche unzureichend behandelt und die Kompression des Mittelarmnervs (Nervus medianus) zu spät erkannt, können hierdurch bedingte Gesundheitsschäden ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro rechtfertigen. Die aus einem (hier bejahten) groben Behandlungsfehler resultierende Beweislastumkehr erfasst nur Primärschäden mit ihrem konkreten Ausprägungen sowie typische Sekundärschäden. Handelt es sich bei einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (Complex Regional Pain Syndrom, CRPS) um einen erlebnisfernen Verarbeitungsprozess, dessen Entstehung und Verlauf ungeklärt sind, so lässt sich nicht feststellen, dass das CRPS eine konkrete Ausprägung eines Behandlungsfehlers darstellt, erst recht nicht, dass sich um einen typischen daraus resultierenden Sekundärschaden handelt.

Abstöpseln einer Infusion ohne vorherige Desinfektionsmaßnahmen stellt groben Behandlungsfehler dar
OLG Hamm
Einem Krankenhauspatienten stehen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung zu, wenn er mit MRSA-Keimen (multiresistenten Staphylokokken) infiziert wurde und feststeht, dass das Abstöpseln einer bei ihm gelegten Infusion ohne vorherige Desinfektionsmaßnahmen erfolgt ist. In einem solchen Fall liegt ein grober Behandlungsfehler vor, der hinsichtlich der Kausalität zu einer Beweislastumkehr führt, sodass die Ursächlichkeit angesichts der Eignung, den Schaden herbeizuführen, nicht in Frage gestellt werden kann. Soweit die Infektion zu schwerwiegenden Komplikationen geführt und langandauernde ärztliche Behandlungen erforderlich gemacht hat, ist insbesondere bei einhergehender Arbeitsunfähigkeit ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro angemessen.

Grober Behandlungsfehler bei Unterlassen einer Vitalitäts- und Perkussionsprüfung an schmerzenden Zähnen
OLG Hamm
Unterlässt ein Zahnarzt bei einer Schmerzpatientin die Vitalitäts- und Perkussionsprüfung der betroffenen Zähne, macht er sich eines groben Befunderhebungsfehlers schuldig. Denn diese Art der Befunderhebung gehört zum elementaren Praxiswissen eines Zahnarztes. In einem solchen Fall haftet für die längere Leidenszeit der Patientin und den Verlust von Zähnen, die eine Neuversorgung im Oberkiefer erforderlich gemacht haben.

Arzt muss den Patienten über echte Behandlungsalternativen aufklären
OLG Hamm
Die Wahl der Behandlungsmethode ist zwar primär Sache des Arztes. Gibt es indessen mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, dann muss diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will. Die Pflicht zur Selbstbestimmungsaufklärung ist in gleicher Weise Nebenpflicht des Behandlungsvertrags wie Ausfluss der Garantenstellung des Arztes. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn eine Operation durch eine konservative Behandlung vermieden werden kann.

Keine Beschränkung der Einwilligung auf Durchführung einer Leistenoperation durch Chefarzt bei Vertreterregelung
OLG Hamm
Hat ein Krankenhauspatient einen Zusatzvertrag über eine Chefarztbehandlung abgeschlossen, der die übliche Vertreterregelung für den Fall der Verhinderung des Wahlarztes enthält, kann er sich im Nachhinein nicht auf die Beschränkung der Einwilligung auf die Durchführung einer Leistenoperation durch den Chefarzt berufen. In einem solchen Fall muss das Krankenhaus auch nicht über die Verhinderung des Chefarztes informieren. Selbst wenn man eine diesbezügliche Pflichtverletzung annähme, kann dies nur der Geltendmachung des Honoraranspruchs entgegenstehen. Sie kann jedoch nicht dazu führen, dass die auch für den Stellvertreter erteilte Einwilligung betreffend den Eingriff ihre Wirksamkeit verliert. Von daher besteht nach Realisierung eines mit der behandlungsfehlerfreien Operation verbundenen Risikos auch kein Schadensersatzanspruch des Patienten.

Risikoaufklärung bei nur relativ indizierten Eingriffen (hier: LASIK Operation)
LG Bochum
Je weniger ein ärztlicher Eingriff medizinisch geboten ist, umso ausführlicher und eindrücklicher muss der Patient über dessen Erfolgsaussichten und etwaige schädliche Folgen
informiert werden.

Hausarzt darf grundsätzlich der Einschätzung eines Facharztes vertrauen
OLG Koblenz
Grundsätzlich darf ein Hausarzt der ihm mitgeteilten Einschätzung eines Facharztes und dessen Sachkunde vertrauen. Etwas anderes gilt, wenn dessen Sicht nach den sonstigen Erkenntnismöglichkeiten des Hausarztes erheblichen Zweifeln begegnet, weil sie nicht mit dessen eigenen Befunden oder sonstigen medizinischen Wahrnehmungen zu vereinbaren sind und daher Rückfragen bei dem Facharzt oder Erörterungen mit dem Patient gebieten.

Weiteres Aufklärungsbedürfnis hinsichtlich Behandlungsfehler steht rechtlichem Interesse an vorprozessualer Beweissicherung nicht entgegen
BGH
In Arzthaftungssachen besteht grundsätzlich ein rechtliches Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO an einer vorprozessualen Beweissicherung hinsichtlich der Feststellung eines Behandlungsfehlers, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Dass möglicherweise eine abschließende Klärung durch das einzuholende

Umfang der Beweislastumkehr bei Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung
BGH
In Fällen eines Befunderhebungsfehlers sind dem Primärschaden alle allgemeinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Patienten unter Einschluss der sich daraus ergebenden Risiken, die sich aus der unterlassenen oder unzureichenden Befunderhebung ergeben können, zuzuordnen.
Sachverständigengutachten nicht möglich ist und weitere Aufklärungen erforderlich erscheinen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich..

Keine Arzthaftung für ordnungsgemäße Materialwahl zur Refixierung von Fußknochen
OLG Koblenz
Für eine den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechende, allerdings nicht alternativlose Materialwahl zur Refixierung von Fußknochen haftet der Arzt ebenso wenig wie für den Bruch eines Kirschnerdrahtes und die unterbliebene sofortige Entfernung des abgebrochenen Drahtteils, wenn dafür keine akute Indikation bestand. Der Arzt haftet daher nicht, wenn ein regelgerechtes Verhalten vorliegt und ärztliche Fehler seinerseits zu verneinen sind, weil die Behandlung des Patienten mit den medizinischen Gegebenheiten korrespondiert hat. War die Diagnosestellung auf Seiten des Arztes ohne weiteres vertretbar, so kann daran ein haftungsbegründender Verschuldensvorwurf nicht anknüpfen.

Komplikationen nach Heparinbehandlung ohne Aufklärung - kein Schadensersatz bei hypothetischer Patienteneinwilligung
OLG Hamm
Einer Patientin, bei der sich im Verlauf einer therapiebegleitenden Heparinbehandlung schmerzhafte Hämatome gebildet haben, steht ein Schadensersatzanspruch dann nicht zu, wenn sie der - fehlerfrei durchgeführten - Behandlung auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zugestimmt hätte (hypothetische Einwilligung). Beweispflichtig für die hypothetische Einwilligung ist zwar grundsätzlich der behandelnde Arzt. Der Patient seinerseits muss jedoch, wenn eine Ablehnung der Behandlung medizinisch unvernünftig gewesen wäre, plausible Gründe dafür darlegen und das Gericht davon überzeugen, dass er sich in einem echten Entscheidungskonflikt befunden hätte. Maßgebend für die Beurteilung sind neben der Dringlichkeit des Eingriffs, dem Risikospektrum und der Erfolgsprognose der Leidensdruck des Patienten und seine Risikobereitschaft.

Keine Haftung wegen fehlerhafter hausärztlicher Behandlung einer Schweinegrippe
OLG Hamm
Ein Facharzt für Allgemeinmedizin haftet nicht, weil er eine Schweinegrippe mit einer Lungenentzündung nicht diagnostiziert und den Patienten deswegen nicht frühzeitig in ein Krankenhaus eingewiesen hat.

Keine Beweislastumkehr bei Verlust von medizinischen Befundträgern (hier: MRT-Aufnahme)
OLG Koblenz
1. Sind medizinische Befundträger (hier: MRT - Aufnahmen der Hand) nicht mehr auffindbar, führt das nicht zu einer Beweislastumkehr, wenn nach sachverständiger Einschätzung ein auf einen groben Behandlungsfehler deutendes Befundergebnis nicht wahrscheinlich ist und zudem kein Anhalt besteht, dass die Behandlungsseite die Unaufklärbarkeit schuldhaft herbeigeführt hat.
2. Hat ein erheblich vorgeschädigter Berufskraftfahrer durch eine mangels Aufklärung über das Risiko einer Sehnenverletzung rechtswidrige und zudem arthroskopisch statt offen durchgeführte Operation eine Sehnenverletzung der Hand erlitten, so kann ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.500 Euro angemessen sein, wenn sich dessen Grundbeeinträchtigung durch den ärztlichen Eingriff insofern abgrenzbar verschlimmert ist, als Mittel- und Ringfinger der rechten Hand nicht vollumfänglich gestreckt werden können (Rechtshänder). Hierdurch dürfte die Möglichkeit, einen Wagen zu steuern, nicht ausgeschlossen sein.

Klinikbetreiber haftet nicht für Sturz auf einer Zuwegung bei Einhaltung eines ausreichenden Reinigungsintervalls
OLG Schleswig
Der Betreiber eines Krankenhauses ist dazu verpflichtet, die Zuwegungen zu dem von ihm betriebenen Krankenhaus in zumutbaren Intervallen von Laub zu reinigen, um die Rutschgefahr zu vermindern. Es kann erwartet werden, dass die Zuwegungen täglich, notfalls ein zweites Mal am Tage, aber jedenfalls so regelmäßig kontrolliert und von Laub befreit werden, dass zumindest ein so breiter Wegesstreifen annähernd laubfrei ist, dass zwei Passanten aneinander vorbeigehen können, ohne gezwungen zu sein, auf eine geschlossene und möglicherweise glitschige Laubschicht treten zu müssen. Es hieße hingegen die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht des Klinikbetreibers überspannen, wollte man auf diesen Zuwegungen im Hinblick auf herbstlichen Laubanfall ein annähernd ein- bis zweistündiges Reinigungsintervall verlangen.

Anforderungen an die Ausstattung der Fenster einer geschlossenen psychiatrischen Station - Keine Haftung der Klinik für Suizid des Patienten
BGH
Der Träger einer Städtischen Klinik ist nicht verpflichtet, sämtliche Fenster einer geschlossenen psychiatrischen Station der Klinik so auszustatten, dass sie auch unter Einsatz von Körperkraft nicht so geöffnet werden können, dass ein Patient hinaussteigen oder -springen kann.

Tödliche Thrombose nach Skiunfall - keine Arzthaftung wegen unzureichender Thromboseprophylaxe
OLG Hamm
Eine durch Knieverletzungen infolge eines Skiunfalls bei einer 64jährigen Patientin ausgelöste Thrombose kann zu einer Lungenembolie führen, an deren Folge die Patientin verstirbt, ohne dass dem Orthopäden, der die Patientin 2 Tage vor der Lungenembolie behandelt, eine unzureichende Thromboseprophylaxe vorgeworfen werden kann.

Unterlassen einer weiteren Befunderhebung bei einer Vorsorgeuntersuchung führt nicht stets zu einer Haftung des Arztes
OLG Hamm
Ein Behandlungsfehler im Sinne einer Fehlinterpretation erhobener Befunde führt nur ausnahmsweise zu einer Haftung des Arztes. Die Wertung einer objektiv unrichtigen Diagnose als Behandlungsfehler setzt danach die vorwerfbare Fehlinterpretation der erhobenen Befunde voraus. Es stellt sich nicht als behandlungsfehlerhaft dar, wenn ein Arzt bei der Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung eines Mammakarzinoms auf einen Hinweis der Patientin, sich habe eine Verhärtung in der Brust ertastet, nicht eingeht, wenn er selbst einen Tastbefund erhoben hat, der ihn nicht zu einer weiteren Befunderhebung veranlasst hat. Aus Sicht des Arztes bestand dann auf der Grundlage seiner Bewertung gerade keine Veranlassung zu weiterer Befunderhebung.

Schlechte Benotungen können gegen Verdienstausfallschaden wegen ausgebliebener Übernahme in den höheren Forstdienst sprechen
OLG Köln
Für die Frage, wie die berufliche Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis verlaufen wäre, bedarf es einer Prognose entsprechend dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, insbesondere auf der Grundlage dessen, was zur Ausbildung und bisherigen beruflichen Situation des Betroffenen festgestellt werden kann. Dabei muss der Geschädigte zwar soweit wie möglich konkrete Anhaltspunkte und Anknüpfungstatsachen für diese Prognose dartun. Die insoweit zu stellenden Anforderungen dürfen indes gerade dann nicht überspannt werden, wenn sich der Geschädigte noch in der Ausbildung befindet. Für die Annahme, dass der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis den behaupteten Berufsweg eingeschlagen hätte, genügt danach eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist nicht gegeben, wenn der Geschädigte die Große Staatliche Forstprüfung nur mit einem durchschnittlichen Ergebnis abgelegt hat und zur damaligen Zeit nur etwa ein Viertel der Absolventen in den höheren Dienst übernommen worden sind.

Behandlungsfehler und Aufklärungspflichtverletzung bei operativer Abszessausräumung
LG Wiesbaden
1. Besteht sowohl nach der Computertomographie als auch der vaginalen Ultraschalluntersuchung der Verdacht auf das Bestehen eines Abszesses mit unklarem Ausmaß, ist die Indikation zur Abszessausräumung nicht zu beanstanden, insbesondere wenn sich dies durch den Operationssitus und den pathologischen Befund bestätigt. Soweit dem Operationsbericht entnommen werden kann, das beide Eileiter auf jeweils fünf Zentimeter verdickt gewesen sind und sich beiderseits im Bereich der Eileiter und Eierstöcke abgekapselte Abszesse befunden haben, wobei die Eileiter in den Abszesshöhlen aufgegangen waren und aufgrund dessen dessen nicht erhalten werden konnten, ist eine Entfernung der Eileiter anlässlich der Abszessausräumung ebenfalls nicht zu beanstanden.
2. Der ordnungsgemäßen Aufklärung der Patientin steht nicht entgegen, wenn sich der behandelnde Arzt unter Darlegung der gewöhnlichen Handhabung nicht mehr konkret an die Patientin und das Aufklärungsgespräch erinnern kann. Für eine ordnungsgemäße Aufklärung spricht zudem der Umstand, dass die Patientin einen Aufklärungsbogen mit entsprechendem Inhalt unterzeichnet hat.
3. Das Bestehen eines Entscheidungskonflikts bei ordnungsgemäßer Aufklärung ist bei dem vorliegenden gravierenden und unter Umständen lebensbedrohlichen Abszessgeschehen, bei welchem die Indikation zur Operation alternativlos und eine kausale Eindämmung allein mittels antibiotischer Therapie nicht zu erwarten gewesen ist, nicht feststellbar.

Aufklärungspflicht über die Erfolgsaussichten einer Wirbelsäulenoperation
OLG Köln
1. Bei einer Wirbelsäulenoperation muss der Komplexität der Entscheidung durch eine entsprechend eingehende, patientenbezogene und sorgfältige Aufklärung über die tatsächlichen Chancen der Besserung oder Heilung und über die möglichen Folgen einer Operation Rechnung getragen werden. Diesen Anforderungen wird eine Aufklärung nicht gerecht, bei der Chancen und Möglichkeiten objektiv unangemessen im Vordergrund vor den Risiken und den Möglichkeiten des Fehlschlagens (hier: Misserfolgsrisiko von 50%) stehen.
2. Das Belassen fehlplatzierter Schrauben über einen Zeitraum von drei Wochen nach einer Operation der Wirbelsäule stellt einen groben Behandlungsfehler dar.

Gesundheitsschaden aufgrund eines ärztlichen Befunderhebungsfehlers kann Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 100.000 Euro begründen
BGH
Die Grundsätze über die Beweislastumkehr für den Kausalitätsbeweis bei groben Behandlungsfehlern finden grundsätzlich nur Anwendung, soweit durch den Fehler des Arztes unmittelbar verursachte haftungsbegründende Gesundheitsverletzungen (Primärschäden) in Frage stehen. Für den Kausalitätsnachweis für Folgeschäden (Sekundärschäden), die erst durch die infolge des Behandlungsfehlers eingetretene Gesundheitsverletzung entstanden sein sollen, gelten sie nur dann, wenn der Sekundärschaden eine typische Folge des Primärschadens ist. Ist die Kausalität eines Befunderhebungsfehlers für den sodann eingetretenen hypoxischen Hirnschaden unabhängig davon zu bejahen, ob dieser als Primärschaden oder als Folgeschaden einzuordnen ist, so hat der Geschädigten aufgrund des durch den Behandlungsfehler eingetretenen Gesundheitsschadens einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden.

Ärztlicher Rat einer schmerzadaptierten Vollbelastung kann zur Thromboseprophylaxe ausreichend sein
OLG Hamm
Eine durch Knieverletzungen infolge eines Skiunfalls bei einer 64-jährigen Patientin ausgelöste Thrombose kann zu einer Lungenembolie führen, an deren Folge die Patientin verstirbt, ohne dass dem Orthopäden, der die Patientin zwei Tage vor der Lungenembolie behandelt, eine unzureichende Thromboseprophylaxe vorgeworfen werden kann. Das Abnehmen zur Erstversorgung angelegten Schiene und die Aufforderung an die Patientin, das verletzte Bein schmerzadaptiert voll zu belasten, können zur Thromboseprophylaxe ausreichend gewesen sein. Eine weitere Abklärung einer Thrombose ist nur dann angezeigt, wenn es anamnestische oder klinische Zeichen dafür gibt.

Ohne Anhalt eines groben Behandlungsfehlers Beweislastverteilung zuungunsten des Patienten
OLG Koblenz
Tritt nach einer anamnestischen Drehung des Kopfes das Vollbild einer anlagebedingten Erkrankung zutage, muss der Patient beweisen, dass der Physiotherapeut durch seine Manipulation die Beschwerden verursacht oder richtunggebend verschlimmert hat, sofern kein Anhalt für einen groben Behandlungsfehler besteht. Der Physiotherapeut haftet daher nicht, wenn der Patient nicht bewiesen hat, dass seine fortbestehenden Beschwerden ursächlich auf die vom Physiotherapeuten vorgenommene Drehbewegung des Kopfes zurückzuführen sind.

Unterbliebene ärztliche Aufklärung in der Regel nicht haftungsrelevant bei zwei gleich erfolgversprechenden Behandlungsmethoden
OLG Koblenz
Eine unterlassene, unvollständige, fehlerhafte oder nicht rechtzeitige Aufklärung führt nicht zur Haftung des Arztes, wenn dieser darlegen und beweisen kann, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die konkrete Therapie eingewilligt hätte. Sind die Erfolgsaussichten und Risiken einer konservativen Behandlung oder Operation nach einer unfallbedingt erlittenen BWK12-Fraktur nahezu identisch, ist die unterbliebene Aufklärung über die Möglichkeit einer Operation nicht haftungsrelevant, wenn der darlegungs- und beweispflichtige Patient nicht nachweist, dass der Kausalverlauf nach einer Operation günstiger gewesen wäre. Es obliegt dem Patienten, nachzuweisen, dass bei einer operativen Behandlung die behaupteten Gesundheitsschäden vermieden worden wären. Ein die konservative Behandlung billigendes hypothetisches Einverständnis des Patienten liegt bei zunächst konservativer Behandlung nahe, wenn sich dadurch die Chancen einer späteren Operation nicht signifikant verschlechtern.

Unterlassen intensivmedizinischer Versorgung kann bei zunächst objektiv aussichtslosem Wachkomafall behandlungsfehlerhaft sein
OLG Naumburg
Besteht bei einem im Zustand eines Wachkomas befindlichen Tumorpatienten im Hinblick eine ungünstige Prognose, die es rechtfertigen würde, die therapeutische Behandlung einzustellen, insbesondere auf intensivmedizinische Maßnahmen zu verzichten und den Patienten ausschließlich pflegerisch zu versorgen, darf die weitere therapeutische Behandlung nur dann unterbleiben, wenn insoweit im Sinne der Aufklärung des mutmaßlichen Patientenwillens ein Konsens mit den Angehörigen erzielt werden kann. Bei fehlendem Konsens über eine Weiterbehandlung ist es jedoch behandlungsfehlerhaft, eine gebotene intensivmedizinische Versorgung zu unterlassen, sodass die behandelnden Ärzte im Falle des Todeseintritts haften.

Sorgerechtsentzug wegen verweigertem medizinischen Eingriff begründet keinen Schmerzensgeldanspruch
OLG Naumburg
Eingriffe in die elterliche Sorge sind angezeigt, wenn das Kindeswohl gefährdet ist und die Eltern in ihrer Schutzfunktion ausfallen. Hiervon umfasst ist auch eine mangelnde Kooperationsbereitschaft oder die Weigerung, einen medizinisch indizierten Eingriff vornehmen zu lassen. Verweigern Eltern die Fortsetzung einer Chemotherapie eines leukämiekranken Kindes, die über Leben und Tod entscheiden kann, so handeln die Ärzte nicht rechtswidrig, wenn sie dies dem Familiengericht zur Kenntnis bringen und einen Sorgerechtsentzug anregen. Wird das Familiengericht entsprechend tätig und schränkt das elterliche Sorgerecht ein, kann dies den Ärzten gegenüber keinen Anspruch auf Ausgleich immaterieller Nachteile wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründen.

Krankenhausträger haftet nicht stets für Suizidversuch eines Patienten
BGH
Der Träger einer Städtischen Klinik ist nicht verpflichtet, sämtliche Fenster einer geschlossenen psychiatrischen Station der Klinik so auszustatten, dass sie auch unter Einsatz von Körperkraft nicht so geöffnet werden können, dass ein Patient hinaussteigen oder -springen kann. Der Träger eines psychiatrischen Krankenhauses ist zwar verpflichtet, die aufgenommenen Patienten auch vor Selbstschädigungen zu bewahren, die ihnen durch Suizidversuche drohen können. Allerdings besteht diese Pflicht nur in den Grenzen des Erforderlichen und des für das Krankenhauspersonal und den Patienten Zumutbaren. Ein Suizid während des Aufenthalts in einem psychiatrischen Krankenhaus kann niemals mit absoluter Sicherheit vermieden werden, gleich, ob die Behandlung auf einer offenen oder einer geschlossenen Station durchgeführt wird. Eine lückenlose Sicherung, die jede noch so fernliegende Gefahrenquelle ausschalten könnte, erscheint nicht denkbar. Zudem sind nicht alle Patienten einer geschlossenen psychiatrischen Station suizidgefährdet.

Keine Haftung des medizinischen Dienstes einer Krankenkasse bei anderweitiger Ersatzmöglichkeit des Patienten
OLG Koblenz
1. Eine Fehleinschätzung durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung im Zusammenhang mit der Wiedereingliederung zur Herbeiführung der Arbeitsfähigkeit begründet keinen Amtshaftungsanspruch des Versicherten, wenn ihm ein Schadensersatzanspruch gegen seinen Hausarzt als anderweitige Ersatzmöglichkeit zusteht.
2. Der Hauarzt hat den Patienten in der Eingliederungsphase in regelmäßigen Abständen auf deren gesundheitliche Auswirkung zu untersuchen. Dabei muss er potentiell nachteilige gesundheitliche Folgen in Betracht ziehen und den Krankenversicherer unverzüglich entsprechend informieren, damit dieser den Wiedereingliederungsprozess anpassen oder beenden kann.
3. Ist der Hausarzt damit überfordert, muss er die Begutachtung durch einen Facharzt veranlassen.

Zum Umfang der Haftung im Falle eines Gesundheitsschadens aufgrund eines ärztlichen Befunderhebungsfehlers
BGH
1. Grundsätzlich hat der Patient den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden nachzuweisen. Dabei ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Erstere betrifft die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für die Rechtsgutverletzung als solche, also für den Primärschaden des Patienten im Sinne einer Belastung seiner gesundheitlichen Befindlichkeit. Insoweit gilt das strenge Beweismaß des § 286 ZPO, das einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit verlangt. Die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität und damit der Ursächlichkeit der Rechtsgutverletzung für alle weiteren (Folge-)Schäden richtet sich hingegen nach § 287 ZPO; hier kann zur Überzeugungsbildung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 9 mwN; vom 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11, VersR 2012, 905 Rn. 10 mwN; vom 2. Juli 2013 - VI ZR 554/12, VersR 2013, 1174 Rn. 15; näher Senatsurteile vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85, VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03, VersR 2004, 118, 119 f.; siehe auch Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. B 189 ff.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl., Rn. 626 ff.).
2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats erfolgt bei der Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung eine Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität, wenn bereits die Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler darstellt (vgl. Senatsurteile vom 13. Januar 1998 - VI ZR 242/96, BGHZ 138, 1, 5 f.; vom 29. September 2009 - VI ZR 251/08, VersR 2010, 115 Rn. 8; vom 13. September 2011 - VI ZR 144/10, VersR 2011, 1400 Rn. 8; vom 2. Juli 2013 - VI ZR 554/12, VersR 2013, 1174 Rn. 11).
3. Zudem kann auch eine nicht grob fehlerhafte Unterlassung der Befunderhebung dann zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden führen, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen (vgl. Senatsurteile vom 13. Februar 1996 - VI ZR 402/94, BGHZ 132, 47, 52 f.; vom 27. April 2004 - VI ZR 34/03, BGHZ 159, 48, 56 f.; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 87/10, VersR 2011, 1148 Rn. 7; vom 13. September 2011 - VI ZR 144/10, aaO; vom 2. Juli 2013 - VI ZR 554/12, aaO; siehe nun auch § 630h Abs. 5 BGB in der seit dem 26. Februar 2013 geltenden Fassung).
4. Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist

Verlegung eines Herzinfarktpatienten auf Normalstation
OLG Köln
Das Verlegen eines Herzinfarktpatienten, bei dem feststeht, dass der Infarkt mindestens zwei Tage zurückliegt, auf eine Normalstation, stellt sich jedenfalls nicht als grober Fehl dar.

Vor einer Operation muss der Arzt auch über die Unerreichbarkeit des von der Patientin gewünschten Erfolgs aufklären
LG München
Kann das von einer Patientin ins Auge gefasste Ergebnis einer Brustoperation objektiv nicht erreicht werden, so ist darüber deutlich und unmissverständlich aufzuklären. Die Beschreibung der zur Vermeidung weiterer Namen gewählten Implantatsgröße durch Angaben des Volumens in Milliliter reicht dafür regelmäßig nicht aus.

Aufklärung über das Risiko einer Nervschädigung muss sich auch auf die Möglichkeit eines Dauerschadens erstrecken
OLG Koblenz
1. Die Aufklärung über die Gefahr der Recurrensparese vor einer diagnostischen Lymphknotenentfernung aus dem Hals ist unvollständig, wenn dem Patienten nicht verdeutlicht wird, dass es auch zu einer dauerhaft persistierenden Stimmbandlähmung kommen kann.
2. Ist über einen möglichen Dauerschaden nicht aufgeklärt worden, kann die Behandlungsseite eine mutmaßliche oder hypothetische Einwilligung nicht daraus herleiten, dass der Patient ein nach Auffassung des Arztes weitaus gravierenderes Risiko akzeptiert hat.
3. 15.000,00 EUR Schmerzensgeld sind angemessen für eine persistierende Stimmbandlähmung, die zur vorübergehender Berufsunfähigkeit, mehreren Krankenhausaufenthalten und dem Erfordernis einer engmaschigen ambulanten Nachbehandlung führt, ohne dass das Sprechvermögen umfassend wieder hergestellt werden kann.

Unzureichende Sondierung einer Wunde als Befunderhebungsfehler
OLG Köln
Beschränkt sich der Arzt bei einer Verletzung des Beins durch Eindringen eines größeren Holzstücks direkt unterhalb des Knies auf eine Sondierung der Wunde und unterlässt er eine gebotene explorative Revision der Wunde, so haftet er für die geltend gemachte Heilungsverzögerung, die durch das Verbleiben von Holzsplittern eingetreten ist, nach den Grundsätzen über den Befunderhebungsmangel.

Verlust des Honoraranspruchs eines Zahnarztes und Anspruch des Patienten auf Schmerzensgeld bei gänzlich unbrauchbaren Leistungen
OLG München
Ein Honoraranspruch eines Zahnarztes besteht nicht, wenn die in Erfüllung des zahnärztlichen Behandlungsvertrages erbrachten Leistungen für den Patienten aufgrund zahnärztlicher Kunstfehler gänzlich unbrauchbar waren. Bei einer solchen Fallgestaltung kann zudem dem Patienten ein Schmerzensgeldanspruch (hier: in Höhe von 4.000 Euro) zustehen. Dass die Partei, die vor Gericht einen Schmerzensgeldanspruch geltend macht, dem Gericht auch darzulegen hat, in welchem Umfang sie Schmerzen erlitten hat, ist kein Umstand, auf den das Gericht eine anwaltlich vertretene Partei hinweisen muss. Dass die Darlegungen den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch der Höhe nach nicht zu rechtfertigen vermögen, ist ebenfalls in dieser Pauschalität nicht tauglicher Gegenstand eines richterlichen Hinweises.

Wirbelsäulenschaden lässt regelmäßig nicht auf Lagerungsfehler bei Schilddrüsenoperation schließen
OLG München
Eine Patientin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die behandelnden Ärzte einer 10 Jahre zurückliegenden Schilddrüsenoperation wegen eines Halswirbelsäulenschadens, der durch ihre angeblich nicht ordnungsgemäße intraoperative Lagerung entstanden sein soll. Dies gilt jedenfalls dann, wenn feststeht, dass bei solchen Operationen grundsätzlich ein standardisiertes Lagerungsschema zur Anwendung kommt, das jeweils vom Operateur und vom Anästhesisten überprüft wird und sich bei langjähriger Praxis keine Konstellation bekannt geworden ist, in der sich Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass ein Lagerungsfehler bei einer Strumaoperation zu einem andauernden Wirbelsäulenschaden geführt hat.

Grundsätzlich keine Pflicht eines Orthopäden zur Überprüfung eines MRT-Befundes
OLG München
Ein Orthopäde handelt nicht behandlungsfehlerhaft, wenn er die Diagnose eines Radiologen, eine Sehne sei nur angerissen, nicht anhand der dem Patienten mitgegebenen MRT-Aufnahmen überprüft, und wenn er nicht über die hierzu erforderliche Zusatzqualifizierung verfügt. Der Orthopäde darf sich dann auf den schriftlichen Befund des Radiologen, dass die von diesem gefertigten MRT-Aufnahmen (nur) eine Teilruptur der Quadrizepssehne zeigen, verlassen. Die spezifische fachärztliche Kompetenz eines Facharztes für diagnostische Radiologie besteht darin, bildgebende Befunde zu erstellen und auszuwerten. Dem Facharzt für Orthopädie fehlt dagegen (häufig) diese Kompetenz.

Behandlungsseite hat ordnungsgemäße intraoperative Lagerung des Patienten zu beweisen
OLG München
Für die ordnungsgemäße intraoperative Lagerung des Patienten ist die Behandlungsseite beweispflichtig. Der Nachweis ordnungsgemäßer Lagerung ist geführt, wenn der Operateur auch ohne konkrete Erinnerung an den Einzelfall darlegt, wie Patienten intraoperativ gelagert werden und dass er dies in jedem Einzelfall vor Beginn der Operation überprüft. Dass der Operateur keine Erinnerung mehr an die konkrete Lagerung des Patienten hat, kann in Anbetracht der Vielzahl gleichförmiger Vorgänge und wegen Zeitablaufs (hier: Klageerhebung nahezu 10 Jahre nach der Operation) naheliegend und unvermeidlich sein, entwertet jedoch die Angaben des Operateurs zur ordnungsgemäßen, stets eingehaltenen und überprüften Lagerungspraxis in der betreffenden Klinik nicht.

Diagnoseirrtümer rechtfertigen nicht per se den Schluss auf ein schuldhaftes ärztliches Verhalten
OLG München
Hat ein Arzt gemessen an den Facharztstandards seines Fachbereichs die gebotenen Befunde erhoben und vertretbar gedeutet, so liegt ein nicht vorwerfbarer Diagnoseirrtum vor, wenn sich die gestellte Diagnose im Nachhinein als unrichtig herausstellt. Ein vorwerfbarer Diagnosefehler im Sinne eines ärztlichen Behandlungsfehlers liegt dem gegenüber nur dann vor, wenn die Diagnose nicht bzw. nicht mehr vertretbar ist. Ein Befunderhebungsfehler ist gegeben, wenn die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen wurde. Im Unterschied dazu liegt ein Diagnoseirrtum vor, wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen - therapeutischen oder diagnostischen - Maßnahmen ergreift.

CT ohne Neurologen beurteilt - Hirnstamminfarkt zu spät behandelt - Krankenhaus und Chefarzt haften
OLG Hamm
Ein Krankenhaus und der behandelnde Chefarzt haften, weil sie es behandlungsfehlerhaft versäumt haben, rechtzeitig einen Neurologen zur Beurteilung der Bildgebung einer Computertomographie hinzuzuziehen. Deswegen wurde ein massiver Hirnstamminfarkt einer Patientin (Verschluss der Arteria basilaris) zu spät erkannt, die Patientin erlitt schwerwiegende Lähmungen (Locked-in-Syndrom), in deren Folge sie Monate später verstarb. Diesen Behandlungsfehler hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil festgestellt und dem Sohn und Erben der verstorbenen Patientin ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR zugesprochen.

Medizinisches Sachverständigengutachten in bestimmten PKH-Bewilligungsverfahren möglich
OLG München
Hinsichtlich einer möglichen Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Bereich des Arzthaftungsprozesses bietet die ZPO die Möglichkeit, von Anfang an allem Anschein nach unplausible, für das Gericht jedoch angesichts der medizinischen Materie nicht sicher beurteilbare Vorwürfe durch Erholung eines Sachverständigengutachtens einer vorläufigen Prüfung zu unterziehen, die bei einem eindeutigen Ergebnis eine Ablehnung des Antrags rechtfertigt. Die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage darf aber nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und diese an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Anwendung der genannten Ausnahmevorschrift ist daher Voraussetzung, dass der zeitliche und materielle Aufwand für die Erhebung des Sachverständigenbeweises gering, die hinreichende Erfolgsaussicht zweifelhaft und der Streitwert hoch ist.

Unterbliebene Aufklärung über alternative Behandlungsmöglichkeit einer Fraktur stellt ärztliches Fehlverhalten dar
OLG Karlsruhe
Grundsätzlich ist die Wahl der Behandlungsmethode dem Arzt überlassen, sodass er dem Patienten im Allgemeinen nicht ungefragt erläutern muss, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen, solange er eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt. Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erfordert aber die ärztliche Aufklärung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten. Dem Patienten muss in diesem Fall nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will. Führt der Arzt bei einem stark übergewichtigen Patienten mit einer Knochenfraktur eine problematische Osteosynthese durch, ohne über eine konservative Behandlungsmethode zu informieren, ist ein ärztliches Fehlverhalten anzunehmen.

Kein grober Pflegefehler bei Verabreichung von nur 0,7 Liter Flüssigkeit an leichtgewichtige Geriatrie-Patientin
OLG München
Wird einer leichtgewichtigen Patientin in einer geriatrischen Klinik über 2 1/2 Tage hinweg nur ungefähr 0,7 Liter Flüssigkeit täglich verabreicht, liegt kein grober Pflegefehler vor. Leichtgewichtige Menschen benötigen gegenüber Patienten mit einem höheren Körpergewicht geringere Trinkmengen, sodass die betreffende Flüssigkeitsmenge am untersten Level anzusiedeln ist. Eine Maßnahme, die das unterste Level des noch Zulässigen gerade einhält oder relativ knapp unterschreitet, ist "nur" als einfacher Pflegefehler einzustufen. Insofern gilt für eine mögliche Haftung wegen eines aufgetretenen Verwirrtheitszustands keine Beweiserleichterung.

Maßgeblichkeit des "Tatortrechts" auch bei Heilbehandlung des Geschädigten im Inland
LG Stuttgart
Bei einem in Serbien stattgefundenen Unfallgeschehen folgt aus dem EGBGB die Maßgeblichkeit des serbischen "Tatortrechts". Die Heilbehandlung des Geschädigten nach dem Unfall im Inland bleibt für die Deliktsanknüpfung außer Betracht. Ein deutsches Gericht hat für die Bemessung von Schmerzensgeld nach serbischem Recht die dortige Bemessungspraxis zugrunde zu legen. Im Sinne abschließender Bewertung kann es jedoch, wenn der Heilungs- und Rehabilitationsprozess nach dem Unfall sich insgesamt im Inland vollzogen hat und Dauerfolgen mit Unbillcharakter hier den Verletzten belasten, eine gewisse vorsichtige Anpassung an inländische Bemessungsgrößen vornehmen. In Serbien zugesprochenen Ersatzbeträge liegen bei etwa einem Zehntel der für entsprechende Inlandsfälle in Betracht gezogenen immateriellen Entschädigungen.

Haftung des Apothekers bei Abgabe eines verordneten Digitalispräparats an die Eltern eines Säuglings
OLG Köln
Die Verordnung eines Digitalispräparats für Jugendliche und Erwachsene an einen Säugling stellt einen groben Behandlungsfehler dar. Auch einem Apotheker trifft die Pflicht, die Abgabe des Digitalispräparats an die Eltern des Säuglings zu unterlassen bzw. zu verhindern, jedenfalls aber sie auf die Fehlmedikation hinzuweisen und vor dem Gebrauch des Medikaments zu warnen. Denn ein Apotheker treffen berufsrechtlich Beratungspflichten hinsichtlich der von ihm abgegebenen Medikamente, die über die allgemeinen vertraglichen Warn- und Hinweispflichten eines Verkäufers hinaus gehen. Jedem Apotheker und jedem Angestellter einer Apotheke muss bekannt sein, ob ein gefährliches Herzmedikament in einer bestimmten Darreichungsform für Erwachsene oder für Kleinkinder und Säuglinge bestimmt ist. Ein blindes Vertrauen auf die Verordnung des Arztes darf es nicht geben.

Träger eines Pflegeheims haftet nicht für Sturz eines Bewohners, wenn ausreichende Maßnahmen zur Sturzprophylaxe ergriffen wurden
OLG Koblenz
Ist ein Bewohner eines Pflegeheims nach einem Sturz gestorben, so haftet der Träger des Pflegeheims nicht, wenn es bereits an einer Verletzung der Pflichten fehlt, die der Heimleitung und dem Pflegepersonal oblagen. Bei einem Heimvertrag werden Obhutspflichten und inhaltsgleiche allgemeine Verkehrssicherungspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Bewohner begründet, die sie vor Schädigungen wegen Krankheit oder einer sonstigen körperlichen oder geistigen Einschränkung durch sie selbst und durch die Einrichtung und bauliche Gestaltung des Altenheims schützen sollen. Welchen konkreten Inhalt die Verpflichtung hat, einerseits die Menschenwürde und das Freiheitsrecht eines alten und kranken Menschen zu achten und andererseits sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu schützen, kann nicht generell, sondern nur aufgrund einer sorgfältigen Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden.

Kein Behandlungsfehler wenn Implementierung einer inversen Prothese nicht indiziert war
OLG Koblenz
Es liegt keine fehlerhafte ärztlicher Behandlung einer Humeruskopfmehrfragmentfraktur im Bereich der rechten Schulter sowie des linken Armes einer Patientin unter Versorgung mit einer Frakturprothese vom Typ Aequalis vor, wenn die Implementierung einer inversen Prothese nicht indiziert war. In einem solchen Fall ist auch kein Aufklärungsverschulden anzunehmen. Der Patient muss zwar aufgeklärt werden, wenn es mehrere medizinisch indizierte und übliche Behandlungsmethoden gibt, die unterschiedliche Risiken oder Erfolgschancen haben. Dies gilt auch dann, wenn eine Operation durch eine konservative Behandlung vermieden werden kann oder erst nach deren erfolgloser Vorschaltung indiziert ist. Dem steht eine grundsätzlich fehlende Indikation jedoch entgegen.

Zahnarzt muss nicht stets über Möglichkeit der Zahnkorrektur durch eine Spange aufklären
OLG Koblenz
Ein Arzt oder Zahnarzt braucht dem Patienten grundsätzlich nicht ungefragt zu erläutern, welche verschiedenen Behandungsmethoden in Betracht kommen, so lange er eine Therapie anwendet, die dem Standard genügt. Allerdings ist er gehalten, auf adäquate zielführende Alternativen aufmerksam zu machen, die sich in ihren Belastungen, Risiken und Erfolgschancen wesentlich unterscheiden. Der Zahnarzt muss eine deutlich über 40 Jahre alte Patientin mit einer nur optisch beeinträchtigenden Fehlstellung der Scheidezähne nicht über die Möglichkeit der Zahnkorrektur durch eine Spange aufklären, weil es sich nicht um eine ernsthaft in Betracht kommende, zahnmedizinisch erfolgversprechende Behandlungsalternative handelt.

Patient muss sich bei geltend gemachten Nachbehandlungskosten Honorarersparnis gegenrechnen lassen
OLG Koblenz
Ein Zahnarzt hat Aufwendungen des Patienten für die Mängelabhilfe durch einen Nachbehandler nur zu erstatten, wenn er durch ein vertragswidriges Verhalten die Vertragskündigung des Patienten veranlasst hat. Gegebenenfalls ist der Schadensersatzanspruch des Patienten auf die Mehrkosten beschränkt, um die das Honorar des Nachbehandlers für die zahnmedizinisch notwendige Versorgung den fiktiven Vergütungsanspruch des Erstbehandlers bei Fortführung des Vertrages mit entsprechenden zahnmedizinischen Leistungen übersteigt. Den Aufwendungen für die Ersatzvornahme ist die Honorarersparnis bei der Erstbehandlung gegenzurechnen, sodass es regelmäßig an einer ausgleichsfähigen finanziellen Belastung fehlen wird.

Heimpersonal darf heißen Tee nicht unbeaufsichtigt im Raum mit Demenzkranken stehen lassen
OLG Schleswig
Dem Versicherungsträger steht ein gegen die Betreiberin eines Pflegeheims ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 278 in Verbindung mit § 17 Abs. 2 des Heimvertrags und aus § 823 BGB zu, wenn von den Heimmitarbeitern eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen worden ist, die zu einer behandlungsbedürftigen Verletzung einer dementen Heimbewohnerin geführt hat. Davon ist auszugehen, wenn das Personal heißen Tee in Thermoskannen unbeaufsichtigt im Raum mit den pflegebedürftigen Heimbewohnern hat stehen lassen und es in diesem Zusammenhang zu Verbrühungen der Heimbewohnerin gekommen ist. Zwar kann in solchen Fällen nicht verlangt werden, eine ständige Aufsicht zu führen. Ist es den Mitarbeitern jedoch möglich, den vorhersehbaren Schaden ohne unzumutbaren Aufwand abzuwenden, besteht dennoch eine Pflichtverletzung.

Patient ist vor Durchführung einer Koloskopie auch über Risiko einer Darmperforation aufzuklären
OLG Hamm
Ein Patient muss durch das einem Eingriff vorangehenden Aufklärungsgespräch über die Risiken des Eingriffs insoweit aufgeklärt werden, als er ein allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des konkreten Risikos erhalten soll. Im Rahmen der Aufklärung muss der Patient auch auf seltene und sogar extrem seltene Risiken hingewiesen werden. Eine im Rahmen einer Koloskopie auftretende Perforation ist eine seltene Komplikation, die bei Eintritt eine operativ zu behandelnde Bauchhöhlenentzündung zur Folge hat, so dass das Risiko einer Perforation üblicherweise Gegenstand des Aufklärungsgesprächs ist. Vermag die vom Patienten unterzeichnete Einverständniserklärung den Umfang der Aufklärung nicht zu beweisen, weil lediglich auf "die mit dem Eingriff verbundenen unvermeidbaren nachteiligen Folgen, mögliche Risiken und Komplikationsgefahren" hingewiesen wurde, so steht dem Patienten bei Schadenseintritt und mehrmonatiger intensivmedizinischen Behandlung ein Schadensersatzanspruch in sechsstelliger Höhe zu.

Nächtliche Fixierung eines Kindes
BGH
1.Die nächtliche Fixierung eines Kindes in einer offenen heilpädagogischen Einrichtung ist keine genehmigungsbedürftige Unterbringungsmaßnahme im Sinne des § 1631 b BGB.
2. Die Vorschrift des § 1906 Abs. 4 BGB gilt nur für volljährige Betreute und kann im Kindschaftsrecht nicht analog angewendet werden.

Arzthaftung bei unerwünschter Information einer Geschiedenen über Krankheit ihres geschiedenen Ehemanns
OLG Koblenz
Ein Arzt kann eine geschiedene Ehefrau in ihrer Gesundheit verletzt haben, indem er ihr mitteilte, dass der Patient, ihr geschiedener Ehemann, an Chorea Huntington leide, die Krankheit tödlich und unheilbar sei und eine 50% Wahrscheinlichkeit bestehe, dass auch die gemeinsamen Kinder an der Erbkrankheit litten, woraufhin die Ehefrau unter psychischen Beschwerden wie Depressionen und massiver Zukunftsangst leidet. Stellt ein Arzt bei einem Elternteil eine unheilbare, tödliche Krankheit mit 50% - iger Vererbungswahrscheinlichkeit fest (hier: Chorea Huntington = "Veitstanz"), ist er selbst dann nicht befugt, dies dem anderen Elternteil mit Blickrichtung auf die gemeinsamen, noch minderjährigen Kinder mitzuteilen, wenn diesem die Gesundheitsfürsorge obliegt.

Brustkrebs zu spät erkannt - Frauenarzt haftet
OLG Hamm
Ein Frauenarzt haftet auf Schadensersatz, weil er einer Patientin, bei der im Jahre 2010 Brustkrebs diagnostiziert wurde, nicht bereits bei der im Jahre 2008 durchgeführten Krebsvorsorgeuntersuchung zu einem Mammographie­screening geraten hat.

Stellung des Richters als Patient der beklagten Klinik begründet seine Ablehnung
OLG Koblenz
Der Kläger eines Arzthaftungsprozesses hat Anlass, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln, wenn dieser in derselben Abteilung der beklagten Klinik Patient ist. Dabei ist unerheblich, dass die Behandlung des Richters in den Händen anderer Ärzte als im Fall des Ablehnenden liegt.

Kein Arzthaftungsanspruch wegen verspäteter stationärer Krankenhauseinweisung eines zunächst unerkannt an "Schweinegrippe" erkrankten Patienten
OLG Hamm
Stellt ein Arzt lediglich bronchiale Rasselgeräusche fest, die auf einem "normalen" durch Viren hervorgerufenen Infekt zurückzuführen sein können, muss der behandelnde Arzt nicht auf das Vorliegen einer "Schweinegrippe" schließen und braucht - mit Blick auf eine Ansteckungsgefahr - solange keine stationäre Krankenhauseinweisung vornehmen, bis tatsächlich Komplikationen in Form einer Lungenentzündung auftreten. Ist der Patient tatsächlich an einer "Schweinegrippe" erkrankt, kann insofern nicht von einem groben Behandlungsfehler ausgegangen werden, der einen Arzthaftungsanspruch wegen langandauernder Krankenhaus- und Rehabilitationsbehandlung mit der Erforderlichkeit eines künstlichen Komas auslösen könnte. Dies gilt insbesondere, wenn bei einer frühzeitigeren stationären Krankenhausbehandlung ein günstigerer Verlauf eingetreten wäre.

Teilurteil für einen Bruchteil des zu erwartenden Schmerzensgeldes unzulässig
OLG München
Einem Teilurteil mangelt es schon an der erforderlichen Bestimmtheit, wenn es nicht erkennen lässt, über welche Teile des Klageanspruches entschieden wurde. Ein Teilurteil ist schon dann unzulässig, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Daher ist ein Urteil, durch das dem Kläger von dem Betrag, der ihm nach Auffassung des Gerichts als Schmerzensgeld zusteht, wiederum nur ein Teil zugesprochen wird, unzulässig.

Schmerzensgeld von 12.000 Euro für HWS-Distorsionstrauma mit verschiedenen Prellungen und Tinnitus als Dauerfolge
OLG Naumburg
Ein Schmerzensgeld von 12.000 Euro kann angemessen sein, wenn der Geschädigte durch einen Verkehrsunfall mit alleiniger Haftung des Unfallgegners ein HWS-Distorsionstrauma und verschiedene Prellungen der Wirbelsäule, des Thorax und des Unterschenkels erlitt, die schmerzhaft waren und zu zeitweilig eingeschränkter Beweglichkeit und deshalb auch zur mehrmonatigen Arbeitsunfähigkeit des Geschädigten führten. Hierbei kann auch zu berücksichtigten sein, wenn sich eine Dauerfolge in Form eines mittelschweren Tinnitus ergab, der für den Geschädigten ein erhebliches Störpotential in Form der Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit, der Kommunikation, der Dauerbelastbarkeit und der Leistungsfähigkeit bedeutet und zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 % führte.

Arzt muss Patienten auf gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten hinweisen
OLG Naumburg
Wendet sich der Patient an den Arzt (hier: einen Kieferchirurgen) mit der Bitte ihn über Alternativen zu seiner bestehenden prothetischen Versorgung zu beraten, so hat der Arzt ihn über alle in Frage kommenden Alternativen aufzuklären. Er darf nicht von vorneherein dem Patienten nur die im Erfolgsfall optimale Methode vorstellen, wenn diese mit erheblichen Risiken belastet ist und es dazu eine weniger belastende Alternative gibt. Die Wahl der Behandlungsmethode ist allerdings primär Sache des Arztes. Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts erfordert nur dann die Unterrichtung über alternative Behandlungsmethoden, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere im Heilungserfolg gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten; es muss also eine echte Wahlmöglichkeit bestehen.

Primärschaden durch Befunderhebungsfehler
BGH
In Fällen eines Befunderhebungsfehlers sind dem Primärschaden alle allgemeinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Patienten unter Einschluss der sich daraus ergebenden Risiken, die sich aus der unterlassenen oder unzureichenden Befunderhebung ergeben können, zuzuordnen.

Tatrichter muss sich mit einem vorlegten Privatgutachten auseinandersetzen
BGH
Der Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör kann in entscheidungserheblicher Weise verletzt sein, wenn das Gericht die Ausführungen des vom ihm vorgelegten Privatgutachtens nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt und es rechtsfehlerhaft unterlassen hat, die darin aufgeworfenen Fragen aufzuklären. Der Tatrichter hat Einwendungen einer Partei gegen das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen zu berücksichtigen und ist verpflichtet, sich mit ein von der Partei vorgelegten Privatgutachten auseinanderzusetzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken, wenn sich ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergibt.

Überweisender Hausarzt ist der für die Behandlung zunächst Verantwortliche
OLG Hamm
Wird ein Gynäkologe aufgrund einer Überweisung des primär behandelnden Hausarztes tätig, so ist er grundsätzlich nur zur Abklärung seines Fachgebietes verpflichtet. Denn Primärbehandler und für die Koordination und Behandlung zunächst Verantwortlicher ist dann der überweisende Hausarzt. Allerdings muss eine Gynäkologe durch entsprechende Hinweise reagieren, wenn für ihn erkennbar ist, dass die Hausarztpraxis fehlerhaft handelte, etwa gebotene Befundungen unterließ oder relevante Umstände bei der Diagnose außer Acht ließ. Grundsätzlich darf er aber darauf vertrauen, dass der überweisende Arzt ordnungsgemäß behandelt hat. Wird der Gynäkologe ohne Überweisung tätig, ist er selbst Primärbehandler und deshalb zur umfassenden ärztlichen Betreuung - gegebenenfalls durch Überweisungen an Ärzte anderer Fachrichtungen - verpflichtet.

Patient muss nicht notwendigerweise über Fortsetzung der konservativen Behandlung aufgeklärt werden
OLG Naumburg
Hat ein Patient mit Rückenschmerzen aufgrund ärztlichen Rates vielfältige konservative Behandlungsversuche, wie Kur, Physiotherapie, Medikamente, Schmerztherapie, hinter sich und sucht dann wegen anhaltender Schmerzen eine Klinik auf, um sich über eine Operation beraten zu lassen, so muss er dort über die Fortsetzung der konservativen Behandlung als Alternative nicht mehr besonders aufgeklärt werden. Dies konnten die Ärzte nur so interpretieren, dass das konservative Vorgehen keinen Erfolg gebracht hatte und für den Patienten keine Option mehr war. Ein knapper Operationsbericht begründet nicht per se einen Behandlungsfehler. Die Dokumentation ist kein Selbstzweck.

Schmerzensgeld für Diagnose- und Befunderhebungsfehler
OLG Rostock
1. Psychische Beeinträchtigungen wie Schlaflosigkeit, Kraftminderung und Konzentrationsschwäche sind keine typischen Folgen einer auf der Intensivstation behandelten Urosepsis oder einer chronischen Funktionsbeeinträchtigung einer Niere.
2. Die dreitägige Behandlung einer 61 jährigen Patientin auf der Intensivstation aufgrund eines fundamentalen Diagnosefehlers rechtfertigt ein Schmerzensgeld i. H. v. 7.000.- Euro.

Keine Haftung eines Krankenhauses für eine verzögerte Therapie ohne Kausalität für die Beeinträchtigungen
OLG Düsseldorf
Nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen hat ein Patient im Rahmen eines Rechtsstreites den Nachweis zu führen, dass dem verantwortlichen Personal bei der medizinischen Versorgung ein zumindest fahrlässiges Fehlverhalten unterlaufen ist, das eine bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigung hervorgerufen hat. Versäumnisse bei der Organisation einer kurzfristigen Rehabilitationsbehandlung sind nicht geeignet, eine Haftung eines Krankenhauses zu begründen, wenn sich nicht feststellen lässt, dass die Verzögerung der indizierten physikalischen Therapie ursächlich für die von dem Patienten beklagten körperlichen Beeinträchtigungen ist. Dies kann der Fall sein, wenn selbst bei Annahme einer zügig erfolgten Rehabilitationsmaßnahme ein weitergehender als der eingetretene Erfolg nicht als sicher unterstellt werden kann.

Verordung von Krankengymnastik ohne Röntgenaufnahme trotz Anzeichen einer ECF-Erkrankung stellt groben Behandlungsfehler dar
LG Köln
Bestehen bei einer 13-jährigen ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Epiphysiolysis capitis femoris ("ECF") im Hüftgelenk, ist nach den Regeln der ärztlichen Kunst spätestens bei gesichertem Ausschluss einer anderen Erkrankung die Anfertigung eines Röntgenbild zwingend erforderlich. Dies gilt insbesondere, wenn die Betroffene von großer Körperstatur mit leichter Adipositas ist, denn die ECF-Erkrankung betrifft typischerweise Kinder dieser Altersgruppe, die sich in einem Wachstumsschub befinden. Unterlässt der behandelnde Arzt dies, muss von einem Befunderhebungsfehler ausgegangen werden. Verordnet der Arzt stattdessen eine krankengymnastische Mobilisation, stellt dies darüber hinaus noch einen groben Behandlungsfehler dar. Erfolgt aufgrund dieser fehlerhaften Behandlungsschritte die erforderliche Operation der ECF erst verzögert, haften die beteiligten Ärzte für die damit verbundenen Spätfolgen.

Keine Kausalitätsvermutung bei Haftung für Arzneimittel nach dem AMG, wenn ein anderer Umstand geeignet ist, den Schaden zu verursachen
BGH
Nach allgemeinen Grundsätzen trifft die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen der Anwendung des Arzneimittels und der eingetretenen Rechtsgutsverletzung den Geschädigten. Eine Mitursächlichkeit reicht dabei aus. Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird nach dem AMG vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. Eine diese Vermutung ausschließende Alternativursache setzt ausreichend konkrete, den Gegebenheiten des Einzelfalles entsprechende Feststellungen dahingehend voraus, dass sie geeignet ist, allein (oder im Zusammenwirken mit anderen, dem in Anspruch genommenen pharmazeutischen Unternehmer ebenfalls nicht zuzurechnenden Ursachen) den geltend gemachten Schaden herbeizuführen.

Kinderarzt muss bestimmte halbseitige Lähmungen eines Säuglings im ersten Jahr nicht erkennen
OLG Hamm
Halbseitige Lähmungen (eine linksseitige Hemiparese) eines Säuglings, die aus einem perinatalen Hirnschaden resultieren, müssen für den behandelnden Kinderarzt im ersten Lebensjahr nicht erkennbar sein. Die Reifung des zentralen Nervensystems schreitet beim Neugeborenen langsam über Monate fort, und es funktionieren erst im Verlauf dieser Entwicklung die entsprechenden Nervenbahnen des Zentralnervensystems.

Verjährungsbeginn bei Arzthaftung erfordert Kenntnis eines fehlerhaften Verhaltens auf der Behandlungseite
OLG Hamm
Im Arzthaftungsprozess ist bei der Prüfung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, zugunsten des Patienten insbesondere zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungsfehler zu schließen braucht. Die Verjährungsfrist beginnt nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt hat, aus denen sich ergibt, dass der Arzt von dem üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren.

Patient muss fehlende Dringlichkeit eines erteilten ärztlichen Rates darlegen und beweisen
OLG Hamm
Der Patient trägt im Arzthaftungsprozess die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Daher hat eine Patientin auch darzulegen und zu beweisen, dass ein ärztlicher Rat, wegen Komplikationen in einer Schwangerschaft unverzüglich ein Krankenhaus aufzusuchen, nicht mit der nötigen Dringlichkeit erteilt worden ist.

Anforderungen an die Aufklärung vor einem tierärztlichen Eingriff
OLG Koblenz
1. Die wirksame Einwilligung in die Operation eines Tieres setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Tierhalter nach den für die Behandlung eines Menschen geltenden Maßstäben über Risiken unterrichtet wird, weil es nur um wirtschaftliche Interessen geht, die allerdings durch die rechtlichen und sittlichen Gebote des Tierschutzes erweitert sind. Der Halter muss daher vom Tierarzt in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung auf Erkenntnisse zu gründen, die seine Operationseinwilligung als Ausschluss einer eigenen wahren inneren Willensbildung erscheinen lassen. Unter diesem Aspekt kann die Operationseinwilligung unwirksam sein, wenn der Tierarzt grundlegende Informationen über statistisch erhebliche Risiken verschweigt, die sich durch die Wahl einer anderen Operationsmethode minimieren lassen (hier: offene oder bedeckte Kastration eines Pferdes).
2. Lässt sich nicht feststellen, dass ein postoperativer Zwischenfall bei Wahl der anderen Operationsmethode nicht eingetreten wäre, fehlt es an der Kausalität des Aufklärungsmangels für den eingetretenen Schaden.
3. Darf ein kastriertes Pferd an den Tagen nach dem Eingriff nur in der Gangart „Schritt" bewegt werden, haftet ein Tierarzt auf Schadenersatz, wenn er das Tier auf der Koppel frei laufen lässt mit dem Ergebnis, dass es bei dem Versuch, wieder in den Stall geführt zu werden, scheut, stürzt und infolge des dadurch verursachten Darmvorfalls eingeschläfert werden muss.

Patient ist auf Vermeidbarkeit einer Operation hinzuweisen
OLG Naumburg
Der Patient ist entsprechend darauf hinzuweisen, wenn eine Operation durch eine konservative Behandlung oder deren Fortführung vermieden werden kann oder sie erst nach deren erfolgloser Vorschaltung indiziert ist und wenn für den Patienten eine echte Wahlmöglichkeit mit gleichwertigen Chancen, wenngleich anderen Risiken, besteht. Mit der Überweisung an ein Krankenhaus geht die Verantwortung für den Patienten vom überweisenden Arzt auf den Nachbehandler über. Eine eventuell bereits erfolgte Aufklärung durch den erstbehandelnden Arzt kann sich der nachbehandelnde Arzt nicht entlastend zurechnen.

Vornahme einer Angiographie bei Thrombosepatienten ohne Gewährleistung einer Vollheparinisierung ist grob behandlungsfehlerhaft
OLG Karlsruhe
Wird bei einem Patienten mit erkennbar akuten Thromboserisiko eine Angiographie ohne Gewährleistung der Vollheparinisierung vorgenommen, liegt ein aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständliches ärztliches Fehlverhalten und mithin ein grober Behandlungsfehler vor. Denn ein Arzt muss bei bloßem Verdacht auf Thromben auf jeden Fall verhindern, dass sich weitere Blutgerinnsel bilden. Eine Heparinisierung ist insofern unverzichtbar. Erleidet der Patient aufgrund des Behandlungsfehlers einen Schlaganfall, haftet der Arzt auf Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden .

Krankenhausbetreiber kann für Verlust einer Goldkette eines Patienten haften
LG Bonn
Obhuts- und Schutzpflichten eines Betreibers eines Krankenhauses bestehen jedenfalls für solche Sachen des Patienten, die zum Zwecke der Untersuchung abgelegt werden müssen. Die krankenhausinterne Organisation des Behandlungsablaufes vermag den Umfang der gegenüber den Patienten bestehenden Obhutspflichten nicht zu beschränken. Ausreichend ist, dass der Patient zwecks Durchführung der weiteren Untersuchung zum Ablegen aufgefordert wurde. Ein Betreiber eines Krankenhauses kann daher haften, wenn einem Patienten eine vor einer Röntgenuntersuchung abgelegte Goldkette nicht zurückgegeben wurde. Dies stellt eine Verletzung der ihn obliegenden Obhuts- und Schutzpflicht gegenüber den Sachen des Patienten dar, die eine Nebenpflicht zum Behandlungsvertrag ist.

Klinik haftet Vater von Zwillingen aufgrund vertragsgemäßer IVF-Behandlung seiner früheren Partnerin mit gelagertem Sperma nicht auf Unterhaltsfreistellung
OLG Hamm
Schließt ein Mann mit einer Klinik einen Kryokonservierungs- und Lagerungsvertrag über Sperma ab, um eine IVF-Behandlung an seiner Lebensgefährtin durchführen zu lassen, kann nach einer Trennung von der Lebensgefährtin keinen Anspruch auf Freistellung von Unterhaltsansprüchen für seine so gezeugten Kinder gegen die Klinik geltend machen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er die erforderlichen Einverständniserklärungen unterschrieben hat. Ein solches Einverständnis ist auch dann wirksam, wenn er von der Klinik weder persönlich angehört noch belehrt wurde. Eine solche persönliche Belehrung ist nicht erforderlich, da an ihm selbst keine ärztliche Heilbehandlung vorgenommen wurde. Einem durchschnittlich gebildeten Menschen müssen die tatsächlichen und rechtlichen Konsequenzen einer Vaterschaft allgemein bekannt sein, sodass hierzu keines ärztlichen Aufklärungsgesprächs bedarf.

Kein Diagnosefehler, wenn Schmerzsymptomatik mit der diagnostizierten Fraktur vereinbar ist
OLG Frankfurt am Main
Ein Diagnosefehler liegt vor, wenn ein Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen therapeutischen oder weiteren diagnostischen Maßnahmen ergreift. Lässt sich die von dem Patienten geschilderte Schmerzsymptomatik am linken Fuß zwanglos mit einer zutreffend diagnostizierten Fraktur des Mittelfußknochens vereinbaren, so sind keine weiteren Diagnosemaßnahmen zum Ausschluss einer Oberschenkelhalsfraktur veranlasst.

Falsche Diagnose begründet nicht per se einen Behandlungsfehler
OLG Köln
Eine falsche Diagnose kann nur mit Zurückhaltung als ärztlicher Behandlungsfehler angesehen werden. Notwendig ist hierfür die Verkennung eines eindeutigen Befundes. Ein Behandlungsfehler kann auch dann zu verneinen sein, wenn der Arzt die Patientin nicht persönlich körperlich untersucht hat, eine Anamneseerhebung durch einen Arzt unterblieben ist, und wenn die Patientin ausschließlich Kontakt zu einer nichtärztlichen Mitarbeiterin (MTRA) hatte.

Einsichtsrecht in die Patientenunterlagen geht auf die Erben über
OLG München
Der Anspruch auf Einsicht in die Patientenunterlagen geht auf die Erben über, da das Einsichtsrecht des Patienten nicht in vollem Umfang ein höchstpersönlicher Anspruch ist, sondern auch eine vermögensrechtliche Komponente enthält. Der Grundsatz des Einsichtsrechtes in der Praxis des Arztes bzw. des Anspruches auf Übersendung von Kopien bedarf einer Ausnahme, wenn anderenfalls die Rechte eines Patienten, anhand der Krankenunterlagen das Vorliegen von Behandlungsfehlern zu überprüfen, abgeschnitten werden würde. Ein Patient kann daher auch einen Anspruch auf kurzfristige Überlassung von Präparaten haben, wenn ihm anderenfalls die ihm eingeräumte Überprüfung von möglichen ärztlichen Behandlungsfehlern verwehrt oder unzumutbar erschwert ist.

Zum Umfang der Risikoaufklärung bei Bandscheiben-OP
OLG Koblenz
1. Die Risikoaufklärung kann irreführend und damit unwirksam sein, wenn dem Patienten, ein Informationsbogen zur Ausräumung von Bandscheibengewebe ausgehändigt und stattdessen eine Nervendekompression durchgeführt wird. Auch den geplanten Zugang zum Operationsgebiet muss der Arzt mit dem Patient besprechen, wenn die in Betracht kommenden Methoden unterschiedliche Vor- und Nachteile haben.
2. Eine mangels Einwilligung rechtswidrige Operation, die zu einem durch die Narkose hervorgerufenen Pneumothorax und Hautemphysem führt, was einen fünftägigen Krankenhausaufenthalt erforderlich macht, ansonsten aber folgenlos bleibt, rechtfertigt ein Schmerzensgeld von 2000 €, sofern dem Arzt daneben nicht anzulasten ist, dass er das eigentliche Operationsziel verfehlt hat.

Anforderungen an die Sicherungsaufklärung bei schwerer Herzerkrankung
OLG Köln
1. Äußert ein Patient, der an einer schweren Herzerkrankung leidet und bei dem unmittelbar zuvor eine Medikamentenumstellung erfolgt ist, die ihrerseits zu schwerwiegenden Herzrhythmusstörungen führen kann, den Wunsch, aus dem Krankenhaus entlassen zu werden, so ist eine Sicherungsaufklärung, die sich auf die allgemeinen Risiken der Erkrankung beschränkt, auch wenn diese die Konsequenz möglichen Versterbens umfassen, nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr ein Hinweis auf die besonderen, sich aus der Medikamentenumstellung ergebenden Gefahren.
2. Bei einer auf eine konkrete Verhaltensweise ausgerichteten Sicherungsaufklärung spricht eine tatsächliche Vermutung für ein aufklärungsrichtiges Verhalten des Patienten.
3. Es unterliegt keinen vernünftigen Zweifeln, dass eine stationär gewährleistete Überwachung des Patienten den Eintritt eines hypoxischen Hirnschadens als Folge einer minutenlangen Sauerstoffunterversorgung verhindert.
4. Zur Annahme eines groben Behandlungsfehlers bei Zusammentreffen mehrerer behandlungsfehlerhafter und risikoreicher ärztlicher Entscheidungen.
5. Bei unzureichender Sicherungsaufklärung kommt ein Mitverschulden des Patienten wegen des geäußerten Wunsches nach Entlassung nicht in Betracht.

Grundsätzlich kein Nachbesserungsanspruch gegenüber einem Zahnarzt
OLG Koblenz
Ein Patient kann den Behandlungsvertrag jederzeit auch ohne Kündigungsgrund beenden, außerdem darf er bei einem fehlenden Vertrauen in die Fachkunde des Arztes dessen Nachbesserungsvorschlag ablehnen. Einen Nachbesserungsvorschlag muss der Patient nur akzeptieren, soweit eine spezifisch zahnärztliche Heilbehandlung nicht vorliegt, sondern es sich nur um die technische Anfertigung einer Prothese handelt. Da der Zahnarzt Dienste schuldet, kann er insoweit nicht wegen Leistungsmängeln auf Nachbesserung in Anspruch genommen werden. Denn abweichend vom Werkvertragsrecht kennt das Dienstvertragsrecht keine Mängelhaftung. Der Dienstleistende schuldet eine Tätigkeit, nicht aber einen bestimmten Arbeitserfolg.

Vertreiber ausländischen Defibrillators trifft keine Produkthaftung
OLG Koblenz
Eine Haftung nach § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG verlangt den Anschein der Herstellereigenschaft zum Zeitpunkt des Produkterwerbs durch die Anbringung des eigenen Namens oder eines anderen eigenen Kennzeichens auf dem Produkt. Ein inländischer Vertreiber eines importierten Defibrillators haftet jedoch nicht schon allein deshalb, wenn dem ausländischen Medizinprodukt ein auf den Vertreiber deutender Patientenausweis nebst Informationsbroschüre beigefügt ist.

Bestimmte Keimübertragungen im Krankenhaus können zum Risiko des Patienten gehören
OLG Köln
Eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität eines Hygienemangels in einem Krankenhaus für eine Infektion und zugleich auch für das Verschulden hinsichtlich des Hygienemangels kann nur angenommen werden, wenn feststeht, dass die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen sein muss. Denn absolute Keimfreiheit gibt es im Operationsbereich nicht. Im Hinblick darauf gehören Keimübertragungen, die sich aus nicht beherrschbaren Gründen und trotz Einhaltung der gebotenen hygienischen Vorkehrungen ereignen, zum entschädigungslos bleibenden Krankheitsrisiko des Patienten.

Krankenhausarzt kann bei Nichteinhaltung von Hygienestandards haften
OLG Köln
Eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität eines Hygienemangels für eine Infektion und auch für das Verschulden hinsichtlich des Hygienemangels kann nur dann angenommen werden, wenn feststeht, dass die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen sein muss. Allein, dass es zu einer Infektion gekommen ist, belegt aber noch nicht den Verstoß gegen Hygienestandards.

Patient kommt bereits bei einfachem ärztlichem Befunderhebungsfehler Beweiserleichterung zugute
OLG Hamm
Bei dem Auftreten von plötzlichen, stechenden Kopfschmerzen hat sich die ärztliche Befunderhebung auch auf den Ausschluss einer Subarachnoidalblutung (SAB) einschließlich ihrer Vorstufe Warning Leak zu erstrecken. Erleidet der Patient eine Subarachnoidalblutung, die ihn zu einem schweren Pflegefall gemacht hat, weil weitergehende Untersuchungen unterlassen worden sind, so ist davon auszugehen, dass das Unterlassen der hinreichenden Anamnese ursächlich dafür gewesen ist, dass sich mangels rechtzeitiger Reaktion auf das Warning Leaks später das Rezidiv ereignet hat. Beweispflichtig für die Kausalität ist grundsätzlich der Geschädigte, wobei eine Beweislasterleichterung bereits bei einem einfachen Befunderhebungsfehler gerechtfertigt ist, wenn die unterlassene Befunderhebung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätte und sich die Verkennung des Befundes oder das Verhalten des Arztes auf der Basis dieses Ergebnisses als grob fehlerhaft darstellen würde.

Wirbelsäulenoperation erfordert besonders sorgfältige Aufklärung
OLG Köln
Aufgrund der Komplexität der Entscheidung für eine Wirbelsäulenoperation ist eine entsprechend eingehende, patientenbezogene und sorgfältige Aufklärung über die tatsächlichen Chancen der Besserung oder Heilung und über die möglichen Folgen einer Operation (das "Austauschrisiko") erforderlich. Ist die Operation mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrig und hat der Operateur es darüber hinaus behandlungsfehlerhaft unterlassen, zeitnah eine Revisionsoperation vorzunehmen, so kann bei fortdauernden Beschwerden des Patienten ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro angemessen sein.

Zulässigkeit von Patientenfixierungen und medikamentöser Ruhigstellung bei intensiv-medizinischer Behandlung
OLG Bamberg
1. Medikamentöse Sedierung oder mechanische Fixierung, die im Rahmen einer intensiv-medizinischen Heilbehandlung ohne Einwilligung des Patienten erfolgt sind, lösen die Haftung der Behandlungszeit grundsätzlich nur dann aus, wenn sie zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Patienten geführt haben. Solche Maßnahmen haben keinen freiheitsentziehenden Charakter, solange sich der Patient in einem künstlichen Koma befindet.
2. Die Bewahrung eines Patienten vor Selbstschädigungen gehört im Rahmen einer intensiv-medizinischen Versorgung zum Behandlungs- und Pflegestandard. Hierbei hängt die Rechtmäßigkeit der von den Pflegekräften einer Intensivstation getroffenen mechanischen Sicherungsvorkehrungen nicht davon ab, dass diese Maßnahmen von der Arztseite im Nachhinein genehmigt wurden.
3. Dem Merkmal einer „längeren Dauer" im Sinne des § 1906 Abs. 4 BGB unterfallen grundsätzlich nur solche freiheitsentziehenden Eingriffe, die aller Voraussicht nach eine Gesamtdauer von drei Tagen überschreiten werden.

Kein Behandlungsfehler bei Übersehen der Brustwirbelsäulenverletzung eines Mehrfachverletzten
OLG Naumburg
Wird ein Motorradfahre nach einem Unfall in eine Klinik gebracht, sind die behandelnden Ärzte verpflichtet, die körperliche und gesundheitliche Integrität nach Möglichkeit wiederherzustellen. Kommt es dabei zu einem Übersehen einer Brustwirbelsäulenverletzung, folgt hieraus nicht zwangsläufig ein haftungsbegründender Behandlungsfehler. Dies gilt insbesondere, wenn der Betroffene Mehrfachverletzungen erlitten hat und eine weitere Untersuchung der Wirbelsäulensituation weder gefordert noch auf Grund der konkreten Umstände geboten war. Sowohl die Diagnose als auch die Befunderhebung gehören als Teil der von den Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus beeinflussten ärztlichen Behandlung nicht zu jenen Bereichen, die vollständig zu beherrschen und wo folgerichtig Risiken objektiv auszuschließen sind. Erst der Verstoß gegen die Regeln und Standards der ärztlichen Wissenschaft, also das Nichtergreifen der von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt nach den bewährten Behandlungsregeln seines Fachgebiets oder den gesicherten medizinischen Erkenntnissen in der konkreten Situation zu erwartenden Maßnahmen führt zu einem Fehler.

Krankenhausbetreiber kann für Sturz eines Patienten beim Aufstehen (anteilig) haften
OLG Naumburg
Bei Stürzen von Patienten ist davon auszugehen, dass sich allein aus dem Umstand, dass es zu einem Sturz kommt, keine schuldhafte Pflichtverletzung des Personals herleiten lässt. Kommt es aber im Zusammenhang mit einer konkret geschuldeten Hilfeleistung zu einem Sturz des Patienten, so hat der Krankenhausbetreiber darzulegen und zu beweisen, dass der Sturz nicht auf einem Fehlverhalten des Personals beruht. Von einem voll beherrschbaren Risiko mit der Folge einer Entlastungspflicht des Krankenhausbetreibers wird dann ausgegangen, wenn der Patient stürzt, während die mit seiner Begleitung beschäftigte Pflegekraft sich bei ihm befindet. Kann eine Liege seitlich wegrutschen, wenn sich der Patient beim Aufstehen mit einer Hand auf sie aufstützt, ist sie entweder nicht richtig arretiert oder nicht sicher gestellt, was eine Haftung begründet. Steht der Patient entgegen einer Anweisung der Pflegekraft alleine auf, begründet dies ein Mitverschulden (hier: von 50 %).

Haftung der Klinik bei Infizierung mit Krankenhauskeimen (MRSA-Infektion)
OLG Naumburg
1. Die Infektion mit einem multiresistenten Erreger (MRSA) begründet weder per se eine Haftung der Klinik noch stellt sie ein Indiz für eine mangelhafte Behandlung dar. Der Arzt schuldet dem Patienten keinen absoluten Schutz vor Infektionen, den niemand bieten kann. Der Arzt haftet nur, wenn er den von ihm zu fordernden Qualitätsstandard unterschreitet und dies auch ursächlich für eine Schädigung des Patienten ist.
2. Eine räumliche Separierung im Sinne einer Umkehrisolierung kommt bei Patienten in Betracht, die hochgradig infektanfällig sind, sei es wegen einer Immunsuppression, einer Brandverletzung oder wegen einer Immunschwächekrankheit. Dies ist nicht schon bei Diabetespatienten der Fall.
3. Die Dokumentation und Kontrolle allgemeiner Hygieneregeln und -standards erfolgt nicht patientenbezogen oder in einzelnen Krankenakten, denn eine Dokumentation, die aus medizinischer Sicht nicht erforderlich ist, ist auch aus Rechtsgründen nicht geboten.
4. Eine Haftung des Arztes oder der Klinik für eine Infektion durch Keime kommt nur in Betracht, wenn die Keimübertragung durch die gebotene hygienische Vorsorge zuverlässig hätte verhindert werden können. Nur wenn feststeht, dass die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen ist, hat der Behandelnden für die folgende Infektion einzustehen, sofern er sich nicht ausnahmsweise entlasten kann.
5. Das man sich in jedem Krankenhaus möglicherweise mit Keimen infizieren kann und dass dieses Risiko bei einer Vorerkrankung oder dem Vorhandensein von Wunden erhöht ist, ist allgemein bekannt und nicht Gegenstand der besonderen Risikoaufklärung im Rahmen eines stationären Aufenthalts als solcher.

Hypoxischer Hirnschaden infolge von Nachblutung nach Schilddrüsenoperation
LG Bochum
1. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist die Doppelfunktion zu beachten. Dies soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten eine gewisse Genugtuung dafür schuldet, was bei ihm für Folgen eingetreten sind. Die wesentliche Grundlage für die Bemessung des Schmerzensgeldes bilden damit die Schwere der eingetretenen Verletzungen, das Maß und die Dauer der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden sowie die Dauer der Behandlungen, der gegebene und weitere zukünftige Krankheitsverlauf, ein möglicher Dauerzustand sowie die Fraglichkeit einer endgültigen Heilung und letztlich die Gesamtumstände des Falles.
2. Bei einer Gesamtbewertung erscheint es gravierender, wenn eine Person ihr gesamtes Leben lang überhaupt keine Möglichkeit hatte, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln, als wenn eine Person rund 30 Jahre lang ein angenehmes und luxuriöses Leben genossen hat.
3. Grundsätzlich gehören Heilbehandlungskosten als solche zu dem nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzenden Schaden. Dabei sind die tatsächlich entstandenen, angemessenen Kosten aller unfallbedingten und erforderlichen Heilbehandlungsmaßnahmen zu ersetzen. Die Aufwendungen müssen sich im Rahmen des Angemessenen halten, der Verletzte darf aber den Rahmen wählen, den er üblicherweise in Anspruch nimmt. Insoweit sind nicht nur solche Behandlungen anzuerkennen, die nach Auffassung der Schulmedizin wissenschaftlich allgemein als erfolgversprechend anerkannt sind. Vielmehr sind auch weitere Behandlungen eine erstattungsfähige Heilbehandlung i.S. des § BGB § 249 BGB, sofern bei objektiver Betrachtung eine realistische Chance besteht, dass ein Behandlungserfolg (Heilung oder Linderung) eintritt (vgl. OLG Karlsruhe NZV 1999,210; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., Rdnr. 226).
4. Neben der eigentlichen Heilbehandlung können darüber hinaus auch Aufwendungen als Geldrente und damit Vermögensschaden unter dem Gesichtspunkt unfallbedingt vermehrter Bedürfnisse i.S. von § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB geltend gemacht werden. Darunter fallen alle unfallbedingten ständig wiederkehrenden vermögenswerten objektivierbaren Aufwendungen, die den Zweck haben, diejenigen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Störung körperlichen Wohlbefindens entstehen (vgl. LG Bonn VersR 1996,381). Eine Fallgruppe der vermehrten Bedürfnisse in diesem Sinne sind die laufenden Aufwendungen oder Mehrausgaben für solche medizinische Behandlungen, die nicht der Heilung, sondern der langfristigen Linderung der Leiden des Geschädigten dienen und die der Geschädigte zur Besserung oder Linderung seiner aufgrund der erlittenen Verletzungen auf Dauer verbliebenen Beschwerden aufwenden muss, wie zum Beispiel die Kosten von Medikamenten und Stärkungsmitteln, Kuren, die Kosten von Krankengymnastik und anderen Therapien, Massagen usw.. Mehraufwendungen des Verletzten sind nur vom Schädiger zu ersetzen, wenn die Schädigung zu gesteigerten Bedürfnissen des Geschädigten geführt hat, die Ersatzpflicht setzt also einen verletzungsbedingten Bedarf oder eine medizinische Notwendigkeit voraus.
5. Auch der Ausgleichsanspruch wegen vermehrter Bedürfnisse erfordert eine konkrete Schadensberechnung. In der Praxis hängt viel von der im Rahmen des § 287 ZPO anzustellenden Prognose über die zukünftige Entwicklung des Verletzten sowie einer möglichen Schätzung ab. Sie ist nicht rückbezogen aus der Sicht des Schadensereignisses, sondern auf der Grundlage des Kenntnisstandes im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorzunehmen.
6. Werden bei einem geschädigten Kind die notwendigen Pflegeleistungen unentgeltlich durch seine Angehörigen erbracht, ist auch deren Tätigkeit grundsätzlich zu vergüten, soweit sie ihrer Art nach in vergleichbarer Weise auch von einer fremden Hilfskraft übernommen werden könnten.
7. Im Rahmen eines Schadensersatzanspruches wegen Verdienstausfalls ist für die Schadensberechnung das monatliche Arbeitseinkommen im Wege einer Prognose gemäß den §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO zu ermitteln, bei der maßgeblich ist, wie die berufliche Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis verlaufen wäre. Dabei sind auch fiktive mögliche Einkünfte aus einer bislang nicht ausgeübten Tätigkeit zu ersetzen, wenn ihr Eintreffen zu erwarten gewesen wäre.

Anforderungen an einen Schmerzensgeldanspruch eines Angehörigen wegen eines Schockschadens
LG Bochum
Ein eigener Schmerzensgeldanspruch eines Angehörigen wegen eines Schockschadens kommt nur in Ausnahmefällen und zwar bei einer konkreten psychischen Beeinträchtigungen in Form einer pathologisch fassbaren Gesundheitsbeschädigung, die nach Art und Schwere über das hinausgeht, was nahe Angehörige in vergleichbaren Fällen erfahrungsgemäß und normalerweise an Beeinträchtigungen erleiden, in Betracht.

Bei einer Meniskusläsion eines Kindes ist die Meniskusnaht die Behandlungsmethode der Wahl und nicht die Resektion
Thüringer Oberlandesgericht
1. Bei einer Meniskusläsion eines Kindes ist die Meniskusnaht die Behandlungsmethode der Wahl und nicht die Resektion. Das gilt selbst dann, wenn die Verletzung im avaskulären (nicht durchbluteten) Bereich des Meniskus erfolgt ist.
2. Für die Frage der Haftung kommt es allein darauf an, ob die ärztliche Behandlung dem medizinischen Standard im Zeitpunkt der Behandlung entsprach. Ist dies nicht der Fall, haftet im Rahmen eines Behandlungsvertrages mit dem Krankenhaus der Krankenhausträger unabhängig von dem subjektiven Verschulden des Arztes; § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ist im Arzthaftungsrecht nur eingeschränkt anwendbar.
3. Steht - wegen Nichtbeachtung des ärztlichen (medizinischen) Standards - der grobe Behandlungsfehler fest, stellt sich nicht mehr die Frage der Kausalität zum Primärschaden (hier entfernter lädierter Korbhenkel des Meniskus). Denn in diesem Fall greift die zu Gunsten der Patientenseite etablierte Beweislastumkehr des Ursachenzusammenhangs zwischen - grob fehlerhaft - unterlassener Reposition zum (unnötigen) Verlust der entfernten Meniskusanteile. Hier liegt der Ursachenzusammenhang (sogar) auf der Hand, denn bei der Risslage im durchbluteten Bereich - wie hier - hätte in jedem Fall der Riss (wegen der guten Heilungschance) genäht werden müssen und durfte der angerissene Meniskusanteil nicht einfach entfernt (reserziert) werden.

Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht über Behandlungsalternativen bei Geburtsschäden; Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität der Pflichtverletzung durch Unterlassen für den Schaden; Prüfung des hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten
OLG Köln,18.04.2012, 5 U 172/11
1. Eine ärztliche Behandlung, deren Ordnungsgemäßheit sich erst im Nachhinein herausstellt, kann nicht als fehlerhaft angesehen werden, selbst wenn sie es nach dem Standard zur Zeit der Behandlung gewesen sein sollte.
2. Eine unspezifische Verweisung auf ein Internetportal kann schon nicht mehr als noch zulässiger Sachvortrag einer Partei akzeptiert werden. In sachlicher Hinsicht sind allgemein gehaltene medizinische Informationen aus dem Internet, auch soweit sie von Fachleuten stammen mögen, grundsätzlich (bei begründeten Ausnahmen mag dies anders zu beurteilen sein) nicht geeignet, ein gerichtlich eingeholtes, alle individuellen Umstände des Falles berücksichtigendes und insgesamt überzeugendes Gerichtsgutachten zu erschüttern.
3. Die Behandlung eines Patienten stellt sich als rechtswidrig dar, wenn der Arzt ihn nicht über eine echte Behandlungsalternative mit anderen Risiken, aber gleichwertigen Chancen aufgeklärt hat. Allein die Tatsache, dass es Mediziner gibt, die eine Methode auch ohne Nachweis von Vorteilen gegenüber anderen Methoden für sinnvoll und erwägenswert halten, macht eine solche Methode nicht zur aufklärungspflichtigen alternativen Behandlungsmethode (vgl. BGH, 15. März 2005, VI ZR 313/03=VersR 2005, 836).
4. Auch dann, wenn der Vorwurf des Patienten dahin geht, der Behandler habe die Aufklärung über eine mögliche Behandlungsalternative unterlassen, folgt entsprechend der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Darlegungs- und Beweislast den allgemein geltenden Grundsätzen. Danach ist eine Unterlassung der entsprechenden Aufklärung nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte, was zur sicheren Überzeugung des Gerichts feststehen muss (§ 286 ZPO). Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Geschädigte. Für den Einwand der hypothetischen Kausalität bei rechtmäßigem Alternativverhalten, der in der Darlegungs- und Beweislast der Behandlerseite liegt, ist erst Raum, wenn feststeht, dass das vom Schädiger zu verantwortende Verhalten kausal geworden ist (vgl. BGH, 7. Februar 2012, VI ZR 63/11=VersR 2012, 491).

Schmerzensgeldanspruch bei Dauerschaden an der Schulter durch grob fehlerhaften operativen Eingriff
OLG München
Sind Bewegungseinschränkungen und Schmerzen an der linken Schulter als durch einen grob fehlerhaften operativen Eingriff verursacht anzusehen, ist angesichts des Dauerschadens an der Schulter und den damit verbundenen erheblichen Beeinträchtigungen sowie den Belastungen durch den verlängerten Heilungsprozess ein Schmerzensgeld von insgesamt 30.000 € angemessen, aber auch ausreichend. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Patientin infolge der Einschränkungen der Funktionsfähigkeit der linken Schulter erwerbsunfähig wurde, ist das Schmerzensgeld angemessen, wobei zu beachten war, dass der grobe Behandlungsfehler lediglich mitursächlich für die Schulterbeschwerden ist

Bemessung des Schmerzensgeldes für durch ärztlichen Behandlungsfehler entstandenen zerebralen Schaden bei einem körperbehinderten Kind
LG München I
1. Erleidet ein mit einer Körperbehinderung geborenes Kind (hier: Lymphangiom und AV-Malformation des linken Beines) infolge einer aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers bei einer Herz- und Kreislaufinsuffizienz unterlassenen Blutgasanalyse (bei der sich eine metabolische Azidose hätte nachweisen lassen können) schwerste zerebrale Schäden, so besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro.
2. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes wegen der Verursachung zerebraler Schäden bei einem körperbehinderten Kind kommt es nicht darauf an, dass das (inzwischen 5 Jahre alte) Kind auch ohne den ärztlichen Behandlungsfehler aufgrund der bestehenden Körperbehinderungen niemals ein normales Leben hätte führen können, da das Leben eines Körperbehinderten nicht weniger lebenswert ist als das eines gesunden Menschen.

Ermittlung des gebotenen medizinischen Standards einer Behandlung; Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Primärschaden; Beweislast für den hypothetischen Behandlungsverlauf
Thüringer Oberlandesgericht
1. Oberstes Gebot und Richtschnur des ärztlichen Handelns (also jedweder Heilbehandlung) ist das Wohl des Patienten. Bei der Behandlung eines Patienten schuldet der Arzt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 BGB); diese richtet sich nach dem medizinischen Standard des jeweiligen Fachgebiets zum Zeitpunkt der Behandlung. Es gilt grundsätzlich der Facharztstandard bezogen auf den Zeitpunkt der Behandlung - aus ex ante Sicht. Eine (objektive) Verletzung dieser Sorgfaltspflicht bedeutet in der Vertragsebene einen Verstoß gegen die speziell einem Arzt obliegenden Berufspflichten, so dass sich der Arzt subjektiv nicht entlasten kann. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt insoweit im Arzthaftungsrecht nicht.
2. Leitlinien von ärztlichen Fachgremien (vgl. §§ 135ff SGB V) begründen aber grundsätzlich den ärztlichen Standard (noch) nicht konstitutiv, sind also nicht unbesehen mit dem anzuwendenden medizinischen Standard (zum Behandlungszeitpunkt) gleichzusetzen. Bei einer (sog.) S3-Leitlinie handelt es sich aber um eine bereits evidenzbasierte Konsensusleitlinie mit Erfassung der systematischen Entwicklung (sog. Clearingverfahren), die einen Behandlungskorridor eröffnet, innerhalb dem sich der Arzt in seinem therapeutischen Ermessen bewegen sollte; mithin handelt es sich hier um eine Leitlinie mit starkem Empfehlungscharakter.
3. Eine Haftung des Arztes (aus Vertrag oder Delikt) besteht aber nur, wenn und soweit dem grundsätzlich schuldhaften Behandlungsfehler ein darauf beruhender Schaden (des Patienten) ursächlich zurechnen lässt. Dieser haftungsrechtliche Grundsatz besteht auch im Arzthaftungsrecht. Eine haftungsbegründende ursächliche Verknüpfung zwischen Behandlungsfehler und Primärschaden besteht dann, wenn der primäre Schaden auf die festgestellte Fehlbehandlung zurückzuführen ist und wenn bei einer regelgerechten (lege artis), also eine dem medizinischen Sollstandard entsprechenden Behandlung diesen Schaden vermieden worden wäre. An der Ursächlichkeit des Primärschadens (und weiterer Schäden) fehlt es, wenn feststeht, dass hierfür eine andere Verursachungskette bei fehlerfreier, also regelgerechter Behandlung in entsprechender Weise ebenso entstanden wäre (sog. hypothetischer Behandlungsverlauf), was von der Behandlungsseite zu beweisen ist.

Keine Arzthaftung im Zusammenhang mit der Betreuung einer Schwangeren ohne Nachweis eines Behandlungsfehlers
OLG München
Im Zusammenhang mit der ärztlichen Betreuung einer Schwangerschaft und der Behandlung einer bakteriellen Vaginose kann das neugeborene, schwer geschädigte Kind von den behandelnden Ärzten weder unter vertraglichen noch unter deliktischen Gesichtspunkten Schadensersatz beanspruchen, wenn keine schadensursächlichen Fehler bei der Behandlung feststehen. Der Patient hat den Nachweis zu führen, dass die Ärzte behandlungsfehlerhaft vorgegangen sind. Der Arzt haftet daher nicht, wenn der Patient (hier: das neugeborene Kind) nicht nachgewiesen hat, dass der Arzt eine Erkrankung der Mutter des Neugeborene verkannt oder die Mutter unzutreffend behandelt hat.

Gerichtlicher Sachverständiger haftet bei einmaliger Falschbegutachtung nicht wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung
OLG Koblenz
Ein gerichtlicher Sachverständiger, der bislang über Jahre hinweg wiederkehrend als medizinischer Sachverständiger herangezogen worden und dabei durchweg mit fundierten und sorgfältigen Erwägungen in Erscheinung getreten ist, haftet nicht wegen vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens, wenn er fälschlicherweise eine Hysterektomie ex ante für vertretbar oder ex post sogar für indiziert erachtet hat. Dies gilt auch dann, wenn ihm bekannt war, mit seiner Beurteilung in Widerspruch zur herrschenden, in Patienteninformationsblättern niedergelegten Auffassung zu geraten.

Mit einem einheitlichen Schmerzensgeldanspruch werden grundsätzlich sämtliche Schmerzensgeldansprüche abgegolten
OLG Köln
Bei dem Anspruch auf Schmerzensgeld als immateriellen Schadensersatzanspruch und den weiteren, materiellen Schadensersatzansprüchen handelt es sich um verschiedene Forderungen und nicht lediglich um unselbständige Rechnungsposten. Dementsprechend kann auch die Verjährung der Ansprüche unterschiedliche Wege gehen. Ein Schmerzensgeldanspruch umfasst grundsätzlich sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen immateriellen Unfallfolgen, sofern sie bereits bekannt oder jedenfalls vorhersehbar waren. Nur für solche Ansprüche, die außerhalb des Vorhersehbaren liegen, kann gegebenenfalls eine Ausnahme von dem Grundsatz gemacht werden, dass mit dem einheitlichen Schmerzensgeldanspruch sämtliche Schmerzensgeldansprüche abgegolten werden. Ein geschwächtes Immunsystem mit den sich daraus ergebenden Folgen und Einschränkungen für die Lebensqualität gehört zu den bekanntermaßen möglichen Folgen eines Milzverlustes.

Aufklärung vor einer diagnostischen Lymphknotenentfernung muss auch Möglichkeit eines Dauerschadens beeinhalten
OLG Koblenz
Die Aufklärung über die Gefahr einer Nervschädigung am Stimmband bzw. Recurrensparese vor einer diagnostischen Lymphknotenentfernung aus dem Hals ist unvollständig, wenn dem Patient nicht verdeutlicht wird, dass es auch zu einer dauerhaft persistierenden Stimmbandlähmung kommen kann. Wenn über einen möglichen Dauerschaden nicht aufgeklärt worden ist, kann die Behandlungsseite eine mutmaßliche oder hypothetische Einwilligung nicht daraus herleiten, dass der Patient ein nach Auffassung des Arztes weitaus gravierenderes Risiko akzeptiert hat. 15.000 Euro Schmerzensgeld sind angemessen für eine persistierende Stimmbandlähmung, die zu vorübergehender Berufsunfähigkeit, mehreren Krankenhausaufenthalten und dem Erfordernis einer engmaschigen ambulanten Nachbehandlung führt, ohne dass das Sprechvermögen umfassend wiederhergestellt werden kann.

Bei Festsetzung eines Haushaltsführungsschadens kann eine Einstufung in die BAT Stufe VIII gerechtfertigt sein
OLG München
Bei der Festsetzung eines Haushaltsführungsschadens (hier: aufgrund eines ärztlichen Kunstfehlers) werden je nach Anforderungsprofil und Haushaltsgröße Eingruppierungen in die BAT-Stufen V-X vorgenommen, wobei davon ein Nettoabschlag von 30% vorzunehmen ist. Ist von einer unfallgeschädigten Person lediglich ein Zwei-Personen-Haushalt mit reduzierter bzw. verminderter Haushaltsführung zu führen, so ist eine Einstufung in BAT VIII gerechtfertigt. Bei der fiktiven Heranziehung einer BAT-Vergütung ist zu berücksichtigen, dass der Bruttolohn abhängig von der Altersstufe und den familienstandsbezogenen Zuschlägen ist und des weiteren die Umrechnung einer Monatsvergütung in Stundensätze je nach Umrechnungsansatz zu unterschiedlichen Ergebnissen führt.

Grober Behandlungsfehler durch die unterlassene Entfernung eines bereits diagnostizierten bösartigen Tumors bei einer Rektumresektion; Kausalzusammenhang mit den bei einer zweiten Operation eingetretenen Komplikationen; Bemessung des Schmerzensgelds
OLG München
1. Unterlässt der Arzt bei einer - ersten - Rektumresektion die Entfernung eines bereits diagnostizierten bösartigen Tumors, ist dies als grober Behandlungsfehler zu bewerten, da es schlichtweg unverständlich ist, dass sich der Operateur vor Durchführung der Operation nicht vergewissert hat, welche Darmteile zu entfernen sind. Ist zur Entfernung des Tumors eine zweite Rektumresektion erforderlich, stellt diese Operation den so genannten Primärschaden dar. Die infolge des Primärschadens aufgetretene Nahtinsuffizienz und die daraus sich ergebenden Komplikationen sind als Sekundärschäden der Operation zu bewerten.
2. Beruht die bei dem Patienten eingetretene Nahtinsuffizienz, Fistelbildung und die misslungene Stomarückverlagerung auf dem zweiten Eingriff bzw. auf den durch diesen eingetretenen Komplikationen, ist grundsätzlich ein Kausalzusammenhang zwischen der Re-Operation und den eingetretenen Komplikationen zu bejahen. Der Umstand, dass hinsichtlich der eingetretenen Komplikationen durch die erste Operation keine Risikoerhöhung für den erneuten Eingriff eingetreten ist, führt nicht zu einer Verneinung der Zurechenbarkeit der Folge der zweiten Operation zulasten des Patienten.
3. Bei der Bemessung der dem Patienten nach § 253 Abs. 2 BGB zu gewährenden billigen Entschädigung sind nicht nur die Durchführung der zweiten Operation sondern auch die durch die zweite Operation eingetreten gesundheitlichen Folgen, insbesondere die misslungene Rückverlagerung des Stomas, mit abzugelten. Muss der Patient bereits mehrere Jahre (hier: 4 Jahre) mit einem künstlichen Darmausgang leben und ist es fraglich, ob eine erneute Rückverlagerung erfolgreich durchgeführt werden kann, sind ihm auf Grund der Lage des Stomas Bücken, Drehbewegungen und aktives Arbeiten nur erschwert möglich hat sich der Heilungsverlauf durch die eingetretenen Komplikationen erheblich verzögert, waren außerdem neben der Re-Operation mindestens zwei weitere stationäre Aufenthalte erforderlich und hat sich durch die verzögerte Entfernung des bösartigen Tumors die Angst des Patienten vor einem Rezidives oder vor Metastasenbildung um circa neun Monate verlängert, ist das Schmerzensgeld auch angesichts der Tatsache, dass der Patient an einer schwer wiegenden Grunderkrankung gelitten hat und auch ein komplikationsfreier Heilungsverlauf mit Beeinträchtigungen verbunden gewesen wäre, mit 40.000 € zu bemessen.

Einsatz von Schmerzensgeldbeträgen als anrechenbares Einkommen im Rahmen der PKH-Bewilligung kann ausgeschlossen sein
OLG Naumburg
Eine Berücksichtigung von Schmerzensgeld als anrechenbares Einkommen ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn das gezahlte Schmerzensgeld in unmittelbarem Zusammenhang mit dem geltend gemachten Anspruch steht. In einem solchen Fall ist der Einsatz unzumutbar im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO. Dies muss in Fällen erst recht gelten, wenn mit dem Schmerzensgeld eine lebenslange Behinderung ausgeglichen werden soll, die eigentlich materiell überhaupt nicht auszugleichen ist. Bei schwersten Geburtsschäden mit lebenslang irreversiblen Folgen ist von einem Schmerzensgeldhöchstbetrag von 500.000,- Euro auszugehen, was im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens zugrunde zu legen ist.

Weiterbildungspflicht des Anästhesisten und Zeitspanne für die Umsetzung neuer Erkenntnisse
OLG Koblenz
1. Besteht eine Behandlungsalternative, über die der Patient informiert ist, darf der Arzt eine konkrete Empfehlung aussprechen. Liegt diese Empfehlung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen des medizinisch Vertretbaren, ist die therapeutische Aufklärung nicht zu beanstanden.
2. Ein Arzt ist verpflichtet, sich auf seinem Fachgebiet regelmäßig weiterzubilden. In führenden Fachzeitschriften publizierte neue Erkenntnisse muss er zeitnah im Berufsalltag umsetzen, wenn sie wissenschaftlich gesichert sind.
3. Von der Einschätzung des medizinischen Sachverständigen, ein ärztliches Versäumnis sei nicht als grober Behandlungsfehler zu werten, darf das Gericht abweichen, wenn es dafür keiner medizinischen Fachkunde bedarf (hier: einschlägige Fachpublikation bleibt Monate später unbeachtet).
4. Dreitägige anästhesiebedingte postoperative Übelkeit (sogenannte „PONV"), die durch Gabe eines weiteren Medikaments vermeidbar gewesen wäre, kann ein Schmerzensgeld von 1000 Euro rechtfertigen.

Stellung des Richters als Patient der beklagten Klinik begründet seine Ablehnung
OLG Koblenz
Der Kläger eines Arzthaftungsprozesses hat Anlass, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln, wenn dieser in derselben Abteilung der beklagten Klinik Patient ist. Dabei ist unerheblich, dass die Behandlung des Richters in den Händen anderer Ärzte als im Fall des Ablehnenden liegt.

Angemessenheit der Vergütung für eine Wahlleistung im Rahmen einer Krankenhausbehandlung ist überprüfbar
LG Itzehoe
Nach dem Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen dürfen Entgelte für Wahlleistungen in keinem unangemessenen Verhältnis zu den Leistungen stehen. Diese Regelung ist ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB. Die Vorschrift soll ihrem Zweck nach die Vergütung für Wahlleistungen auf die im Verhältnis zur Leistung angemessene Höhe beschränken, und dies nicht nur im Verhältnis zwischen Krankenhausbetreiber und Krankenversicherung, sondern auch im Verhältnis zwischen Krankenhausbetreiber und Patient. Bei der Beurteilung, ob eine Vergütung von Wahlleistungen angemessen ist, sind die in der Bundespflegesatzverordnung ausdrücklich vorgesehenen Empfehlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des Verbandes der privaten Krankenversicherung eine wesentliche Entscheidungshilfe des Gerichts.

Infektion mit multiresistentem Erreger (MRSA) ist nicht indiziell für mangelhafte Behandlung der Klinik
OLG Naumburg
Die Infektion mit einem multiresistenten Erreger stellt per se kein Indiz für eine mangelhafte Behandlung in einer Klinik dar. Eine Haftung der Klinik für eine Infizierung durch Keime kommt nur in Betracht, wenn die Keimübertragung durch die gebotene hygienische Vorsorge zuverlässig hätte verhindert werden können. Nur wenn feststeht, dass die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen ist, hat der Behandelnde für die Folgen der Infektion einzustehen, sofern er sich nicht ausnahmsweise entlasten kann. Der Umstand, dass sich ein Patient in einem Krankenhaus mit Keimen infizieren kann und dieses Risiko bei einer Vorerkrankung oder dem Vorhandensein von Wunden erhöht ist, ist nicht Gegenstand der besonderen Risikoaufklärung im Rahmen eines stationären Aufenthalts als solcher. Eine räumliche Separierung kommt daher nur bei Patienten in Betracht, die hochgradig infektanfällig sind. Dies ist nicht schon bei Diabetespatienten der Fall.

Elektronisch geführter Patientenkartei kann grundsätzlich Glauben geschenkt werden
OLG Naumburg
Einer formell und materiell ordnungsgemäßen Dokumentation (hier: eine elektronisch geführte Patientenkartei) kann bis zum Beweis des Gegenteils Glauben geschenkt werden. Um die Vollständigkeit der Dokumentation zu erschüttern, müssen konkret erkennbare Anhaltspunkte vorliegen, z. B. das Vorliegen nachträglicher Änderungen oder eine Fertigung erst mit langem zeitlichem Abstand. Der Beweiswert einer ärztlichen Behandlungsdokumentation wird nicht dadurch gemindert, dass ein EDV-Programm verwendet wird, das nicht gegen nachträgliche Veränderbarkeit gesichert ist, wenn der beklagte Arzt plausibel darlegen kann, dass seine Eintragung richtig ist, und sie aus medizinischen Gesichtspunkten schlüssig erscheint. Ein Arzt, der eine Gastroskopie bei einem Patienten durchgeführt hat, haftet nicht, wenn kein Aufklärungsmangel vorliegt, da von einer ordnungsgemäßen Aufklärung auszugehen ist, und wenn kein Behandlungsfehler bei Durchführung der Gastroskopie vorliegt.

Punktion eines Ganglions am Daumen stellt keine aufklärungsbedürftige Behandlungsalternative zu Exzision dar
OLG Naumburg
Ein Patient muss über verschiedene Behandlungsmethoden nur dann aufgeklärt werden, wenn es mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden gibt, die unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben, und sie damit echte Wahlmöglichkeiten darstellen. Bei der Frage nach der Gleichwertigkeit verschiedener Behandlungsmethoden ist grundsätzlich auf den möglichen Heilungserfolg als Bezugspunkt abzustellen. Eine vorübergehende Entlastung des Patienten kann im Einzelfall allenfalls dann als aufklärungsbedürftige Alternative in Betracht gezogen werden, wenn diese zwar keine endgültige Heilung bringt, mit dem sonst vorgesehenen operativen Eingriff aber das Risiko einer wesentlichen Verschlechterung der Lebensqualität des Patienten verbunden ist. Die Punktion eines Ganglions am Daumen ist insoweit nicht gleichwertig gegenüber einer Exzision des Ganglions, bei dem eine irreversible Nervenschädigung in Betracht kommen kann.

Keine ärztliche Aufklärungspflicht über allergenen Stoff bei Verwendung einer Nickel enthaltenden Knieendprothese
OLG Naumburg
In Fällen, in denen ein zusätzliches Risiko durch die Verwendung allergener Stoffe denkbar ist besteht eine Aufklärungspflicht nur dann, wenn ernsthafte Stimmen in der medizinischen Wissenschaft auf bestimmte mit einer Behandlung verbundene Gefahren hinweisen, die nicht lediglich als unbeachtliche Außenseitermeinungen abgetan werden können. Es besteht keine über das Übliche hinausgehende Aufklärungspflicht wegen Verwendung einer Nickel enthaltenden Knieendoprothese, da bis heute nicht nachgewiesen ist, ob es einen Zusammenhang zwischen einer Nickelallergie und der Verwendung von Prothesen gibt, die diesen Stoff enthalten. Es gibt keinen Standard, der im Fall einer Hautallergie gegen Nickel explizit von der Verwendung nickelhaltiger Metallimplantate abrät oder diese gar verbietet. Insoweit liegt kein Behandlungsfehler durch den Einsatz einer solchen Prothese ohne vorherige Durchführung eines Allergietests vor.

Zahnarzt ist beweispflichtig für umfassende und sachgemäße Aufklärung
OLG Koblenz
Birgt ein zahnärztlicher Eingriff in Form der Versorgung mit Implantaten das seltene, den Patienten aber erheblich beeinträchtigende Risiko einer dauerhaft verbleibendenden Nervschädigung, muss auch darüber aufgeklärt werden. Beweispflichtig für die umfassende und sachgemäße Aufklärung ist der Zahnarzt. Der Hinweis "Nervschädigung" in einem schriftlichen Aufklärungsformular ist unzureichend, weil er nicht verdeutlicht, dass ein nicht mehr zu behebender Dauerschaden eintreten kann.

Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler auch bei Eintritt eines noch unbekannten Gesundheitsschadens
BGH
War ein grober Verstoß gegen den ärztlichen Standard grundsätzlich geeignet, mehrere Gesundheitsschäden bekannter oder (noch) unbekannter Art zu verursachen, kommt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler regelmäßig nicht deshalb in Betracht, weil der eingetretene Gesundheitsschaden als mögliche Folge des groben Behandlungsfehlers zum maßgebenden Zeitpunkt noch nicht bekannt war.

Anforderung an den Kausalitätsnachweis bei behauptetem Impfschaden
OLG Köln
Die Kausalität zwischen einer (wegen behauptetem Aufklärungsmangel) möglicherweise rechtswidrigen Impfung (gegen Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis) und behaupteten neurologischen Auffälligkeiten (Rückenschmerzen, Muskelzuckungen) muss zur vollen richterlichen Überzeugung (§ 286 ZPO) nachgewiesen werden. Dass in einem sozialgerichtlichen Verfahren ein Sachverständiger die Voraussetzungen für eine so genannte „Kannversorgung" bejaht hat, genügt grundsätzlich nicht.

Vernähen einer Bisswunde am Knie eines Fußballspielers kann groben Behandlungsfehler darstellen
OLG Koblenz
Bereits der bloße Verdacht, dass eine beim Fußballspiel erlittene Knieverletzung durch die Zähne des Gegenspielers gerissen wurde, verbietet das Vernähen der Wunde. Welche Gefahr bei tierischen, erst Recht jedoch bei menschlichen Bissverletzungen von einer Wundinfizierung durch Bakterien ausgeht, gehört zum ärztlichen Standardwissen. Bei einer Ungewissheit, wie tief die Verletzung reichte, muss der Arzt bereits beim bloßen Verdacht einer Bissverletzung davon absehen, die Wunde zu nähen. Tut er dies dennoch, kann ein grober Behandlungsfehler vorliegen. Bei einem groben Eigenverschulden des geschädigten Fußballspielers bzw. Patienten kann die Haftung des Arztes jedoch auch ganz ausgeschlossen sein. Dies kann dann der Fall sein, wenn der verletzte Spieler die ihm von einem anderen Arzt dringend empfohlene sofortige Wiedereröffnung der Wunde nebst Operation (Bursektomie) verweigert.

Keine Pflicht des Arztes zur Durchführung mikrobiologischer Wunduntersuchung ohne Verdacht auf Infektion
OLG München
Der behandelnde Arzt haftet nicht aufgrund verspäteten Erkennens einer Infektion nach einer Hüftoperation, wenn keine Anhaltspunkte vorlagen, dass die Wunde offen oder noch nicht vollständig geschlossen war und dies durch den Verlegungsbericht gestützt wird. In einem solchen Fall besteht auch nicht die Pflicht des Arztes eine mikrobiologische Untersuchung durchzuführen. Grundsätzlich ist eine solche in Arztpraxen nur üblich und geboten, wenn ein Verdacht auf eine Infektion besteht. Davon kann insbesondere nicht ausgegangen werden, soweit der am nächsten Tag erhobene CRP-Wert rückläufig ist.

10.000,00 € Schmerzensgeld für Beschwerden und Nervenläsionen aufgrund fehlerhafter Krankenhausbehandlung
OLG Köln
Ein Patient kann Schmerzensgeld (hier: in Höhe von 10.000,00 €) verlangen, wenn er in einem Krankenhaus nach einem Unfallereignis fehlerhaft behandelt worden ist und diese fehlerhafte Behandlung für die beim Patienten bis zur Operation bestehenden und aufgetretenen Beschwerden sowie die bei diesem entstandenen Nervenläsionen wenigstens mitursächlich war. Die fehlerhafte Unterlassung der medizinisch gebotenen Befunderhebung führt zwar grundsätzlich zu einer Umkehr der dem Patienten obliegenden Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für die eingetretenen Schäden, wenn sich bei der gebotenen Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlich ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und sich die jedenfalls nicht gezielte Reaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellt. Dies gilt jedoch nicht, wenn jeglicher haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, was von dem Krankenhausträger zu beweisen ist.

Kurgast kann wegen Baulärms auf dem Nachbargrundstück den Beherbergungspreis um 20 % mindern
LG Wuppertal
Wird ein Kurgast durch Baulärm auf den Nachbargrundstücken in seiner Ruhebedürftigkeit gestört, kann eine Minderung des Beherbergungspreises von 20 % angemessen sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Baulärm - abgesehen vom Zimmer des Gastes - nur in Teilbereichen des Gebäudes hörbar war. In einem solchen Fall kann sich der Kurpatient nicht auf das weitreichende Pauschalreisevertragsrecht berufen, da dieses auf den medizinischen Charakter eines Kuraufenthaltes nicht anwendbar ist. Vielmehr kommt insbesondere nach persönlichem Vertragsschluss mit dem Kurhotelier nur ein individualreiserechtlicher Beherbergungsvertrag in Betracht.

Grenzen der Kausalitätsvermutung für einen Schlaganfall bei Einnahme von Vioxx
OLG Köln
Für die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG hinsichtlich der Einnahme des Medikaments Vioxx und einem (behaupteten) Schlaganfallereignis ist kein Raum bei einem individuellen Risikoprofil im Hinblick auf ein Schlaganfallrisiko von rund 40 %.

Wichtiger Grund für Kapitalisierung einer Unterhaltsrente nach grobem ärztlichem Behandlungsfehler
OLG Köln
Ein wichtiger Grund für die Zubilligung einer Kapitalabfindung nach § 843 Abs. 3 BGB anstelle einer Unterhaltsrente nach § 843 Abs. 1 BGB kann in einem besonders unverständlichen Regulierungsverhalten des beklagten Krankenhausträgers bzw. des hinter ihm stehenden Haftpflichtversicherers im Anschluss an einen groben Behandlungsfehler zu sehen sein.
Patientin kann sich angesichts einer auf mögliche Risiken „unabänderlich" getroffenen Entscheidung für kosmetische Operation nicht auf Aufklärungsfehler des Arztes berufen
OLG Köln, Beschluss vom 29.02.2012, 5 U 139/11
Eine Patientin kann dem behandelnden Arzt nicht vorwerfen, dass er sie vor einer kosmetischen Operation nicht über die Risiken aufgeklärt hat, wenn sie die Risiken von Vorneherein negiert und noch nicht einmal den Aufklärungsbogen durchgelesen hat. Dies gilt insbesondere im Fall, dass sie in jedem Falle und auch bei einer ausreichenden Aufklärung über die Risiken, die sich bei ihr realisiert haben (hier: Wundheilungsstörung und Nekrosebildung) bei ihrer Entscheidung für die Operation verblieben wäre und darauf vertraut hätte, dass sich erhebliche Risiken in ihrem Fall nicht realisieren.

Kein Behandlungsfehler bei normaler, leichter Seitendifferenz in der Höhe der Brüste nach den Einsätzen von Brustimplantaten
OLG Naumburg
Selbst wenn im Bereich der plastischen Chirurgie das Streben der Ärzte nach einem optisch perfekten Ergebnis stetig steigt und auf Seiten der Patienten die Erwartung eines solchen Resultats immer mehr in den Vordergrund tritt, handelt es sich trotzdem um keinen Werkvertrag, sondern einen Arztvertrag. Daher schuldet der Arzt nicht einen bestimmten Erfolg, sondern nur die Einhaltung des fachärztlichen Standards. Dies gilt auch, wenn das vereinbarte Ziel der Operation die „Wiederherstellung der vorherigen Optik/Körbchengröße" war. Liegt kein Behandlungsfehler vor, wenn nach dem Einsetzen von Brustimplantaten eine leichte Seitendifferenz in der Höhe der Brüste im Streubereich normaler biologischer Heilungsvorgänge liegt, was sachverständig festgestellt worden ist.

Kein Nacherfüllungsverlangen des Patienten nach ärztlichem Übersehen eines Kariesherds bei Einsetzen einer Krone
OLG Jena
Ein Patient muss seinen Zahnarzt nach fehlerhafter Behandlung regelmäßig nicht zur Nacherfüllung auffordern. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arzt bei Einsetzen einer Krone oder eines Inlays zwei dort bereits vorhandene Kariesherde übersehen hat. In einem solchen Fall hätte eine spätere Erhebung der Befunde ein bereits deutlich fortgeschrittenes Krankheitsbild gezeigt, so dass die zeitnah geschuldete Abklärung der Verdachtsbefunde nicht mehr möglich gewesen wäre.

Wundheilungsstörungen und Nekrosen sprechen bei einer umfangreichen Schönheits-OP nicht per se für einen Behandlungsfehler
OLG Köln
Der Umstand allein, dass es es bei einem Patienten nach einem bestimmten kosmetischen Eingriff zur Lid- und Gesichtsstraffung zu Wundheilungsstörungen und Nekrosen sowie zu den darauf beruhenden gravierenden Schäden gekommen ist, stellt kein Indiz dafür dar, dass dem behandelnden Arzt ein schadensursächlicher Behandlungsfehler unterlaufen ist. Denn Wundheilungsstörungen und Nekrosebildung gehören zu den typischen Komplikationen, zu denen es bei Eingriffen der hier in Rede stehenden Art kommen kann. Auch eine Operationsdauer von tatsächlich mehr als sieben Stunden kann aus medizinisch-sachverständiger Sicht nicht zu beanstanden sein, wenn es sich bei der umstrittenen Operation um einen umfangreichen Eingriff gehandelt hat, im Rahmen dessen quasi vier Operationen pro Gesichtshälfte durchgeführt worden sind, nämlich jeweils eine Ober- und Unterlidstraffung, ein SMAS-Facelifting und eine submentale Liposuktion.

Krankenhausträger haftet nicht für ärztliche Fehler bei ambulanter Behandlung im Durchgangsarztverfahren
LG Münster
Für etwaige ärztliche Fehler bei der ambulanten Behandlung (Untersuchung und Versorgung) eines Unfallverletzten im Durchgangsarztverfahren ist der Träger des Krankenhauses, an dem der Durchgangsarzt tätig ist, nicht einstandspflichtig. Dies gilt auch, wenn die ambulante Behandlung tatsächlich durch einen Assistenzarzt erfolgt ist, da dieser in einem solchen Fall als Verrichtungs- bzw. Erfüllungsgehilfe des Durchgangsarztes und nicht des Krankenhausträgers anzusehen ist.

Zu den Voraussetzungen und Grenzen der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht des Arztes über die fragliche Erstattungsfähigkeit seiner Leistungen gegenüber der Krankenversicherung des Patienten
LG Wiesbaden
Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Rückzahlung von 10.821,40 EUR ist insbesondere nicht aus dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wirtschaftlichen Informationspflicht gegeben (§ 280 BGB). Dem Kläger ist zwar zuzugeben, daß es
1. Grundsätzlich gehört es anerkanntermaßen zu den einem Arzt oder sonstigen medizinischen Behandler abzuverlangenden Pflichten auch gehört, einen Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren; bei einem schuldhaften Verstoß gegen diese wirtschaftliche Aufklärungspflicht kann dem Patienten ein Schadensersatzanspruch zustehen, den er dem Anspruch des Behandlers auf Bezahlung der Behandlungskosten entgegenhalten beziehungsweise aus welchem ein Rückforderungsanspruch des Patienten gegen den Behandler erwachsen kann (vgl. BGH, VersR 2000, 999).
2. Dies setzt allerdings voraus, daß der Arzt oder sonstige medizinische Behandler aus seiner Expertenstellung heraus über bessere Kenntnisse und ein überlegenes Wissen verfügt. Wenn der Arzt dieserhalb insbesondere weiß, daß eine bestimmte ärztliche Behandlung von der Krankenversicherung nicht oder aber nur unter ganz bestimmten und obendrein nur schwer zu erfüllenden beziehungsweise darzustellenden Voraussetzungen übernommen werden wird, hat er den jeweiligen Patienten eben hierauf grundsätzlich ungefragt und vor Abschluß des Behandlungsvertrages hinzuweisen. Eine derartige Aufklärungspflicht kraft überlegenen Wissens besteht dagegen nicht, wenn die Zweifelhaftigkeit der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung entweder dem Patienten selbst bekannt ist oder aber von diesem ohne weiteres selbst und in zumutbarer Weise geklärt werden kann. In einer derartigen Konstellation kann von einer schuldhaften Pflichtverletzung in dem vorskizzierten Sinne nicht die Rede sein.
3. Letzteres ist der Fall, wenn der Zahnarzt seinem Patienten einen Heil- und Behandlungsplan sowie einen Kostenvoranschlag Vor Behandlungsbeginn gibt, den der Patient ohne weiteres bei seiner Krankenversicherung hätte vorlegen können und müssen.

Keine Honorarkürzung bei vermeintlich fehlerhafter Zahnarztleistung
OLG Koblenz
Mit der Beratung des Patienten, der anschließenden Planung, Herstellung und Einpassung von Prothesen nach dessen individuellen Erfordernissen übernimmt der Zahnarzt eine nur bedingt objektivierbare Leistung, die deshalb dienstvertraglich einzuordnen ist. Der Vergütungsanspruch des Zahnarztes kann daher allenfalls entfallen, wenn die Leistung derart unbrauchbar ist, dass sie einer Nichtleistung gleichsteht.

Arzt kann für Folgen der nach fehlerhafter Erstbehandlung erforderlich gewordenen Nachoperation haften
BGH
Wird bei einer Patientin im Rahmen einer Rektumresektion ein tumorbefallener Darmabschnitt nicht mit entfernt, kann sie Ersatz der ihr infolge einer bei der Nachoperation aufgetretenen Nahtinsuffizienz entstandenen materiellen und immateriellen Schäden verlangen. Der Umstand, dass bei korrektem medizinischen Vorgehen, d. h. bei Entfernung des vom Tumor betroffenen Darmabschnitts bereits im Rahmen des ersten Eingriffs, möglicherweise ebenfalls eine Nahtinsuffizienz mit vergleichbaren Folgen aufgetreten wäre, stellt die haftungsausfüllende Kausalität nicht in Frage.

650.000,00 € Schmerzensgeld wegen Folgen behandlungsfehlerhafter Narkotisierung eines 4 1/2 Jahre alten Kindes
KG
Erleidet eine 4,5-jährige Patientin aufgrund behandlungsfehlerhafter Narkotisierung mittels Maske während einer Armbruch-Operation einen schweren Hirnschaden mit einer Tetraspastik, hat sie Anspruch auf Schmerzensgeld. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Geschädigte Erinnerung an ihren früheren Zustand hat und ihr die Beschränktheit und Ausweglosigkeit der bestehenden Situation in gewisser Weise bewusst ist. In einem solchen Fall ist abweichend von den so genannten Geburtsschadenfällen ein höheres Schmerzensgeld zu gewähren. Angemessen ist dabei ein Gesamtschmerzensgeld von 650.000,00 €.

 

Das Platzen bzw. Zerbrechen einer Hüftprothese beweist noch nicht zwangsläufig die Fehlerhaftigkeit dieses Produkts
LG München
Ein Fehler einer Hüftprothese ergibt sich nicht daraus, dass ein Zerbrechen der Prothese nicht erklärlich erscheint. Zum einen ist von einem Grundrisiko des Bruchs einer Prothese unabhängig von der Frage eines Fehlers auszugehen. Dies gilt umso mehr, wenn zwischen den Parteien streitig ist, ob die Klägerin möglicherweise auf die Prothese gefallen ist oder diese nicht lege artis eingesetzt wurde. All dies sind reelle Möglichkeiten, die den vorgenannten Rückschluss verbieten.

Schmerzensgeldanspruch des Patienten wegen rechtswidriger Fixierung
OLG Bamberg
1. Auch (Zwangs-)Maßnahmen, wie die medikamentöse Sedierung oder mechanische Fixierung (Eingitterung, Bauchgurt, Handfesseln usw.), die im Rahmen einer ärztlichen (hier: intensivmedizinischen) Heilbehandlung ohne wirksame Einwilligung des Patienten erfolgt sind, lösen die Haftung der Behandlungsseite grundsätzlich nur dann aus, wenn diese Eingriffe zu (irgend-) einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Patienten geführt habe.
2. Maßnahmen dieser Art haben von vornherein keinen freiheitsentziehenden Charakter, also weder nach dem Tatbestand Schutzzweck des § 239 Abs. 1 StGB bzw. des § 823 Abs. 1 BGB, noch im Sinne des § 1906 IV BGB, solange sich der in einem nicht ansprechbaren und lebensbedrohlichen Zustand eingelieferte Patient in einem künstlichen Koma befindet.
3. Zum Eingreifen der Rechtfertigungsgründe der mutmaßlichen Einwilligung bzw. des rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB) bei einer solchen Fallgestaltung, wenn die ruhigstellenden Maßnahmen nach der Beendigung des künstlichen Komas - mit Unterbrechungen - bis zur Beendigung der intensivmedizinischen Behandlung fortgeführt werden.
4. Die Bewahrung eines Patienten vor Selbstschädigungen und insbesondere vor selbstschädigenden Eingriffen in den Behandlungsablauf gehören (ebenfalls) im Rahmen einer intensivmedizinischen Versorgung auch in einer nichtpsychiatrischen Einrichtung zum Behandlungs- und Pflegestandard. Hierbei hängt die Rechtmäßigkeit der von den Pflegekräften einer Intensivstation betroffenen mechanischen Sicherungsvorkehrung nicht davon ab, dass diese Maßnahmen von der Arztseite im nachhinein (unverzüglich) genehmigt wurden.
5. Zu den sachlichen Voraussetzungen einer Eilanordnung des Betreuungsgesichts nach §§ 1846, 1908 i.V.m. § 1906 IV BGB in einem solchen Fall.
6. Die Merkmale einer „längeren Dauer" im Sinne des § 1906 IV BGB unterfallen grundsätzlich nur solchen Freiheitsentziehenden Eingriffe, die aller Voraussicht nach eine Gesamtdauer von 3 Tagen überschreiten werden.

Augenarzt muss ohne vorliegende Anhaltspunkte für eine Sehkraftverschlechterung keine Fluoreszenzangiographie durchführen
OLG Koblenz
Besteht nur eine symptombezogene Verpflichtung für einen Sehschärfentest im Rahmen einer Augenkontrolluntersuchung, muss der behandelnde Arzt diesen auch nicht in jedem Kontrolltermin durchführen. Insbesondere besteht nur unter der Symptomatik einer Sehkraftverschlechterung eine Indikation für eine Fluoreszenzangiographie. Führt der Arzt mangels Anhaltspunkten keine entsprechenden Untersuchungen durch und kommt es in der Folge zu einer Teilerblindung, kann dem Arzt kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden.

Vor Kontrastmittelinjektion zur Durchführung einer Thorax-CT muss Arzt auf eine mögliche Paravasation hingewiesen werden
OLG Koblenz
Vor einer Kontrastmittelinjektion zur Durchführung einer Thorax-CT muss der Arzt zwar nicht über die Gefahr eines Kompartment-Syndroms aufklären, aber er muss auf eine mögliche Paravasation hinweisen. Ein diesbezüglicher Aufklärungsmangel ist jedoch konkret ohne Gewicht, wenn der Patient nach einer entsprechenden Aufklärung gleichwohl in die Injektion eingewilligt hätte (hypothetische Einwilligung). Eine solche Feststellung bedarf, um verbindlich zu sein, der vorherigen Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls und kann grundsätzlich nicht ohne Anhörung des Patienten getroffen werden. Es muss greifbare Anhaltspunkte dafür geben, dass der Patient dem Eingriff auch in Kenntnis des aufklärungsbedürftigen Risikos zugestimmt hätte. Daran fehlt es, wenn er plausibel macht, bei hinlänglicher Aufklärung einem Interessenkonflikt ausgesetzt gewesen zu sein, der ihn gehindert hätte, den konkreten Eingriff zu akzeptieren.

Keine Beweiserleichterung für Patienten, wenn Krankenversicherer die Rücksendung der ihm durch den Arzt zur Verfügung gestellten Behandlungsdokumentation nicht belegen kann
OLG Koblenz
Behauptet der Krankenversicherer die Rücksendung der ihm durch den Arzt befugt zur Verfügung gestellten Behandlungsdokumentation, kann diese aber nicht belegen, greift keine Beweiserleichterung zugunsten des Patienten. Ein Schreiben, das erst 15 Monate nach der angeblichen Versendung erstellt wird, mit dem Inhalt, dass sämtliche „bildgebenden Unterlagen (Röntgenaufnahmen; OPG) an den jeweiligen Behandler" zurückgesandt worden seien, reicht zum Beleg nicht aus. Es müsste sich zumindest entnehmen lassen, wer die Versendung veranlasst hat, wann dies geschehen sein soll und welche Unterlagen wann versandt worden sein sollen. Der allein maßgebliche Zugangsnachweis ist mit einem solchen Schreiben nicht zu führen.

Gynäkologe darf auf Diagnose und Risikoschätzung eines als Sonderfachmann zugezogenen Radiologen vertrauen
OLG Koblenz
Eine risikobehaftete invasive diagnostische Maßnahme (hier: Biopsie der Brustdrüse) setzt neben einem abklärungsbedürftigen Verdacht eine Güterabwägung zwischen der diagnostischen Aussagefähigkeit, den Aufklärungsbedürfnissen und den besonderen Risiken für die Patientin voraus. Ein Gynäkologe darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Diagnose, die Risikoeinschätzung und die für eine Nachkontrolle veranschlagte Zeitspanne des von ihm als Sonderfachmann zugezogenen Radiologen zutreffen. Der Arzt muss nicht jede Teiluntersuchung, die keinerlei medizinisch relevanten Befunde ergeben hat, dokumentieren. Auch muss die Dokumentation nicht aus sich heraus für jeden beliebigen Dritten verständlich und nachvollziehbar sein.

Keine Haftung des Arztes bei fehlender Feststellbarkeit objektiv falscher Erst- und Zweitdiagnose
OLG Koblenz
Ein haftungsrelevantes ärztliches Fehlverhalten kann zwar gegeben sein, wenn der behandelnde Arzt ohne vorwerfbare Fehlinterpretation von Befunden eine objektiv unrichtige Diagnose stellt und diese darauf beruht, dass der Arzt eine notwendige Befunderhebung entweder vor der Diagnosestellung oder zur erforderlichen Überprüfung der Diagnose unterlassen hat. Dies scheidet aber aus, wenn sich nicht verlässlich feststellen lässt, ob Erst- und Zweitdiagnose überhaupt objektiv falsch waren. Kommen nach dem ursprünglichen Beschwerdebild und Ausschöpfung aller diagnostischen Möglichkeiten drei verschiedene Hauterkrankungen ernsthaft in Betracht, beweist das Scheitern der zunächst unter zwei Verdachtsdiagnosen durchgeführten Behandlungen nicht schon deshalb einen Diagnosefehler, weil letztlich unter der zutreffenden Diagnose die weitergeführte Behandlung erfolgreich war.

Orthopäde muss bei fehlendem Bezug vom Patienten geschilderter unerträglicher Schmerzen zu aktuellen Beschwerden internistische Untersuchungen veranlassen
OLG Koblenz
Ein Orthopäde muss eine zeitnah gebotene internistische Untersuchung bei einem Patienten veranlassen, wenn sich aufdrängt, dass ein vom Wunsch nach alsbaldiger Linderung unerträglich empfundener Schmerzen geprägter Bericht des Patienten über lange zurückliegende Untersuchungen, keinen Bezug zur aktuellen Beschwerdesymptomatik haben kann. In einem solchen Fall kann allein die versäumte Nachfrage nach dem Beginn der akuten Beschwerden die Beweislast zugunsten des Patienten umkehren.

Patient kann ohne Nachweis schädlicher Wirkungen des Medikaments „Vioxx" keinen Schadensersatz vom Hersteller verlangen
OLG Koblenz
Ein Patient hat gegen einen Arzneimittelhersteller keinen Anspruch auf Auskunft über die Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie Verdachtsfälle des von diesem vertriebenen, zugelassenen Medikaments „Vioxx" und kann in diesem Zusammenhang auch keinen Schadensersatz verlangen, wenn das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen bzw. einen Schaden nicht infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist. Behauptet er das Gegenteil, kann er sich nur dann auf den Anscheinsbeweis berufen, soweit ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist und so sehr das Gepräge des Gewöhnlichen und Üblichen trägt, dass die besonderen individuellen Umstände in ihrer Bedeutung zurücktreten.

Befangenheit eines Richters, der selbst Patient des verklagten Arztes ist
OLG Koblenz
Wird ein Richter in jüngerer Vergangenheit mehrfach, intensiv durch einen Arzt, in einem Krankenhaus, einer Universitätsklinik o.ä. behandelt, so liegt im Regelfall ein Ablehnungsgrund nach §§ 42 ff. ZPO in den (Arzthaftungs-)Verfahren vor, in denen Ansprüche gegen den entsprechenden Arzt bzw. Krankenhaus etc. geltend gemacht werden.

Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität bei Pflichtverletzung durch Unterlassen
BGH
1. Besteht die Pflichtverletzung in einer Unterlassung, ist diese für den Schaden nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt regelmäßig der Geschädigte.
2. Die haftungsbegrenzende Rechtfigur des hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten kommt erst dann zum Tragen, wenn die Ursächlichkeit der durchgeführten rechtswidrigen Behandlung für den behaupteten Schaden festgestellt und mithin die Haftung grundsätzlich gegeben ist.

Abgrenzung des Diagnosefehlers vom Befunderhebungsfehler
OLG Hamm
1. Ein Befunderhebungsfehler ist gegeben, wenn auf der Grundlage einer angenommenen Diagnose die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen wird.
2. Im Unterschied zu einem Befunderhebungsfehler liegt ein Diagnoseirrtum vor, wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen weiteren Befunderhebungsmaßnahmen ergreift.
3. Ein Diagnosefehler wird nicht dadurch zu einem Befunderhebungsfehler, da bei objektiv zutreffender Diagnosestellung noch weitere Befunde zu erheben gewesen wären.
4. Für die rechtliche Beurteilung eines Diagnosefehlers gelten nicht die Beweisgrundsätze der unterlassenen Befunderhebung, sondern die allgemeinen Grundsätze bei Behandlungsfehlern.

Keine Pflicht zur Aufklärung über Risiko einer Verletzung oberflächlicher Hautnerven
OLG Köln
1. Es ist nicht behandlungsfehlerhaft, wenn bei der Beseitigung einer wiederholt auftretenden Hydrozele im Hoden der operative Zugang über einen Leistenschnitt (anstelle eines Hodensackschnitts) gewählt wird.
2. Auf das mit nahezu jedem Eingriff verbundene Risiko der Verletzung oberflächlicher Hautnerven muss ohne gesonderte Nachfrage nicht hingewiesen werden.

Entscheidung über das „Ob" einer OP bei minderjährigem Kind kann Eltern im Wesentlichen entzogen sein
OLG Saarland
Die Freiheit zu einer eigenen Entschließung steht den Eltern eines minderjährigen Kindes, die als gesetzliche Vertreter über seine Behandlung zu entscheiden haben, nicht im gleichen Umfange zu wie einem nur sich selbst verantwortlichen volljährigen Patienten. Eltern müssen ihre Entscheidungen in erster Linie am Wohl des Kindes ausrichten. Es muss beurteilt werden, wie sie sich verhalten hätten, wenn sie ordnungsgemäß aufgeklärt worden wären. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie ihre Entscheidung unter einer am Wohl des Kindes orientierte Abwägung getroffen hätten. Liegt eine zwingende Indikation zur Operation vor (hier: wegen Aortenisthmusstenose), kann sich der Entscheidungskonflikt nur auf deren Modalitäten beziehen; die Frage des „Ob" der Operation ist im Wesentlichen der Entscheidungsfreiheit der Eltern entzogen.

Konstruktionsfehler eines Medizinproduktes muss vom Betroffenen nachgewiesen werden
OLG Saarland
Von einem Produktfehler (hier: in Bezug auf Teleskopmarknägel für eine operative Beinverlängerung) kann nur ausgegangen werden, wenn der Betroffene einen Konstruktionsfehler oder einen Fabrikationsfehler nachweisen kann. Beruft sich der Betroffene für ein Produktfehler auf einen zweimaligen Systemstillstand, der im rechten Oberschenkel implantierten Marknägel, kann nicht auf einen Fehler des Nagels rückgeschlossen werden, wenn es dafür eine andere plausible Erklärung, wie z. B. körperliche Ursachen der Betroffenen, geben kann.

Verwirkung des Vergütungsanspruchs eines Zahnarztes - nachbehandelnder Arzt als Zeuge
OLG Koblenz
1. Insgesamt unbrauchbar kann die Leistung eines Zahnarztes auch dadurch werden, dass dem Patienten eine Weiterbehandlung wegen der Vielzahl misslungener Nachbesserungsversuche nicht mehr zumutbar ist. Das ist auch durch die Erklärung des Arztes indiziert, für den Patient nichts mehr tun zu können. Die Unbrauchbarkeit der zahnärztlichen Bemühungen führt zum Verlust des Vergütungsanspruchs.
2. Ein nachbehandelnder Arzt ist als Zeuge und nicht als Sachverständiger zu befragen, wenn es nicht um die fachliche Beurteilung der zuvor eingebrachten Prothetik, sondern darum geht, welchen objektiven Ausgangsbefund er bei Behandlungsbeginn vorgefunden hat.

Bypassoperation ist nicht indiziert, wenn dadurch keine Verbesserung der Durchblutung des Herzens bewirkt werden kann
OLG Köln
Im Rahmen einer Arzthaftungsklage wegen vorgeworfener nicht rechtzeitiger Durchführung einer herzchirurgischen Versorgung in Form einer Bypassoperation ist zu klären, ob diese zu dem vom Patienten geltend gemachten Zeitpunkt indiziert war oder nicht. Sie ist es nicht, wenn der Patient nach einem abgelaufenen Hinterwandinfarkt beschwerdefrei gewesen war und eine gute linksventrikuläre Funktion gezeigt hat, so dass ein konservativer Therapieversuch mit Medikamenten gerechtfertigt gewesen ist, um eine Verbesserung der Durchblutung des Herzens zu erreichen.

Krankenhaus hat nur eingeschränkte Nebenpflicht zur Verwahrung von Gegenständen eines Patienten
OLG Köln
Den Träger eines Krankenhauses trifft eine lediglich eingeschränkte Nebenpflicht zur Verwahrung von Gegenständen eines Patienten. Eine diesbezügliche Haftung kommt nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in Betracht. Eine mögliche Vereinbarung zwischen dem Pflegepersonal und Patient, die an die Stelle der sonst üblichen Nebenpflicht getreten sein soll, muss sich aus dem Vorbringen des Patienten ergeben.

Für die Beurteilung eines Behandlungsfehlers als grob darf nicht auf die subjektive Vorwerfbarkeit abgestellt werden
BGH
Ein Behandlungsfehler ist als grob zu bewerten, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.

Haftung des Tierarztes für Ankaufsuntersuchung
BGH
Ein Tierarzt, der seine Pflichten aus einem Vertrag über die Ankaufsuntersuchung eines Pferdes verletzt und deshalb einen unzutreffenden Befund erstellt hat, haftet unabhängig von einer etwaigen Haftung des Verkäufers seinem Vertragspartner auf Ersatz des Schadens, der diesem dadurch entstanden ist, dass er das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben hat (Bestätigung von BGH, Urteile vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 7/11, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, und VII ZR 136/11, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Grenzen der Aufklärungspflicht bei Bandscheibenoperation
OLG Köln
Bei einer Bandscheibenoperation ist der Arzt nicht verpflichtet, den Patienten über die Notwendigkeit einer geringfügigen Entfernung von knöchernen Strukturen, die ohne punktionelle Konsequenz bleibt, aufzuklären.

Eigenständige Verjährung von aus einem Anspruch aus unerlaubter Handlung fließenden weiteren Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen gemäß § 197 BGB a. F.
BGH
1. Die 3-jährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a. F. gilt nur für das Stammrecht, nicht dagegen für die aus dem Stammrecht fließenden weiteren Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen. Für diese gilt (unmittelbar) die 4-jährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a. F..
2. Die ausschließliche Anwendbarkeit des § 197 BGB a. F. gilt auch hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist. Deshalb können Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen bereits vor Kenntniserlangung verjährt sein.

Vortrag über Entscheidung der Mutter bei entsprechender Aufklärung für die Cerclage ist kein Einwand des sputetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten
BGH
In den Fällen, in denen aus einem Aufklärungsversäumnis des Arztes Schadensersatzansprüche hergeleitet werden, trifft die Behauptungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Aufklärung den Arzt. Der Patient trägt hingegen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Schadensfolge, für die er Ersatz verlangt, auch wirklich durch den eigenmächtigen Eingriff des Arztes verursacht worden ist und nicht auf anderes zurück geht. Insoweit ist dem Vortrag des bei der Geburt Geschädigten nachzugehen, „dass bei Durchführung der Cerclage, in die seine Mutter bei pflichtgemäßer Aufklärung eingewilligt hätte, die extreme Frühgeburt und die damit verbundenen gravierenden Gesundheitsschäden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wären." Hierbei handelt es sich nicht um die Behauptung eines hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten, sondern um die Darlegung des Geschädigten zur Kausalität.

Der mit der Ankaufsuntersuchung eines Pferdes beauftragte Tierarzt schuldet fehlerfreien Befund
BGH
Ein Tierarzt ist bei der Ankaufuntersuchung eines Pferdes nicht nur verpflichtet, die Untersuchung ordnungsgemäß durchzuführen, sondern er muss seinem Auftraggeber auch deren Ergebnis, insbesondere Auffälligkeiten des Tieres, mitteilen. Erfüllt er insoweit seine Pflichten nicht, haftet er, (weil der Vertrag als Werkvertrag einzuordnen ist) unabhängig von einer etwaigen Haftung des Verkäufers seinem Vertragspartner auf Ersatz des Schadens, der dem Käufer entstanden ist, weil er das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben hat.

Interesse der Krankenkasse an Aufdeckung von Behandlungsfehler kann Zeugnisverweigerungsrecht eines Arztes entgegenstehen
LG Landshut
Ein Arzt als Zeuge ist nicht immer berechtigt, sein Zeugnisverweigerungsrecht auf eine fehlende Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu stützen. Die Schweigepflicht des Arztes gilt zwar grundsätzlich über den Tod des Patienten hinaus. Bei der Erforschung dieses mutmaßlichen Willens des verstorbenen Patienten spielt jedoch auch das Anliegen der um Auskunft nachsuchenden Personen eine Rolle. Wird die Auskunft zur Verfolgung etwaiger Behandlungsfehler begehrt, ist nur ausnahmsweise von einem Geheimhaltungsinteresse des inzwischen verstorbenen Patienten auszugehen. Dabei kann die Verfolgung etwaiger Behandlungsfehler bei einem inzwischen verstorbenen Patienten auch im Interesse seiner Krankenversicherung und damit auch im Interesse des einzelnen Patienten und im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten liegen.

Klinik- und Krankenhausärzte können für Auftreten eines Dekubitusdruckgeschwürs bei einem Krankenhauspatienten haften
LG Bonn
Wurde ein Patient in einer Klinik von dem dortigen Chefarzt, der für ihn zuständigen Oberärztin und dem zuständigen Stationsarzt behandelt, so können diese dem Patienten gegenüber für das Auftreten eines Dekubitusgeschwürs, das in der Klinik beim Patienten entstanden ist, auf Schmerzensgeld (hier: in Höhe von 20.000,00 €) haften. Die Entscheidung über das, was zu tun ist, darf bei Dekubitusrisikopatienten nicht allein dem Pflegepersonal überlassen werden. Notwendig sind vielmehr ärztliche Anordnungen und Anweisungen zu den zur Vermeidung von den Druckgeschwüren durchzuführenden Pflegemaßnahmen und deren Überwachung. Dies ist auch zu dokumentieren. Das Auftreten von schwerwiegenden Dekubiti ist zudem bei Hochrisikopatienten immer vermeidbar, sei es durch häufigere Umlagerungen, sei es durch Eincremen oder/und durch Einsatz von Spezialbetten und -kissen.

Anforderungen an die Darlegung des rechtlichen Interesses an der Beweissicherung in Arzthaftungssachen
OLG Koblenz
Auch in einer Arzthaftungssache hat der Antragsteller sein rechtliches Interesse an sachverständiger Begutachtung darzulegen. Dazu muss ein äußerer Geschehensablauf vorgetragen werden, der ein Befunderhebungsversäumnis oder einen sonstigen Fehler möglich erscheinen lässt. Bei Bedenken muss das Gericht Hinweise erteilen, die auf eine sachgemäße Verfahrensgestaltung zielen.

Betreiber eines Seniorenpflegeheims haftet nicht für Folgen eines Sturzes eines Heimbewohners, wenn insbesondere die Anbringung eines Bettgitters nicht geboten war
Amtsgericht Paderborn
Der Betreiber eines Seniorenpflegeheims haftet der Krankenkasse eines geschädigten Heimbewohners gegenüber nicht aus übergegangenem Recht für einen Sturz mit Verletzungsfolge des Heimbewohners im Heim, wenn ihm keine Pflichtverletzung im Hinblick auf die Betreuung, Pflege und Überwachung der Geschädigten zur Last fällt. Dies kann der Fall sein, wenn insbesondere die Anbringung eines Bettgitters für den Geschädigten zur damaligen Zeit medizinisch nicht geboten war und wenn der Heimbetreiber auch keine anderen Schutzmaßnahmen treffen musste. Bei einem Patienten, der offensichtlich noch einen Bewegungsdrang verspürt, ist das Anbringen eines Bettgitters nicht angezeigt.

Im Grundsatz muss der wegen Lagerungsschadens in Anspruch genommene Klinikträger den Beweis einer nicht fehlerhaften Lagerung während OP führen
OLG Hamm
Da es sich bei der Vermeidung von Lagerungsschäden in einer Vielzahl von Fällen um einen von den Behandlern vollbeherrschbaren Gefahrenbereich handelt, muss sich regelmäßig der Krankenhausträger bei Lagerungsschäden grundsätzlich von einer Fehlervermutung entlasten. Jedoch stellt allein der Umstand, dass es zu Druckstellen und darauf beruhenden Nervenschädigungen während einer Operation gekommen ist, keinen Beweis des ersten Anscheins dar, wenn nach den Ausführungen eines Sachverständigen das Entstehen von Druckstellen auch bei optimaler Lagerung nicht vermieden werden kann. Dies gilt erst recht, wenn die ordnungsgemäße Lagerung des Patienten vor dem Beginn der Operation kontrolliert wurde und eine sterile Abdeckung die weitergehende Kontrolle während des gesamten Zeitraums der Operation unmöglich macht.

Patientenaufklärung über Operationsdauer - Schmerzensgeld für unnötigen Blutverlust
OLG Koblenz
1. Ist der Patient über die Alternativen „Vollnarkose - örtliche Betäubung" informiert, muss sich seine Aufklärung nicht darauf erstrecken, dass bei einer der beiden Methoden die Operation schneller durchgeführt werden kann, wenn die Zeitdifferenz lediglich ca. 15 Minuten beträgt.
2. In der unzureichenden oder unterbrochenen Applikation intravinöser Analgetika neben einer wirksamen Lokalanästhesie liegt kein Versäumnis oder Fehler, wenn die Verabreichung des Analgetikums bei dem konkreten Eingriff auch völlig unterbleiben durfte.
3. Muss ein Patient unter der Operation bei vollem Bewusstsein einen scheinbar von den Ärzten nicht beherrschbaren Blutverlust erdulden, rechtfertigt das ein Schmerzensgeld von 500,00 €.

Pflicht zur Aufklärung von Behandlungsalternativen bei Handgelenkstrümmerfraktur
OLG Köln
1. Es stellt einen Behandlungsfehler dar, wenn eine in Rotationsfehlstellung verheilte Radiustrümmerfraktur mit Subluxation der Elle nach dorsal bei Instabilität des ulnokarpalen Komplexes und Radiusverkürzung mit einer bloßen Ulnarverkürzungs-Osteotomie anstelle einer Korrektur-Osteotomie begegnet wird.
2. Der Arzt haftet trotz behandlungsfehlerhaften Vorgehens auch unter dem Gesichtspunkt eigenmächtiger Behandlung, wenn er nicht auf die Korrektur-Osteotomie als Behandlungsalternative hinweist.
3. Verbleibende Bewegungseinschränkungen nach einer fehlerhaften und widerrechtlichen Ulnarverkürzungs-Osteotomie stellt einen dem Behandler anzulastenden Schaden dar, wenn eine Korrektur-Osteotomie mit 80 %-iger Wahrscheinlichkeit zur Beschwerdefreiheit geführt hätte.
4. Ein Schmerzensgeld von 25.000,00 € ist angemessen bei verbliebenen schmerzhaften Bewegungseinschränkungen des rechten Handgelenks, die über einen Zeitraum von 5 Jahren zahlreiche Folgeoperationen nach sich ziehen und zur Berufsunfähigkeit bei einem Ingenieur führen (keine Möglichkeit, eine Computertastatur zu bedienen).

Ärztin muss im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge nicht ohne Verdachtsmomente einen Toxoplasmosetest durchführen
OLG Köln
Eine Ärztin ist nicht verpflichtet, bei der Schwangerschaftsvorsorge weitergehende Untersuchungen im Hinblick auf einen Toxoplasmose-Immunstatus durchzuführen. Eine Untersuchung auf Toxoplasmose ist nur bei begründetem Verdacht. Dieser kann nicht angenommen werden, wenn die Schwangere die beiden hauptsächlichen Infektionswege - den Verzehr von rohem Fleisch und Katzenhaltung - im Vorfeld verneint hat.

40.000,00 € Schmerzensgeld bei ärztlichem Diagnosefehler mit tödlichem Verlauf nach mehrmonatiger Leidenszeit
OLG Köln
Musste ein Patient infolge des Nichterkennens eines Tiefenweichgewebe- und Gelenkinfekts bis zu seinem Tod eine 5-monatige Leidenszeit mit erheblichen Schmerzen bei ununterbrochener stationärer Behandlung erdulden, so ist das Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,00 € angemessen. Krankenhausärzte haften insbesondere für einen Diagnosefehler mit tödlichem Verlauf, wenn es zu einer Genesung des von ihnen behandelten Patienten gekommen wäre, wenn die Ärzte das Krankheitsbild eines Tiefenweichgewebe- und Gelenkinfekts rechtzeitig erkannt und behandelt hätten.

In Arzthaftungssache ist selbstständiges Beweisverfahren zulässig
OLG Brandenburg
Die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens ist grundsätzlich auch in einer Arzthaftungssache zulässig, wobei hier die Ursachen eines Personenschadens durch Begutachtung aufgeklärt werden können. Dies umfasst auch die Möglichkeit der Klärung, ob die Behandlung vom geschuldeten ärztlichen Standard abweicht und ob diese Abweichung den Schaden (mit-)verursacht hat oder hierzu zumindest geeignet war. Die Gegenauffassung verkennt die gebotene Trennung von medizinischen und rechtlichen Fragen; hierbei stehen der Aufklärung in medizinischer Hinsicht dem selbstständigen Beweisverfahren Hinderungsgründe nicht entgegen, sie sind vielmehr als Fragestellung im Regelfall als Ursache eines Personenschadens mit zu berücksichtigen. Zulässig ist allerdings nur die Klärung eines Verstoßes der Behandlung gegen den Behandlungszeitpunkt zu beachten und den medizinischen Standard.

Ordnungsgemäße ärztliche Dokumentation kann bis zum Beweis des Gegenteils Glauben geschenkt werden
OLG Naumburg
Ein Operationsbericht muss eine stichwortartige Beschreibung der jeweiligen Eingriffe und Angaben über die hierbei angewandte Technik enthalten. Grundsätzlich kann einer formell und materiell ordnungsgemäßen ärztlichen Dokumentation bis zum Beweis des Gegenteils Glauben geschenkt werden. Um die Vollständigkeit der Dokumentation zu erschüttern, müssen konkret erkennbare Anhaltspunkte vorliegen, z. B. in der Form, dass an dem Operationsbericht nachträglich Änderungen vorgenommen worden sind, oder der Bericht erst mit langem zeitlichen Abstand zur Operation verfasst wurde.

Sachverständiger darf zu fachlichen Behauptungen einer Partei mit Nachdruck seine Einschätzung äußern, ohne hierdurch als befangen zu gelten
OLG München
Ein erfolgreicher Befangenheitsantrag setzt voraus, dass aufgrund objektiver Tatsachen eine besonnene Partei Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu zweifeln. Hierbei ist nicht isoliert auf einen einzelnen Aspekt oder Vorfall abzustellen, sondern eine Gesamtbetrachtung und Würdigung aller Umstände vorzunehmen. Dem Sachverständigen ist es insbesondere nicht verwehrt, zu fachlichen Behauptungen einer Partei, die diese mit Nachdruck vertritt, ebenso klar und nachdrücklich seine Einschätzungen zu äußern. Weder von einem Richter noch von einem Sachverständigen wird im Übrigen verlangt, dass er verbale Attacken einer Partei stoisch hinnimmt. Auf provokante Angriffe oder persönliche Vorwürfe darf mit angemessener Schärfe reagiert werden. Zudem soll nicht die Möglichkeit eröffnet werden, durch Provokation des Richters oder Sachverständigen einen Ablehnungsgrund zu schaffen.

Krankenhaus haftet für fehlende Aufklärung eines Patienten vor einer Operation über eine echte Behandlungsalternative
OLG Köln
Wenn es mehrere Behandlungsmethoden gibt, die wesentliche unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen und besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, so muss ihm nach entsprechender vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will. Ein Krankenhaus kann daher unter dem Gesichtspunkt einer mangelhaften Eingriffs- und Risikoaufklärung für sämtliche Folgen einer Operation haften, wenn der Patient vor einer Operation nicht durch die Krankenhausärzte über eine echte Behandlungsalternative aufgeklärt worden ist.

60.000,00 € Schmerzensgeld bei Armplexusparese infolge einer fehlerhaft behandelten Schulterdystokie
OLG München
Für eine durch die nicht fachgerechte Behandlung der Schulterdystokie verursachte Nervenschädigung, die zu einer dauerhaften schweren Einschränkung der Bewegungsfähigkeit und Funktionsfähigkeit des rechten Arms und der rechten Hand geführt hat, ist ein Schmerzensgeld von 60.000,00 € gerechtfertigt.

Zulässiger Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens in Arzthaftungssachen
OLG Köln
1. Im Bereich der Arzthaftung kann ein Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens nicht auf die „ausdrückliche oder sinngemäße" Feststellung gerichtet sein, ob eine Behandlung „lege artis" ausgeführt wurde.
2. Eine Umformulierung des Antrags, von der nicht angenommen werden kann, dass der Antragsteller sie zumindest hilfsweise übernehmen möchte, ist unzulässig.

Gynäkologe schuldet nach der Ablehnung eines HVI-Tests durch Patientin keine weiteren diesbezüglichen Nachfragen
LG München
Zwar muss ein Gynäkologe dafür sorgen, dass eine schwangere Patientin auf HVI getestet wird; lehnt diese die Untersuchung jedoch (pauschal) ab, schuldet der Arzt keine weitere Nachfrage. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Patientin vielmehr nicht nur die Untersuchung ablehnt, sondern ausführt, dass ein entsprechender Test bereits vorgenommen worden sei. Der Behandler darf danach davon ausgehen, dass die Untersuchung zeitnah erfolgt ist und deshalb kein Anlass für eine erneute Untersuchung besteht.

Auch bei Verletzung der elementaren medizinischen Grundregeln des jeweiligen Fachgebietes kann ein grober Behandlungsfehler vorliegen
BGH
Gesicherte medizinische Erkenntnisse, deren Missachtung ein Behandlungsfehler als grob erscheinen lassen kann, sind nicht nur die Erkenntnisse, die Eingang in Leitlinien, Richtlinien oder anderweitige ausdrückliche Handlungsanweisungen gefunden haben. Hierzu zählen vielmehr auch die elementaren medizinischen Grundregeln, die im jeweiligen Fachgebiet vorausgesetzt werden.

Anforderungen an die Aufklärung bei hohem Misserfolgsrisiko einer Operation
OLG Koblenz
1. Endet eine ambulante Untersuchung mit einer Operationsempfehlung, schuldet der Arzt im Vorfeld des noch ungewissen Eingriffs keine Aufklärung über dessen Risiken. Angesichts des allgemeinen Wissens, dass Operationen risikobehaftet sind, ist dies Sache des Patienten, bei der ambulanten Untersuchung nachzufragen, falls er schon jetzt eine konkrete Risikoinformation wünscht.
2. Eine Aufklärung, dass die erfolgte Operation nicht dauerhaft garantiert werden kann, schuldet der Arzt in der Regel nicht, wenn das konkrete Problem den Patienten als unmittelbare Operationsfolge bekannt war (hier: erneute Peniskrümmung).
3. Zur Bedeutung von Misserfolgsstatistiken für den Inhalt der ärztlichen Aufklärung.

Bemessung des Schmerzensgeldes für zerebrale Schäden einer bereits vorher an körperlichen Beeinträchtigungen leidenden Patientin
LG München
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes wegen der Verursachung zerebraler Schäden ist es ohne Belang, ob die Geschädigte an körperlichen Beeinträchtigungen leidet oder nicht, denn das Leben einer Körperbehinderten ist nicht weniger lebenswert als das eines im Wesentlichen Gesunden.

Das Absehen von einer Mikroblutuntersuchung nach einer Notfalltokolyse stellt keinen Behandlungsfehler dar
OLG Köln
Das Unterlassen einer Mikroblutuntersuchung nach einer Notfalltokolyse ist nicht behandlungsfehlerhaft, wenn sich das CTG nach der Tokolyse weitgehend normalisiert und sich zunächst nur noch geringe Dezelerationen einstellen. Nach einer Notfalltokolyse muss eine MBU-Kontrolle keineswegs automatisch und zwingend erfolgen. Vielmehr hat der Geburtshelfer bei der Entscheidung, ob wegen einer Veränderung des CTG eine Mikroblutuntersuchung durchzuführen ist, einen gewissen Handlungsspielraum. Eine Tachykardie kann zwar ein Zeichen für eine sich entwickelnde Asphyxie darstellen; liegt jedoch keine schwere Pathologie im CTG vor, muss mit einer unmittelbaren Gefährdung des Kindes nicht gerechnet werden.

Nach mehreren Hydrozelen-Operationen ist Zugang zum Hodensack über Leistenschnitt standardgerecht
OLG Köln
Im Rahmen einer Hydrozelen-Operation ist ein Zugang zum Hodensack über einen Leistenschnitt als standardgerecht anzusehen, wenn nach zwei vorausgegangenen Operationen, bei denen eine Schnittführung vom Hodensack aus vorgenommen wurde, Vernarbungen entstanden sind. In einem solchen Fall besteht bei einem weiteren Hodensackschnitt das Risiko, dass der Operateur unmittelbar in den Wasserbruch hineingerät. Insofern liegt kein Behandlungsfehler vor.

Unterlassen einer Bauchspiegelung nach Ausschabung kann Behandlungsfehler darstellen
OLG Köln
Es stellt einen groben Behandlungsfehler dar, wenn bei alleiniger Durchführung einer Ausschabung eine Bauchspiegelung zur Diagnostik und Therapie unterlassen wird, ohne anschließend eine engmaschige stationäre Überwachung und regelmäßige Beta-hcg-Kontrolle zu veranlassen. Entstehen der Patienten durch die Verzögerung der operativen Sanierung der extrauterinen Schwangerschaft vorübergehende gesundheitliche Beeinträchtigungen, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 € angemessen.

Voroperation ist bei Beurteilung eines Behandlungsfehlers im Rahmen der Resektion eines Mamakarzinoms zu berücksichtigen
OLG Köln
Im Rahmen eines Schadenersatzverfahrens wegen eines Behandlungsfehlers bei der Resektion eines Mamakarzinoms ist eine durchgeführte, dies betreffende Voroperation (hier: ein Teil des Tumors wurde als Zufallsbefund bei einem chirurgischen Eingriff zur Implantation eines Silikonimplantates entfernt) bei der Beurteilung der ordnungsgemäßen präoperativen Diagnostik zu berücksichtigen. Grundsätzlich wird dadurch jede Form von Diagnostik extrem erschwert. U. a. ist ein aussagekräftiger Kernspin nach einer zuvor durchgeführten Operation praktisch nicht möglich.

Kein MRT bei Herzschrittmacher
OLG Koblenz
1. Hat der Patient dem Arzt mitgeteilt, dass sich im Untersuchungsgebiet ein Herzrhythmusregulator befindet, handelt es sich um einen groben Behandlungsfehler, wenn das Implantat durch eine MRT funktionslos wird.
2. Gleichwohl haftet der Arzt nicht, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass verstärkte Ausfälle und Beschwerden nicht auf dem Behandlungsfehler, sondern auf der schon zuvor bestehenden Grunderkrankung des Patienten beruhen.
3. Erfordert der grobe Behandlungsfehler die Einbringung eines neuen Herzrhythmusregulators, rechtfertigt das ein Schmerzensgeld von 3000 Euro.

Risikoaufklärung vor einer (auch) aus kosmetischen Gründen erfolgenden Zahnbehandlung
OLG Hamm
Vor der Behandlung mit dem Einsatz so genannter Veneers (Keramikverblendschalen im Frontzahnbereich) hat der behandelnde Zahnarzt über das mit den notwendigen Einschleifmaßnahmen verbundene Risiko einer chronischen Pulpitis jedenfalls dann aufzuklären, wenn die Behandlungen nicht nur aus medizinischen, sondern auch aus kosmetischen Gründen erfolgt.

Grenzen des Verantwortungsbereichs bei horizontaler Arbeitsteilung
OLG Köln
Ein Radiologe, dem eine Patientin mit Verdacht auf Lungenembolie zur radiologischen Untersuchung überwiesen wird, darf sich - sofern ihm nicht alle relevanten Krankheitsumstände hinsichtlich eines potentiellen Rezidivrisikos bekannt sind - nach den Grundsätzen der horizontalen Arbeitsteilung darauf verlassen, dass der überweisende Arzt die Patientin mit der gebotenen Sorgfalt behandelt hat. Er handelt nicht fehlerhaft, wenn er eine sofortige stationäre Einweisung bzw. eine sofortige Immobilisierung unterlässt.

Arzt darf bei unklarem Immunstatus eine Grundimmunisierung durchführen
OLG Köln
Es ist nicht kontraindiziert und stellt insbesondere keinen groben Behandlungsfehler dar, wenn bei unklarem Immunstatus eine Grundimmunisierung durchgeführt wird. Insbesondere ist es auch nicht zwingend geboten, einen Antikörpertest durchzuführen. Der fachärztliche Standard für die Durchführung von Tetanusimpfungen für einen in einer orthopädischen Praxis niedergelassenen Arzt richtet sich nach den Empfehlungen der ständigen Inkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut in der jeweils zum Zeitpunkt der Behandlung gültigen Fassung.

Keine Haftung des Belegkrankenhauses für Fehler des Belegarztes
OLG Oldenburg
Die Entscheidung, ob die Ausstattung eines Belegkrankenhauses ausreicht, um die nach der Ganzdiagnose zu erwartenden ärztlichen Behandlungsmaßnahmen bewältigen zu können (hier: Aufnahme einer Schwangeren oder Überweisung in ein Perinatalzentrum), obliegt allein dem Belegarzt. Für dessen Fehlbeurteilung haftet der Krankenhausträger weder nach § 278 BGB noch nach § 831 BGB.

Auch die elementaren medizinischen Grundregeln eines jeweiligen Fachgebietes zählen zu den gesicherten medizinischen Erkenntnissen
BGH
1. Gesicherte medizinische Erkenntnisse, deren Missachtung einen Behandlungsfehler als grob erscheinen lassen, sind nicht nur die Erkenntnisse, die Eingang in Leitlinien, Richtlinien oder anderweitiger ausdrücklicher Handlungsanweisungen gefunden haben. Hierzu zählen vielmehr auch die elementaren medizinischen Grundregeln, die im jeweiligen Fachgebiet vorausgesetzt werden.
2. Hierzu gehört auch der Grundsatz, dass ein Anästhesist bei jeder seiner Handlungen sicherzustellen hat, dass das Sauerstoffangebot den Sauerstoffbedarf des Patienten deckt, da die oberste Richtschnur bei Durchführung einer Anästhesie stets die optimale Sauerstoffversorgung des Patienten ist.

Keine Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen bei bloß beruflichem Kontakt zu dem Leiter eines beklagten Klinikums
OLG Hamm
Es begründet nicht per se die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen in einer Arzthaftungssache, wenn dieser eine Abteilung der Klinik leitet, in der das beklagte Klinikum seine medizinische Fakultät unterhält. Bloße berufliche Kontakte und ein beruflich bedingter wissenschaftlicher und fachlicher Erfahrungsaustausch von Ärzten und Wissenschaftlern können bei der gebotenen vernünftigen Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen noch nicht begründen. Um eine solche Besorgnis rechtfertigen zu können, müssen vielmehr darüber hinausgehende persönliche oder enge fachliche Beziehungen des Sachverständigen zu einem Berufskollegen bestehen.

Bei der Unterlassung der gebotenen Befunderhebung kann eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Haftungsbegründung und Kausalität zugunsten des Patienten erfolgen
BGH
Ein einfacher Befunderhebungsfehler kann zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden führen, wenn sich bei der gebotenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde.

Schmerzensgeld für Abbruch nach ungewollter Schwangerschaft nach Behandlungsfehler
OLG Köln
Die durch den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft (die durch - unterstellte - ärztliches Fehlverhalten verursacht wurde) eingetretenen psychischen Folgen rechtfertigen auch unter dem Gesichtspunkt eines massiven und belastenden Entscheidungskonflikts vor dem Hintergrund religiöser Überzeugungen kein höheres Schmerzensgeld als 4.500,00 €.

Rechtliches Gehör bei unterlassener Aufklärung
BGH
Das rechtliche Gehör ist verletzt, wenn das Landgericht nach Einholung eines medizinischen Gutachtens zu dem Ergebnis gelangt ist, der Arzt habe den Kläger entsprechend seinem Vortrag vor der Operation über eine weit weniger gefährliche Behandlungsalternative aufklären müssen und das Berufungsgericht ohne weitere Beweiserhebung hiervon abweicht.

Auslegung eines Feststellungsantrags „wegen Behandlungsfehlers"
BGH
Bezieht sich in einer Arzthaftungssache der Feststellungsantrag seinem Wortlaut nach nur auf - reine - Behandlungsfehler, kann dieser - zumal die Klage von vornherein sowohl auf Behandlungs- als auch auf Aufklärungsfehler gestützt wird - aber auch so verstanden werden, dass mit Behandlungsfehler eine fehlerhafte Behandlung gemeint ist, sei es wegen eines Behandlungsfehlers im engeren Sinn oder aufgrund einer rechtswidrigen Behandlung infolge eines Aufklärungsfehlers. Deshalb ist ein gerichtlicher Hinweis nach § ZPO § 139 ZPO auf die beabsichtigte Auslegung zwingend erforderlich.

Beweislastumkehr bei einfachem Befunderhebungsfehler
BGH
1. Bei einem einfachen Befunderhebungsfehler kommt eine Beweislastumkehr für die Frage des Ursachenzusammenhangs mit dem tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden auch dann in Betracht, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft darstellen würde und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen.
2. Hingegen ist nicht Voraussetzung für die Beweislastumkehr zugunsten des Patienten, dass die Verkennung des Befundes und das Unterlassen der gebotenen Therapie völlig unverständlich sind (BGH, Urteil vom 29.09.2009 - VI ZR 251/08 - VersR 2010, 115 zum groben Befunderhebungsfehler).

Zerstörung eines Herzschrittmachers durch MRT
OLG Koblenz
1. Hat der Patient dem Arzt mitgeteilt, dass sich im Untersuchungsgebiet ein Herzrhythmusregulator befindet, handelt es sich um einen groben Behandlungsfehler, wenn das Implantat durch eine MRT funktionslos wird.
2. Gleichwohl haftet der Arzt nicht, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass die verstärkte Ausbildung der Beschwerden nicht auf den Behandlungsfehler, sondern auf der schon zuvor bestehenden Grunderkrankung des Patienten beruhen.
3. Erfordert der grobe Behandlungsfehler die Einbringung eines neuen Herzrhythmusregulators, rechtfertigt das ein Schmerzensgeld von 3.000,00 €.

Überwachungspflicht bei sediertem Patienten
OLG Oldenburg
Steht ein Patient kurz nach einer Behandlung noch unter Einfluss eines sedierenden Medikamentes (hier: Wirkstoff Mydazolam), so ist eine Überwachung zu gewährleisten. Die provisorische Absperrung einer Liege mit einem Sonographiegerät und einem Schwingsessel bietet keine Gewähr dafür, dass der Patient dort so lange liegen bleibt, bis er sein Bewusstsein und seine Einsichtsfähigkeit in ausreichendem Maße wiedererlangt hat.

Schmerzensgeldbemessung bei schwerst hirngeschädigt geborenem Kind
OLG Naumburg
Ein immaterieller Schaden besteht nicht nur in körperlichen und seelischen Schmerzen als Reaktion auf die Verletzung des Körpers oder die Beschädigung der Gesundheit. In Fällen schwerster Schädigung kann eine ausgleichspflichtige immaterielle Beeinträchtigung gerade darin liegen, dass die Persönlichkeit ganz oder weitgehend zerstört ist. Es handelt sich insoweit um eine eigenständige Fallgruppe, bei der die Einbuße der Persönlichkeit bzw. der Wegfall der Basis für ihre Entfaltung durch den Verlust der Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit im Vordergrund steht und deshalb auch bei der Bemessung der Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB einer eigenständige Bewertung zugeführt werden muss.

Beweislastumkehr zulasten des Arztes bei Nichtvorlage der Behandlungsunterlagen eines verstorbenen Krebspatienten
OLG München
1. Weigert sich ein behandelnder Arzt, sich zu der Behandlung eines verstorbenen Patienten näher zu äußern und die Behandlungsdokumentation zu offenbaren, so verletzt er damit seine prozessuale Obliegenheit zur Darlegung des Behandlungsgeschehens und zur Vorlage der Patientendokumentation schuldhaft und erschwert dadurch in vorwerfbarer Weise die Sachaufklärung und Beweisführung der klagenden Partei in unzumutbarer Weise.
2. Da mangels Kooperation des behandelnden Arztes Feststellungen zum konkreten Behandlungsgeschehen durch das Gericht nicht getroffen werden, fehlt es in jeder Hinsicht an den notwendigen Grundlagen für die Erholung eines Sachverständigengutachtens, so dass die Beauftragung eines Sachverständigen infolge mangelnder Grundlagen für die Begutachtung ausscheidet.
3. Dies hat zur Folge, dass die Behauptung der klagenden Partei, die gesamte Behandlung des behandelnden Arztes sei nicht indiziert und gänzlich nutzlos gewesen, prozessual als zutreffend zu unterstellen ist.
4. Demzufolge besteht eine Berechtigung zur Zahlungsverweigerung bzw. ein Wegfall des Vergütungsanspruchs (entsprechend § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB analog oder § 242 BGB) bei nicht indizierten und gänzlich wertlosen, unbrauchbaren oder nutzlosen fehlerhaften Behandlungen.

Keine Haftung eines Krankenhausträgers für eine Hepatitis-C-Erkrankung bei fehlendem Beweis einer Infektion während des Krankenhausaufenthaltes
OLG München
Ein Krankenhausträger haftet nicht für eine Hepatitis-C-Erkrankung eines ehemaligen Krankenhauspatienten, wenn dieser nicht beweisen kann, dass er sich die Erkrankung bei einer Operation im Krankenhaus oder während des stationären Krankenhausaufenthaltes erworben hat, da keine Anhaltspunkte für eine konkrete mögliche Infektionsquelle und/oder Hygienemängel innerhalb des Klinikbetriebs vorliegen. Da der zeitliche Korridor der Inkubation für eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus 2 bis 3 bis zu 20 bzw. 24 Wochen andauert, ist der zeitliche Nachweis, dass dies nur anlässlich eines 12 Tage dauernden Krankenhausaufenthalts geschehen sein könnte, nicht geführt.

Keine Arzneimittelhaftung, wenn eine Mitursächlichkeit des eingenommenen Schmerzmittels für den Schlaganfall des Geschädigten nicht bewiesen ist
OLG Brandenburg
1. Der Auskunftsanspruch eines Geschädigten gegen ein pharmazeutisches Unternehmen nach dem Arzneimittelgesetz unterliegt der regelmäßigen 3-jährigen Verjährungsfrist.
2. Eine Klage auf Auskunft kann regelmäßig nicht die Verjährung des Hauptanspruchs hemmen; gleiches gilt umgekehrt.
3. Erleidet ein Patient einen Schlaganfall, ist der Anwendungsbereich der Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 AMG nicht eröffnet, wenn die bei ihm gegebenen Risikofaktoren für sich allein geeignet waren, den Schlaganfall auszulösen.

Keine haftungsrechtliche Konsequenz bei fehlender Kausalität zwischen Behandlungsfehler und negativem Krankheitsverlauf
OLG Brandenburg
Ein ärztlicher Befund- und Behandlungsfehler hat keine haftungsrechtliche Konsequenz, wenn eine sachgerechte Behandlung kurz darauf erfolgt und dadurch eine Kausalität für den nachteiligen späteren Krankheitsverlauf nicht nachzuweisen ist, weil nur eine kurzfristige - hier 4 Tage - zeitliche Verzögerung der angemessenen Behandlung vorlag.

Krankenhauspatient, der beim eigenständigen Umsteigen von seinem Bett in einen Rollstuhl zu Fall kommt, muss gegebenenfalls pflichtwidriges Verhalten des Krankenhausträgers beweisen
OLG München
Kommt ein Patient beim eigenständigen Umsteigen von seinem Bett in einen Rollstuhl zu Fall, so ist er in vollem Umfang beweispflichtig dafür, dass ein pflichtwidriges Verhalten des Krankenhausträgers zu dem Schaden geführt hat. Eine Beweiserleichterung dahingehend, dass der Umstand, dass er im Bereich der Klinik gestürzt ist und sich dabei verletzt hat, eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals indiziert, kommt nicht in Betracht.

Kein Behandlungsfehler bei verzögerter Diagnose und Behandlung eines Kleinhirninfarkts nach einer Siebbeinoperation durch einen HNO-Facharzt
OLG München
Da es sich um eine seltene Komplikation handelt, stellt es sich nicht als behandlungsfehlerhaft dar, wenn ein im Anschluss an eine Siebbeinoperation durch einen HNO-Facharzt aufgetretener Kleinhirninfarkt verzögert diagnostiziert und behandelt wird. Aus diesem Grunde ist auch eine Aufklärung über das Risiko eines Kleinhirnschlaganfalls nicht erforderlich.

Auch für die Hersteller von Medizinprodukten gilt das Produkthaftungsgesetz
OLG Saarbrücken
1. Auch für die Hersteller von Medizinprodukten gilt das Produkthaftungsgesetz unmittelbar.
2. Für Sonderanfertigungen bedarf es keiner so genannten CE-Zertifizierung, um das entsprechende Medizinprodukt in Verkehr bringen zu dürfen.
3. Die Vorschrift des § 4 MPG ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.
4. Für den Verstoß gegen das Schutzgesetz trägt grundsätzlich der Anspruchssteller die Darlegungs- und Beweislast; dies gilt auch, wenn Verstöße gegen medizinproduktrechtliche Bestimmungen und die diesen zugrunde liegenden Richtlinien geltend gemacht werden.

Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts hinsichtlich der Angemessenheit eines zuerkannten Schmerzensgeldbetrages in der ersten Instanz
OLG Thüringen
Im Berufungsrechtzug hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der maßgeblichen Tatsachengrundlagen in vollem Umfang (auch) darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie (nur) für vertretbar, letztlich aber - bei Berücksichtigung aller sachrelevanten Gesichtspunkte - für nicht überzeugend, so dass und muss es nach eigenem Ermessen auf einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag erkennen; insoweit kommt dem Berufungsgericht eine uneingeschränkte (volle) Prüfungskompetenz zu.

Gehörsverletzung, wenn das Berufungsgericht Vortrag des Patienten zu alternativen Behandlungsmethoden nicht berücksichtigt hat
BGH
Trotz des Umstands, dass die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes ist, erfordert die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten. Hat das Berufungsgericht Sachvortrag des Patienten über Behandlungsalternativen und deren Risiken nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt, so kann hierin eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs des Patienten auf rechtliches Gehör liegen.

Verzögerung einer Antibiotikatherapie führt nicht notwendigerweise zur Haftung eines Krankenhauses für den Tod eines Patienten
OLG München
Ein 3-tägiges Abwarten zwischen TGT und einer transösophagealn Echokardiographie stellt keinen Behandlungsfehler dar. Ein Träger eines Krankenhauses haftet nicht für eine 19-stündige Verzögerung einer Antibiotikatherapie, wenn diese nicht ursächlich für das Versterben des Patienten gewesen ist. Zwar kann nach Ansicht des Sachverständigen eine verzögerte Antibiotikatherapie möglicherweise den Organismus schwächen und die Überlebenschance vermindern, dies ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Patient innerhalb von 30 Tagen stirbt.

Gebührenstreitwert einer Schmerzensgeldklage
KG
Der Gebührenstreitwert eines unbezifferten Antrags mit Angabe eines Mindestbetrages (hier: Schmerzensgeld) ist der Betrag, der aufgrund des klagebegründenden Sachvortrags zuzusprechen wäre, wenn sich dieser als richtig erweist; maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung ist der Eingang der Klagebegründung (vgl. § 40 GKG), nicht das Ergebnis der Beweisaufnahme; regelmäßig ist bei dieser „Schlüssigkeitsprüfung" der festzusetzende Wert nicht geringer als der vom Kläger angegebene Mindestbetrag, den der Kläger jedenfalls erstrebt.

Behandlung eines deutschen Patienten in einem schweizer Kantonspital - Anwendung deutschen oder schweizer Rechts
BGH
Wird ein deutscher Patient in einem schweizer Kantonspital behandelt, gilt für die deliktische Haftung des Krankenhausträgers gemäß Artikel 140 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB schweizerisches Recht. Diese Bestimmt verdrängt als Ausnahmebestimmung in besonders gelagerten Fällen die allgemein gehaltenen Anknüpfungsregeln der Artikel 48 bis 40 Abs. 2 EGBGB - mithin auch das Wahlrecht des Verletzten aus Artikel 40 Abs. 1 Satz 2.

Aufklärung 30 Minuten vor Operation nicht mehr rechtzeitig
OLG München
Die ärztliche Aufklärung vor einem Heilangriff soll den Patienten in die Lage versetzen, selbstbestimmend darüber zu entscheiden, ob er sich einem ärztlichen Heileingriff unterzieht. Liegen zwischen Beginn der Aufklärung und Einleitung der Narkose nur 28 Minuten, so kann hiervon grundsätzlich nicht ausgegangen werden. Zum Ausgleich der Schmerzen und unmittelbar danach bestehenden Beeinträchtigungen wegen einer rechtswidrigen, da nicht von einer wirksamen Einwilligung gedeckten Operation, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € angemessen.

Riss des Nervus recurrens durch Zug auf den Schilddrüsenlappen ist kein Behandlungsfehler
OLG Köln
1. Eine Verletzung des Nervus recurrens (Stimmbandnerv) im Rahmen einer Schilddrüsenoperation lässt nur dann auf einen vermeidbaren Behandlungsfehler schließen, wenn er mittels Schere oder Messer durchtrennt, nicht aber, wenn er durch Zug auf den Schilddrüsenlappen gerissen ist, was ein operationsimmanentes Risiko darstellt. Die Möglichkeit einer Identifizierung des Nervs durch Neuromonitoring ändert daran nichts.
2. Zur Frage von aufklärungspflichtigen Behandlungsalternativen bei einer Schilddrüsenoperation.

Keine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bei ärztlich verschuldeter Zweitoperation
OLG München
In die Haftung des Arztes, der durch einen groben Behandlungsfehler einen weiteren Eingriff mit gleicher Indikationsstellung verursacht hat, ist nach der so genannten „Schutzzwecklehre" nicht zu begrenzen, wenn sich bei dem zweiten Eingriff ein durch den Ersteingriff nicht erhöhtes operationsimmanentes Risiko verwirklicht hat.

Unzulässigkeit einer Feststellungsklage der Eltern einer getöteten Schülerin auf Berechnung eines möglichen Unterhaltsschadens auf der Basis des Einkommens einer Chemieingenieurin
OLG Oldenburg
Die von den Eltern einer bei einem Unfall verstorbenen Schülerin begehrte Feststellung, dass die Berechnung eines späteren eventuellen Unterhaltsanspruchs auf der Basis einer beruflichen Tätigkeit der verstorbenen Tochter als Chemieingenieurin und dem durchschnittlichen Arbeitsverdient einer Chemieingenieurin erfolgte, ist unzulässig.

Bemessung des Haushaltsführungsschadens nach Schulz-Borck/Pardey möglich
OLG München
1. Zur Bemessung des Haushaltsführungsschadens kann auf die Berechnungstabellen von Schulz-Borck/Pardey zurückgegriffen werden, wenn auch diese Tabellen dem Arbeitsaufwand lediglich aufgrund statistischer Daten festsetzen und manche Differenzierungen nicht ohne weiteres einleuchtet. Die Tabellen bieten jedoch eine ausreichende Grundlage, um den Arbeitsaufwand für die Haushaltsführung nach § 287 ZPO zu schätzen, wobei nur Annäherungswerte an die tatsächlichen Verhältnisse erzielt werden können.
2. Der Zeitaufwand ist der Tabelle 1 zu entnehmen.
3. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung von einem Stundensatz von 8,50 € aus.

Die erstmalige Behauptung eines unstreitigen Aufklärungsmangels in der Berufungsinstanz ist stets zuzulassen
OLG Naumburg
1. Das Risiko, dass ein beabsichtigter Eingriff nicht nur erfolglos bleiben, sondern darüber hinaus zu einer Beschwerdeverschlimmerung führen kann, stellt einen aufklärungspflichtigen Umstand dar.
2. Die erstmalige Behauptung eines Aufklärungsmangels in der Berufungsinstanz ist stets zuzulassen, wenn er unstreitig bleibt.

Konsequenzen der Unwirksamkeit der ärztlichen Wahlleistungsvereinbarung für den Haftungsausschluss in gespaltenem Krankenhausaufnahmevertrag
LG Nürnberg-Fürth
1. Die nach § 22 Abs. 2 BPflV (heute: § 17 Abs. 2 KHEntgG) erforderliche schriftliche Belehrung obliegt bei einem gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag auch für die ärztlichen Wahlleistungen dem Krankenhausträger, da § 22 Abs. 2 BPflV nur den Krankenhausträger verpflichtet, nicht aber den selbst liquidierenden Arzt.
2. Eine aus dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 22 Abs. 2 BPflV folgende Unwirksamkeit der ärztlichen Wahlleistungsvereinbarung führt nach herrschender Rechtsprechung zum Verlust des Vergütungsanspruchs des Arztes. Die Unwirksamkeit der geschlossenen Vereinbarung kann zwar auch dazu führen, dass der Arzt aus seiner vertraglichen Haftung entlassen wird und der Krankenhausträger im Wege eines erstarkten totalen Krankenhausaufnahmevertrages die Haftung auch für ärztliche Behandlungsfehler übernehmen muss. Dies gilt aber jedenfalls dann nicht, wenn sämtliche Beteiligte im Vertrauen auf die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Vereinbarungen gehandelt und ihre jeweiligen Leistungen bereits vollständig erbracht haben.

Beweislastumkehr bei einfachem Befunderhebungsfehler
BGH
1. Bei einem einfachen Befunderhebungsfehler kommt eine Beweislastumkehr für die Frage des Ursachenzusammenhangs mit dem tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden auch dann in Betracht, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft darstellen würde, und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen.
2. Hingegen ist nicht Voraussetzung für die Beweislastumkehr zu Gunsten des Patienten, dass die Verkennung des Befundes und das Unterlassen der gebotenen Therapie völlig unverständlich sind (Senatsurteil vom 29. September 2009 - VI ZR 251/08, VersR 2010, 115 zum groben Befunderhebungsfehler).

Keine Haftung für bloße Hilfstätigkeiten eines Arztes (hier: Dolmetscherleistungen)
OLG Köln
Bloße Hilfstätigkeiten eines Arztes für einen anderen Arzt, wie sie ohne weiteres auch eine Arzthelferin leisten könnte (hier: Dolmetscherleistungen), können unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ansprüche wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung begründen, sofern nicht schuldhaftes Verhalten bei den Hilfstätigkeiten selbst zu einem Schaden geführt hat.

Anforderung an den Nachweis einer Hepatitis-C-Infektion nach stationärer Behandlung
OLG München
1. Bei einer Hepatitis-C-Infektion nach einem stationären Krankenhausaufenthalt mit operativem Eingriff obliegt dem Patienten der Vollbeweis gemäß § 286 ZPO dafür, dass die Infektion während des stationären Aufenthaltes entstanden sein muss, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte für Hygienemängel oder die Nichteinhaltung des fachlich gebotenen Hygienestandards vorliegen.
2. Wenn alle gebotenen Vorkehrungen zur Vermeidung einer Keimübertragung getroffen wurden, scheitert eine Haftung auch daran, dass eine Hepatitis-C-Infektion in einem Krankenhaus nicht „voll beherrschbar" ist.

Behandelt ein Heilbehandlungsarzt eines gesetzlichen Unfallversichererträgers einen Patienten nicht in dieser Eigenschaft, gelten für ihn die allgemeinen Facharztstandards
OLG Naumburg
Ob ein Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat, beantwortet sich danach, ob der Arzt nach den von ihm zu fordernden medizinischen Kenntnissen und Erfahrungen im konkreten Fall diagnostisch und therapeutisch vertretbar und sorgfältig zu Werke gegangen ist. Abzustellen ist dabei auf den Standard im Zeitpunkt der Behandlung. Ist ein niedergelassener Facharzt für Orthopädie zugleich Heilbehandlungsarzt (H-Arzt) eines gesetzlichen Unfallversicherungsträgers, wird aber nicht in dieser Eigenschaft tätig, ist nur der für ihn allgemein geltende Facharztstandard maßgeblich und nicht ein unter Umständen höherer Standard eines H-Arztes.

Eine Umkehr der Beweislast bei einem einfachen Befunderhebungsfehler ist nur dann ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist
BGH
Bei einem einfachen Befunderhebungsfehler kommt eine Beweislastumkehr für die Frage des Ursachenzusammenhangs mit dem tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden auch dann in Betracht, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion auf Inhalt grob fehlerhaft darstellen würde, und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen. Hingegen ist nicht Voraussetzung für die Beweislastumkehr zugunsten des Patienten, dass die Verkennung des Befundes und das Unterlassen der gebotenen Therapie völlig unverständlich sind.

Patient muss nicht über Risiko einer Pulpa-Eröffnung bei Karies-Excavation aufgeklärt werden
LG Dortmund
Der Zahnarzt muss nicht seinen Patienten über das Risiko einer Pulpa-Eröffnung im Rahmen einer Karies-Excavation aufklären. Der durchschnittliche Patient weiß, dass sich im Zahn ein Nerv befindet, der beim Bohren getroffen und verletzt werden kann.

 

Grober Diagnosefehler liegt nur bei fundamentalem Irrtum vor
OLG Hamm
1. Bei einem Diagnosefehler kommt eine Beweislastumkehr nur dann in Betracht, wenn der Fehler als grob zu werten ist. Ein solcher grober Diagnosefehler liegt aber nur dann vor, wenn es sich um einen fundamentalen Irrtum handelt. Wegen der bei Stellung einer Diagnose nicht seltenen Unsicherheiten muss die Schwelle, von der ab ein Diagnoseirrtum als schwerer Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst zu beurteilen ist, hoch angesetzt werden.
2. Es stellt einen groben Befunderhebungsfehler dar, wenn der Arzt spiculaartige Ausziehungen eines Lungenrundherdes feststellt, ohne weitere Befunde zu veranlassen, da spiculaartige Ausziehungen als Malignom suspekt gelten.

Keine Verpflichtung zur Videoüberwachung eines in die Psychiatrie eingewiesenen suizidgefährdeten Patienten
OLG Oldenburg
Auch bei einem Patienten, der nach Selbstverletzung und fraglicher suizidaler Absicht und möglicher psychotischer Störung in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses eingewiesen wird, ist bei einem Toilettengang nicht stets eine Begleitung oder Videoüberwachung erforderlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei einer Behandlung auf der geschlossenen Station wegen unklarer Suizidgefährdung die Menschenwürde und die allgemeinen Handlungsfreiheiten des Patienten zu achten sind. Videoüberwachungsmaßnahmen stellen einen schweren Eingriff in die Intimsphäre des Patienten dar.

Durchführung von Vaginalgeburt als vereinbarte Entbindungskonzept muss trotz spontanem Wunsch der Mutter nach Kaiserschnitt während der Geburt nicht rechtswidrig sein
OLG Hamm
Durchführung und Fortsetzung einer Vaginalgeburt ist trotz des von der Mutter während der Geburt geäußerten Wunsches nach einer Schnittentbindung nicht rechtswidrig, wenn sich für den Behandler unter der erforderlichen Berücksichtigung des Empfängerhorizontes nicht eindeutig ergibt, dass die Mutter vom zuvor vereinbarten Entbindungskonzepts einer Vaginalgeburt abrücken will. Der Behandler kann je nach den Umständen des Einzelfalls den Eindruck haben, dass der Wunsch der Mutter nach einem Kaiserschnitt im Rahmen des Geburtsverlaufs ersichtlich nur unter dem Eindruck der immer stärker werdenden Wehen und der hierdurch ebenfalls wachsenden Schmerzen geprägt ist.

Eine Aufklärungsverpflichtung des behandelnden (Zahn-) Arztes erstreckt sich auch auf seltene Risiken
OLG Hamm
Bei dem Beschleifen von Zähnen ist der Zahnarzt verpflichtet, den Patienten über das Risiko einer Pulpitis bis hin zum Verlust eines oder mehrerer Zähne aufzuklären. Es ist auch über seltene Risiken aufzuklären, wo sie - wenn sie sich verwirklichen - die Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch, für den Laien überraschend, sind.

Aufklärung über die Möglichkeit eines Kaiserschnitts
BGH
Ist eine Schnittentbindung aufgrund besonderer Umstände relativ indiziert und ist sie deshalb eine echte Alternative zu einer vaginal-operativen Entbindung, besteht eine Pflicht zur Aufklärung der Mutter über die Möglichkeit der Schnittentbindung.

Erklärungen der Parteien vor Erhebung der Schmerzensgeldteilklage kann tatrichterlich nach den allgemeinen Grundsätzen ausgelegt werden
OLG Schleswig-Holstein
Durch einen vorprozessualen Schriftwechsel können die Parteien vor Erhebung der Teilschmerzensgeldklage in schlüssiger Form eine Vereinbarung treffen, wonach die der erstrebten Entscheidung über das Teilschmerzensgeld zugrundeliegenden Feststellungen zwischen den Parteien Bindungswirkung für den Haftungsgrund haben. Die Parteien können sich durch einen formfreien Vertrag zu jedem verfahrensrechtlichen Handel verpflichten, dass möglich ist und weder gegen ein gesetzliches Verbot, noch gegen die guten Sitten verstößt; dazu gehört auch das Eingehen einer vertraglichen Bindung an die Entscheidung einer Teilklage für den Grund des gesamten Anspruchs.

Arzt haftet nicht bei Aufklärung über den „off label use" des verschriebenen Cortisonpräparates
LG Karlsruhe
Ein Patient hat gegenüber seinem behandelnden Arzt keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen einer angeblich fehlerhaften Cortisonbehandlung (hier: von Cluster-Kopfschmerzen) mit einem „off label use" Medikament, wenn er einen haftungsbegründenden ärztlichen Behandlungsfehler anlässlich der Behandlung mit Cortison, der ursächlich für eine erhebliche Gewichtzunahme des Parteien gewesen sein soll, nicht nachgewiesen hat und wenn die Verschreibung vom Cortisonpräparaten auch nicht wegen eines Einwilligungsmangels des Patienten rechtswidrig gewesen wäre. Gegen einen solchen Anspruch kann die Feststellung eines Sachverständigen sprechen, dass die Gewichtszunahme des Patienten nicht auf einer dreimonatigen Verschreibung und Einnahme cortisonhaltiger Präparate zurückzuführen sein kann und wenn der Arzt eine erfolgte Aufklärung des Patienten über den „off label use" nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat.

Streitwert einer Klage auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen zur Verbreitung eines Arzthaftungsprozesses
OLG Nürnberg
Der Streitwert der Klage eines Patienten gegen seinen Arzt auf Herausgabe von Kopien der Behandlungsunterlagen zur Bereitung eines Arzthaftungsprozesses bzw. der Prüfung der Erfolgsaussichten einer solchen Klage ist in der Regel mit 20 % des Streitwerts der in Aussicht genommenen Arzthaftungsklage zu bemessen.

Ersatzfähigkeit eines psychisch vermittelten Schadens des Lebensgefährten eines durch ärztlichen Kunstfehler verstorbenen Patienten
OLG Köln
1. Die Grundsätze, wonach nahe Angehörige unter bestimmten Umständen eigene, psychisch vermittelte Schäden geltend machen können, sind grundsätzlich auch auf Lebensgefährten eines durch einen ärztlichen Kunstfehler verstorbenen Patienten anwendbar.
2. An die Darlegung eines psychisch vermittelten Schadens sind maßvolle Anforderungen zu stellen.

Über alternative Methoden der Immobilisation des Kniegelenks bei einer Schleimbeutelentzündung muss Arzt ungefragt nicht aufklären
OLG Karlsruhe
Ob der Arzt eine Schleimbeutelentzündung am Knie mit einem zirkulären Cast-Tutor (Gipsverband) mit einem geschalteten Cast oder einer Orthese behandelt, ist lediglich eine Frage der Behandlungstechnik, über die der Patient nicht aufgeklärt werden muss. Insoweit sind diese Möglichkeiten für die Immobilisation des Kniegelenks gleichwertig und ohne wesentlich unterschiedliche Risiken für den Patienten. Hat sich der Behandler für die Verwendung eines Cast-Tutors entschieden und den Patienten über das damit verbundene Risiko einer Nervenschädigung aufgeklärt, so kann der Patient Schadenersatzansprüche nicht auf eine Aufklärungspflichtverletzung stützen.

Zahnärztlicher Behandlungsfehler als vertragswidriges Verhalten
BGH
1. Bei einem (zahn-)ärztlichen Behandlungsvertrag setzt der Verlust des Vergütungsanspruchs wegen vertragswidrigen Verhaltens nach § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB nicht voraus, dass das vertragswidrige Verhalten als schwerwiegend oder als wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB anzusehen ist.
2. Ein geringfügiges vertragswidriges Verhalten lässt die Pflicht, die bis zur Kündigung erbrachten Dienste zu vergüten, unberührt.
3. Ein (zahn-)ärztlicher Behandlungsfehler kann vertragswidriges Verhalten im Sinne des § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB sein.

 

Ausnahmsweise wirksame Einwilligung nur eines Elternteils in die Operation eines Minderjährigen
OLG Stuttgart
Der ärztliche Heileingriff bei einem Minderjährigen bedarf stets der Einwilligung beider Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht. Überlässt der Vater die Entscheidung über die Operation und die stationäre Aufnahme des Minderjährigen konkludent der Mutter, ist diese ermächtigt, die Einwilligung wirksam zu erteilen.

Schmerzensgeld in Höhe von 130.000,00 € nach fehlerhafter Brustoperation
LG Coburg
Einer 52 Jahre alten Frau, die sich infolge schwerer Behandlungsfehler und nach fehlerhafter Risikoaufklärung mehrerer Folgeoperationen an beiden Brüsten unterziehen muss, kann wegen schwerer Beeinträchtigung ihres Erscheinungsbildes ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000,00 € zustehen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist auch der psychische Gesundheitsschaden zu berücksichtigen und der Umstand, dass die Behandlungsseite und deren Haftpflichtversicherer den Schadensausgleich über fast ein Jahrzehnt nicht vorgenommen haben. Kommt es infolge der Behandlungsfehler zusätzlich zu einem Haushaltsführungsschaden, ist dieser durch eine Geldrente auszugleichen.

Anforderungen an den Nachweis der Aufklärung des Patienten durch die Behandlungsseite
OLG Hamm
1. Zur Überzeugung des Gerichts von einer Aufklärung des Patienten in einem vertraulichen Arztgespräch kann es ausreichen, wenn die ständige Praxis einer ordnungsgemäßen Aufklärung nachgewiesen wird und Indizien vorliegen, dass dies auch so gehandhabt worden ist.
2. Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, kann dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung in der von ihm beschriebenen Weise geschehen ist.
3. Hat sich nur ein Eingriffsrisiko verwirklicht, über das der Patient tatsächlich aufgeklärt worden ist, entfällt aus Gründen eines fehlenden Zurechnungszusammenhangs eine Haftung regelmäßig auch dann, wenn der Patient über andere Risiken nicht aufgeklärt worden ist, diese sich aber nicht verwirklicht haben.
4. Ein Patient ist grundsätzlich darüber aufzuklären, dass anstelle einer Operation zunächst alternativ die Fortsetzung einer konservativen Behandlung in Frage kommt.
5. Erfolgt die Aufklärung des Patienten am Vortag der stationär durchgeführten Operation, muss sie zu einer Zeit stattfinden, zu der sie dem Patienten die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts erlaubt, wobei etwaige Vorkenntnisse des Patienten aus früheren Gesprächen zu berücksichtigen sind.

Produktfehler eines implantierten Herzschrittmachers aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Produktserie mit einer konstruktionsbedingt erhöhten Fehlerrate
OLG Hamm
Es stellt ein Produktfehler eines Herzschrittmachers dar, wenn der Herzschrittmacher zu einer Produktserie gehört, die konstruktionsbedingt eine erhöhte Fehlerrate aufweist.

Bemessung des Schmerzensgeldes unter Berücksichtigung der geringen finanziellen Leistungsfähigkeit und das Fehlen einer Haftpflichtversicherung auf Seiten des Schädigers
LG Dresden
Bei der Ermittlung der Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes des Geschädigten wirkt es sich anspruchsmindernd aus, wenn der Schädiger nur über eine geringe finanzielle Leistungsfähigkeit mit keiner eigenen Haftpflichtversicherung verfügt.

Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bei mehreren gerügten Behandlungsfehlern
OLG Koblenz
1. Nimmt der Patient zunächst nur den mit der Erstversorgung befassten Notarzt auf Schadenersatz in Anspruch und stellt sich stattdessen ein Fehlverhalten des in einem anderen LG-Bezirk gelegenen Krankenhauses heraus, in das der Kläger verlegt wurde, kann das Krankenhaus nicht durch eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in das Verfahren gegen den Notarzt hineingezogen werden.
2. Tritt das schädliche Ergebnis einer in mehreren Schritten und an verschiedenen Orten erfolgten Heilbehandlung erst nach der Krankenhausentlassung am Wohnort des Patienten zu Tage, kann dort für alle Anspruchsgegner der Gerichtsstand des § 32 ZPO begründet sein.

Ablehnung eine Sachverständigen bei Überschreitung des Gutachtenauftrags
LG Nürnberg-Fürth
Die Ablehnung eines medizinischen Sachverständigen ist begründet, wenn dieser sich in seinem schriftlichen Gutachten über die Beweisfrage, ob eine bestimmte Behandlungsmaßnahme nicht durchgeführt worden ist, hinausgehend auch damit befasst, ob eine ordnungsgemäße Aufklärung erfolgt ist und ob ein grober Behandlungsfehler vorliegt.

Abgrenzung des Befunderhebungsfehlers von Diagnoseirrtum
BGH
1. Den Arzt verpflichten auch die Ergebnisse solcher Untersuchungen zur Einhaltung der berufsspezifischen Sorgfalt, die medizinisch nicht geboten waren, aber trotzdem - beispielsweise aus besonderer Vorsicht - veranlasst wurden.
2. Der für die Auswertung eines Befundes in konkretem Fall medizinisch verantwortliche Arzt hat all die Auffälligkeiten zur Kenntnis und zum Anlass für die gebotenen Maßnahmen zu nehmen, die er aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs unter Berücksichtigung der in seinem Fachbereich vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten sowie der Behandlungssituation feststellen muss. Vor in diesem Sinn für ihn erkennbaren Zufallsbefunden darf er nicht die Augen verschließen.
3. Zur Abgrenzung des Befunderhebungsfehlers von Diagnoseirrtum.

Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Zahnarzthonorars bei unbrauchbarem Zahnersatz
KG
1. Ist die Prothetik aufgrund eines Behandlungsfehlers mangelhaft, so kann der Patient den Ersatz aller ihm die Behebung der Mängel entstandenen Kosten verlangen, soweit sie objektiv erforderlich waren.
2. Alternativ steht dem Patienten ein Anspruch auf Rückzahlung des bereits gezahlten Honorars zu, soweit der Zahnersatz unbrauchbar ist.
3. Wählt der Patient die Rückzahlung des bereits gezahlten Honorars, besteht eine Ersatzpflicht nur für die weiteren materiellen Schäden, d. h. die Mehrkosten.

Verjährungsbeginn bei Harninkontinenz nach Prostataresektion
OLG Koblenz
Darf der Patient davon ausgehen, dass eine Harninkontinenz nach Prostataresektion schicksalshafte Folge einer sachgemäß durchgeführten Operation ist, erlangt er für den Verjährungsbeginn maßgebliche Kenntnis erst dann, wenn ihm ein Arzt Jahre später mitteilt, dass eine vorwerfbare Sphinkterläsion als Ursache der Beschwerden in Betracht kommt.

Ein möglicher Wechsel der Operationsmethode muss bei der Aufklärung besprochen werden
OLG Brandenburg
1. Bei einer Leistenbruchoperation ist über die in Betracht kommenden verschiedenen Operationsmöglichkeiten (mit und ohne Netzimplantation, konventionell oder in laparoskopischer Technik) aufzuklären, da es sich um mittlerweile standardmäßige Methoden zur Leistenbruchversorgung handelt, die im Hinblick auf die Möglichkeit eines Rezidivs des Leistenbruchs sowie die auftretenden speziellen Risiken unterschiedlich sind.
2. Kommt es kurzfristig zu einem Wechsel der Operationsmethode (hier: Operation in laparoskopischer Technik statt konventionell), ist der Eingriff von der Einwilligung in die Operation nach der konventionellen Technik nicht gedeckt. Eine Einwilligung aufgrund einer erst am Tag der Operation vorgenommenen Aufklärung über die Operation in laparoskopischer Technik, bei der der Patient bereits unter Medikamenteneinfluss steht, ist unwirksam.
3. Kommt es während des ohne wirksame Einwilligung durchgeführten Eingriffs zu einer Durchtrennung des Samenleiters des linken Hodens, ohne dass eine Beeinträchtigung der Zeugungsfähigkeit nachgewiesen ist, ist angesichts der verbleibenden theoretischen Vulnerabilität der Zeugungsfähigkeit für den Fall möglicher zukünftiger Beeinträchtigungen des rechtsseitigen Hodens ein Schmerzensgeld von 15.000,00 € angemessen.

81-jähriger Patient hat keinen Schadensersatzanspruch, wenn Hördefizit nicht
auf Behandlungsfehler des HNO-Arztes beruht, sondern altersbedingt ist

LG Duisburg
Ein über 80-jähriger Patient hat keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Vorliegen eines Behandlungsfehlers oder Aufklärungsmangels, wenn ein Sachverständiger festgestellt hat, dass die diagnostizierten Hördefizite jedenfalls nicht auf technische Anwendungsfehler des Arztes bei der hier vorgenommenen Zerumenabsaugung zurück zu führen sind, sondern vielmehr traumaunabhängige altersbedingte Hörverluste vorliegen. Ist darüber hinaus die Auswahl der Absaugmethode durch den Arzt nicht zu beanstanden, da die entsprechend erfolgte Behandlung jedenfalls medizinisch indiziert gewesen und "lege artis" durchgeführt wurde und Alternativmethoden jedenfalls kein geringeres Risikopotential haben, so besteht auch kein schadenersatzbegründender Aufklärungsmangel.

Aufklärungspflicht bei LASIK-Operation
OLG Köln
1. Eine Laser-Operation am Auge zur Beseitigung einer normalen Kurzsichtigkeit, die ohne weiteres auch durch das Tragen von Kontaktlinsen oder einer Brille zu korrigieren ist, und für die eine weitergehende medizinische Indikation nicht besteht, ist einer kosmetischen Operation im Hinblick auf die Anforderungen an die Aufklärung vergleichbar. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Tauschrisiko, das bei Auftreten von Komplikationen im Verlust des Augenlichts bestehen kann, und ganz besonders, wenn das andere (nicht operierte) Auge nahezu erblindet ist.
2. Bei einem Patienten in vorgerücktem Alter ist auch darüber aufzuklären, dass der dauerhafte Erfolg einer Laser-Operation fraglich ist.
3. Verliert eine 65-jährige Patientin, die zuvor auf dem rechten Auge praktisch erblindet war und auf dem linken Auge über eine Sehschärfe von 0,8 p verfügte, durch eine rechtswidrige Operation ihr Augelicht soweit, dass sie nunmehr nur noch über eine Sehschärfe von 0,2 p verfügt, ist ein Schmerzensgeld von 40.000 € jedenfalls nicht zu hoch.

Keine Aufklärungspflicht über schuldlos nicht bekannte Risiken
BGH
Ist dem behandelnden Arzt ein Risiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt und musste es ihm auch nicht bekannt sein, weil es nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft, aber nicht in seinem Fachgebiet diskutiert wird, entfällt die Haftung des Arztes mangels schuldhafter Pflichtverletzung.

Auf Mängelansprüche wegen einer fehlerhaften Zahnprothese findet die 2-jährige Verjährungsfrist des Werkvertragsrechts Anwendung
OLG Frankfurt
Beruht die Fehlerhaftigkeit einer eingesetzten Zahnprothese allein auf zahntechnischen Herstellungsmängeln (hier: Lunkerbildung), so sind diese nach Werkvertragsrecht zu beurteilen. Hierfür spricht, dass bei zahnprothetischen Arbeiten das Wesen der Leistungserbringung durch die individuelle Anpassung der herzustellenden Sache an die körperlichen Gegebenheiten und medizinischen Bedürfnisse des Patienten geprägt ist und daher der geschuldete Erfolg wesentlich über die Herstellung einer Sache und deren Übereignung hinaus geht. Die Mängelansprüche des Patienten verjähren dabei in zwei Jahren auf Abnahme, da es sich bei der Fertigung einer Prothese in einem Dentallabor um die Herstellung eines Werkes im Sinne der werkvertraglichen Verjährungsvorschriften handelt. Für diese Einordnung ist der technische Herstellungsprozess maßgeblich sowie dass erst mit dem Einpassen der Zahnbrücke zahnärztliche Leistungen am Menschen stattfinden.

Kein Verjährungsbeginn bei Mitteilung eines Nachbehandlers über längeren Bestand einer Krankheit sowie, dass irgendetwas schief gelaufen sei
OLG Frankfurt
Die beiläufige ärztliche Mitteilung, eine Krankheit liege schon länger als angenommen vor und es sei irgendetwas komplett schief gelaufen, versetzt den Patienten weder in die Kenntnis, dass er unter Verstoß gegen fachärztliche Standards behandelt worden sein kann, noch begründet dies fahrlässige Unkenntnis von diesem Umstand. Das Unterlassen einer Nachfrage ist insoweit nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschädigten als unverständlich erscheinen lassen.

Anforderungen an die Risikoaufklärung vor Laseroperation am Auge (LASIK-Operation)
OLG Köln
1. Über das gesteigerte Risiko der Blendempfindlichkeit als Folge einer Laseroperation am Auge war auch schon im Jahr 2000, wo diese Operation noch als Neulandmethode anzusehen war, gründlich und umfassend aufzuklären, weil Kenntnisse über den Zusammenhang zwischen Pupillendurchmesser, Größe der Behandlungszone und Blendungserscheinungen schon vorhanden waren.
2. Leidet ein 21-jähriger Patient infolge einer rechtswidrigen Laseroperation in einem Maß an erhöhen Blendungserscheinungen, dass er ohne unzumutbare Hilfsmittel nicht mehr ein Kfz führen kann, ist ein Schmerzensgeld von jedenfalls 10.000,00 € angemessen.

Prognose der hypothetischen Einkommensentwicklung eines Geschädigten in fortgeschrittenem Alter mit befristeten Teilzeitarbeitsvertrag an einer Universität und Promotionsabsicht
BGH
Zu der für die Bemessung des Erwerbsschadens erforderlichen Prognose der hypothetischen Einkommensentwicklung, wenn der Geschädigte behauptet, er hätte ohne den Schadensfall in fortgeschrittenem Alter (39 Jahre) eine gut bezahlte Festanstellung erhalten, der Schädiger dies aber unter Hinweis auf die Lage am Arbeitsmarkt bestreitet.

Sorgfaltspflichten des Arztes bei Zufallsbefunden
BGH
1. Den Arzt verpflichten auch die Ergebnisse solcher Untersuchungen zur Einhaltung der berufsspezifischen Sorgfalt, die medizinisch nicht geboten waren, aber trotzdem - beispielsweise aus besonderer Vorsicht - veranlasst wurden.
2. Der für die Auswertung eines Befundes im konkreten Fall medizinisch verantwortliche Arzt hat all die Auffälligkeiten zur Kenntnis und zum Anlass für die gebotenen Maßnahmen zu nehmen, die er aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs unter Berücksichtigung der in seinem Fachbereich vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten sowie der Behandlungssituation feststellen muss. Vor in diesem Sinne für ihn erkennbaren "Zufallsbefunden" darf er nicht die Augen verschließen.
3. Zur Abgrenzung des Befunderhebungsfehlers vom Diagnoseirrtum.

Keine Verletzung der Aufklärungspflicht, wenn Zahnarzt nur über mögliche Nervenschädigung durch Anästhesie, aber nicht über Alternativen aufklärt
OLG Hamm
Der Zahnarzt muss eine Patientin zwar grundsätzlich über das Risiko einer dauerhaften Schädigung des Nervus lingualis durch Applikation einer Leitungsanästhesie auch bei konservativer Zahnbehandlung aufklären. Darüber hinaus hat er aber nicht notwendigerweise die Pflicht, über weitere, alternative Anästhesiemethoden aufzuklären. Mittlerweile existiert in der universitären Lehre zwar ein so genannter Stufenplan für Injektionstechnik, allerdings hat dieser Stufenplan noch nicht allgemein Einzug in die zahnärztliche Praxis gefunden. Wird eine Patientin anlässlich eines ersten Behandlungstermins zumindest über das Risiko einer Nervenschädigung aufgeklärt, so ist im Rahmen eines kurzfristigen Folgetermins eine neuerliche Aufklärung entbehrlich. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht des Zahnarztes kommt in diesem Fall nicht in Betracht.

Bei größerer Operation ist Aufklärung über mögliche Todesfolge nicht ohne weiteres erforderlich
OLG Frankfurt
Als allgemein bekanntes Risikos einer größeren Operation muss auf die Möglichkeit daran unter günstigsten Umständen versterben zu können, nicht ohne weiteres hingewiesen werden. Daher reicht es regelmäßig aus, wenn im Beratungsgespräch auf die Gefahr von Nerven- oder Gefäßverletzungen, Blutungen, Thrombose und Embolie hingewiesen wird. Es ist allgemeinkundig, dass jede größere, unter Narkose vorgenommene Operation mit allgemeinen Gefahren verbunden ist, die im unglücklichen Fall zu schweren Gesundheitsschäden bis hin zum Tod führen können.

Einheitlicher Dauerverstoß als Rechtsschutzfall in Arzthaftungsangelegenheiten
OLG Hamm
1. Unterlässt es ein Arzt, seinen Patienten über einen längeren Zeitraum bei gleichbleibendem Gesundheitszustand über Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären, dann liegt darin ein einheitlicher Rechtsschutzfall mit einem einzigen Dauerverstoß im Sinne des § 4 Abs. 2 ARB 2000.
2. Verschlechtert sich dagegen der Zustand des Patient, so dass zunächst über mögliche Therapien, dann über eine operative Entlastung der Wirbelsäule bis hin zur absoluten Operationsindikation hätte aufgeklärt werden müssen, dann liegt kein einheitlicher Dauerverstoß mehr vor. Die Qualität der Pflichtenlage hat sich jeweils wesentlich verändert, so dass von mehreren selbstständigen Verstößen und damit von mehreren Rechtsschutzfällen auszugehen ist.
3. Durch ein Fallenlassen von Vorwürfen im Haftpflichtprozess kann der Versicherungsnehmer den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls nicht willentlich verschieben, es sei denn, es liegt hierfür ein sachlicher Anlass vor.

Keine Dokumentation ist Pflichtverletzung bei fehlender Begründung für überlange Operationszeit trotz fehlender Komplikationen
OLG München
Eine ungewöhnlich lange Operationsdauer für die Implantation einer Hüfttotalendoprothese (hier: 3 Stunden und 20 Minuten) stellt als solches keinen Behandlungsfehler dar. Weist der Operationsbericht keine Begründung für eine ungewöhnlich lange, aber als solche hinreichend dokumentierte Dauer der Operation auf, so liegt kein Dokumentationsfehler vor. Der Operateur ist grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Abweichung von der durchschnittlichen Operationszeit zu begründen, sofern sie nicht auf Komplikationen beruht, die für die Nach- und Weiterbehandlung des Patienten von Bedeutung sind. Die Dokumentationspflicht dient insoweit der Sicherstellung wesentlicher medizinischer Daten und Fakten für den Behandlungsverlauf. Sie ist nicht auf die Sicherung von Beweisen für einen späteren Haftungsprozess des Patienten gerichtet.

Behandlung von Zivildienstleistenden als öffentliche Amtsausübung
BGH
Die ärztliche Behandlung von Zivildienstleistenden durch Vertragsärzte und Krankenhäuser mit Kassenzulassung im Rahmen der gesetzlichen Heilfürsorge erfolgt nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes.

Keine Haftung der Klinik für Patientensturz bei nicht nachgewiesener Pflichtverletzung
LG Bochum
Eine Klinik haftet nicht für eine vom Patienten behauptete Pflichtverletzung des Pflegepersonals bei einem nächtlichen Toilettengang und dabei erlittenen Verletzungen infolge eines Sturzes. Das gilt jedenfalls, wenn die Klinik nachweisen kann, ausreichend Vorkehrungen getroffen zu haben, dass hilfsbedürftige Personen - auch in der Nacht - das Pflegepersonal grundsätzlich erreichen konnten und der Patient dann wiederum nicht beweisen kann, dass er vor dem Toilettengang tatsächlich auf sich aufmerksam gemacht hat und das Pflegepersonal darauf nicht reagierte. Das gilt insbesondere, wenn es sich nach den eigenen Angaben des Patienten um den dritten Toilettengang dieser Nacht handelte und er bereits bei den ersten beiden Toilettengängen nicht um Hilfe gebeten hat.

Verantwortung des Assistenzarztes trotz vertikaler Arbeitsteilung
OLG Brandenburg
1. Ein Assistenzarzt darf auf die vom Facharzt angeordneten Maßnahmen vertrauen, sofern nicht für ihn erkennbare Umstände hervortreten, die ein solches Vertrauen nicht gerechtfertigt erscheinen lassen. Der nachgeordnete Arzt haftet daher nur bei einem allein von ihm zu verantwortenden Verhalten. Wurde die Schädigung durch ein Unterlassen begangen, bedarf es Vortrags dazu, ob und inwieweit der Facharzt gegenüber dem nachgeordneten Arzt etwaige Anweisungen zur (Nicht-) Vornahme von medizinisch gebotenen Befunderhebungen erteilt hat.
2. Bei einem groben Befunderhebungsfehler bei der Geburt, bei der es zu einer Überbeatmung und damit zur Sauerstoffunterversorgung des Neugeborenen gekommen ist, die zur Schädigung des Gehirns geführt hat, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 275.000,00 € angemessen.
3. Bei der Bemessung des für die Pflege in Ansatz zu bringenden Zeitaufwands sind die Feststellungen in der Pflegekasse gemäß § 18 Abs. 1 SGB XI zugrunde zu legen. Diese stellen eine verlässliche Grundlage für die Feststellung des auch im Rahmen der §§ 249, 843 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Mehrbedarfs dar.

Anforderungen an die Risikoaufklärung vor kosmetischer Operation (hier: Bauchfettabsaugung)
OLG Köln
1. Vor einer Bauchfettabsaugung (Liposuktion aus kosmetischen Gründen) ist über das Risiko von Hautfaltenüberschüssen sowie Dellen-, Furchen- und Faltenbildung der Haut aufzuklären. Dieses Risiko ist bei einer 54-Jährigen, unter einer Fettschürze leidenden Patienten deutlich überhöht. Über die Risikoerhöhung ist aufzuklären.
2. Es stellt eine unzulässige Verharmlosung dar, wenn der Arzt das Risiko aufgrund eigener Erfahrung mit 2 % beziffert, obwohl in der medizinischen Literatur insoweit keine Zahlen publiziert sind, die Risikorate nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung aber wesentlich höher ist.
3. Leistet der Patient auf eine gemäß § 2 GOÄ unwirksame Honorarvereinbarung, kann er das Geleistete nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB zurückfordern.

Kriterien der Prognose zur Ermittlung des Erwerbsschadens bei Schädigung eines Kindes bei der Geburt
BGH
1. Trifft ein Schadensereignis ein jüngeres Kind, über dessen berufliche Zukunft aufgrund des eigenen Entwicklungsstands zum Schadenszeitpunkt noch keine zuverlässige Aussage möglich ist, so kann es geboten sein, dass der Tatrichter bei der für die Ermittlung des Erwerbsschadens erforderlichen Prognose auch den Beruf sowie die Vor- und Weiterbildung der Eltern, ihre Qualifikation in der Berufstätigkeit, die beruflichen Pläne für das Kind sowie schulische und berufliche Entwicklungen von Geschwistern berücksichtigt.
2. Ergeben sich aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des Kindes zwischen dem Zeitpunkt der Schädigung und dem Zeitpunkt der Schadensermittlung (weitere) Anhaltspunkte für seine Begabungen und Fähigkeiten und die Art der möglichen Erwerbstätigkeit ohne den Schadensfall, ist auch dies bei der Prognose zu berücksichtigen und von einem dem entsprechenden normalen beruflichen Werdegang auszugehen.

Die ärztliche Behandlung von Zivildienstleistenden im Rahmen der gesetzlichen Heilfürsorge erfolgt nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes
BGH
Die ärztliche Behandlung von Zivildienstleistenden durch Vertragsärzte und Krankenhäuser mit Kassenzulassung im Rahmen der gesetzlichen Heilfürsorge erfolgt nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes. Bei Zivildienstleistenden läuft die Heilfürsorge im Gegensatz zu Wehrpflichtigen, auch wenn sie im Interesse einer möglichst weitgehenden Gleichstellung mit derjenigen für Wehrpflichtige rechtlich als Sachleistung ausgestaltet ist, in der praktischen Durchführung auf eine Erstattung der Heilbehandlungskosten hinaus. Nimmt ein Zivildienstleistender einen Vertragsarzt wegen ärztlicher Fehlbehandlung in Anspruch, kann sich dieser somit nicht erfolgreich auf eine Haftungsverlagerung auf seine Anstellungskörperschaft berufen.

Stationäre Behandlung eines Zivilpatienten in einem Bundeswehrkrankenhaus
OLG Koblenz
1. Schließt ein Zivilpatient einen Vertrag zur stationären Behandlung in einem Bundeswehrkrankenhaus, werden die nicht in den Vertrag einbezogenen, gleichwohl aber vom Dienstherrn zur Vertragserfüllung herangezogenen Sanitätsoffiziere kraft ihres Nebenamts tätig. Ihnen kommt daher der Haftungsausschluss des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB zugute.
2. Die dem Soldatengesetz unterfallene Sanitätsoffiziere der Bundeswehr sind Beamte im Sinne von § 839 BGB (Abweichung von LG Berlin, MedR 2004, 449).

Anforderungen an Indikationsaufklärung bei horizontaler Arbeitsteilung
OLG Köln
1. Ist ein spezialisiertes Krankenhaus (hier: Brustzentrum) in der Frage der Indikation einer nur elektiven Mastektomie (wegen Krebsangst) maßgeblich eingebunden, so obliegt die Aufklärung der Patientin über die Frage der Indikation und nicht nur über die spezifischen Risiken der Operation den operierenden Ärzten des Krankenhauses.
2. Im Rahmen der patientenbezogenen sorgfältigen Aufklärung über die Indikation einer auf Krebsangst beruhenden Mastektomie muss der Arzt die durch den Eingriff erzielbare Verbesserung der Sicherheit mit der Patientin besonders besprechen. Der Komplexität und Tragweite der Entscheidung zu einer sich letztlich als unnötig darstellenden Operation muss Rechnung getragen werden. Einer möglicherweise übertriebenen Furcht vor Erkrankungen muss der Arzt entgegenwirken. Sorgfältig nachzugehen hat der Arzt einem möglicherweise auf unzureichender Kenntnis beruhenden Verzicht der Patientin auf weitere diagnostische Maßnahmen. Der Operateur darf sich nicht darauf verlassen, dass eine gegenüber einem niedergelassenen Gynäkologen erklärte Einwilligung auf einer sachgerechten Aufklärung beruht.
3. Bei einer nicht von einer wirksamen Einwilligung gedeckten beidseitigen Mastektomie ist ein Schmerzensgeld von mindestens 60.000,00 € gerechtfertigt.

Kein Einsatz von Schmerzensgeld zur Deckung der Verfahrenskosten
OLG Karlsruhe
1. Vom Schädiger gezahltes Schmerzensgeld kann für die Verfahrenskosten eines Haftpflichtprozesses dann einzusetzen sein, wenn die Kosten relativ gering sind und dem Geschädigten der wesentliche Teil des Schmerzensgeldes verbleibt.
2. Stellt nach den Umständen der weit aus größte Teil des Vergleichsbetrags Schmerzensgeld dar und wurde ein erheblicher Teil der Vergleichssumme für auf den Verkehrsunfall zurückzuführende vermehrte Bedürfnisse ausgegeben, so würde die Funktion des Schmerzensgeldes - mit der Folge, dass es nicht zur Deckung der Verfahrenskosten einzusetzen ist - jedenfalls dann tangiert werden, wenn der Geschädigte Prozesskosten in einer Höhe von 12 % der ihm zugeflossenen Entschädigung oder nahezu ¼ der für seine unfallbedingten vermehrten Bedürfnisse erfolgten Aufwendungen zahlen müsste.

Keine Pflicht zur Erinnerung an Vorsorgeuntersuchungen
OLG Koblenz
Der Arzt ist nicht verpflichtet, einen Patienten an Termine für erneute Vorsorgeuntersuchungen zu erinnern. Es sei überzogen, einem Arzt die Fürsorge für die Wahrnehmung von Vorsorgeuntersuchungen aufzuerlegen. Das gilt auch dann, wenn ein konkreter Verdacht auf eine Erkrankung bestehe.

Unnötige Brustamputation - Aufklärung und Patientenwille
OLG Köln
Auch im Falle einer "lege artis" durchgeführten Brustamputation kommt eine Haftung für einen eingetretenen Schaden in Betracht, wenn dem behandelnden bzw. operierenden Arzt ein Aufklärungsfehler vorzuwerfen ist und die Brustamputation letztlich unnötig ist.

Arzthaftung wegen missverständlichen Merkblatts über Operationsrisiken
OLG Koblenz
Wenn sich aus überreichten Merkblättern Operationsrisiken nicht widerspruchslos erkennen ließen und der Patient auf Nachfrage, ob sich ein dort formuliertes Risiko verwirklichen könne, geantwortet wird, dass dem Arzt solches noch nicht vorgekommen sei, insofern also das Risiko verharmlost wurde, der Arzt, wenn sich das Risiko tatsächlich verwirklicht, aus Schadensersatz und Schmerzensgeld haftet.

Haftung des Arztes entfällt, wenn ihm das Behandlungsrisiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt sein musste
BGH
Wird bei einer Patientin eine Spinalanästhesie durchgeführt, ohne dass sie über die Gefahr eines in der Folge tatsächlich auftretenden subduralen Hygroms aufgeklärt wird, so haftet der behandelnde Anästhesist mangels schuldhafter Pflichtverletzung nicht, wenn ihm das Risiko nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein konnte. Das ist dann der Fall, wenn hierüber nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft, aber nicht in seinem Fachgebiet diskutiert wird.

Infektion während eines stationären Aufenthaltes mit Legionellen aufgrund eines kontaminierten Rohrrisssystems führt zum Schadensersatzanspruch
LG Dortmund
Die Patientin eines schlafmedizinischen Zentrums hat gegen die Gebäudeeigentümerin einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass sie sich in der Dusche des Schlaflabors mit einer Legionellen-Pneumonie infiziert hat. Einer 100 %-igen wissenschaftlichen Sicherheit bedarf es nicht, wenn bereits im Vorlauf des Wassersystems des Schlaflabors Legionellen in teilweise ganz erheblichem Umfang festgestellt werden, im Rücklauf die Legionellenanzahl noch höher ist und der Duschvorgang im Schlaflabor innerhalb der Inkubationszeit von 10 Tagen liegt.

Austausch eines Defibrillators wegen der Verletzung berechtigter Sicherheitserwartungen führt zur Herstellerhaftung
LG Magdeburg
Ein Patient hat einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für Krankenhausbehandlung und Pflegekosten, die durch den Austausch eines Defibrillators angefallen sind, gegen die Herstellerin dieses Gerätes. Eine Fehlerhaftigkeit des Defibrillatoris ist zu bejahen, wenn die berechtigten Sicherheitserwartungen verletzt wurden, weil Bauteile eines ehemaligen Zulieferers verwandt wurden, die jedenfalls teilweise einer sukzessiven Degeneration unterlagen.

Inhalt und Reichweite des Rechts auf Einsicht in veterinärmedizinische Behandlungsunterlagen
OLG Köln
1. Der Auftraggeber kann von dem mit einer tiermedizinischen Ankaufsuntersuchung beauftragten Tierarzt die Einsichtnahme in die anlässlich der Untersuchung gefertigten Röntgenaufnahmen des Tieres sowohl unmittelbar aus dem Vertrag als auch aus § 809 BGB verlangen.
2. Das Recht auf Einsichtnahme des Tierhalters ist generell nicht enger als das des Patienten in der Humanmedizin.

Haftung des Durchgangsarztes
OLG Bremen
1. Der Durchgangsarzt haftet für Fehler bei der Eingangsuntersuchung, Erstversorgung und der von ihm übernommenen weiteren Behandlung des Patienten im Rahmen der besonderen Heilbehandlung persönlich aus Vertragspflichtverletzung bzw. aus Delikt.
2. Das gilt auch dann, wenn sich im Rahmen der weiteren (besonderen) Heilbehandlung lediglich der ursprüngliche Fehler der mangelhaften Diagnose fortsetzt.
3. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Durchgangsarzt bei einem von der Berufsgenossenschaft getragenen Verein angestellt ist und die Behandlung in einer Einrichtung der Berufsgenossenschaft erfolgt.

Grenzen der Prüfungsbefugnis des Berufungsgerichts bei der Schmerzensgeldbemessung
OLG Koblenz
1. Bei der Schmerzensgeldhöhe hat das Gericht einen weiten Ermessensspielraum. Das Berufungsgericht prüft daher nur, ob ein Ermessensfehler vorliegt oder ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seinen Schätzungen unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat.
2. Auch bei einer täglichen Auseinandersetzung unter Jugendlichen sind die konkreten Folgen wesentliches Bemessungskriterium. Dies hindert aber nicht, das jugendliche Alter und die geringen Einkünfte des Schädigers zu berücksichtigen.
3. 1.500,00 € Schmerzensgeld für Fausthieb mit vorübergehender Lockerung der Frontzähne.

Bei einem Vertrag über einen festsitzenden Zahnersatz handelt es sich um einen Dienstvertrag
KG
Bei einem auf eine zahnprothetische Behandlung gerichteten Vertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag, soweit es um festsitzenden Zahnersatz geht. Eine Anwendung des Gewährleistungsrechts des Werkvertrages kommt daher nicht in Betracht. Ist die Prothetik aufgrund eines Behandlungsfehlers mangelhaft, so kann der Patient den Ersatz aller ihm für die Behebung der Mängel entstandenen Kosten verlangen, soweit sie objektiv erforderlich waren. Alternativ steht dem Patienten ein Anspruch auf Rückerstattung des bereits gezahlten Honorars zu, soweit der Zahnersatz für ihn aufgrund eines Behandlungsfehlers unbrauchbar ist. Hiervon ist auszugehen, wenn eine Mängelbeseitigung nicht möglich ist, sondern eine Neuanfertigung erfolgen muss.

Lediglich pauschales Vorbringen zu einem geltend gemachten Behandlungsfehler reicht nicht aus
OLG Hamm
Die Substantiierungsanforderungen an eine nicht medizinisch bewanderte Klagepartei in einem Arzthaftungsprozess hinsichtlich eines Behandlungsfehlers sind zwar gering. Ein lediglich pauschaler Verdacht, der sich allein darauf begründet, dass in den letzten Jahren verstärkt über Arzthaftungsangelegenheiten in den Medien berichtet wurde, reicht aber nicht aus, um schlüssig einen zur Erblindung des Betroffenen führenden Behandlungsfehler vorzutragen. Arzthaftungsprozesse dienen nicht dazu, das gesamte Behandlungsgeschehen sachverständig beleuchten und auswerten zu lassen, weil der Betroffene vor dem Hintergrund der Medienberichte die Möglichkeit in Betracht zieht, seine Erblindung könne womöglich durch ärztliche Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Augenoperation verursacht worden sein.

Reichweite der Aufklärungspflicht über das Risiko einer für die konkrete Behandlung noch nicht berichteten Querschnittslähmung
BGH 
1. Der Umstand, dass bei der konkreten Behandlung (hier: PRT) über eine Querschnittslähmung noch nicht berichtet worden ist, reicht nicht aus, dieses Risiko als lediglich theoretisches Risiko einzustufen und eine Aufklärungspflicht zu verneinen.
2. Liegen der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen medizinische Fragen zugrunde, muss der Richter mangels eigener Fachkenntnisse Unklarheiten und Zweifel bei den Bekundungen des Sachverständigen durch eine gezielte Befragung klären.

Das Aufklärungsgespräch mit dem Arzt kann nicht durch Aushändigung eines „Perimed"-Bogens ersetzt werden
OLG Oldenburg 
1. Die vier Monate vor einer Coloskopie erfolgte Aushändigung eines „Perimet"-Bogens, den der Patient am Behandlungstag dem Personal des Arztes übergibt, ersetzt nicht das erforderliche Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient.
2. Der Einwand der hypothetischen Einwilligung muss bereits in erster Instanz erhoben werden, wenn aufgrund des Beweisbeschlusses in Betracht zu ziehen ist, dass eine Verurteilung wegen unzureichender Aufklärung erfolgen könnte. Das gilt auch, wenn anschließend ein Sachverständiger die Aufklärung aus medizinischer Sicht für ausreichend erachtet.

Bei einem Vertrag über einen festsitzenden Zahnersatz handelt es sich um einen Dienstvertrag
KG  
Bei einem auf eine zahnprothetische Behandlung gerichteten Vertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag, soweit es um festsitzenden Zahnersatz geht. Eine Anwendung des Gewährleistungsrechts des Werkvertrages kommt daher nicht in Betracht. Ist die Prothetik aufgrund eines Behandlungsfehlers mangelhaft, so kann der Patient den Ersatz aller ihm für die Behebung der Mängel entstandenen Kosten verlangen, soweit sie objektiv erforderlich waren. Alternativ steht dem Patienten ein Anspruch auf Rückerstattung des bereits gezahlten Honorars zu, soweit der Zahnersatz für ihn aufgrund eines Behandlungsfehlers unbrauchbar ist. Hiervon ist auszugehen, wenn eine Mängelbeseitigung nicht möglich ist, sondern eine Neuanfertigung erfolgen muss.

Lediglich pauschales Vorbringen zu einem geltend gemachten Behandlungsfehler reicht nicht aus
OLG Hamm
Die Substantiierungsanforderungen an eine nicht medizinisch bewanderte Klagepartei in einem Arzthaftungsprozess hinsichtlich eines Behandlungsfehlers sind zwar gering. Ein lediglich pauschaler Verdacht, der sich allein darauf begründet, dass in den letzten Jahren verstärkt über Arzthaftungsangelegenheiten in den Medien berichtet wurde, reicht aber nicht aus, um schlüssig einen zur Erblindung des Betroffenen führenden Behandlungsfehler vorzutragen. Arzthaftungsprozesse dienen nicht dazu, das gesamte Behandlungsgeschehen sachverständig beleuchten und auswerten zu lassen, weil der Betroffene vor dem Hintergrund der Medienberichte die Möglichkeit in Betracht zieht, seine Erblindung könne womöglich durch ärztliche Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Augenoperation verursacht worden sein.

Anspruch der Partei auf Ladung und mündliche Befragung eines Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens
BGH
Dem Antrag einer Partei auf Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens hat das Gericht grundsätzlich zu entsprechen, auch wenn es das schriftliche Gutachten für überzeugend hält und selbst keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht. Ein Verstoß gegen diese Pflicht verletzt den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör und führt im Rahmen des § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Kein Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens im selbstständigen Beweisverfahren
BGH
Gegen die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 412 ZPO ist auch im selbstständigen Beweisverfahren kein Rechtsmittel gegeben.

Verzicht auf regelmäßige Laborkontrollen während der Gabe von Heparin begründet keinen Schadensersatzanspruch
OLG Düsseldorf
Die Gabe von Heparin kann bei manchen Patienten zu einer Reaktion des Immunsystems bei einer Allergie führen, die im ungünstigsten Fall durch Abfall der Thrombozytenzahl Auslöser eines Schlaganfalls sein kann. Da sich diese Entwicklung auch bei engmaschigen Kontrollen der Thrombozytenzahl nicht sicher verhindern lässt, kann ein Schadensersatzanspruch wegen der Unsicherheiten hinsichtlich des Kausalverlaufs nicht auf einen Verzicht von regelmäßigen Laborkontrollen gestützt werden.

Telefonische Risikoaufklärung kann in einfach gelagerten Fällen mit Einverständnis des Patienten ausreichend sein
BGH
In einfach gelagerten Fällen kann der Arzt den Patienten grundsätzlich auch in einem telefonischen Gespräch über die Risiken eines bevorstehenden Eingriffs aufklären, wenn der Patient damit einverstanden ist.

Fehlinterpretation von Symptomen eines leichten Schlaganfalls
OLG Koblenz
Erleidet ein erheblich vorgeschädigter Patient während der Implantation einer Hüftgelenkprothese einen leichten Schlaganfall liegt kein zur Umkehr der Beweislast führender Befunderhebungsmangel oder grober Diagnoseirrtum vor, wenn die Ärzte die postoperativen Symptome vertretbar als Folge des orthopädischen Eingriffs deuten.

Eine konkrete Misserfolgsquote des beabsichtigten Eingriffs muss bei der Aufklärung nicht genannt werden
OLG Naumburg
Über das Risiko eines Misserfolgs des beabsichtigten Eingriffs (hier: offene Operation am Fersenbein) ist nicht unter Angabe konkreter Prozentzahlen aufzuklären. Es reicht aus, wenn dem Patienten mitgeteilt wird, dass die Operation trotz aller ärztlichen Kunst fehlschlagen kann, mit dem Ergebnis, dass die Leiden, Ausfälle und Beschwerden sich nicht verbessern oder gar verschlimmern können.

Klinikpersonal darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Anweisung an einen Patienten, nicht selbstständig aufzustehen, beachtet wird
OLG Koblenz
Ist der mit einer Knieprothese versorgten Erwachsenen und orientierten Patientin gesagt worden, sie dürfe nicht selbstständig aufstehen, darf das Klinikpersonal grundsätzlich darauf vertrauen, dass diese Anweisung beachtet wird. Stürzt die Patientin bei dem Versuch, sich alleine in den Rollstuhl zu setzen, kann keine Haftung des Arztes daraus abgeleitet werden, dass er den Rollstuhl nach der Untersuchung an die Liege schiebt. Dies darf von der Patientin nicht als Aufforderung verstanden werden, sich nunmehr ohne fremde Hilfe wieder in den Rollstuhl zu setzen.

Der Arzt muss nur die Krankenunterlagen an seinen Patienten herausgeben, die er tatsächlich besitzt
LG Hagen
Bei einem Anspruch auf Herausgabe der Krankenunterlagen eines Patienten gegen einen Arzt sind nur solche Unterlagen herauszugeben, die der verpflichtete Arzt auch tatsächlich im Besitz hat. Der Besitz der Krankenunterlagen ist anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal. Die Behauptung, der Arzt habe noch weitere Krankenunterlagen im Besitz, in die er bislang keine Einsicht gewährt habe, muss der Patient beweisen.

Patient muss über eine alternative Heilmethode hinreichend aufgeklärt werden
OVG Nordhrein-Westfalen
Entschließt sich ein Arzt bei einem austherapierten Patienten zu einem so genannten Heilversuch mit einem dubiosen Therapieverfahren, so muss er den Patienten über die Einschätzung der Wirksamkeit durch die Wissenschaft hinreichend aufklären. Die Methodenwahl ist Bestandteil der verfassungsrechtlich garantierten ärztlichen Therapiefreiheit. Wählt ein Arzt eine schulmedizinisch nicht anerkannte so genannte Außenseitermethode, um Krankheiten zu heilen oder zu lindern, so erfordert die Behandlung zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten dessen Aufklärung über das für und wider dieser Methode. Der Patient muss wissen, auf was er sich einlässt, um abwägen zu können, ob er die Belastungen einer Behandlung mit ihren unter Umständen sehr eingeschränkten Erfolgsaussichten im Hinblick auf seine Befindlichkeit eingehen will.

Haftung von Ärzten einer Gemeinschaftspraxis als Gesamtschuldner bei groben Behandlungsfehlern
LG Dortmund
Ärzte einer Gemeinschaftspraxis haften aufgrund mehrerer durch einen Sachverständigen nachgewiesener grober Fehler für die insoweit entstandenen Schäden einer Patientin. Ein solcher Fall ist anzunehmen, wenn ein Sachverständigengutachten belegt, dass die Mediziner zunächst eine grob fehlerhafte Diagnose gestellt haben und sodann, auch bei Unterstellung der Richtigkeit der Diagnose, eine grob fehlerhafte Behandlung durchgeführt haben. Ein grober Behandlungsfehler ist u. a. darin zu sehen, wenn ein Arzt es entgegen des medizinischen Standardwissens bei Beschwerden in Form eines peitschenartigen Schmerzes im Wadenbereich sowie anschließend auftretendem Kribbel- und Kältegefühl im Vorderfuß unterlässt, weitere Untersuchungsmaßnahmen zur Abklärung zu veranlassen und dem Patienten stattdessen einen Zinkleimverband zur Beruhigung anlegt.

„Bundeseinheitliches Leistungsverzeichnis für zahntechnische Leistungen bei Kassenpatienten (BEL II)" ist kein Maßstab bei privater Krankenversicherung
LG Köln
Die Angemessenheit der Kosten für Material- und Laborkosten bei zahntechnischen Leistungen im Rahmen einer Krankheitskostenversicherung kann nicht anhand des „bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnisses für zahntechnische Leistungen bei Kassenpatienten (BEL II)" ermittelt werden. Das Verzeichnis ist für die gesetzliche Krankenversicherung geschaffen worden und ist daher mit den Maßstäben der Privatversicherung nicht einschränkungslos vereinbar. Zudem werden die Beiträge und Leistungen in der gesetzlichen und in der privaten Krankenversicherung nach jeweils unterschiedlichen Gesichtspunkten errechnet und erbracht.

Einsichtsrecht des Heimbewohners in die Pflegedokumentation
LG Karlsruhe 
1. Nach Ansicht der Kammer gelten die gleichen durch den Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze (BGH, Urteil vom 23.11.1982, NJW 1983, 328 - 330; sowie Urteil vom 31.05.1983, NJW 1983, 2627-2630) des Einsichtsrechts im Rahmen des Behandlungsvertrages in Krankenunterlagen auch für das Recht auf Einsichtnahme in die Pflegedokumentation.
2. Ein allgemeines Einsichtsrecht des Pflegeheimbewohners in die ihn betreffende Pflegedokumentation folgt insoweit aus § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG. Der Heimträger ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG verpflichtet, über jeden Bewohner eine Pflegedokumentation zu führen. Die Pflicht zur Dokumentation der Pflege liegt insoweit auch im Interesse der zu pflegenden Person. Die Verpflichtung zur Aufstellung individueller Pflegeplanungen und zur Dokumentation der Pflege nach § 11 Abs. 1 Nr. 7 verfolgt u. a. die Zielrichtung, die gesundheitliche Betreuung der Heimbewohner zu sichern und den erforderlichen Nachweis zu ermöglichen. Anhand der durch § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG vorgeschriebenen Dokumentation kann mithin festgestellt werden, in welchem Umfang und mit welchen Vorgaben eine Pflege im einzelnen durchgeführt worden ist. Die Pflegedokumentation ist insoweit vergleichbar mit der Dokumentation einer Krankenbehandlung. Ein Heimbewohner hat insoweit ebenso ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in die seine Person betreffenden Dokumente, um nachvollziehen zu können, ob die Pflegedokumentation des Heimträgers den rechtlichen Anforderungen entspricht. Das Einsichtsrecht ist nicht nur höchstpersönlicher Natur, sondern es hat auch eine vermögensrechtliche Komponente (BGH, Urteil vom 31.05.1983, NJW 1983, 2627-2630). Der Heimbewohner kann mithin ihr Einsichtsrecht auch dafür nutzen festzustellen, ob Hinweise auf Pflegemängel vorliegen.
2. Für den vertraglichen Anspruch der Klägerin auf Einsichtnahme ist das Bestehen und die Darlegung eines berechtigten Interesses - anders als beim Vorlegungsanspruch gemäß § 810 BGB, der Einsichtansprüche außerhalb bestehender Rechtsverhältnisse betrifft - ohne Belang, vgl. BGHZ 106, 148.

Der Arzt muss dem privat versicherten Patienten alle zur Kostenerstattung des Versicherers notwendigen Informationen geben
LG Düsseldorf
Ein Patient ist infolge der Nichterfüllung der Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag berechtigt, sich auf ein Zurückbehaltungsrecht zu berufen, wenn der Arzt der privaten Krankenversicherung die erforderlichen Auskünfte nicht erteilt. In diesem Fall kann der Patient nicht darauf verwiesen werden, die Arztrechnung umgehend zu bezahlen, obwohl er wegen der fehlenden Unterstützung des Arztes eine Erstattung seiner Versicherung nicht erlangen kann. Dies würde dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen.

Beratungspflicht des Zahnarztes bei Patientenwunsch nach medizinisch nicht erforderlicher Zahnprothetik
OLG Koblenz
1. Wünscht der Patient die zahnmedizinisch nicht erforderliche Neuversorgung einer erst 19 Monate zuvor angebrachten Zahnprothetik, muss der Zahnarzt deutlich und nachdrücklich darüber aufklären, dass die Behandlung der noch langfristig sachgemäß versorgten Zähne nicht notwendig ist.
2. Unterbleibt eine derartige Aufklärung, kann davon ausgegangen werden, dass der Patient bei sachgemäßer Information die Neuversorgung abgelehnt hätte. In einem derartigen Fall steht dem Zahnarzt für die überflüssige Zweitbehandlung kein Vergütungsanspruch zu.

Anforderungen an den Nachweis eines Diagnosefehlers in Gestalt einer unvertretbaren Fehlinterpretation
OLG Naumburg
1. Der Beweis eines Diagnosefehlers in Gestalt einer unvertretbaren Fehlinterpretation setzt eine gesicherte Rekonstruktion der Befundlage zur Zeit der Diagnosestellung durch den behandelnden Arzt voraus. Misslingt der Nachweis solcher für den Arzt erkennbarer Symptome, aus denen aus ex-ante-Sicht des Arztes auf die Herausbildung eines Volldelirs und eine potentielle Eigengefährdung durch einen Sprung aus dem Fenster des Patientenzimmers geschlossen werden konnte, bleibt der Patient beweisfällig.
2. Eine Entzündungssymptomatik, die sich in innerer Unruhe, Bettflüchtigkeit und Schlaflosigkeit zeigt, nicht jedoch in vegetativen Ausfällen, rechtfertigt eine - vorsorgliche - Fixierung des Patienten regelmäßig nicht.

flicht zur Aufklärung vor einer Knorpel-/Knochentransplantation vom Knie- in das Sprunggelenk
OLG Koblenz
Vor einer Knorpel-/Knochentransplantation vom Knie- in das Sprunggelenk muss der Arzt den Patienten nicht darüber aufklären, an welcher Stelle des Kniegelenks er Knorpel entnimmt, wenn das konkrete Behandlungskonzept dem Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt des Eingriffs entspricht.

Bei Einwilligung des Heimbewohners oder seines Betreuers kann der gesetzliche Krankenversicherer von dem Pflegeheimbetreiber die Herausgabe von Kopien der Pflegedokumentation gegen Kostenerstattung verlangen
BGH
1. Liegt eine Einwilligung des Heimbewohners oder seines gesetzlichen Betreuers vor, kann dem Krankenversicherer aus übergegangenem Recht gemäß § 116 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 401 Abs. 1 Analog, 412 BGB ein Anspruch auf Herausgabe von Kopien der Pflegedokumentation gegen Kostenerstattung zustehen.
2. § 294 a SGB V ist nicht entsprechend auf die Einsicht in Pflegedokumentationen anwendbar.

Voraussetzungen des Schadenersatzanspruches bei unterbliebenem Schwangerschaftsabbruch
OLG Stuttgart
1. Eine Haftung des die Schwangerschaft betreuenden Arztes wegen der Geburt wegen eines behinderten Kindes auf Ersatz der damit verbundenden Unterhaltsbelastung kommt nur in Betracht, wenn feststeht, dass die Schwangerschaft bei zutreffender Diagnostik hätte rechtmäßig abgebrochen werden dürfen. Weitere Voraussetzung ist, dass ein Abbruch auch tatsächlich erfolgt wäre.
2. Diese Voraussetzung hat im Streitfall der Patient zu beweisen.
3. Wird der hypothetische Schwangerschaftsabbruch auf § 218 a Abs. 2 StGB gestützt, so genügen bloße Beeinträchtigungen der Eltern in der Lebensplanung oder Einschränkungen in ihrer Lebensführung nicht. Auch eine schwere Behinderung des Kindes stellt allein keinen hinreichenden Rechtfertigungsgrund dar. Vorraussetzung ist der Nachweis, das auf Seiten der Mutter eine gesundheitliche Beeinträchtigung von Krankheitswert zu erwarten gewesen wäre.

Anforderungen an Klage auf weiteres Schmerzensgeld nach rechtskräftigem Vor-Urteil
OLG Karlsruhe
Einer zweiten Schmerzensgeldklage steht die Rechtskraft des ersten Urteils entgegen, wenn die jetzt eingeklagten Verletzungsfolgen schon im Vorprozess zu berücksichtigen waren; ob dies der Fall war, ist objektiv zu beantworten.

Aufklärung des Patienten kann nicht im selbständigen Beweisverfahren geklärt werden
OLG Oldenburg
Die Aufklärung eines Patienten durch den Arzt kann nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens sein.

Einwilligung in ärztlichen Eingriff nur für bestimmten Arzt
BGH
Will ein Patient abweichend von den Grundsätzen des totalen Krankenhausaufnahmevertrags seine Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff auf einen bestimmten Arzt beschränken, muss er seinen entsprechenden Willen eindeutig zum Ausdruck bringen.

Es liegt ein Behandlungsfehler vor, wenn bei einem angeborenen Verschluss beider Nasengänge nicht sofort ein Guedel-Tubus eingesetzt wird
OLG Brandenburg
Wird bei einer bestehenden Choanalatresie (angeborener Verschluss beider Nasengänge) bei einen Neugeboren nicht sofort ein Guedel-Tubus eingesetzt, so liegt ein Behandlungsfehler vor. Dies begründet jedoch mangels Kausalzusammenhangs keinen Anspruch auf Schmerzensgeld sowie die Feststellung einer Ersatzpflicht für materielle und künftige immaterielle Schäden, wenn nicht bewiesen werden kann, dass der Behandlungsfehler einen hypoxischen Hirnschaden sowie Entwicklungsverzögerungen verursacht hat.

Produkthaftung für potenziell funktionstüchtige Herzschrittmacher
OLG Frankfurt
Ein Konstruktionsfehler kann nicht alleine auf die Erwägung gestützt werden, bei sicherheitstechnisch sensiblen Geräten (hier: Herzschrittmacher) müsse ein einzelnes Bauteil während der üblichen Nutzungszeit des Gerätes fehlerfrei funktionieren. Ein Fehler wird erst dadurch begründet, dass das Gerät insgesamt hinter dem Sicherheitsstandard vergleichbarer Geräte zurückbleibt.

Grob fahrlässige Unkenntnis des Patienten von schadensbegründenden Umständen kann zur Verjährung führen
BGH
1. Zu den Voraussetzungen der grob fahrlässigen Unkenntnis eines Patienten von den ein Schadensersatzanspruch wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers begründenden Umständen.
2. Das Unterlassen einer Nachfrage ist nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschädigten als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein und sich ihm der Verdacht einer möglichen Schädigung aufdrängen.
3. In Arzthaftungssachen führt allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste. Denn das Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen muss nicht in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben, sondern kann schicksalshaft und auf die Eigenart der Erkrankung zurückzuführen sein.

Recht des Heimbewohners auf Einsicht in die Pflegedokumentation
LG Karlsruhe
Ein Pflegeheimbewohner hat das Recht zur Einsicht in die Pflegedokumentation.

Im Rahmen einer Nachschau wird ein Durchgangsarzt hoheitlich tätig
BGH
Beschränkt sich der Durchgangsarzt im Rahmen der Nachschau auf die Prüfung der Frage, ob die bei der Erstversorgung des Verletzten getroffene Entscheidung zugunsten einer allgemeinen Heilbehandlung aufrecht zu erhalten ist, wird er in Ausübung eines öffentlichen Amts tätig.

Anforderungen an die ärztliche Aufklärungspflicht vor einem Wahleingriff mit Behandlungsalternativen
OLG Koblenz
1. Die ärztliche Aufklärungspflicht reicht umso weiter, je weniger dringlich ein Eingriff ist. Bei einem Wahleingriff ist auch über entfernt liegende Risiken aufzuklären.
2. Stehen mehrere Operationsmethoden mit unterschiedlichen Risiken und Chancen zur Wahl, muss auch darüber aufgeklärt werden. Ist der Patient geraume Zeit vor dem Eingriff derart aufgeklärt worden, kann eine erneute Selbstbestimmungsaufklärung unmittelbar vor der Operation entbehrlich sein.
3. Verhält sich die schriftlich dokumentierte Risikoaufklärung unmittelbar vor dem Eingriff über eine Operationsmethode, die gar nicht angewandt wurde, kann die gebotene Anhörung des aufklärenden Arztes gleichwohl die Überzeugung vermitteln, dass er auch über die Risiken des tatsächlich durchgeführten Eingriffs aufgeklärt hat.
4. Ist Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch in der gebotenen Weise erfolgte.

Anpreisungen in der Werbebroschüre einer Zahnklinik sind kein selbstständiges Garantieversprechen
OLG Oldenburg
Weist eine Zahnklinik in einer Werbebroschüre auf „unsere 7-jährige Gewährleistung auf Zahnersatz" hin, so ergibt sich hieraus allein kein selbstständiges Garantieversprechen.

Beweis des Ursachenzusammenhangs zwischen der Einnahme eines Arzneimittels und dem Gesundheitsschaden des Patienten
BGH
Zum Beweis des Ursachenzusammenhangs zwischen der Einnahme eines Arzneimittels und dem Gesundheitsschaden des Patienten.

Darlegungs- und Beweislast bei einem Lagerungsschaden des operierten Patienten
OLG Koblenz
1. Die Darlegungs- und Beweislast für die technisch richtige Lagerung des Patienten während einer Operation trifft die Behandlungsseite. An den Nachweis sind maßvolle, dem Klinikalltag berücksichtigende Anforderungen zu stellen.
2. Ein selbst in einem operativen Fach tätiger langjährig berufserfahrener Arzt muss als Patient nicht über das Risiko eines Lagerungsschadens aufgeklärt werden.

Bei einer fehlerhaften Behandlung durch Militärärzte greift im Regelfall die Haftungsbeschränkung des § 81 Abs. 1 SVG ein
OLG Stuttgart
Eine Wehrdienstbeschädigung nach § 81 Abs. 1 SVG, der Ansprüche eines Soldaten gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen einer gesundheitlichen Schädigung auf solche des SVG beschränkt, liegt auch bei einer misslungenen ärztlichen Heilbehandlung eines Soldaten vor, wenn eine innere Beziehung zwischen der Behandlungsmaßnahme und dem soldatischen Bereich bestanden hat. Dies ist bei einer ärztlichen Behandlung durch Militärärzte regelmäßig der Fall.

Auf grober Fahrlässigkeit des Sachverständigen beruhende, erfolgreiche Ablehnung führt zum Verlust des Vergütungsanspruchs
OLG Koblenz
1. Hat der gerichtliche Sachverständige die auf einem erfolgreichen Befangenheitsantrag beruhende Unverwertbarkeit seines Gutachtens grob fahrlässig dadurch verursacht, dass er nur eine Partei vom Ortstermin informiert, verliert er in der Regel seinen Vergütungsanspruch.
2. Gleiches kann gelten, wenn er das Gutachten entgegen dem gerichtlichen Auftrag nicht persönlich erstattet.

Keine Ablehnung eines Sachverständigen allein aufgrund beruflicher Beziehungen des Sachverständigen und der Gegenpartei zu einem Dritten
OLG Stuttgart
Die Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit kann grundsätzlich nicht allein darauf gestützt werden, dass der Sachverständige und die Gegenpartei in beruflichen Beziehungen zu einem Dritten stehen.

Keine persönliche Haftung eines Durchgangsarztes für Handlungen in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes
BGH
Beschränkt sich der Durchgangsarzt eines Zentralkrankenhauses im Rahmen der Nachschau auf die Prüfung der Frage, ob die bei der Erstversorgung des Verletzten getroffene Entscheidung zugunsten einer allgemeinen Heilbehandlung aufrecht zu erhalten ist, wird er in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig. Die persönliche Haftung ist in diesem Fall ausgeschlossen, wenn es sich um einen Bediensteten handelt. Anstelle eines Bediensteten haftet, soweit dieser in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes handelt, der Staat oder die Körperschaft, in dessen Dienst er steht.

Verspätete und fehlerhafte Bandscheibenoperation
OLG Koblenz
1. Deutet das klinische Bild auf einen massiven, bei konservativen Vorgehen möglicherweise irreversiblen Schaden, ist die Operation eines Bandscheibenvorfalls dringend indiziert. Darüber ist der Patient aufzuklären. Unterbleibt die Aufklärung, ist davon auszugehen, dass er sich beratungsgemäß verhalten hätte.
2. Werden Bandscheibenteile, die wahrnehmbar in den Spinalkanal eingedrungen sind, nicht entfernt, liegt darin ein grober Behandlungsfehler. Gleiches gilt für eine Verletzung der Dura an drei Stellen, die einen erfahrenen Operateur schlechterdings nicht unterlaufen darf.
3. 180.000,00 € Schmerzensgeld bei weitreichenden Lähmungserscheinungen der unteren Körperteile mit Sexualstörungen und depressiven Verstimmungen.

Schmerzensgeld bei Verlust der Gebärmutter durch ärztlichen Behandlungsfehler
LG Berlin
1. Besteht die Möglichkeit, Myome mit hoher Erfolgsaussicht konservativ zu behandeln, so fehlt für die Entfernung der Gebärmutter die Indikation.
2. Eine Aufklärung der Patientin gegen 20.00 Uhr am Vorabend über eine gynäkologische Operation ist verspätet.
3. Der Verlust der Gebärmutter und die durch die Laperotomie verursachte Narbe rechtfertigen für eine 43-jährige alte Frau ein Schmerzensgeld von 25.000,00 €.

Durchgangsarzt in Ausübung eines öffentlichen Amtes
BGH
Beschränkt sich der Durchgangsarzt im Rahmen der Nachschau auf die Prüfung der Frage, ob die bei der Erstversorgung des Verletzten getroffene Entscheidung zugunsten einer allgemeinen Heilbehandlung aufrechtzuerhalten ist, wird er in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig.

Nephrologen-Regelleistungsvolumina (RLV) in Hessen gekippt
BSG
Aufgrund einer engen Bindung der KV an Vorgaben des Bewertungsausschusses wurden die RLV für Nephrologen in Hessen in dem Zeitraum 2005 bis 2008 verworfen.

Kein Einsichtsrecht des Patienten in den Unfallbericht des Krankenhauses an den Haftpflichtversicherer nach Sturz des Patienten
LG Bonn
1. Ein Krankenhauspatient hat keinen Anspruch auf Einsicht in einen Unfallbericht, den das Krankenhaus zur Information über ein Schadensereignis an seine Haftpflichtversicherung erstellt und weitergegeben hat.
2. Wenn eine Krankenschwester einen Bericht über ein Sturzereignis in der Klinik 7 Monate später erstellt, so folgt aus diesem zeitlichen Aspekt, dass die Stellungnahme nicht in Erfüllung der pflegerischen Dokumentationspflicht gefertigt worden ist.

Sachverständiger kann sich über den zugrunde liegenden Beweisbeschluss hinaus zur ärztlichen Aufklärungspflicht äußern
OLG Dresden
1. Wird im Arzthaftungsprozess die Klage sowohl auf Behandlungsfehler als auch auf die Verletzung einer Aufklärungspflicht gestützt, kann die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen nicht daraus hergeleitet werden, dass dieser sich zur Wirksamkeit einer Aufklärung äußert, obwohl der zugrunde liegende Beweisbeschluss sich allein auf Behandlungsfehler bezieht.
2. Im Einzelfall kann der Sachverständige sogar gehalten sein, das Gericht von sich aus darauf hinzuweisen, dass dessen Auffassung zur Frage der Aufklärung aus medizinischer Sicht Bedenken begegnet.

Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid über Teilbetrag aus mehreren Einzelforderungen setzt genaue Aufschlüsselung der Forderungen voraus
BGH
Die Zustellung eines Mahnbescheides, mit dem ein Teilbetrag aus mehreren Einzelforderungen geltend gemacht wird, hemmt die Verjährung nicht, wenn eine genaue Aufschlüsselung der einzelnen Forderungen unterblieben ist und die Individualisierung erst nach Ablauf der Verjährungsfrist im anschließenden Streitverfahren nachgeholt wird.

Internationale Zuständigkeit bei Krankenhausaufnahmevertrag
OLG Oldenburg
1. Der Krankenhausaufnahmevertrag ist ein Dienstleistungsvertrag im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 EuGVVO.
2. Hat der Patient seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedsstaat, so ist gemeinsamer Erfüllungsort für alle gegenseitigen Leistungen aus dem Vertrag der Sitz des Krankenhauses.

Allein das Wissen vom negativen Ausgang einer Behandlung begründet keine grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen
BGH
Zu den Voraussetzungen der grob fahrlässigen Unkenntnis eines Patienten von den ein Schadensersatzanspruch wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers begründenden Umständen.

Unterlassen einer Desinfektion vor Injektionen ist ein grober Behandlungsfehler
OLG Naumburg
1. Vor einer Injektion im Hals-Schulter-Bereich ist die betroffene Hautstelle des Patienten gründlich zu desinfizieren. Dies gilt auch beim notärztlichen Einsatz in einem häuslichen Umfeld.
2. Bei einem so genannten Quaddeln ist eine vorherige Desinfektion der Hände des behandelnden Arztes oder das Anlegen von Einweghandschuhen erforderlich.
3. Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € ist bei einem groben Behandlungsfehler angemessen, der eine Blutvergiftung (Sepsis) eine 6-wöchige stationäre Behandlung und das Absterben des Bindegewebes an beiden Unterarmen mit anschließenden Verwachsungen und Narbenbildungen zur Folge hat.

Anforderungen an die Substantiierung der groben Fahrlässigkeit des gerichtlichen Sachverständigen
OLG Hamm
Bei der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Sachverständigen, der im vorausgegangenen Arzthaftungsprozess des Klägers gegen den behandelnden Arzt als Gutachter tätig gewesen war, ist die Substantiierungslast des Klägers im Schadensersatzprozess aus § 839 a BGB anders als in Arzthaftungsprozessen nicht herabgesetzt. Der Kläger muss also die Umstände, die eine grobe Fahrlässigkeit des Gutachters begründen sollen, darlegen und unter Beweis stellen.

Verjährungsbeginn bei grob fahrlässiger Unkenntnis
BGH
Zu den Voraussetzungen der grob fahrlässigen Unkenntnis eines Patienten von den einen Schadensersatzanspruch wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers begründenden Umständen.

Umfang der Darlegungslast des Patienten im Arzthaftungsprozess
OLG Frankfurt/M.
1. Trotz der herabgesetzten Anforderungen an die Darlegungslast des Patienten im Arzthaftungsprozess muss der Tatsachenvortrag des Patienten wenigstens in groben Zügen erkennen lassen, welches fehlerhafte Verhalten dem Behandler vorgeworfen wird.
2. Hierzu ist es erforderlich, dass der Patient zumindest Verdachtsgründe benennt, die auf einen Fehler schließen lassen, damit Beklagter, Gericht und Sachverständiger sich hiermit auseinandersetzen können.

Wahrnehmung der rettungsdienstlichen Notfallversorgung ist in Hessen öffentlich-rechtlicher Natur
BGH
Die Wahrnehmung der rettungsdienstlichen Notfallversorgung ist in Hessen öffentlich-rechtlicher Natur, auch wenn sie von einer privatrechtlichen Organisation ausgeführt wird. Für Streitigkeiten über das Entgelt für die Notfallversorgung ist der Rechtsweg nicht zu den ordentlichen Gerichten, sondern zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.

Allein ein schwerwiegender Befunderhebungsfehler kann zur Beweislastumkehr führen
BGH
Für die Beweislastumkehr hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen ärztlichem Fehler und Gesundheitsschaden reicht es aus, dass die Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler darstellt. Das Unterlassen der gebotenen Therapie ist im Fall der Nichterhebung medizinisch gebotener Befunde nicht Voraussetzung für die Annahme eines groben Behandlungsfehlers mit der Folge der Beweislastumkehr zugunsten des Patienten.

Beweis der fehlenden Kausalität des Behandlungsfehlers für den Gesundheitsschaden
OLG Köln
Bei einem invasiven Zervixkarzinom im Stadium I B mit Lymphgefäßeinbruch ist im Anschluss an die operative Therapie eine Strahlenbehandlung indiziert. Räumt die Patientin ein, dass sie sich lediglich im Fall eines Lymphgefäßeinbruchs einer Strahlentherapie unterzogen hätte, ist der Nachweis des als Folge der verspäteten Diagnostik (grober Behandlungsfehler) behaupteten Schadens (Notwendigkeit der belastenden Strahlenbehandlung) nicht geführt, wenn der Behandler beweist, dass der Lymphgefäßeinbruch mit äußerster Wahrscheinlichkeit bereits zu dem Zeitpunkt vorgelegen hatte, zu dem das Karzinom frühestens hätte erkannt werden können.

Ermittlung des dem Antragsteller entgangenen Gewinns als Feststellung des Aufwands für die Beseitigung eines Personenschadens durch selbstständiges Beweisverfahren
BGH
1. Nach einem Personenschaden ist es grundsätzlich zulässig, den entgangenen Gewinn gemäß § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO im Wege des selbstständigen Beweisverfahrens festzustellen.
2. Der Antragsteller muss ausreichende Anknüpfungstatsachen für die begehrte Feststellung durch den Sachverständigen vortragen.

Grob fahrlässige Unkenntnis des Patienten von den anspruchsbegründenden Umständen (Verjährung der Arzthaftung)
BGH
Zu den Voraussetzungen der grob fahrlässigen Unkenntnis eines Patienten von den einen Schadensersatzanspruch wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers begründenden Umständen.

Keine generelle Indikation für die Anbringung eines Bettgitters bei körperlich mäßiggradig indizierten Patienten (hier: Blindheit des Patienten)
Hanseatisches OLG Bremen
Der Kläger, der ein Krankenhaus wegen eines Sturzes aus dem Bett auf Schmerzensgeld in Anspruch nimmt, trägt im Regelfall die volle Darlegungs- und Beweislast für die konkreten Umstände, aufgrund derer die Anbringung von Bettgittern indiziert gewesen wäre.

Zahnarzt steht nach Durchführung überflüssiger Neuversorgung ohne entsprechende Aufklärung keine Vergütung zu
OLG Koblenz
1. Wünscht der Patient die zahnmedizinisch nicht erforderliche Neuversorgung einer erst 19 Monate zuvor eingebrachten Zahnprothetik, muss der Zahnarzt deutlich und nachdrücklich darüber aufklären, dass die Behandlung der noch langfristig sachgemäß versorgten Zähne nicht notwendig ist.
2. Unterbleibt eine derartige Aufklärung, kann davon ausgegangen werden, dass der Patient bei sachgemäßer Information die Neuversorgung abgelehnt hätte. In einem derartigen Fall steht dem Zahnarzt für die überflüssige Zweitbehandlung kein Vergütungsanspruch zu.
3. Auch im Arzthaftungsprozess muss ein bestreitender Prozessvortrag nicht wiederholt werden. Erhebt ein Patient völlig überraschend und im Widerspruch zu seinem eigenen bisherigen Vorbringen gegen den Arzt den Vorwurf des Abrechnungsbetrugs, darf das nicht als unstreitig oder gar zugestanden behandelt werden, weil der Arzt sich ausdrücklich zu dem Vorwurf nicht mehr erklärt.

Grenzen des Vertrauens eines Chirurgen auf korrekte Aufklärung bei horizontaler Arbeitsteilung
OLG Köln
1. Der mit einer bestimmten Operation (hier: Testovarektomie) beauftragte Chirurg darf darauf vertrauen, dass der zuweisende Arzt (hier: Direktor einer medizinischen Universitätsklinik) die Operationsindikation zutreffend gestellt und der Patient nach gehöriger Aufklärung über die Sinnhaftigkeit des Eingriffs und die in Frage kommenden Behandlungsalternativen eingewilligt hat.
2. Zeigt sich allerdings intraoperativ ein Befund (hier: normale weibliche Anatomie mit präpuperalem Uterus und normalen Ovarien, kein Testovar), der durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Indikation und/oder der Aufklärung weckt, muss er den Eingriff zur Behebung der Zweifel jedenfalls dann abrechnen, wenn durch dessen Fortführung nicht rückgängig zu machende schwerwiegende körperliche Veränderungen bewirkt werden.

600.000,00 € Schmerzensgeld bei schwerster geistiger und körperlicher Behinderung von Geburt an
OLG Jena
Leidet ein Kind infolge einer Unterversorgung mit Sauerstoff (hier: wegen einer schuldhaft verzögerten Notsektion) seit Geburt an unter schwerster geistiger Behinderung und ist es zudem schwerst körperlich behindert und blind und sind gravierendere geistige und körperliche Beeinträchtigungen kaum vorstellbar, so ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 600.000,00 € angemessen.

Kosten einer Nachbehandlung wegen eines zahnärztlichen Behandlungsfehlers können nicht fiktiv geltend gemacht werden
OLG Naumburg
1. Ein zahnärztlicher Behandlungsfehler im Rahmen einer prothetischen Versorgung liegt unabhängig von einer Gelegenheit zur Fortsetzung der Behandlung vor, wenn der Behandlungsplan die Beseitigung eines Zahnengstands, die nach fachärztlichem Standard erforderlich ist, nicht vorsah.
2. Kosten einer notwendigen Nachbehandlung wegen eines zahnärztlichen Behandlungsfehlers stellen nur dann einen ersatzfähigen Vermögensschaden dar, wenn der Patient diese Nachbehandlung bereits tatsächlich hat durchführen lassen.
3. Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 € bei zwar schon erheblichen, aber nicht gravierenden Beeinträchtigungen des Gesamteindrucks des Gesichts durch die Verschiebung der Zahnmittellinie und verzögerter Schadensregulierung bei 21-jähriger Patientin.

Keine gesteigerten Sicherungsanforderungen bei Aufnahme eines akut psychotischen Patienten in einem allgemeinem Krankenhaus
OLG Frankfurt
Einem allgemeinen Krankenhaus kann hinsichtlich der Unterbringung eine sich in einer akuten Psychose befindlichen Patienten in einem Klinikbett auf der internistischen Station im 5ten Obergeschoss kein organisatorisches Fehlverhalten angelastet werden, wenn nicht der Patient später in Selbstmordabsicht aus dem Fenster stürzt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei ihm keine erkennbaren Anzeichen für eine akute Suizidgefährdung vorgelegen haben und eine Verlegung in eine psychiatrische Klinik aus Kapazitätsgründen nicht möglich war.

Beweislastumkehr bei grobem ärztlichen Behandlungsfehler
BGH
Für die Beweislastumkehr hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen ärztlichem Fehler und Gesundheitsschaden reicht es aus, dass die Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler darstellt. Das Unterlassen der gebotenen Therapie ist im Falle der Nichterhebung medizinisch gebotener Befunde nicht Voraussetzung für die Annahme eines groben Behandlungsfehlers mit der Folge der Beweislastumkehr zugunsten des Patienten.

Bemessung des Schmerzensgeldes bei teilweiser Entfernung eines Eileiters und Verlängerung einer Eileiterschwangerschaft um 13 Tage
OLG Brandenburg
Die teilweise Entfernung des linken Eileiters sowie die Verlängerung der Eileiterschwangerschaft um einen Zeitraum von 13 Tagen aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers (hier: Unterlassen der Feststellung des Beta-HCG-Werts bei der Diagnose einer gestörten intrauterinen Schwangerschaft im Hinblick auf eine Eileiterschwangerschaft) rechtfertigen kein über den Betrag von 4.000,00 € hinausgehendes Schmerzensgeld.

Kein Vorschussanspruch des Patienten zur Beseitigung von Zahnprothesenmängel
OLG Koblenz
1. Da eine § 637 Abs. 3 BGB entsprechende Vorschrift dem Recht des Dienstvertrages fremd ist, steht dem Patienten kein Anspruch auf Kostenvorschuss für die anderweitig geplante Revisionsbehandlung zu.
2. Lässt der Patient einen Mangel durch einen anderen Zahnarzt beseitigen, ohne dem erstbehandelnden Arzt zuvor ergebnislos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben, kann er nicht gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BGB (analog) die Erstattung der vom zuerst tätigen Arzt ersparten Aufwendungen für die Mängelbeseitigung verlangen.
3. Seinen Honoraranspruch verliert der Arzt nur dann, wenn seine Leistung derart unbrauchbar ist, dass sie der völligen Nichtleistung gleich steht.

Fehlender Zurechnungszusammenhang bei freiem Willensentschluss des Patienten
OLG Köln
Der Schaden, den eine Patientin dadurch erleidet, dass sie sich nach einem (behaupteten) Behandlungsfehler (hier: verzögerte Diagnose eines Mammakarzinoms links) zur Vorbeugung einer etwaigen schädlichen Krankheitsentwicklung vorsorglich einer medizinisch nicht indizierten Amputation (auch) der nicht befallenen rechten Mamma unterzieht, ist der Verletzungshandlung haftungsrechtlich nicht zuzurechnen.

Beweislastumkehr wegen grobem Organisationsverschulden der Klinik kann bei weit überwiegendem Verursachungsanteil des behandelnden Arztes ausgeschlossen sein
BGH
1. Zur Frage der Beweislastumkehr aufgrund eines groben ärztlichen Behandlungsfehlers für den selbstständigen Ausgleichsanspruch eines Gesamtschuldners nach § 426 Abs. 1 BGB.
2. Wird eine Notsektio erst durch Nachlässigkeit des Gynäkologen herbeigeführt, so trifft ihn der weit überwiegende Verursachungsanteil an dem tragischen Verlauf einer Geburt, dem gegenüber ein mögliches Organisationsverschulden der Klinik nicht mehr zum Tragen kommt. Insofern ist im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB die Beweislastumkehr zugunsten der Haftpflichtversicherung des Gynäkologen für die Schadenursächlichkeit eines groben Organisationsverschuldens der Klinik ausgeschlossen.

Notarzt muss vor einer Injektionsbehandlung eine Desinfektion durchführen
OLG Naumburg
1. Vor einer Injektion im Hals-/Schulterbereich ist die betroffene Hautstelle des Patienten gründlich (z. B. bei Verwendung eines Desinfektionssprays durch Besprühen, anschließendes Wischen und erneutes Sprühen einer nachfolgenden mindestens 30 Sekunden anhaltenden Einwirkzeit) zu desinfizieren. Dies gilt auch bei notärztlichem Einsatz in einem häuslichen Umfeld.
2. Bei einem so genannten „Quaddeln" ist eine vorherige Desinfektion der Hände des behandelnden Arztes oder das Anlegen von Einweghandschuhen erforderlich.
3. Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € bei einem groben Behandlungsfehler (vollständiges Unterlassen einer Desinfektion vor einer Injektionsbehandlung durch eine Notärztin, Folge: Blutvergiftungsepsis mit einer beatmungspflichtigen Störung der äußeren Atmung und beginnendem Funktionsversagen von Leber und Niere; 6-wöchige stationäre Behandlung, überwiegend intensivmedizinisch; Absterben des Bindegewebes an beiden Unterarmen mit anschließenden Verwachsungen und Narbenbildung).

Langjährig berufserfahrener Arzt muss als Patient nicht über Gefahr eines Lagerungsschadens während einer Operation aufgeklärt werden (hier: Schädigung des Nervus ulnaris)
OLG Koblenz
1. Die Darlegungs- und Beweislast für die technisch richtige Lagerung des Patienten während einer Operation trifft die Behandlungsseite. An den Nachweis sind maßvolle, den Klinikalltag berücksichtigende Anforderungen zu stellen.
2. Die Beweislast kann anders verteilt sein, wenn eine Prädisposition des Patienten bestand, dieser Umstand jedoch weder offen zu Tage lag noch offenbart wurde.
3. Ein selbst in einem operativen Fach tätiger langjähriger berufserfahrener Arzt (hier: Unfallchirurg) muss als Patient nicht über das Risiko eines Lagerungsschadens aufgeklärt werden.

Pflicht zur Aufklärung von Widersprüchen zwischen den Gutachten eines thoxykologisch-pharmakologischen und eines orthopädisch-chirurgischen Sachverständigen
BGH
Die Ausführungen eines thoxikologischen Sachverständigen dürfen nicht mit der Begründung unberücksichtigt bleiben, ihm fehle der erforderliche Sachverstand auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet, wenn der Thoxikologe Symptome beurteilt, bei denen es sich um „medizinisches Allgemeingut" handelt.

40.000,00 € Schmerzensgeld bei Verlust der Gebärmutter nach grobem Behandlungsfehler
OLG München
Ein grober ärztlicher Behandlungsfehler, der bei einer 37-jährigen Frau den Verlust der Gebärmutter, eine Peritonitis, einen operationsbedürftigen Bridenileos, anhaltende psychische Beeinträchtigungen, Darmprobleme und Erschöpfungszustände, verursacht, rechtfertigt ein Schmerzensgeld von 40.000,00 €.

Unzulässige namentliche Benennung von Gutachtern auf Internet-Seiten als „Falschgutachter"
LG Hamburg
Der aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht resultierende Anspruch des Gutachters auf Unterlassung, namentlich identifizierbarer Kritik, erfordert eine Abwägung zwischen dessen persönlichkeitsrechtlichen Belangen und der verfassungsrechtlich geschützten Meinungs- und Berichterstattungsfreiheit aus Artikel 5 Abs. 1 GG.

Zur Haftung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Falschbegutachtung
OLG Hamm
Bei der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Sachverständigen, der im vorausgegangenen Arzthaftungsprozess des Klägers gegen den behandelnden Arzt als Gutachter tätig gewesen war, ist die Substantiierungslast des Klägers im Schadensersatzprozess aus § 839a BGB anders als im Arzthaftungsprozess nicht herabgesetzt. Der Kläger muss also die Umstände, die eine grobe Fahrlässigkeit des Gutachters begründen sollen, darlegen und unter Beweis stellen.

Einsichtsrecht des Patienten in Pflegedokumentation
AG München
1. Grundsätzlich hat der Patient aus seinem Recht auf Selbstbestimmung und der personalen Würde ein Einsichtsrecht in seine Pflegedokumentation.
2. Eine Übertragung dieses Rechts an Dritte ist als Nebenrecht aus dem Heimvertrag nicht nur möglich, da es kein höchstpersönliches Recht darstellt, sondern sogar indiziert, soweit es persönlich geltend gemacht eine Einsicht durch einen medizinischen Sachverständigen ermöglicht. Unschädlich bleibt hierbei eine mögliche inhaltliche Änderung des Einsichtsanspruchs oder eine Zweckbindung desselben.

Haftung für psychiatrischen Diagnoseirrtum
OLG Frankfurt
1. Zur Frage, wann ein Diagnoseirrtum einen vorwerfbaren Behandlungsfehler darstellen kann.
2. Zu einem Schmerzensgeldanspruch wegen Überdosierung von Neuroleptika im Rahmen einer psychiatrischen Behandlung in den Jahren 1979/80 und zur Frage der Verjährung eines solchen Anspruchs.
3. Zur Frage der Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Freiheitsentziehung durch unzulässiges Festhalten in einer psychiatrischen Klinik.

Haftung des Durchgangsarztes
OLG Bremen
Der sogenannte Durchgangsarzt der Berufsgenossenschaft haftet nur dann für fehlerhaftes ärztliches Handeln persönlich, wenn er nicht in Erfüllung der der Berufsgenossenschaft gegenüber dem Patienten obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflicht gemäß Art. 34 GG, § 839 BGB, sondern aufgrund eines zwischen ihm und dem Patienten zu Stande gekommenen zivilrechtlichen Behandlungsverhältnisses tätig geworden ist. Dies ist nicht der Fall, wenn er bei Nachschauterminen lediglich überprüft, ob die Allgemeine Heilbehandlung fortgesetzt oder zu einer besonderen Heilbehandlung übergegangen werden soll.

Befangenheit eines Sachverständigen („postmortale Klugscheißerei")
OLG Frankfurt
Ein Gerichtssachverständiger darf sich gegen Angriffe einer Partei in Bezug auf seine Feststellungen grundsätzlich auch in akzentuierter Form verteidigen. Das darf ihn aber nicht dazu veranlassen, das Gebot der Sachlichkeit zu verlassen und in einer Weise sprachlich zu entgleisen, die von einer vernünftigen Partei nur noch als Ausdruck seiner Voreingenommenheit interpretiert werden kann. Dieses Gebot wird immer mit den Äußerungen einer „postmortalen Klugscheißerei" missachtet.

Zu spät erkannte Eileiterschwangerschaft
OLG Brandenburg
Die teilweise Entfernung des linken Eileiters sowie die Verlängerung der Eileiterschwangerschaft um einen Zeitraum von 13 Tagen aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers (hier: Unterlassen der Feststellung des Gamma-HCG-Wertes bei der Diagnose einer gestörten Intrauterinen-Schwangerschaft im Hinblick auf eine Eileiterschwangerschaft) rechtfertigen kein über den Betrag von 4.000,00 € hinausgehendes Schmerzensgeld.

Keine Haftung eines Orthopäden für in psychosomatischen wurzelnden Beschwerden (hier: Myelopathie)
OLG Koblenz
1. Ein Orthopäde hat zunächst zu klären, ob es eine körpermedizinische Ursache der geklagten Schmerzen gibt. Erst wenn die insoweit gebotene Befunderhebung erschöpfend und die darauf fußende Therapie erfolglos waren, muss er eine Ursache außerhalb seines Fachgebietes erwägen.
2. Grundsätzlich kann bei orthopädischen Leiden, Ausfällen und Beschwerden der äußeren Befunde, das weitere ärztliche Handeln bestimmen. Daher ist eine mit geringem Risiko verbundene konservative Therapie so lange vertretbar, wie das klinische Bild die Erwartung rechtfertigt, dem Patienten ohne eine (risikoreichere) Operation Heilung, zumindest aber Linderung seiner Beschwerden zu verschaffen.

Beweis für einen Behandlungsfehler kann nicht allein durch Vorlage eines (bestrittenen) Gutachtens des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) geführt werden
OLG Frankfurt
Bestreitet der Arzt in zulässiger Weise das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, so ist es grundsätzlich erforderlich, zur Feststellung des Sachverhaltes ein medizinisches Gutachten einzuholen. Das Gericht darf sich nicht allein auf den durch das Parteigutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen unterlegten Sachvortrag des Klägers stützen.

Die mangelnde Mitwirkung eines über die damit verbundenen Folgen nicht ausreichend aufgeklärten Patienten schließt Behandlungsfehler nicht aus
BGH
Die mangelnde Mitwirkung des Patienten an einer medizinisch gebotenen Behandlung schließt einen Behandlungsfehler nicht aus, wenn der Patient über das Risiko der Nichtbehandlung nicht ausreichend aufgeklärt worden ist.

Grenzen der Aufklärungspflicht bei Hepatitis-A-Impfung
OLG Köln
Der Impfarzt war jedenfalls im Jahr 2001 nicht verpflichtet, den Patienten vor einer Hepatitis-A-Impfung über das Risiko aufzuklären, er könne dadurch eine multiple Sklerose erleiden.

Fehlinterpretation der Symptome eines leichten Schlaganfalls führt nach Hüftoperation nicht zur Beweislastumkehr
OLG Koblenz
Erleidet ein erheblich vorgeschädigter Patient während der Implantation einer Hüftgelenksprothese einen leichten Schlaganfall, liegt kein zur Umkehr der Beweislast führender Befunderhebungsmangel oder grober Diagnoseirrtum vor, wenn die Ärzte die postoperativen Symptome vertretbar als Folgen des orthopädischen Eingriffs deuten.

Inhalt und Umfang der Aufklärung vor Operation eines „Hammerzehs" mittels Lasers
OLG Brandenburg
1. Bei der Resektion eines so genannten „Hammerzehs" mittels Lasergerät ist im Rahmen einer ordnungsgemäßen Aufklärung darauf hinzuweisen, dass Operationen am Fuß weit häufiger zu Infektionen und Wundheilungsstörungen führen, als Eingriffe in andere Körperregionen und deshalb Infektionen eintreten können, die bis hin zur Amputation des Fußes führen können. Ferner ist darüber aufzuklären, dass weder die Resektion mittels Lasers noch die anschließenden Laserbehandlungen eine Standardmethode darstellen.
2. Bei einer mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrigen Behandlung eines Hammerzehs ist im Hinblick auf die Beeinträchtigungen durch die Operation, die Nachsorgebehandlungen, einer eingetretenen Infektion, einer daraus entstandenen Knochenentzündung sowie als Dauerschaden dem Erfordernis, weite Schuhe tragen zu müssen und die Verwendung eines Schaumstoffkeils, der verhindert, dass sich der vierte und fünfte Zeh des rechten Fußes überkreuzen, ein Schmerzensgeld von 5.000,00 € angemessen. Das Fehlen einer medizinischen Indikation für den Eingriff führt dabei nicht zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes.

Deutlich erhöhtes Schmerzensgeld bei verzögerter Schadensregulierung durch den Haftpflichtversicherer
LG Gera
1. Ist eine Notsektion medizinisch dringend geboten, ist bei vitaler kindlicher Gefährdung in einem Perinatalzentrum ein Zeitbedarf von mehr als 20 Minuten (hier: 30 Minuten) nicht akzeptabel und als grober Behandlungsfehler anzusehen.
2. Leidet das Kind infolge einer Unterversorgung mit Sauerstoff u. a. unter schwerster geistiger Behinderung und ist es zudem schwerst körperlich behindert und blind und sind gravierende geistige und körperliche Beeinträchtigungen kaum vorstellbar, so ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 600.000,00 € angemessen, wenn der hinter dem beklagten Arzt stehende Haftpflichtversicherer auf die dem Geschädigten unzweifelhaft zustehenden Entschädigungen über einen Zeitraum von 1 ½ bis 2 ½ Jahren keine Vorauszahlungen leistet.

Keine hypothetische Einwilligung bei plausibler Darlegung eines Entscheidungskonfliktes
OLG Köln
1. Ergibt der kernspintomographische Befund im Eingang des Beckens links eine Raumforderung (Tumor) mit auffälliger Verbindung zum Neurophoramen 4 links, ist der Patient vor der operativen Entfernung des Tumors über das Risiko einer Verletzung des Nervus phemoralis aufzuklären.
2. Macht der geschädigte Patient glaubhaft, er hätte sich in Kenntnis des besonderen Risikos eine Nervverletzung von einem Neurochirurgen (statt des Urologen) operieren lassen, ist der Entscheidungskonflikt auch dann plausibel, wenn die Operation auch in das Fachgebiet des operierenden Urologen fällt und jener auf seinem Fachgebiet als allseits anerkannte Kapazität gilt.

Sturz des Patienten beim Verlassen des Betts in einer Rehaklinik
OLG Oldenburg
Stürzt ein Patient in der geriatrischen Abteilung einer Rehaklinik beim Verlassen des Betts, so ist durch Einholung eines medizinischen Gutachtens zu klären, ob der Sturz bei ordnungsgemäßem medizinischen bzw. pflegerischen Verhalten zu verhindern gewesen wäre.

Allein der Wunsch des Patienten ist kein hinreichender Grund für die Zulässigkeit der Verweisung des Patienten an bestimmte Anbieter
BGH
Allein der Wunsch des Patienten, sämtliche Leistungen aus einer Hand zu erhalten, reicht nicht aus, um eine Verweisung an einen bestimmten Optiker sowie eine Abgabe und Anpassung der Brille durch den Augenarzt zu rechtfertigen.

Beweiserleichterungen bei Produkt- und Arzneimittelhaftung (hier: Vioxx)
OLG Koblenz
Keine Beweiserleichterung bei der Kausalitätsfrage, wenn ein 73-jähriger Patient mit sonstigen Risikofaktoren einen Herzinfarkt erleidet, den er auf ein später vom Markt genommenes Medikament mit unklarem, aber vermuteten Gefährdungspotential zurückführt.

Grober Geburtsbetreuungsfehler einer Hebamme durch Gabe eines die Venen fördernden Nasensprays
OLG Koblenz
1. Für den Fehler einer Hebamme muss der in Rufbereitschaft wartende Belegarzt ab dem Zeitpunkt einstehen, in welchem die Leitung der Geburt zu einer Vertragsaufgabe geworden ist. Durch einen zutreffenden telefonischen Rat wird der Arzt nicht zum verantwortlichen Geburtsleiter.
2. In der bloßen Überschreitung der Entschluss-Entwicklungszeit bei einer Notsektion (hier: um 8 Minuten) liegt nicht ohne weiteres ein Behandlungsfehler.
3. Außer für Mängel der geburtsrelevanten Ausstattung haftet ein Krankenhaus für Versäumnisse von Belegarzt und Beleghebamme selbst dann nicht, wenn die Kindeseltern irrig davon ausgehen, Vertragspartner sei auch der Krankenhausträger.
4. Verabreicht die Hebamme der Gebärenden ein Medikament, das in der konkreten Situation absolut kontraindiziert ist (Nasenspraysyntocinon), steht der Einschätzung dieses Fehlers als grob nicht entgegen, dass der gerichtliche Sachverständige die Applikation durch einen Arzt lediglich als „grenzwertig" bezeichnet hat. Anders als dem Arzt ist es der Hebamme nämlich nicht möglich, eine Entgleisung des weiteren Geburtsgeschehens durch sofortige Notsektion zu begegnen.

Behandlungsfehler bei der Operation von Nasenpolypen
OLG Zweibrücken
1. Es begründet keinen Behandlungsfehler bei der Operation von Nasenpolypen (Pansinus-Operation), wenn trotz der gelegentlichen Einnahme von Aspirin und einer präoperativ festgestellten Blutungszeit des Patienten von 5 Minuten bei ansonsten sich im Normbereich befindlichen Laborparameter zur Blutgerinnung der Eingriff nicht verschoben wird.
2. Bei nicht gegebener Nachblutung zum Ende der Operation ist auch nicht behandlungsfehlerhaft, auf die Einlage einer festen straffen Tamponade in die Nasenhaupthöhlen zu verzichten. Dies gilt auch dann, wenn der Patient während der Operation einen relativ hohen Blutverlust erlitten hatte und Infusionsflüssigkeit von 3000 ml zugeführt wurde.

Kein Schmerzensgeld bei Kündigung des Behandlungsvertrages durch den Zahnarzt
KG
Die Kündigung eines zahnärztlichen Behandlungsvertrages, der die Kontrolle und Justierung einer Regulierungsschiene beinhaltet, begründet keine Schmerzens- und Schadensersatzansprüche des Patienten. Der Arztbehandlungsvertrag als typischer Dienstvertrag kann grundsätzlich von beiden Seiten jederzeit und auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden.

Anforderung an die Aufklärungspflicht und Eingriff mit hoher Risikodichte
OLG Koblenz
1. Besteht eine Behandlungsalternative, darf der Arzt eine konkrete Empfehlung abgeben. Liegt diese unter Berücksichtigung aller Umstände des Krankheitsbildes im Rahmen des Vertretbaren, ist die therapeutische Aufklärung nicht zu beanstanden.
2. Erklärt der Arzt, seinen Hinweis auf ein bestimmtes Risiko (hier: Fußheberparese nach Umstellungsosteotomie) schreibe er üblicherweise in den Aufklärungsbogen, kann das Schweigen der Urkunde indizieren, dass der Hinweis im konkreten Fall versäumt wurde.
3. Sind bei einem ärztlichen Eingriff Vorkehrungen zur Vermeidung einer häufigen und schwerwiegenden Komplikation erforderlich (hier: Verletzung des Nervus peronäus), muss der Operationsbericht Angaben zu den Schutzmaßnahmen enthalten.
4. Für das Aufklärungsversäumnis eines Assistenzarztes haftet auch der operierende Oberarzt. Hat er die irrige Vorstellung, der Assistenzarzt habe den Patienten sachgemäß aufgeklärt, kann es am Verschulden fehlen. Den Oberarzt trifft die Darlegungs- und Beweislast für einen derartigen Irrtum.

Versäumte Heilung durch verspätete Knochenmarktransplantation
OLG Nürnberg
1. Kann ein Geschädigter allein wegen eines durch einen Arztfehler verursachten Anfallsleiden nicht als Arzt approbiert werden, verstößt er nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er ein rechtswissenschaftliches Studium beginnt, statt sich um eine auch ohne Approbation zugängliche Arbeitsmöglichkeit als Arzt zu bemühen.
2. Ist ein Patient infolge eines Behandlungsfehlers betreuungsbedürftig und wird die Betreuung durch seine Mutter geleistet, steht ihm eine Entschädigung nach BAT IX b zu. Fahrtkosten sind, wenn nähere Angaben fehlen, mit 0,20 €/km zu ersetzen.
3. Ein Patient, der infolge einer fehlerhaften Behandlung an einer Epilepsie leidet, ist nicht verpflichtet, sich einer Operation zur Besserung dieser Krankheit zu unterziehen, solange nicht feststeht, dass eine solche Operation risikolos und erfolgsversprechend ist.
4. Leidet ein Patient infolge eines ärztlichen Behandlungsfehlers u. a. an einer cerebralen Hirnschädigung (Hirnsubstanzverlust) und einer Hirnleistungsminderung, wodurch die Lernfähigkeit, die Auffassungsgabe und das Gedächtnis beeinträchtigt werden, an einer Epilepsie, die monatlich mit 2 bis 3 epileptischen Anfällen und einer ausgeprägten Angststörung einhergeht (schwerste Art der Epilepsie), an anhaltenden Funktionsstörungen der Augen, die sich u. a. mit einem Gesichtsfeldausfall und einer Visusminderung auf 0,2 bzw. 0,4 äußern, an einer erektilen Dysfunktion (Impotenz) und der Unfähigkeit, eine Beziehung zu einer Frau aufzubauen und auf herkömmliche Weise Kinder zu zeugen, an chronischen Nervenschmerzen, an Koordinationsstörungen der rechten Hand und des rechten Arms und ist er nur eingeschränkt in der Lage, Gedanken in Worte zu fassen und der Umwelt mitzuteilen (Dysarthrophonie), rechtfertigt dies ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,00 € zzgl. einer monatlichen Rente von 375,00 € (Kapitalwert rund 65.653,00 €, gesamt also 185.653,00 €). Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes wurden auch berücksichtigt: jahrelange erhebliche Schmerzen und Todesangst, erlittene Gehirnblutungen und Lähmungen, der Umstand, dass der Patient krankheitsbedingt das Medizinstudium nicht abschließen konnte und ein Jurastudium absolvieren musste und dass das Leben des Patienten zwar schwerst beeinträchtigt, seine Persönlichkeit aber nicht völlig zerstört ist.


Bei Tierarzthaftung wegen Behandlungsfehler keine Anwendung der Beweisregeln für die humanmedizinische Haftung
OLG Koblenz
1. Für die Tierarzthaftung wegen eines Behandlungsfehlers sind die Beweisregeln für die human-medizinische Haftung wegen groben Behandlungsfehlers nicht einschlägig.
2. Es liegt ein Fall der Beweisvereitelung vor, wenn der Tierhalter bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler das Tier nicht obduzieren lässt, sondern entsorgt.

Unterlassener Hinweis auf Dehydrationsgefahr kann zu Beweislastumkehr führender grober Behandlungsfehler sein
BGH
Die mangelnde Mitwirkung des Patienten an einer medizinisch gebotenen Behandlung schließt einen Behandlungsfehler nicht aus, wenn der Patient über das Risiko der Nichtbehandlung nicht ausreichend aufgeklärt worden ist.

Schadensersatzanspruch gegen Arzt wegen unterlassener Aufklärung nur, wenn Patient nach erfolgter Aufklärung Behandlung abgelehnt hätte (hier: Gefahr der Unfruchtbarkeit nach Ausschabung)
OLG München
Anlässlich einer Ausschabung muss die Patientin über die mit dem Asherman-Syndrom einhergehenden Risiken einschließlich des in seltenen Fällen gegebenen Risikos einer kompletten, nicht therapierbaren Unfruchtbarkeit aufgeklärt werden. Die Verwirklichung dieses Risikos stellt für eine Frau mit Kinderwunsch eine erhebliche Belastung der Lebensführung dar. Ein Schadensersatzanspruch entsteht jedoch nur dann, wenn die Patientin nach einer ordnungsgemäßen Aufklärung von der Ausschabung Abstand genommen hätte.

Widersprüchliche Äußerungen eines Gutachters
BGH
Ein Gericht darf in einem Arzthaftungsprozeß wegen eines während eines Krankenhausaufenthaltes eingetretenen Sauerstoffmangel bedingten Gehirnschadens eines Kindes nicht entsprechend dem Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen eine hinreichende medizinische Versorgung feststellen, wenn dieser von einer vitalen Bedrohung ausgegangen ist, die grundsätzlich eine Beatmung erforderlich gemacht hätte. Dies gilt insbesondere in dem Fall, daß ein Gegengutachter das Vorgehen des medizinischen Personals als grob fehlerhaft einstuft. Eine solche Tatsachenfeststellung ist als Verstoß gegen das rechtliche Gehör reversibel.

Unterlassene Aufklärung als grober Behandlungsfehler
BGH
Die mangelnde Mitwirkung des Patienten an einer medizinisch gebotenen Behandlung schließt einen Behandlungsfehler nicht aus, wenn der Patient über das Risiko der Nichtbehandlung nicht ausreichend aufgeklärt worden ist. Das Unterlassen eines deutlichen Hinweises auf die Gefahren einer Dehydration und auf die Notwendigkeit, sich bei entsprechenden Anzeichen sofort wieder in die Klinik oder zum Hausarzt zu begeben, kann als grober statt als einfacher Behandlungsfehler eingestuft werden mit der Folge einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Ursächlichkeit dieses Fehlers für einen eingetretenen Hirninfarkt. Das Bestehen oder Nichtbestehen einer Dokumentationspflicht hinsichtlich eines erforderlichen Hinweises auf eine Austrocknungsgefahr sagt nichts darüber aus, ob das Unterbleiben eines solchen Hinweises ein einfacher oder ein grober Behandlungsfehler ist.

Aufklärungspflicht für Tierärzte
LG Kassel
Der Eigentümer eines Pferdes hat einen Schadenersatzanspruch gegenüber einer Tierklinik und dem behandelnden Tierarzt bei dem Tod eines Pferdes nach einer tierärztlichen Behandlung (hier: einer Lungenspülung), wenn Tierklinik und Tierarzt eine ausreichende Aufklärung des Eigentümers vor dem tierärztlichen Eingriff an dem Pferd nicht hinreichend bewiesen haben. Jeder (tier-)ärztliche Eingriff bedarf einer Einwilligung, die nur wirksam ist, wenn vorher auch eine hinreichende Aufklärung erfolgt ist. Besteht eine Sterblichkeitsrate bei einem solchen Eingriff von 1 %, so ist es zwingend notwendig, diese Informationen dem Eigentümer mitzuteilen, damit er sie in seine Überlegungen mit einbeziehen kann.

Keine deliktische Haftung des Arztes für Versäumnisse seines Urlaubsvertreters
OLG Koblenz
1. Ein Arzt muss im Allgemeinen nur über unmittelbare Operationsrisiken aufklären. Dass die Fehlreaktion auf eine eingriffsimmanente Komplikation (hier: Schädigung des Harnleiters) zu einer schwerwiegenderen Beeinträchtigung führen kann (hier: Verlust einer Niere) ist nicht von der ärztlichen Aufklärungspflicht umfasst.
2. Ist bei unklarer Befundlage die weitere Entwicklung zeitnah zu überwachen, muss der Patient über das Erfordernis der erneuten Überprüfung in einer Weise informiert werden, dass sich ihm die denkbaren Folgen einer versäumten Kontrolle erschließen.
3. Begibt ein Arzt sich unmittelbar nach Durchführung einer Operation in Urlaub, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sorgfältig ausgewählter und berufserfahrener Kollege derselben Fachrichtung den Patienten postoperativ sachgemäß betreut. Ohne konkreten Verdacht besteht auch keine Verpflichtung, die vom Urlaubsvertreter veranlassten Befunderhebungen und Diagnosen auf Plausibilität und Vollständigkeit zu überprüfen.

Vorteilsausgleichung bei rechtswidriger Operationserweiterung
OLG Köln
Beseitigt der operierende Arzt im Zuge einer vereinbarten Operation (hier: Antirefluxplastik) mittels einer unerlaubten Eingriffserweiterung einen krankhaften, potentiell schadenträchtigen Zustand (hier: doppelte Nierenanlage), rechtfertigt die bloße Rechtswidrigkeit der Operationserweiterung nicht die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes. Der in der Verlängerung der Operationsdauer liegende Nachteil wird durch den Vorteil der medizinisch indizierten und erfolgreich verlaufenden Beseitigung des krankhaften Zustands kompensiert.

Mutmaßliche Einwilligung des (verstorbenen) Patienten in Herausgabe der Behandlungsunterlagen
OLG München
Sowohl der Übergang des Auskunftsanspruchs des Patienten gemäß § 1922 BGB als auch gemäß § 398 BGB setzt neben einem klärungsbedürftigen Schadensersatzanspruch eine Einwilligung des Patienten voraus. Ist der Patient verstorben, kommt es auf dessen mutmaßliche Einwilligung an. Hiervon ist in der Regel auszugehen.

Arzthaftung wegen Nichtdurchführung eines HIV-Tests bei schwangerer Patientin
LG München
1. Die Formulierung „bei jeder Schwangeren sollte .... gegebenenfalls ein HIV-Test durchgeführt werden" in den Mutterschaftsrichtlinien schließt nicht aus, dass die Durchführung des Tests zum fachärztlichen Standard gehört.
2. Der fachärztliche Standard kann mittels einer repräsentativen Befragung sämtlicher regionaler Fachärzte ermittelt werden.

Überwachung des Heilerfolges gehört zum durchgangsärztlichen Bereich und kann keine persönliche Haftung begründen
Hanseatisches OLG Bremen
Der Durchgangsarzt der Berufsgenossenschaft haftet nur dann für fehlerhaftes ärztliches Handeln persönlich, wenn er nicht in Erfüllung der der Berufsgenossenschaft gegenüber dem Patienten obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflicht gemäß Artikel 34 GG, § 839 BGB, sondern aufgrund eines zwischen ihm und den Patienten zustande gekommenen zivilrechtlichen Behandlungsverhältnisses tätig geworden ist. Dies ist nicht der Fall, wenn er bei Nachschauterminen lediglich überprüfte, ob die allgemeine Heilbehandlung fortgesetzt oder zu einer besonderen Heilbehandlung übergegangen werden soll.

Arzthaftung bei der Operation von Nasenpolypen
OLG Zweibrücken
1. Es begründet keinen Behandlungsfehler bei der Operation von Nasenpolypen (Pansinus-Operation), wenn trotz der gelegentlichen Einnahme von Aspirin und einer präoperativ festgestellten Blutungszeit des Patienten von 5 Minuten bei ansonsten sich im Normbereich befindlichen Laborparameter zur Blutgerinnung der Eingriff nicht verschoben wird.
2. Bei nicht gegebener Nachblutung zum Ende der Operation ist es auch nicht behandlungsfehlerhaft, auf die Einlage einer festen straffen Tamponade in die Nasenhaupthöhlen zu verzichten. Dies gilt auch dann, wenn der Patient während der Operation einen relativ hohen Blutverlust erlitten hatte und Infusionsflüssigkeit von 3.000 ml zugeführt wurde.

Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler gilt nur für Primärschäden
OLG Karlsruhe
1. Die Beweislastumkehr für die Ursächlichkeit eines groben Behandlungsfehlers für die geltend gemachten Folgen ergreift nur die so genannten Primärschäden. Darunter ist allerdings nicht nur der „erste Verletzungserfolg" im Sinne der Schädigung der körperlichen Integrität und damit die von den Symptomen abstrahierte Schädigung eines Körperteils oder Organs zu verstehen, sondern die Gesundheitsschädigung in ihrer konkreten Ausprägung (hier: Infektion in Form einer Meningitis mit Liquorabflussstörung).
2. Die Pfändung eines Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruchs durch einen Gläubiger des Geschädigten erfasst auch den Feststellungsanspruch, entfaltet ihre Wirkung aber im Rahmen einer Gesamtschuldung gegenüber dem Schuldner, gegenüber dem der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergangen ist.

Anforderungen an die pflegerische und ärztliche Überwachung eines Neugeborenen
OLG Koblenz
1. Stellt die Nachtschwester einer Neugeborenenstation eine auffällige Unruhe und Schreckhaftigkeit des knapp 40 Stunden alten Säuglings fest, muss sie unverzüglich einen Arzt hinzuziehen. Hätte sich daraufhin mit Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiger Befund ergeben (hier: Infektionssymptome), rechtfertigt das eine Beweislastumkehr zu Lasten des Krankenhauses.
2. Zeigt das Kind ein signifikantes Leitsymptom für eine schwere Infektion (hier: Sonnenuntergangsphänomen), kann ein grober ärztlicher Behandlungsfehler darin liegen, dass die notfallmäßige Verlegung in eine spezialisierte Kinderklinik um 45 Minuten verzögert wird.

Eine dauerhafte Schädigung des Nervus lingualis ist ein in der Zahnextraktion nicht spezifisch anhaltendes Risiko und erfordert daher keine Aufklärung durch den Zahnarzt
OLG Köln
1. Über sehr seltene Risiken ist nur dann aufzuklären, wenn sie den Patienten in der Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch und für den Laien überraschend sind. Über das Risiko einer dauerhaften Schädigung des Nervus lingualis ist nicht aufzuklären, wenn dieses Risiko dem Eingriff (hier: Extraktion des Zahnes 36) nicht spezifisch anhaftet.
2. Bei einer akuten und schmerzhaften Entzündung im Wurzelspitzenbereich ist die Extraktion notwendig indiziert und das so genannte „Mittel der Wahl". Einer Aufklärung über eine Wurzelspitzenresektion als alternative Behandlungsmethode bedarf es daher nicht.
3. Die ILA stellt keine echte Behandlungsalternative für die Betäubung des Operationsbereiches dar, so dass über diese - theoretisch mögliche - Alternative zur Betäubung nicht aufgeklärt werden muss. Dieses Verfahren ist nie gleichberechtigte Methode neben der Terminal- und Leitungsanästhesie geworden, da insbesondere bei einem vorbestehenden Entzündungsprozess keine ausreichende Anästhesietiefe erzielt werden kann.

Zusage der Operation durch einen bestimmten Arzt ist auch gegenüber einem Kassenpatienten verbindlich
OLG Köln
1. Wird einem Kassenpatienten vor einem operativen Eingriff im Aufklärungsgespräch das Tätigwerden eines bestimmten Operateurs in Aussicht gestellt, beschränkt sich die daraufhin erteilte Einwilligung auf das persönliche Tätigwerden dieses Operateurs.
2. Durch entsprechende Dokumentation und geeignete organisatorische Vorkehrungen ist sicherzustellen, dass die Operation auch durch diesen Arzt erfolgt.
3. Wird die Operation stattdessen abredewidrig durch andere Ärzte vorgenommen, haftet der Klinikträger wegen eigenmächtigen und rechtswidrigen Heileingriff für die Folgen auftretender Komplikationen.

Täuschung des Patienten über die Qualifikation des Operateurs einer Schönheitsoperation
OLG Nürnberg
Wird eine Patientin durch Täuschung über die Qualifikation des Operateurs zu einer nicht indizierten Schönheitsoperation bewegt, steht ihr gegen die Behandlungsseite wegen behandlungsfehlerhaft durchgeführten schmerzhaften Operationen, deren Folgen und einem unbefriedigenden Operationsergebnis ein angemessenes Schmerzensgeld und ein Anspruch auf Rückzahlung des Arzthonorars zu.

Voraussetzung der alleinigen Haftung des schuldhaft handelnden Arztes einer Gemeinschaftspraxis im Innenverhältnis
BGH
Hat ein Arzt einer von mehreren Gesellschaftern einer BGB-Gesellschaft (hier: einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis von Gynäkologen) schuldhaft verursacht, dass die Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden konnte, kann dies im Rahmen des gesamten Schuldnerinnenausgleichs unter Heranziehung des Gedankens des § 254 BGB zu einer Alleinhaftung des schuldhaft handelnden Gesellschafters im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern führen.

Voraussetzungen für Zulässigkeit eines selbstständigen Beweisverfahrens in Arzthaftungssachen
OLG Nürnberg
1. § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO erlaubt zumindest dann die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens mit dem Ziel, einen ärztlichen Behandlungsfehler festzustellen, wenn es um die Frage geht, ob die eingesetzte Hüftgelenksprothese hinreichend an die körperlichen Besonderheiten der Patientin angepasst war.
2. § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lässt in einem solchen Fall auch eine Beweisaufnahme darüber zu, welche Maßnahmen gegebenenfalls geeignet und erforderlich sind, um die Folge des so festgestellten Fehlers, ein häufiges Herausspringen des Hüftgelenkes, zu beheben.

Voraussetzungen für Zulässigkeit eines selbstständigen Beweisverfahrens in Arzthaftungssachen
OLG Oldenburg
1. Die Behauptung, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt bzw. dass die Verletzung einer Person durch einen ärztlichen Behandlungsfehler verursacht worden ist, kann Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens sein.
2. Ein selbstständiges Beweisverfahren ist allerdings nur zulässig, wenn der Antragsteller unter Bezeichnung gewisser Anhaltspunkte die Behauptung eines ärztlichen Behandlungsfehlers aufstellt. Die schlichte Frage, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, dient lediglich der Ausforschung und ist deshalb unzulässig.

Kein Anspruch auf Schadenersatz, wenn Patient schadensursächlichen Behandlungsfehler nicht beweisen kann
OLG Köln, Urteil vom 11.05.2009 (5 U 15/08) - BRAK Newsletter Medizinrecht 11/2009
Behauptet der Patient, dass bei dem Einsatz einer Knieprothese auch fälschlicherweise die Seitenbänder des Knies entfernt wurden, so obliegt ihm auch die diesbezügliche Beweisführung gegen den behandelnden Arzt. Bei einem Knieimplantat stellt es aber gerade keinen unauflöslichen Widerspruch dar, dass die Seitenbänder bei dem Einsatz der Prothese unangetastet blieben, obwohl sie bei einer späteren Operation nicht mehr vorhanden waren. Die Bänder können sowohl durch Arthrose als auch durch den Einbau der Prothese selbst geschädigt werden bis hin zum gänzlichen Verlust. Ist dem Patienten vor der Operation eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs vermittelt worden, kann er auch einen Aufklärungsmangel nicht geltend machen.

Freiwillige Zahlung einer Schadenswiedergutmachung wegen eines behaupteten Behandlungsfehlers stellt deklaratorisches Anerkenntnis dar
OLG Köln
Hat ein Arzt einen bestimmten Geldbetrag zur Schadenswiedergutmachung wegen eines Nierenhämatoms nach unsachgemäßer Setzung einer orthopädisch indizierten Spritze gezahlt, so liegt darin zumindest das deklaratorische Anerkenntnis eines Behandlungsfehlers. Ein Schadensersatzanspruch aus übergegangenem Recht wegen Untersuchungen und Behandlungen der Patientin im Rahmen des Krankenversicherungsverhältnisses aufgrund des ärztlichen Behandlungsfehlers ist dann zwar dem Grunde nach gegeben, aber nur sofern ein Bezug zu dem Nierenhämatom dargelegt ist.

Umfang des selbstständigen Beweisverfahrens in Arzthaftungssachen
OLG Düsseldorf
Die Rechtsfrage, ob dem Arzt im Zusammenhang mit einer Patientenbehandlung ein Fehlverhalten als Pflichtwidrigkeit anzulasten ist und die Tatsachenfrage, ob sich ein solches ursächlich für eine geltend gemachte Gesundheitsbeeinträchtigung ausgewirkt hat oder auswirkt, können nicht Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens sein.

Keine deliktische Haftung eines Krankenhausarztes für Versäumnisse seines Urlaubsvertreters
OLG Koblenz
1. Ein Arzt muss im Allgemeinen nur über unmittelbare Operationsrisiken aufklären. Dass die Fehlreaktion auf eine eingriffsimmanente Komplikation (hier: Schädigung des Harnleiters) zu einer schwerwiegender Beeinträchtigung führen kann (hier: Verlust einer Niere) ist nicht von der ärztlichen Aufklärungspflicht umfasst.
2. Ist bei unklarer Befundlage die weitere Entwicklung zeitnah zu überwachen, muss der Patient über das Erfordernis der erneuten Überprüfung in einer Weise informiert werden, dass sich ihm die denkbaren Folgen einer versäumten Kontrolle erschließen.
3. Begibt ein Arzt sich unmittelbar nach Durchführung einer Operation in Urlaub, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sorgfältig ausgewählter und berufserfahrener Kollege derselben Fachrichtung den Patienten postoperativ sachgemäß betreut. Ohne konkreten Verdacht besteht auch keine Verpflichtung, die vom Urlaubsvertreter veranlassten Befunderhebungen und Diagnosen auf Plausibilität und Vollständigkeit zu überprüfen.

Medizinische Aufklärung muss Patienten bei nicht akutem Operationsbedarf genug Zeit zur druckfreien Entscheidung lassen
OLG Frankfurt
Eine medizinische Aufklärung ist nur dann rechtzeitig, wenn der Patient ohne vermeidbaren Druck in die Lage versetzt wird, seine Entscheidung für oder gegen den Eingriff frei zu treffen. Das ist nicht mehr der Fall, wenn die Eltern eines wenige Wochen alten Kindes erst am Vorabend einer lebenswichtigen, aber nicht akut indizierten Herzoperation über deren Risiken informiert werden, nachdem das Kind schon operationsvorbereitenden Maßnahmen (u. a. Ultraschalluntersuchungen, Herzkatheter, Monitorüberwachung) unterzogen worden ist.

Bei mehreren Behandlungsalternativen führt die Empfehlung des Arztes nicht zu einer fehlerhaften therapeutischen Aufklärung
OLG Koblenz
1. Besteht eine Behandlungsalternative, darf der Arzt eine konkrete Empfehlung abgeben. Liegt diese unter Berücksichtigung aller Umstände des Krankheitsbildes im Rahmen des Vertretbaren, ist die therapeutische Aufklärung nicht zu beanstanden.
2. Erklärt der Arzt, seinen Hinweis auf ein bestimmtes Risiko (hier: Fußheberparese nach Umstellungsosteotomie) schreibe er üblicherweise in den Aufklärungsbogen, kann das Schweigen der Urkunde indizieren, dass der Hinweis im konkreten Fall versäumt wurde.
3. Sind bei einem ärztlichen Eingriff Vorkehrungen zur Vermeidung einer häufigen und schwerwiegenden Komplikation erforderlich (hier: Verletzung des nervus peroneus), muss der Operationsbericht Angaben zu den Schutzmaßnahmen enthalten.
4. Für das Aufklärungsversäumnis eines Assistenzarztes haftet auch der operierende Oberarzt. Hat er die irrige Vorstellung, der Assistenzarzt habe den Patienten sachgemäß aufgeklärt, kann es am Verschulden fehlen. Den Oberarzt trifft die Darlegungs- und Beweislast für einen derartigen Irrtum.

Ein zum Notfalldienst verpflichteter niedergelassener Arzt muss Vertreter sorgfältig auswählen
BGH
Der zur Erfüllung des Notfalldienstes persönlich verpflichtete Arzt kann sich von einem anderen Arzt, der entweder Vertragsarzt oder Arzt mit einem erfolgreichen Abschluss einer allgemein-medizinischen Weiterbildung oder einer Weiterbildung in einem anderen Fachgebiet oder der in das Vertreterverzeichnis der Notfalldienstordnung aufgenommen worden war, vertreten lassen.

Geschädigter muss im Arzthaftungsprozess Kausalität nachweisen, sofern nicht Beweiserleichterung oder Beweislastumkehr anwendbar sind
Brandenburgisches OLG
Sofern in einem Arzthaftungsprozess nicht Beweiserleichterung oder Beweislastumkehr anwendbar sind, muss der Geschädigte die Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Schädigung in vollem Umfange beweisen. Zugunsten des Geschädigten gilt hinsichtlich der Kausalität eine Beweiserleichterung, wenn die Erhebung oder Sicherung medizinisch gebotener Befunde unterlassen wird und der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Maßnahmen veranlasst hätte, die die eingetretenen Folgen verhindert hätten. Bei grobem Behandlungsfehlern tritt eine Umkehr der Beweislast ein, mit der Folge, dass der Arzt die Nicht-Ursächlichkeit beweisen muss. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn ein Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstößt.

Krankenversicherer des Patienten kann dessen Haftpflichtprozess gegen den Arzt nicht als Nebenintervenient beitreten
OLG Koblenz
Der Krankenversicherer des Patienten kann dessen Haftpflichtprozess gegen den Arzt nicht als Nebenintervenient beitreten, da ein bloß wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse an der Entscheidung nicht einem rechtlichen Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO gleichsteht.

Keine Haftung für bekannte und bei Zulassung eines Medikaments als vertretbar beurteilte Nebenwirkungen
OLG Karlsruhe
1. § 84 a MG begründet keine Haftung des Arzneimittelherstellers oder des das Medikament vertreibenden Unternehmers für solche Nebenwirkungen, die bereits bei der Zulassung bekannt und im Hinblick auf den Nutzen des Arzneimittels im Zulassungsverfahren hingenommen wurden, soweit in der Fachinformation und in der Packungsbeilage darauf hingewiesen ist.
2. Ein bestimmungsgemäßer Gebrauch des Medikaments liegt bei einer Überdosierung um 200 % nicht mehr vor.

Keine erneute Aufklärung des informierten Patienten
OLG Düsseldorf
Wird ein Patient vor einer Zahnextraktion über das Risiko einer Nervläsion aufgeklärt, muss er über dieses Risiko nicht erneut aufgeklärt werden, wenn innerhalb von 2 Monaten ein Nachbarzahn extrahiert wird. Ein Hinweis auf eine fehlende medizinische Notwendigkeit der Extraktion eines Weisheitszahnes ist entbehrlich, wenn dies dem Patienten bekannt ist.

Kein Ersatz der Unterhaltskosten bei Fehlschlagen eines von der Rechtsordnung missbilligten Schwangerschaftsabbruchs
OLG Nürnberg
Bei einem allein auf die Beratungsregelung gemäß § 218 a Abs. 1 StGB gestützten, letztlich misslungenen Schwangerschaftsabbruch kommt ein Schadensersatzanspruch der Eltern gegen den Arzt wegen der Unterhaltskosten für das gesund geborene Kind nicht in Betracht.

Einzeitiges Vorgehen bei Basaliom-Entfernung und Lidstraffung begründet keinen Behandlungsfehler
OLG München
Das so genannte einzeitige Vorgehen bei einer Basaliom-Entfernung im Bereich des Auges bei gleichzeitiger Oberlidstraffung begründet für sich nicht den Vorwurf eines Behandlungsfehlers. Dem steht nicht entgegen, dass die Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft gegebenenfalls ein zweizeitiges Vorgehen empfiehlt, wenn das einzeitige Vorgehen als fachgerecht zu beurteilen ist.

Keine Arzthaftung, wenn Patient Darmverletzung durch Arzt bei Leistenoperation nicht nachweisen kann
OLG München
Ein Patient hat gegen den behandelnden Arzt keine Ansprüche aus behaupteter fehlerhafter medizinischer Heilbehandlung aufgrund einer Leistenoperation, wenn er insbesondere nicht belegen kann, dass der Arzt seinen Darm während der streitgegenständlichen Operation verletzt hat, weil aufgrund der überzeugenden Ausführungen zweier Sachverständiger feststeht, dass die festgestellten Darmperforationen nicht bei der Operation durch den beklagten Arzt verursacht sein können.

Kein Schadensersatzanspruch gegen Ärztin wegen unterlassener Mitteilung einer Schwangerschaftsdiagnose an Eltern der minderjährigen Patientin
OLG Köln
Eine Ärztin, die eine bei der einer minderjährigen Patientin festgestellte und schon weit fortgeschrittene Schwangerschaft den Eltern der Patienten nicht mitteilt, ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Schadensersatz verpflichtet, wenn zum Zeitpunkt der Diagnose ein Schwangerschaftsabbruch auf legalem Wege nicht mehr möglich war und ein Abbruch aufgrund einer medizinisch-sozialen Indikation nicht begründbar ist. Insbesondere nicht auszuschließende Probleme bei der Schulausbildung und lediglich behauptete psychische Beeinträchtigungen ohne Konsultation eines Psychologen oder Psychiaters reichen hierfür nicht aus.

Unklarheiten im gerichtlichen Sachverständigengutachten muss das Gericht von sich aus aufklären
BGH
Der beklagte Arzt ist nicht verpflichtet, ein dem gerichtlichen Sachverständigengutachten entgegenstehendes Privatgutachten beizubringen. Das Gericht muss von sich aus Zweifel und Unklarheiten in den Ausführungen des gerichtlichen Gutachtens klären.

500.000,00 € Schmerzensgeld für schwersthirngeschädigt geborenes Kind
OLG Celle
Kommt es bei der Geburt eines Kindes infolge eines Behandlungsfehlers zu einer ausgeprägten hypoxischen Hirnschädigung mit der Folge, dass der Entwicklungsstand dem eines Säuglings im ersten Lebensjahr entspricht, ist ein Schmerzensgeld von 500.000,00 € angemessen, der in der neueren Rechtsprechung allgemein zuerkannt wird.

Im Rahmen der Aufklärung vor Implantation eines medizinischen Geräts muss der Arzt die Bedienungsanleitung nicht aushändigen
OLG München
Es besteht keine Verpflichtung des Arztes, einem Patienten vor der Implantation eines medizinischen Gerätes (hier: dynamische Grazili Splastik) die Bedienungsanleitung auszuhändigen.

Zur Abgenzung zwischen Diagnosefehler und unterlassener Befunderhebung
Thüringer OLG
1. Ein Befunderhebungsfehler - durch Unterlassen - kann dann haftungsbegründend dem
behandelnden Arzt (hier Hausarzt) anzulasten sein, wenn bei weiterer (hier unterlassener)
Befunderhebungen ein reaktionspflichtiger Befund festgestellt worden wäre, der
seinerseits weitere Behandlungsmaßnahmen zwingend erforderlich gemacht hätte, die,
falls sie unterlassen worden wären, dann ihrerseits als grob fehlerhaft zu bewerten gewesen
wären mit der Folge einer Beweislastumkehr für die Patientenseite in Bezug auf
die Kausalität des eingetretenen Primärschadens.
2. Grundsätzlich ist schon das Nichterkennen einer (erkennbaren) Erkrankung und der
sie kennzeichnenden Symptome als Behandlungsfehler (in der Form eines Diagnosefehlers)
zu werten. Irrtümer bei der Diagnosestellung sind jedoch nicht selten, weil die
Symptome einer Erkrankung nicht immer eindeutig sind. Diagnosefehler, die objektiv
auf eine Fehlbefundung zurückzuführen sind, können daher nur mit Zurückhaltung als
relevante Behandlungsfehler gewertet werden; allerdings gilt dies nicht für eine Fehlbefundung
von Symptomen, die für eine bestimmte Erkrankung kennzeichnend sind.
3. Die Unterlassung einer - angesichts der Unsicherheit der Diagnose - erforderlichen
Überprüfung der Diagnose, also die Nichterhebung gebotener weiterer Befunde kann daher
haftungsbegründend wirken, wenn der erste Befund auch den Verdacht einer Erkrankung
nahe legt, die zwingend behandlungsbedürftig ist und die - auf Grund fehlerhafter
Erstdiagnose - notwendige Behandlung (der nicht deutlich erkannten Krankheit) nur deshalb
unterbleibt, weil der Erstbefund fehlerhaft und trotz notwendiger Abklärung eine
weitere Befunderhebung unterlassen worden war. Denn für die gehörige Erhebung der
faktischen Grundlagen für eine differenzierte Diagnostik und Therapie gilt - zum Wohl
des Patienten - ein strenger Maßstab. Maßstab ist stets, was der (jeweilige) medizinische
Standard gebietet, also was im konkreten Fall dem Qualitätsstandard einer sachgerechten
Behandlung entspricht. Dabei sind bei schwer wiegenden Risiken für den Patienten
- wie hier dem drohenden Herzinfarkt - auch vom behandelnden Arzt für unwahrscheinlich
gehaltene Gefährdungsmomente auszuschließen. Bei Berücksichtigung dieses
- strengen - Sorgfaltsmaßstabs darf der Arzt dem Patienten nicht die weitere Entscheidung
darüber überlassen, ob dieser sich einer notwendigen klinischen Untersuchung zur
differentialdiagnostischen Abklärung des Erstbefundes stellt.
4. Ein Verschulden des Arztes ist dann zu bejahen, wenn er aus seiner Sicht zur Zeit der
Diagnosestellung entweder Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der gestellten Diagnose
hatte oder aber solche Zweifel gehabt und sie nicht beachtet hat.

Hausarzt muss einen Patienten mit starken Oberbauchschmerzen zur generellen
Untersuchung des Herzens in eine Klinik einweisen

Thüringer OLG
Einem Hausarzt ist ein Befunderhebungsfehler haftungsbegründend anzulasten, wenn
er einen Patienten mit starken Oberbauchschmerzen nicht sofort zur generellen Untersuchung
des Brustraumes und des Herzens in eine Klinik einweist, um die Ursache der
Schmerzen sicher abklären zu lassen. Vor allem Hinterwandinfarkte können ebenfalls
vegetative Symptome wie Oberbauchschmerzen aufweisen.

Verzicht auf Thromboseprophylaxe bei Ruhigstellung des Unterschenkels als grober Behandlungsfehler
OLG Düsseldorf
Das Unterbleiben einer Thromboseprophylaxe bei einer die Muskelpumpe ausschaltenden zweiwöchigen Ruhigstellung des Unterschenkels durch einen Gipsverband kann sich im Einzelfall als grobes ärztliches Versäumnis darstellen, das eine Beweislastumkehr im Hinblick auf die Feststellung des Kausalitätsverlaufs rechtfertigt.

Keine Vermutung für aufklärungsrichtiges Verhalten bei mehreren gleichwertigen Verhaltensalternativen
OLG Köln
1. Die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung (hier: Hinweis über die Abrechnung stationärer Behandlungskosten nach DRG-Fallpauschalen statt tagesgleichen Pflegesätzen) folgt den üblichen Beweisregeln, nicht denen der Selbstbestimmungsaufklärung.
2. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (oder einer entsprechenden Beweislastumkehr) findet nicht statt, wenn mehrere gleichwertige Verhaltensalternativen bestehen, weil dann nach der Lebenserfahrung nicht erwartet werden kann, dass sich der Gläubiger regelmäßig entsprechend dem erteilten Hinweis verhalten hätte (hier: eine kostengünstigere Behandlung gewählt hätte).

Notfallarzt kann Verrichtungsgehilfe des niedergelassenen Arztes sein, für den er den Notfalldienst übernimmt
BGH

Haushaltsführungsschaden kann nach dem Tabellenwerk von Schulz-Borck/Hofmann geschätzt werden
BGH
Bei der Schätzung des Haushaltsführungsschadens nach § 287 ZPO darf sich der Tatrichter in Ermangelung abweichender konkreter Gesichtspunkte grundsätzlich an dem Tabellenwerk von Schulz-Borck/Hofmann (Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt) orientieren.

Schmerzensgeld nach Implantierung eines fehlerhaften künstlichen Hüftgelenks
LG Berlin
Die Implantierung eines fehlerhaften künstlichen Hüftgelenks mit erhöhter Bruchaufälligkeit und die dadurch bedingte erhebliche physische Belastung des Patienten rechtfertigt einen Schmerzensgeldanspruch.

Gericht darf in Arzthaftungsprozessen bei unklarer Äußerung des Sachverständigen dem Gutachten nicht ohne nochmalige Anhörung folgen
BGH
In Arzthaftungsprozessen sind Äußerungen medizinischer Sachverständiger vom Gericht kritisch auf ihre Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit zu prüfen. Das gilt sowohl für Widersprüche zwischen einzelnen Erklärungen desselben Sachverständigen als auch für Widersprüche zwischen Äußerungen mehrerer Sachverständiger. Sind die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen hinsichtlich der streitigen Notwendigkeit einer Serientopographie wegen eines vermeintlichen Keratokonus unklar, muss das Gericht die Widersprüche und Unklarheiten in den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen zumindest durch deren nochmalige Anhörung oder auch durch Beauftragung eines weiteren Gutachters aufklären.

Keine Beweiserleichterung für Kausalitätsfrage bei Herzinfarkt infolge eines Medikaments bei weiteren Risikofaktoren
OLG Koblenz
Keine Beweiserleichterung bei der Kausalitätsfrage, wenn ein 73-jähriger Patient mit sonstigen Risikofaktoren einen Herzinfarkt erleidet, den er auf ein später vom Markt genommenes Medikament mit unklarem, aber vermutetem Gefährdungspotential zurückführt (VIOXX).

Beginn der Narkose ohne Anwesenheit des Operateurs ist kein grober Behandlungsfehler
OLG München
Der Umstand, dass ein Anästhesist mit der Narkose beginnt, obwohl der Operateur noch in der Umkleideschleuse ist, stellt keinen Behandlungsfehler dar. Besitzt der Anästhesist durch 6-jährige Berufserfahrung die erforderlichen Vorkenntnisse und fachliche Erfahrung, ist außerdem die Anwesenheit eines zweiten Anästhesisten während der Operation nicht erforderlich. Ein grober Behandlungsfehler setzt voraus, dass medizinische Erkenntnisse im konkreten Behandlungsgeschehen eindeutig missachtet wurden und der Arzt einen Fehler begangen hat, der ihm schlechterdings nicht unterlaufen durfte.

Patient ist bei Behandlungsfehler nicht aus Schadensminderungsgründen dazu verpflichtet, sich einer weiteren Operation zu unterziehen
OLG Frankfurt
Dass die negativen Folgen einer Operation möglicherweise durch eine weitere Operation zu beheben wären, führt angesichts von negativen Erfahrungen des Patienten nicht dazu, dass er aus Schadensminderungsgründen verpflichtet ist, eine solche weitere Operation und die damit verbundenen Risiken auf sich zu nehmen. Steht fest, dass der Patient aufgrund eines Behandlungsfehlers eine Gesundheitsschädigung erlitten hat, liegt zugunsten des Patienten keine Beweislastumkehr aus dem Gesichtspunkt eines groben Behandlungsfehlers vor. Für die haftungsausfüllende Kausalität bleibt es bei der Beweislast des Patienten, freilich mit dem geringeren Beweismaß.

Der Einwand der hypothetischen Einwilligung des Patienten muss in der Regel im ersten Rechtzug erhoben werden
BGH
Wird der Einwand der hypothetischen Einwilligung erst im zweiten Rechtszug erhoben, handelt es sich grundsätzlich um ein neues Verteidigungsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO.

Berechnung des fiktiven Haushaltsführungsschadens nach der Berechnungstabelle von Schulz/Borck/Hofmann
OLG Frankfurt
1. Angaben der Geschädigten zu ihrem Haushalt, dessen Größe und Zuschnitt ermöglichen dem eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO unter Verwendung der Berechnungstabellen von Schulz-Borck/Hofmann (Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl. 2000).
2. Der Arbeitszeitbedarf ergibt sich insoweit aus Tabelle 1 bei Schulz-Borck/Hofmann, weil es um die Ermittlung der fiktiven Kosten einer Hilfskraft geht. Die relative Verteilung des Arbeitszeitaufwands in der Familie richtet sich nach Tabelle 8 .

Keine vorsorgliche Aufklärung über die Alternative einer Sektio bei möglicher Macrosomie des Kindes
OLG Bamberg
1. Über die Möglichkeit einer Schnittentbindung ist erst im Zusammenhang mit einer akuten Entbindungssituation aufzuklären.
2. Das gilt grundsätzlich auch bei Anzeichen für eine mit dem Risiko einer anamnestischen Schulterdyskotie assoziierten Macrosomie des Feten. Ist in einem solchen Fall die werdende Mutter in der 37. Schwangerschaftswoche von ihrer Frauenärztin an die gynäkologische Abteilung eines Krankenhauses überwiesen worden, um die Notwendigkeit einer vorzeitigen Geburtseinleitung wegen „Gestosesymptomatik und kräftigem Feten" abklären zu lassen, so besteht auch für den Krankenhausarzt keine „vorverlagerte" Aufklärungspflicht, wenn aufgrund der Kontrollbefunde eine EPH-Gistose ausscheidet und das sachgemäß ermittelte Schätzgewicht von „nur" 3.500 g eher gegen als für die Annahme eines Macrosomenkindes spricht.
3. In den Schutzbereich der Pflicht, bei einer sich konkret abzeichnenden Gefahrenlage für den Feten die Kindesmutter über die dem Kind günstigere Alternative einer Schnittentbindung aufzuklären, fallen in der Regel nur die dem Kind selbst erwachsenen Gesundheits- und Folgeschäden.

Pflicht zur Aufklärung über erhöhtes Risiko einer Rekurenzparese
OLG Köln
1. Vor einer beidseitigen Rezidivstromektomie ist über das im Vergleich zur Erstoperation deutlich (um den Faktor 10 bis 20) erhöhte Risiko einer permanenten Rekurenzparese aufzuklären.
2. Beruft sich der geschädigte Patient darauf, er hätte sich in Kenntnis des erhöhten Risikos zunächst nur auf einer Seite operieren lassen, ist der Entscheidungskonflikt jedenfalls dann plausibel, wenn die Operation (auch) der anderen Seite nicht eilbedürftig war.

75.000,00 € Schmerzensgeld bei vollständigem Funktionsverlust eines Arms nach Schulterdystokie
OLG Köln
Kommt es infolge unsachgemäßer Lösung einer Schulterdystokie zu einer Schädigung des Lexus brachialis rechts und des Nervus phrenikus, die zu einer vollständigen Gebrauchsuntüchtigkeit des Arms und darüber hinaus zu einer um 50 % geminderten Leistungsfähigkeit des rechten Lungenflügels führt, ist ein Schmerzensgeld von 75.000,00 € angemessen.

Haftung von Nachtschwester und Gynäkologen für Versäumnisse bei Überwachung und Betreuung eines Neugeborenen
OLG Koblenz
1. Stellt die Nachtschwester einer Neugeborenenstation eine auffällige Unruhe und Schreckhaftigkeit des knapp 40 Stunden alten Säuglings fest, muss sie unverzüglich einen Arzt hinzuziehen. Hätte sich daraufhin mit Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiger Befund ergeben (hier: Infektionssymptome) rechtfertigt das eine Beweislastumkehr zu Lasten des Krankenhauses.
2. Zeigt das Kind ein signifikantes Leidsymptom für eine schwere Infektion (hier: Sonnenuntergangsphänomen), kann ein grober ärztlicher Behandlungsfehler darin liegen, dass die notfallmäßige Verlegung in eine spezialisierte Kinderklinik um 45 Minuten verzögert wird.
3. Die übliche Praxis der Krankenschwestern und Pfleger, einander bei Übergabe der Station mündlich über alle Auffälligkeiten informieren, ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn es beim Übergabebericht der zuvor tätigen Kollegen noch nicht zu Beanstandungen gekommen ist. Daher ist das Stationspersonal nicht gehalten, die schriftliche Pflegedokumentation der zuvor tätigen Kollegen sofort einzusehen und zu überprüfen.
4. Die im Arzthaftungsprozess gesteigerte gerichtliche Aufklärungspflicht entbindet die Parteien nicht von dem Erfordernis, den ihnen bekannten oder zugänglichen Tatsachenstoff so weit vorzutragen, dass sich dem Gericht erschließt, in welche Richtung noch Klärungsbedarf besteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um eine innere Tatsache geht (hier: die maßgeblichen Überlegungen für eine Nichtreaktion).

460.000,00 € Schmerzensgeld bei hoher Querschnittslähmung wegen einer bei der Geburt erlittenen Halsmarkläsion
OLG Nürnberg
1. Auch schon im Jahre 1992 stellte die Entwicklung eines Kindes aus Beckenendlage durch Sectio eine echte Behandlungsalternative zur vaginalen Entwicklung dar, über die die Schwangere rechtzeitig aufzuklären war, um selbstbestimmt über die Behandlungsmethode zu entscheiden.
2. Stirbt der Arzt, der die Schwangere aufgeklärt hat, bevor er im gerichtlichen Verfahren angehört werden kann, gewinnt seine unvollständige Dokumentation nicht schon aus Gründen der Waffengleichheit an Beweiswert. Sein Tod hindert das Gericht nicht, die Mutter des bei der Geburt geschädigten Kindes zu Inhalt und Umfang der Aufklärung zu befragen.
3. Erleidet ein Kind bei der Geburt eine Halsmarkläsion mit der Folge einer hohen Querschnittslähmung, so dass es lediglich in der Lage ist, die Arme zu bewegen, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000,00 € und eine Schmerzensgeldrente von monatlich 600,00 € (Kapitalwert 160.000,00 €) angemessen.

Schmerzensgeld von 500.000,00 € für schwerst hirngeschädigt geborenes Kind
OLG Stuttgart
Erleidet ein Kind wegen ärztlicher Behandlungsfehler vor und unmittelbar nach der Geburt schwerste hypoxische Hirnschäden, die in einem Bereich liegen, der die denkbar schwerste Schädigung eines Menschen charakterisiert, rechtfertigt dies ein Schmerzensgeld von 500,00 €.

Keine Befangenheit des Gerichts wegen gründlicher Erforschung des Sachverhaltes in Arzthaftungssachen
OLG Oldenburg
Das Gericht ist im Arzthaftungsprozess nicht an die vom Patienten vorgebrachten Gründe für eine vermutete Fehlerhaftigkeit des ärztlichen Handelns gebunden, sondern darf den Sachverständigen darüber hinaus mit der Prüfung beauftragen, ob sonstige für den behaupteten Schaden ursächliche Behandlungsfehler zu erkennen sind.

Schmerzensgeld wegen zunächst verweigerten Schwangerschaftsabbruchs trotz medizinisch sozialer Indikation
KG
1. Die schuldhafte Verletzung von ärztlichen Pflichten im Zusammenhang mit der Überprüfung, ob der gewollte Schwangerschaftsabbruch durchzuführen ist, begründet einen deliktischen Schmerzensgeldanspruch der Mutter, wenn diese durch den Behandlungsfehler schuldhaft in ihrer körperlichen Integrität verletzt worden ist.
2. Für die medizinisch-soziale Indikation ist keine psychotische Störung mit Krankheitswert erforderlich, sondern eine Gefahr für das Leben der Schwangeren, wie bei einer ernsthaften Suizitgefahr. Dabei kommen auch solche Gefährdungen in Betracht, die sich durch Summierung wirtschaftlicher und familiärer Belastungen oder in Vorausschau auf künftige Überforderungen durch Sorge- und Einstandspflichten im Falle der Geburt eines Kindes als psychische Dauerüberlastung der Schwangeren niederschlagen können.

Anforderung an die Aufklärung ausländischer Patienten
KG
1. Der aufklärungspflichtige Arzt hat - notfalls durch Beiziehung eines Sprachmittlers - sicherzustellen, dass der ausländische Patient der Aufklärung sprachlich folgen kann (Aufgabe von Senat, MED-Recht 1999, 226).
2. Eine Embolie stellt bei einer „einfachen" (arthroskopischen Knie-) Operation ein aufklärungspflichtiges Risiko dar.

Kassenpatient muss auf Behandlungsalternative mit höherem Eigenanteil hingewiesen werden
OLG Oldenburg
Bietet eine zahnprothetische Behandlungsalternative (hier: Teleskopprothese gegenüber Modellgussprothese) höhere Erfolgschancen, so muss der Zahnarzt auch einen Kassenpatienten auf die Möglichkeit hinweisen, gegen Zahlung eines höheren Eigenanteils eine zahnprothetische Versorgung zu wählen, die über den für gesetzlich Versicherte als Regelversorgung vorgesehenen Standard hinausgeht. Es ist allein Sache des Patienten zu entscheiden, welche Versorgung er sich leisten kann oder will.

Fehlerhaftes Absehen von einer Ladung und mündlichen Befragung des gerichtlichen Sachverständigen in einer Arzthaftungssache
BGH
1. Das Gericht muss auf Antrag der Partei einen radiologischen Sachverständigen anhören, wenn das Gutachten des vom Gericht beauftragten orthopädischen Sachverständigen auf einer lediglich telefonischen Erläuterung des radiologischen Gutachtens beruhen kann.
2. Der Antrag einer Partei auf Anhörung eines (hier: radiologischen) Sachverständigen, der erst nach Ablauf einer Frist zur Stellungnahme zu dessen Gutachten gestellt wird, ist nicht verspätet, wenn die Partei erstmals in der mündlichen Verhandlung nach Fristablauf davon Kenntnis erhält, dass der (weitere) gerichtliche Sachverständige (hier: Orthopäde) sein Gutachten auf eine telefonische Erörterung mit dem erstgenannten Sachverständigen stützt.
3. Die Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO ist nicht auf Folgeschäden einer Verletzung beschränkt, sondern umfasst neben einer festgestellten oder unstreitigen Verletzung des Körpers im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB entstehende weitere Körperschäden aus derselben Schädigungsursache.

Kein Schadensersatzanspruch wegen eines auf die Beratungsregelung des § 218 a Abs. 1 Satz 1 StGB gestützten, misslungenen Schwangerschaftsabbruchs
OLG Nürnberg, Urteil vom 14.11.2008, 5 U 1148/08, BRAK-Newsletter 23/2008
Bei einem allein auf die Beratungsregelung gemäß § 218 a Abs. 1 StGB gestützten, letztlich misslungenen Schwangerschaftsabbruch kommt ein Schadensersatzanspruch der Eltern gegen den Arzt wegen der Unterhaltskosten für das gesund geborene Kind nicht in Betracht.

Tritt nach Knieoperation so genannter Kirschner Draht aus dem Rücken des Patienten aus, haftet der Arzt auch ohne Zurücklassen des Drahtes im Kniebereich
OLG Zweibrücken
Tritt - längere Zeit - nach einer Knieoperation ein dabei verwendeter so genannter Kirschner Draht aus dem Rücken des Patienten und steht fest, dass sich der Patient bislang keinen weiteren Operationen unterzogen hat, kommt auch dann eine Haftung des operierenden Arztes nach den Grundsätzen voll beherrschbarer Risiken in Betracht, wenn der Kirschner Draht nicht im Operationsbereich (Kniebereich) zurückgelassen wurde.

Keine Krankenhaushaftung für Sturz aus Bett bei von Patienten verweigerten Bettgitter
OLG Koblenz
1. Der Krankenhaus-Aufnahmevertrag verpflichtet das Klinikpersonal, einen unruhig schlafenden Patienten im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auch vor der Gefahr zu schützen, sich bei einem Sturz aus dem Bett zu verletzen. Gleichwohl ist das Anbringen von Bettgittern nur unter besonderen Umständen angezeigt, weil sie das Aufstehen behindern und daher ihrerseits verletzungsträchtig sein können.
2. Trotz bestehender Indikation zum Anbringen von Bettgittern muss davon abgesehen werden, wenn der über die Risiken informierte, bewusstseinsklare Patient, eine derartige Sicherungsmaßnahme ablehnt.

Die Ausbildung eines postoperativen Dekubitus kann, muss aber kein Pflegefehler sein
LG Koblenz
1. Die Ausbildung eines Dekubitus kann im Einzelfall auch bei bestmöglicher Pflege nicht verhindert werden und kann damit im Einzelfall schicksalshaft erfolgen. Ein Dekubitus kann, muss demnach kein Pflegefehler darstellen.
2. Bei einem ausreichend mobilen Patienten bedarf es aus Gründen der Dekubitusprophylaxe keiner präventiven Verwendung einer Antidekubitusmatratze. Ein Dekubitus kommt i.d.R. nur bei längerer Bettlägerigkeit vor.
3. Über die Gefahr der Ausbildung eines Dekubitus nach einer Knieprothesenimplantation ist nicht gesondert aufzuklären, da es sich hierbei um eine völlig untypische postoperative Komplikation handelt. der Hinweis auf die Gefahr von „Heilungsstörungen" reicht aus.

Kein Schmerzensgeldanspruch wegen starker Nebenwirkungen eines Medikamentes (VIOXX), wenn diese in der Fachinformation der Verpackung beschrieben werden
OLG Karlsruhe
Ein Geschädigter hat gegen einen Arzneimittelhersteller keinen Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn die Beschwerden als Nebenwirkungen eines Medikamentes aufgetreten sind und diese in der Fachinformation der Verpackung benannt wurden. Dem steht nicht entgegen, dass das Medikament wegen unvertretbarer Nebenwirkungen vom Markt genommen wurde, da es allein dadurch nicht zu einem „unvertretbaren Medikament" wird. Es ist nämlich nicht auf ein unvertretbares Medikament abzustellen, sondern auf die schädlichen Wirkungen, die ein vertretbares Maß überschreiten.

Grenzen der Beweiserleichterung bei versäumter Befunderhebung
OLG Koblenz
Ein Befunderhebungsmangel führt im Arzthaftungsprozess nur dann zu einer Beweiserleichterung oder Beweislastumkehr, wenn ein reaktionspflichtiges Befundergebnis hinreichend wahrscheinlich ist (hier: verneint bei Verschluss eines Beinvenenbypasses).

Perforation des Dünndarms ist bei TVT-Implantation nicht sicher vermeidbar
OLG Naumburg
1. Zum (hier fehlgeschlagenen) Nachweis der nicht standardgerechten Durchführung einer gynäkologischen TVT-Implantation trotz nachgewiesener Perforation des Dünndarms.
2. Ist die ärztliche Ex-ante-Bewertung zweier alternativer Operationsmethoden als nicht gleichwertig vertretbar (hier: im Februar 2003 die Einschätzung, dass bei einer Stressharninkontinenz eine (offene) Kolposuspension gegenüber (minimal-invasiven) TVT-Implantation zwar auch annährend gleiche Heilungschancen bietet, aber wegen ihrer insgesamt sehr viel höheren Risiken keine echte Alternative darstellt), so stellt der darauf fußende Entschluss, über die andere Operationsmethode nicht im Einzelnen aufzuklären, keine schuldhafte Pflichtverletzung dar.

Geltendmachung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren als Schaden setzt nicht voraus, dass die Rechnung bereits ausgeglichen wurde
OLG Koblenz
1. Zu dem ersatzfähigen Schaden zählt grundsätzlich der Aufwand für die Heranziehung eines Rechtsanwaltes zur Realisierung eines Anspruchs.
2. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die streitigen Gebühren noch nicht ausgeglichen worden sind. Der Kläger ist in einem derartigen Fall nicht auf einen bloßen Freistellungsanspruch beschränkt. Die Anwaltsgebühren stellen nämlich Aufwendungen dar, die mit dem Ziel getätigt wurden, zu einer Naturalrestitution zu gelangen. Damit sind sie gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auch ohne dass die Klägerin in Vorleistung getreten ist ersatzfähig.

Pflicht zur Aufklärung über eine mögliche Gefäßerkrankung vor chiropraktischer Behandlung
OLG Oldenburg
Vor einer chiropraktischen Manipulation an der Halswirbelsäule ist der Patient über die damit verbundenen Risiken aufzuklären (hier: Verletzung der Arteria vertebralis mit Durchblutungsstörungen einzelner Hirnareale).

Anspruch der gesetzlichen Krankenkasse auf Ersatz von Heilbehandlungskosten gegen Haftpflichtversicherer von Pflegeheimen aus einem geschlossenen Teilungsabkommen nach Sturz des Patienten
BGH
Eine gesetzliche Krankenkasse hat aus einem Teilungsabkommen einen Anspruch auf Ersatz von Heilbehandlungskosten von in Pflegeheimen gestürzten Heimbewohnern gegen einen Haftpflichtversicherer von Pflegeheimen. Da nach dem Abkommen auf die Prüfung der Haftung des Heimbetreibers verzichtet wird, kommt es nicht auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals, sondern allein darauf an, ob es sich um einen typischen, vom Versicherungsschutz umfassten Vorgang handelt. Dies ergibt sich aus dem in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzip.

Vor einer chiropraktischen Manipulation an der Halswirbelsäule ist der Patient über die damit verbundenen Risiken aufzuklären
OLG Oldenburg
Grundsätzlich hat der Arzt den Patienten auch über seltene Risiken aufzuklären, wenn deren Realisierung die Lebensführung des Patienten schwer belasten würde und die entsprechenden Risiken trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifischer, aber für den Laien überraschend sind. Eine Vertebralis-Disektion stellt ein eine im Halsbereich vorgenommene chiropraktische Behandlung typischerweise anhaftendes Risiko dar. Nicht nur unsachgemäße Rotationsbewegungen können zur Verletzung der Arterie vertebralis führen, sondern auch eine sachgerechte durchgeführte manualtherapeutische Behandlung.

Kein Anscheinsbeweis bei Arterienverschluss nach Herzkatheteruntersuchung
OLG Koblenz
1. Treten nach einer Herzkatheteruntersuchung, für die der Zugang zunächst über den rechten Unterarm versucht worden war, Verschlüsse und Verstopfungen der den Arm versorgenden Gefäße auf, spricht kein Anscheinsbeweis für ein ärztliches Fehlverhalten, weil es sich um ein spezifisches Risiko handelt.
2. Ist ein Aufklärungsmangel aufgrund der vom Arzt nachgewiesenen Unterrichtung des Patienten ausgeschlossen, ist dessen Behauptung, bestimmte Informationen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht verstanden zu haben, unerheblich, wenn nicht aufgezeigt wird, dass sich dem aufklärenden Arzt ein unzureichendes Verständnis seiner Sachinformationen erschließen musste. Eine Haftung des Arztes wegen unzureichender Aufklärung kommt in einem derartigen Fall mangels Verschulden nicht in Betracht.

Behauptung eines ärztlichen Behandlungsfehlers kann Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens sein
OLG Oldenburg
1. Die Behauptung, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt bzw. dass die Verletzung einer Person durch einen ärztlichen Behandlungsfehler verursacht worden ist, kann Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens sein.
2. Ein selbstständiges Beweisverfahren ist allerdings nur zulässig, wenn der Antragsteller unter Bezeichnung gewisser Anhaltspunkte die Behauptung eines ärztlichen Behandlungsfehlers aufstellt. Die schlichte Frage, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, dient lediglich der Ausforschung und ist deshalb unzulässig.

Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für im Ausland begangene Behandlungsfehler
BGH
Verschreibt ein Arzt in der Schweiz einem in Deutschland wohnhaften Patienten Medikamente, die am Wohnort des Patienten zu schweren Nebenwirkungen führen, über die der Arzt den Patienten nicht aufgeklärt hat, so ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine auf deliktische Ansprüche gestützte Klage aus Artikel 5 Nr. 3 LugÜ, weil der Erfolgsort in Deutschland liegt. Denn eine ärztliche Heilbehandlung, die - mangels ausreichender Aufklärung - ohne wirksame Einwilligung des Patienten erfolgt, führt nur dann zur Haftung des Arztes, wenn sie einen Gesundheitsschaden des Patienten zur Folge hat.

Nur maßvolle Anforderungen am die Substantiiertheit eines Behandlungsfehlers im Arzthaftungsprozeß
OLG Stuttgart
1. Auch im Arzthaftungsprozess ist einem Antragsteller in der Regel Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen, soweit seine anspruchsbegründenden Behauptungen, an deren Substantiierung in medizinischer Hinsicht nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, schlüssig sind und nicht von vorne herein offensichtlich ist, dass sie nicht bewiesen werden können.
2. Daher ist es in der Regel unzulässig, zur Prüfung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) bereits im PKH-Verfahren ein schriftliches medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen und die Bewilligungsentscheidung von dessen Ergebnis abhängig zu machen.
3. Der Anwendungsbereich des § 118 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen ohne sachverständige Äußerung eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht nicht möglich wäre.

Kein Schadensersatzanspruch eines Medikamentenbenutzers bei ordnungsgemäßer Gebrauchsinformation
LG Köln
Es besteht kein Schadensersatzanspruch eines Patienten gegen den Hersteller eines Medikamentes, wenn dem Medikament eine den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechende Gebrauchsinformation beigefügt ist. Dabei sind im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen spezifische Hinweise auf mögliche Folgeerkrankungen „im Großen und Ganzen" ausreichend.

Keine ärztliche Aufklärungspflicht über Schnittentbindung bei nichtgesicherter Indikation; kein Anscheinsbeweis für Versäumnis bei Schulterdysteokie
OLG Koblenz
1. Der Geburtshelfer hat über die Möglichkeit der Schnittentbindung nur dann aufzuklären, wenn im konkreten Fall eine medizinische Indikation besteht (Beckenendlage, Missverhältnis zwischen Kindesgröße und mütterlichem Becken, übergroßes Kind, etc.). Eine Fehlschätzung des tatsächlichen Geburtsgewichts (hier: 4630 gr.) belegt kein ärztliches Versäumnis, wenn die vorgeburtlichen Parameter vertretbar gedeutet wurden.
2. Selbst bei einem übergroßen Kind indiziert eine Armplexuslähmung nicht, dass unter der Geburt in unsachgemäßer Weise auf den Nasciturus eingewirkt wurde, wenn dafür kein konkreter Anhalt besteht. Die Schädigung führt daher nicht zu einer Beweiserleichterung oder Beweislastumkehr.

Arzneimittelhaftung (Vioxx) und Darlegungslast
BGH
1. Zur Darlegungslast des Patienten, der einen pharmazeutischen Unternehmer gemäß § 84 AMG unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelhaftung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt.
2. An die Darlegungslast des Patienten dürfen, um ein weitgehendes Leerlaufen der Vorschriften über die Haftung für Arzneimittelschäden zu vermeiden, keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.

Haftung eines Gynäkologen für ungewollte Geburt nach unvollständig durchgeführter Sterilisation
BGH
Ein Gynäkologe haftet für die nach einer erfolglosen Tubensterilisation mittels Tubenligatur mit der Geburt eines nicht gewollten Kindes für die den Eltern entstandenen wirtschaftlichen Belastungen, wenn naheliegt, dass eine Elektrokoargulation nicht durchgeführt wurde und der Eingriff insoweit vorwerfbar unvollständig war.

Zuständigkeitsstreitwert bei bezifferter Schmerzensgeldklage richtet sich nach dem Klageantrag
KG
1. Erhebt der Kläger eine bezifferte Schmerzensgeldklage ist für die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwertes die Höhe des vom Kläger genannten Betrages maßgeblich, nicht das Ergebnis der - möglicherweise hiervon abweichenden - Schlüssigkeitsprüfung des Gerichts bei Klageeinreichung. Auf die Streitfrage, wie insofern bei unbezifferten Klageanträgen zu verfahren ist, kommt es in diesem Fall nicht an.
2. Verkennt das Gericht anlässlich seines Verweisungsbeschlusses, dass ein bezifferter Klageantrag gestellt wurde, und stellt es in der Folge fälschlich auf das Ergebnis seiner Schlüssigkeitsprüfung bei der Bestimmung der Streitwerthöhe ab, entfaltet der Verweisungsbeschluss - wegen objektiver Willkür - ausnahmsweise keine Bindungswirkung gemäß § 241 Abs. 2 Satz 4 ZPO.

Eine physiotherapeutische Behandlung darf nicht auf einen ausreichend qualifizierten Therapeuten übertragen werden
KG
1. Für die Beschäftigung eines Krankengymnasten, der die für eine Behandlung notwendige Zusatzausbildung nicht besitzt, gelten die arzthaftungsrechtlichen Grundsätze der Anfängeroperation.
2. Die Übertragung der Behandlung auf einen Krankengymnasten, der die für diese Behandlung notwendige Zusatzausbildung nicht besitzt, stellt einen Behandlungsfehler dar und begründet die Vermutung dafür, dass der Mangel an Ausbildung für später aufgetretene gesundheitliche Beeinträchtigungen des Patienten ursächlich geworden ist.

Kein Behandlungsfehler, wenn Injektionen für radiologische Untersuchung bei regelmäßiger Überwachung durch den Arzt an MTA übertragen werden
OLG Dresden
1. Es stellt keinen Behandlungsfehler dar, wenn einer erfahrenen und fachgerecht ausgebildeten Medizinisch-Technischen Assistentin für Radiologie intravenöse Injektionen zur Vorbereitung von Diagnosemaßnahmen übertragen werden, sofern für eine regelmäßige Kontrolle und Überwachung durch den Arzt Sorge getragen wird.
2. Ein Patient ist vor einer intravenösen Injektion in die Ellenbogenbeuge über das Risiko von Nervenirritationen aufzuklären.

Einem Krankenhausträger ist eine längere Suche nach Behandlungsunterlagen zuzumuten, wenn er die Schwierigkeiten bei der Suche zu vertreten hat
LG Kiel
1. Beruft sich der Krankenhausträger gegenüber dem Einsichtsrecht des Patienten in die Original-Behandlungsunterlagen auf die Einrede des § 275 Abs. 2 BGB und darauf, dass der Aufwand für das Auffinden der Unterlagen unzumutbar sei, so muss der Patient, der einen Anspruch wegen Falschbehandlung verfolgt, sein Interesse in der Einsichtnahme nicht von Vorneherein besonders begründen.
2. Auch eine längere Suchaktion nach Behandlungsunterlagen ist zumutbar, wenn die mit dem Auffinden der Behandlungsunterlagen verbundenen Schwierigkeiten von dem Krankenhausträger zu vertreten sind.
3. Zu vertreten hat der Krankenhausträger die Schwierigkeiten des Auffindens, die daraus entstehen, dass sie einen großen Umfang Behandlungsunterlagen nach erfolgter Digitalisierung und Mikroverfilmung zum Zwecke der Vernichtung ungeordnet lagert, wenn nicht zuvor der Patient auf die Möglichkeit der vorherigen Einsichtnahme in die Original-Unterlagen hingewiesen und ihm hierzu Gelegenheit gegeben wurde.

Werden medizinische Möglichkeiten nicht genutzt, die „vielleicht" einen günstigeren Erkrankungsverlauf erreichen hätten können, liegt darin kein grober Behandlungsfehler
LG Dresden
Fehlt an einem groben Behandlungsfehler, wenn der behandelnde Arzt einen an Diabetes Mellitus erkrankten, ihm bekannten Patienten auf die Gefahren einer Wundinfektion nach einer Verbrennung hinweist und ihm die Notwendigkeit einer stationären Behandlung vor Augen führt und diese auch in die Wege leitet, der Patient jedoch - der ebenfalls Arzt ist - jedenfalls zu dem Zeitpunkt eine Krankenhauseinweisung ablehnt. Der Vorwurf, dass der behandelnde Arzt seinen medizinisch kundigen Patienten bei einer Verschlechterung noch einmal eindringlich auf die stationäre Behandlungsbedürftigkeit hinweisen hätte müssen, führt nicht zur Annahme eines groben Behandlungsfehlers.

Über das Risiko der Unfruchtbarkeit als Folge einer Ausschabung muss eine 28 Jahre alte Frau aufgeklärt werden
OLG Köln
1. Über die mit einer Ausschabung der Gebärmutterhöhle verbundenen Risiken, vor allem über das Risiko eines Asherman-Syndroms mit der Folge der Unfruchtbarkeit, muss eine 28 Jahre alte Frau aufgeklärt werden.
2. Die durch einen nicht zwingend erforderlichen Eingriff hervorgerufene Unfruchtbarkeit und dadurch bedingte psychische Belastungen rechtfertigen ein Schmerzensgeld von 40.000,00 €.

Einzelbefunde einer Duplex-Ultraschalluntersuchung müssen nicht durch dauerhafte Bilder dokumentiert werden
OLG Naumburg
1. Zum Ausschluss des Vorliegens einer Tiefenbeinvenenthrombose genügten im Jahr 2002 bei entsprechenden Befunden eine klinische Untersuchung, ein D-Dimere-Test ohne Befund und eine farbcodierte Duplex-Ultraschalluntersuchung ohne Befund; eine aszendierende Phlebographie war unter diesen Umständen weder geboten noch gerechtfertigt.
2. Es stellt keinen Dokumentationsmangel dar, wenn nicht alle Einzelbefunde einer Duplex-Ultraschalluntersuchung durch dauerhafte Bilder aktenkundig gemacht werden. Es genügt, wenn sich aus der Dokumentation die Vorgehensweise bei der Befunderhebung und die vom Arzt gewonnenen Erkenntnisse ergeben.

Darlegungs- und Beweislast bei Sturz eines Heimbewohners
OLG Düsseldorf
Kommt ein Heimbewohner innerhalb der Heims unfallbedingt zu Schaden, so hat sich der Betreiber des Heims zu entlasten, wenn sich der Unfall während einer konkreten Pflegemaßnahme ereignet hat.

Verrutschen eines Implantates nach OP rechtfertigt nicht Annahme eines Behandlungsfehlers
LG Wuppertal
Wird im Zuge einer Bandscheibenoperation ein Implantat eingesetzt, welches mit der Zange und unter Durchleuchtung vorsichtig in der regelrechten Lage optimal platziert wird, ist bei einem späteren Verrutschen desselben nicht von einer fehlerhaften Operation auszugehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine Verankerung des Implantates nicht notwendig war, da sowohl die Ober- als auch die Unterseite des Implantates geriffelte Oberflächen aufweisen, die in der Regel zu einem guten Sitz führen.

Bei Behandlungsfehler durch Fehlposition einer Schraube, die zu einer Fraktur des Wirbelbogens führt, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 80.000,00 € angemessen
LG Bielefeld
Wird bei einer Bandscheibenoperation eine Schraube so falsch positioniert, dass der Wirbelbogen bricht und nach innen dreht und wird dieses nicht beschrieben und sofort korrigiert, so handelt es sich hierbei um einen Verstoß gegen den Standard, der schlechterdings nicht passieren darf, und somit um einen groben Behandlungsfehler. Wird der 27-jährige Betroffene sein Leben lang unter den durch den Behandlungsfehler verursachten Beeinträchtigungen - Muskelteillähmungen im gesamten linken Bein und im rechten Oberschenkel - sowie unter Schmerzen leiden, so ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 80.000,00 € angemessen.

Kein Anscheinsbeweis für ärztliches Fehlverhalten bei Arterienverschluss nach Herzkatheteruntersuchung
OLG Koblenz
1. Treten nach einer Herzkatheteruntersuchung, für die der Zugang zunächst über den rechten Unterarm versucht worden war, Verschlüsse und Verstopfungen der den Arm versorgenden Gefäße auf, spricht kein Anscheinsbeweis für ein ärztliches Fehlverhalten, weil es sich um ein spezifisches Risiko handelt.
2. Ist ein Aufklärungsmangel aufgrund der vom Arzt nachgewiesenen Unterrichtung des Patienten ausgeschlossen, ist dessen Behauptung, bestimmte Informationen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht verstanden zu haben, unerheblich, wenn nicht aufgezeigt wird, dass sich dem aufklärenden Arzt ein unzureichendes Verständnis seiner Sachinformationen erschließen musste. Eine Haftung des Arztes wegen unzureichender Aufklärung kommt in einem derartigen Falle mangels Verschulden nicht in Betracht.

Haftung des Krankenhausträgers für Sturz des Patienten von Massageliege
LG Kassel
Der Sturz eines zum Unfallzeitpunkt 85 Jahre alten Patienten, beim Versuch von einer Massageliege im Anschluss an eine so genannte Ganzkörpermassage herabzusteigen, gehört zum voll beherrschbaren Gefahrenbereich des Krankenhausträgers. Dessen Sache ist es, aufzuzeigen und nachzuweisen, dass der Sturz nicht auf einem vorwerfbaren Fehlverhalten des Pflegepersonals beruht.

Grob fehlerhafte Nichtverlegung einer Schwangeren in ein für die Versorgung von Frühgeburten spezialisiertes Perinatalzentrum
OLG Oldenburg
Die Nichtverlegung einer Schwangeren in ein Zentrum der Maximalversorgung (Perinatalzentrum) kann grob fehlerhaft sein, wenn mit der Geburt eines Kindes vor der 28. Schwangerwoche und/oder mit einem Geburtsgewicht von unter 1000 g gerechnet werden muss.

Ein über den Gutachtenauftrag hinaus gehender Hinweis des Sachverständigen auf eine fehlende Aufklärung des Patientin führt zur Besorgnis der Befangenheit
OLG München
Der Hinweis des medizinischen Sachverständigen an das Gericht, dass aus den übermittelten Behandlungsunterlagen nicht hervorgeht, inwieweit und in welcher Form eine Aufklärung und Einverständniserklärung des Patienten stattgefunden hat, ohne dass dies Gegenstand des Gutachtenauftrages war oder eine Aufklärungsrüge erhoben wurde, ist geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

Pflicht des Gerichts im Arzthaftungsprozess zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens wenn ein bereits vorliegendes Gutachten nicht ausreicht
BGH
Im Arzthaftungsprozess hat das Gericht zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts in der Regel einen Sachverständigen einzuschalten. Ein gerichtliches Sachverständigengutachten muss der Tatrichter jedenfalls dann einholen, wenn ein im Wege des Urkundsbeweises verwertetes Gutachten (hier: aus einem vorangegangenen Verfahren einer ärztlichen Schlichtungsstelle) nicht alle Fragen beantwortet.

Ohne gesicherte Diagnose ist der Versuch einer Schultereinrenkung ein elementarer Verstoß gegen Grundregeln der ärztlichen Heilkunst
LG Köln
Der Versuch einer Schultereinrenkung ohne gesicherte Diagnose einer Luxation ist ein elementarer, eindeutiger Verstoß gegen anerkannte grundlegende Regeln der ärztlichen Heilkunst, der einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Dieses Vorgehen eines Arztes ist als „Verzweiflungstat" einzustufen. Rechtlich ergibt sich hieraus eine Haftung des Arztes für den unternommenen Repositionsversuch und die dadurch verursachte vollkommen unnötige und besonders belastende Schmerzzufügung.

Über das durch eine feste Zahnspange erhöhte Kariesrisiko ist ausschließlich therapeutisch aufzuklären
OLG Stuttgart
Auf ein erhöhtes Karriesrisiko bei einer kieferorthopädischen Behandlung mit einer festen Zahnspange ist nicht im Rahmen der Risikoaufklärung, sondern im Rahmen der therapeutischen Sicherheitsaufklärung hinzuweisen.

Durchführung einer nicht indizierten Operation bei Verdacht auf Hodgkin-Lymphom stellt groben Behandlungsfehler dar
OLG Naumburg
1. FehlerhafteTherapiewahl bei Verdacht auf Morus Hodgkin (hier: maximalinvasive Operation statt kombinierte Chemo- und Strahlentherapie).
2. Feststellung eines groben Behandlungsfehlers bei der Durchführung der Operation, wenn bei Verdacht auf ein Hodgkin-Lymphom der cervikale Lymphknoten nicht entfernt wird, statt dessen aber eine maximal aggresive Tumorextirpation ohne weitere Ausbreitungsdiagnostik und Konsultation eines in der Behandlung dieser Erkrankung versierten Spezialisten durchgeführt wird.
4. Schmerzensgeld in Höhe von 60.000 EUR für eine medizinisch nicht indizierte Operation, die zur einer Verletzung des Nervus phrenicus, einer Durchtrennung des Nervus laryngeus recurrens, einem Zwerchfellhochstand, einer Stimmbandlähmung, zu Komplikationen an der Bronchius-Absatzstelle sowie zu rezidivierenden Infektionen und zahlreichen weiteren Krankenhausaufenthalten und Folgebehandlungen geführt hat.

Pflicht des hinzugezogenen Arztes zur kritischen Prüfung des Überweisungsauftrags
OLG Naumburg
Wird ein Patient von einem Krankenhaus an eine Spezialklinik zur Durchführung einer Operation überwiesen, die der überweisende Arzt nicht erbringen kann, so bestimmt der hinzugezogene Arzt in eigener Verantwortung nicht nur die Art und Weise der Leistungserbringung (hier der Operation), sondern er muss auch prüfen, ob die von ihm erbetene Leistung den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht und nicht etwa kontraindiziert ist, sowie, ob die von ihm erbetene Leistung ärztlich sinnvoll ist, ob also der Auftrag von dem überweisenden Arzt richtig gestellt ist und dem Krankheitsbild entspricht.

Krankenkasse hat bei Behandlungsfehler umfassendes Einsichtsrecht in Behandlungsunterlagen
SG Potsdam
1. Macht eine Krankenkasse unter Berufung auf einen Behandlungsfehler gegenüber einem Vertrags(zahn)arzt einen Mittelanspruch nach § 294a SGB V geltend, so hat der angegangene Vertrags(zahn)arzt bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte schon deshalb Einsicht in seine Behandlungsunterlagen zu gewähren, weil ein Behandlungsfehler regelmäßig eine Körperverletzung i.S.v. § 223 StGB darstellt.
2. In diesem Fall erstreckt sich das Einsichtsrecht der Krankenkasse nicht nur auf die Behandlungsunterlagen, die den mit dem Behandlungsfehler in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Leistungskomplex betreffen, sondern typischerweise auch auf jene, die frühere, nur wenige Jahre zurückliegende Behandlungen betreffen.
3. Weil das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die Freiheit schützt, persönliche Informationen zu offenbaren, haben Ärzte die Entscheidung eines Patienten, sie gegenüber seiner Krankenkasse oder gegenüber anderen Behörden in beliebig weitem Umfang von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, hinzunehmen, solange Anhaltspunkte fehlen, dass die Selbstbestimmung des Patienten über seine persönlichen Daten durch die jeweilige Behörde in eine Fremdbestimmung verkehrt würde.

Mangelhafte Abklärung der Schmerzursachen nach einem Fahrradsturz ist ein Behandlungsfehler LG Köln
Klärt ein Arzt die Schmerzursache des Patienten im Bereich der unteren Brustwirbelsäule sowie der Lendenwirbelsäule nach einem Fahrradsturz vor dem Hintergrund des anstehenden Urlaubs des Patienten nicht mit der ausreichenden Konsequenz ab und kommt es hierdurch zu einer Verstärkung der Rückenbeschwerden des Patienten, liegt ein haftungsbegründender Behandlungsfehler vor. Die Empfehlung eines CT´s nach Urlaubsrückkehr ist unzureichend gewesen.

Kein schwerwiegender Diagnosefehler, wenn Symptome nicht eindeutig auf eine Glutaracidurie (Stoffwechselerkrankung) hinweisen
OLG Köln
Ein schadensursächlicher grober Behandlungsfehler liegt nicht vor, wenn die behandelnden Ärzte angesichts der bei der Aufnahme eines Säuglings festgestellten Leitsymptome Macrocephalus und subdorale Hämatome nicht die Diagnose Glutaracidurie (Stoffwechselerkrankung) stellen, da diese Symptome nicht klar und eindeutig auf eine Glutaracidurie hinweisen.

Beweiserleichterung bei ärztlichem Befunderhebungsversäumnis nur bei reaktionspflichtigen Befundergebnissen
OLG Koblenz
Ein Befunderhebungsmangel führt im Arzthaftungsprozess nur dann zu einer Beweiserleichterung der Beweislastumkehr, wenn ein reaktionspflichtiges Befundergebnis hinreichend wahrscheinlich ist (verneint bei Verschluss eines Beinvenenbypasses).

Schadensersatzanspruch des privat versicherten Patienten auf Rückerstattung des Arzthonorars bei unbrauchbarem festsitzendem Zahnersatz
OLG Oldenburg
1. Bei Mängeln am fest sitzenden Zahnersatz kommt bei privat versicherten Patienten die Anwendung des Gewährleistungsrechts des Werkvertrages grundsätzlich nicht in Betracht. Liegt ein Behandlungsfehler vor, so ergeben sich die Rechte des Patienten vielmehr aus schadensrechtlichen Normen.
2. Dem privat versicherten Patienten steht alternativ zum Anspruch auf Erstattung der Nachbehandlungskosten ein Anspruch auf Rückerstattung des gezahlten Honorars zu, soweit der Zahnersatz aufgrund eines Behandlungsfehlers unbrauchbar ist. Hiervon ist auszugehen, wenn eine Nacharbeitung nicht möglich ist, sondern eine Neuanfertigung erfolgen muss.

Erhöhtes Schmerzensgeld wegen verzögertem Regulierungsverhalten
OLG Naumburg
1. Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 € bei einer mangels wirksamer Einwilligung des Patienten (unzureichende Risikoaufklärung) rechtswidrigen Implantation einer Morphinpumpe, die wegen einer Blutung in den Hirnwasserraum der Wirbelsäule zu dauerhaften Funktionsstörungen (Harninkontinenz, Impotenz, schwere Gangstörung) geführt hat.
2. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes kann das Regulierungsverhalten des Beklagten schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen sein (hier: 6,5 Jahre nach dem Schadensereignis und 4,5 Jahre nach Rechtskraft des Grundurteils noch keinerlei Ausgleichsleistungen an den Kläger).

Aufklärungszeitpunkt bei ambulanter Operation
OLG Koblenz
1. Bei einer 3ambulanten Behandlung kann je nach den Vorkenntnissen des Patienten eine Aufklärung am Tag des Eingriffs genügen, wenn nach den Gesamtumständen hinreichend Zeit bleibt, das Für und Wider eigenverantwortlich zu erwägen.
2. Dies ist der Fall, wenn der Patient bereits in der Vergangenheit mehrfach in vergleichbarer Weise operiert worden ist und zwischen dem Aufklärungsgespräch und dem Eingriff drei Stunden lagen.

50.000,00 € Schmerzensgeld bei unzureichender Risikoaufklärung
OLG Naumburg
Bei einer mangels wirksamer Einwilligung des Patienten (unzureichende Risikoaufklärung) rechtswidrigen Implantation einer Morphinpumpe, die wegen einer Blutung in den Hirnwasserraum der Wirbelsäule zu dauerhaften Funktionsstörungen (Harninkontinenz, Impotenz, schwere Gangstörung) geführt hat, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 € angemessen.

25.000,00 € Schmerzensgeld bei Verlust der Sehfähigkeit eines Auges um 80 %
OLG Oldenburg
Bei Verlust der Sehfähigkeit eines Auges um 80 % mit möglicher weiterer Verschlechterung ist das Schmerzensgeld auf 25.000,00 € zu bemessen.

Schadensersatz wegen Pflegemehraufwands für durch einen Behandlungsfehler schwerstbehindertes Kind
OLG Zweibrücken
1. Zur Bemessung des Schadensersatzes wegen eines vermehrten Bedürfnisses für Pflege und Betreuung eines durch einen ärztlichen Behandlungsfehler bei der Geburt schwer geschädigten Kindes durch Eltern im Rahmen häuslicher Gemeinschaft und durch fremde Hilfskräfte, insbesondere zur Bewertung sogenannter „Bereitschaftszeiten" der Eltern.
2. Den durch eine Behinderung verursachten Mehrbedarf hat der Schädiger durch eine Geldrente auszugleichen. Hierunter fällt auch der Betreuungsaufwand naher Angehöriger.
3. Kommen mehrere Arten der Betreuung in Betracht, bestimmt sich die Höhe des Anspruchs alleine danach, wie der Bedarf in der vom Geschädigten und seinen Angehörigen gewählten Lebensgestaltung tatsächlich anfällt. Der geltend gemachte Aufwand muss sich aber in der Vermögenssphäre als geldwerter Verlustposten konkret niederschlagen.

Kein voll beherrschbares Risiko bei thermischen Verbrennungen
LG Bonn
Intraoperative Verbrennungen, die aufgrund einer thermischen Schädigung durch elektrischen Strom verursacht werden, fallen nicht in den Bereich des voll beherrschbaren Risikos und führen somit nicht zur Beweislastumkehr; auch ein Anscheinsbeweis kommt nicht in Betracht.

Undeutliche Sprache des Arztes kann verständliche Aufklärung des Patienten über Risiko und Alternativen des Eingriffs entgegenstehen
LG Köln
Durch eine wirksame Aufklärung des Patienten soll nicht medizinisches Spezialwissen vermittelt, sondern über die Art und Richtung der Beeinträchtigung der späteren Lebensführung verständlich und richtig informiert werden. Das Fehlen eines schriftlichen und unterzeichneten Aufklärungsformulars spricht nicht zwingend gegen eine erfolgte Aufklärung. Der behandelnde Arzt hat die Aufklärung im Verfahren zu beweisen. Ein undeutlicher Sprechstil ist geeignet, erhebliche Zweifel an einer verständlichen Aufklärung zu begründen.

Unvollständige Durchtrennung des Retinakulums ist Behandlungsfehler beim Karpaltunnelsyndrom
LG Köln
Das Unterlassen einer vollständigen Spaltung des Retinakulums beim Karpaltunnelsyndrom ist als ein Verstoß gegen elementare Behandlungsregeln zu bewerten und rechtfertigt ein Schmerzensgeldanspruch. Auch der Umstand, dass dieser Fehler offenbar in einer Vielzahl handchirurgischer Operationen vorkommt, nimmt dem Fehler seine Schwere nicht, denn allein die Zahl seiner Inzidenz besagt nichts über das Gewicht des Fehlers.

Zur Frage, wann ein Diagnosefehler als Behandlungsfehler zu werten ist
LG Magdeburg
1. Auch unter Berücksichtigung der vielfachen technischen Hilfsmittel, die zur Gewinnung von zutreffenden Untersuchungsergebnissen einzusetzen sind, sind Irrtümer bei der Diagnosestellung nicht immer die Folge eines vorwerfbaren Versehens des Arztes. Diagnoseirrtümer, die objektiv auf einer Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen sind, können deshalb nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden.
2. Dies gilt dann nicht, wenn Symptome vorliegen, die für eine bestimmte Erkrankung kennzeichnend sind, vom Arzt aber nicht berücksichtigt werden, oder wenn der behandelnde Arzt ohne vorwerfbare Fehlinterpretation von Befunden eine objektiv unrichtige Diagnose stellt und diese darauf beruht, dass der Arzt eine notwendige Befunderhebung entweder vor der Diagnosestellung oder zur erforderlichen Überprüfung der Diagnose unterlassen hat.

Verstoß gegen Befunderhebungspflicht als ärztlicher Behandlungsfehler
OLG Zweibrücken
1. Zur im Einzelfall gebotenen zeitnahen Auswertung einer Blutprobe zwecks Wiedereinstellung des Patienten (hier: CRP-Bestimmung bei Morbus Crohn).
2. Zur Umkehr der Beweislast führt die Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden bei einem Verstoß gegen diese Befunderhebungspflicht.
3. Es führt zu einer Umkehr der Beweislast betreffend die Kausalität für den Primärschaden, wenn eine gebotene Diagnose nicht erhoben oder deren Ergebnis nicht gesichert wird und, soweit sich das Unterlassen nicht bereits für sich allein als nicht mehr verständliches ärztliches Fehlverhalten darstellt, das Verkennen des hinreichend wahrscheinlichen Befundes und eine Nichtreaktion hierauf seinerseits grob fehlerhaft wäre.
4. Die nach ärztlichem Standard verspätete Erhebung eines medizinisch gebotenen Befundes kann rechtlich nicht anders beurteilt werden, als das (im gebotenen Zeitraum) Unterlassen der Maßnahme.

Unterlassene Erstellung eines Audiogramms bei Symptomen für Paukenergruss ist kein grober Behandlungsfehler
Brandenburgisches OLG
Hat ein Arzt die Erstellung eines Audiogramms unterlassen, hat der Patient dennoch nicht die dadurch nachfolgenden Beeinträchtigungen nachgewiesen, wenn für den Sachverständigen nicht feststeht, dass ein Audiogramm zu einer früheren Diagnose einer akuten Mittelohrentzündung oder einer Mastoiditis geführt hätte. Allein das Unterlassen der Erstellung eines Audiogramms rechtfertigt keine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten, da eine solche nur bei einem groben Behandlungsfehler anzunehmen ist.

300.000,00 € Schmerzensgeld sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente von 300,00 € bei schwersten Geburtsschäden (hier: hypoxischer Hirnschaden)
OLG Düsseldorf
1. Im Fall der Weigerung der Mutter, ärztlichen Anordnungen nachzukommen, muss bei einer akuten Gefährdung des Fetus von dem Geburtshelfer eine laute drastische Intervention - bis hin zum Eklat - erwartet werden, um den Widerstand der Mutter zu überwinden.
2. Eine Hebamme ist von dem Moment an, in dem der Arzt bei der Geburt hinzutritt, lediglich dessen Gehilfin und hat seinen Anweisungen Folge zu leisten. Die Hierarchie endet jedoch dann, wenn die Hebamme aufgrund ihrer eigenen geburtshilflichen Ausbildung erkennen muss, dass das Vorgehen des Arztes vollkommen regelwidrig und unverständlich ist.
3. Bei einem Geburtsschaden infolge grob fehlerhafter Geburtsleitung mit körperlicher und geistiger Schwerstschädigung (hier: infantile Cerebralparese mit ausgeprägter psychomotorischer Retardierung und Tetraspastik u. a.) sind ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000,00 € sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente von 300,00 € angemessen.

Höhe des Schmerzensgeldes für Erblindung eines schon vor der Behandlung erheblich sehbehinderten Patienten
OLG Karlsruhe
1. Auch bei einer schweren Grunderkrankung (hier: maligne Tumore in beiden Augen) mit erheblicher Beeinträchtigung der Sehfähigkeit rechtfertigt die erst durch einen Behandlungsfehler notwendige Entfernung beider Augäpfel ein Schmerzengeld in Form eines Kapitalbetrages und einer Schmerzensgeldrente.
2. Der zuerkannte Betrag darf unter Berücksichtigung der kapitalisierten Rentenverpflichtung nicht außerhalb des sonst für vergleichbare Verletzungen üblichen Entschädigungsrahmens liegen, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalls dies gebieten.

Arzthaftung bei Prostatakarzinom
OLG Zweibrücken
1. Es ist behandlungsfehlerhaft, eine Teiladenomektomie (Teiladenomresektion) der Prostata ohne vorherige weiterführende Diagnostik (wie z. B. Biopsie der Prostata, Bestimmung des freien PSA-Wertes) durchzuführen, um das Vorliegen eines anderen Behandlungsmethode unterfallenden Prostatakarzinoms auszuschließen.
2. Zur Umkehr der Beweislast für die Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden bei einem Verstoß gegen diese Befunderhebungspflicht.

Vergütung und Haftung eines Schönheitschirurgen bei eindeutigem Diagnosefehler
OLG Koblenz
1. Führt ein Schönheitschirurg unter der unzutreffenden Diagnose „exophthalmus" (pathologisches Hervortreten des Augapfels aus der Augenhöhle) einen Eingriff durch und verletzt er dabei den Nervus subraorbitalis kann das ein Schmerzensgeld von 30.000,00 € rechtfertigen.
2. Eine Vergütung kann der Arzt für die Operation nicht verlangen, wenn feststeht, dass der Patient bei sachgemäßer Diagnose und Aufklärung den Eingriff nicht hätte vornehmen lassen.

Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Morbus Sudeck
BGH
Wenn ein Morbus Sudeck nach dem Klagevortrag infolge einer ärztlichen Fehlbehandlung und der damit hervorgerufenen Gesundheitsbeeinträchtigung eingetreten ist, behauptet der Kläger insoweit einen Sekundärschaden. Für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen der Fehlbehandlung und dem Morbus Sudeck gilt in diesem Fall der erleichterte Maßstab des § 287 ZPO (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118).

10.000,00 € Schmerzensgeld für um 21 Monate verzögerte Wundheilung eines Unterschenkelschafttrümmerbruchs
OLG Naumburg
Ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € ist angemessen bei Fehlern der unfallchirurgischen Behandlungen, die mindestens eine um 21 Monate verzögerte Wundheilung eines Unterschenkelschafttrümmerbruchs sowie zusätzliche ärztliche Behandlungen und psychische Beeinträchtigungen verursacht haben.

Verzicht auf Dokumentation des Behandlungsverlaufs
OLG Naumburg
1. Zum Nachweis einer erfolgreichen Behandlung einer Kiefergelenksluxation trotz fehlender Dokumentation.
2. Es ist kein Behandlungsfehler, wenn der Arzt keinen bildgebenden Nachweis des Erfolgs seiner Behandlung schafft, soweit es für diese Befunderhebung keinen medizinischen Zweck gibt.

Umkehr der Beweislast bei nur leicht fahrlässigem Befunderhebungsfehler und Schmerzensgeldanspruch eines lebensbedrohlich Erkrankten, der als Simulant hingestellt wird
OLG Koblenz
1. Eine fehlerhaft unterlassene Befunderhebung führt dann zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den Gesundheitsschaden, wenn sich bei rechtzeitiger und genügender Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ergebnis gezeigt hätte, und sich die Verkennung des Befundes als fundamental bzw. Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde.
2. Muss ein lebensbedrohlich Erkrankter (durchgebrochenes Magengeschwür) und letztlich verstorbener Krankenhauspatient neben der Verdächtigung nur zu simulieren, 6 Tage lang Luftnot, Erstickungsgefühle und Todesangst erdulden, kann das ein Schmerzensgeld von 15.000,00 € rechtfertigen.
3. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes muss das Regulierungsverhalten des Zahlungspflichtigen außer Betracht bleiben, da es den ausschließlich in der Person des Verstorbenen entstandenen Anspruch nicht beeinflussen kann.

Grober Behandlungsfehler durch unterbliebene histologische Untersuchung bei gewachsenem Tumor
OLG Jena
Wird ein innerhalb kurzer Zeit auffallend wachsender Tumor festgestellt, ist eine histologische Abklärung zwingend geboten. Ihr Unterlassen ist ein grober Behandlungsfehler in Gestalt der unterlassenen notwendigen Befunderhebung. Für dessen Behandlungsfehler haften sowohl der behandelnde Frauenarzt, als auch der konsiliarisch hinzugezogene Onkologe gesamtschuldnerisch. Die Haftung des Frauenarztes entfällt nur dann, wenn der hinzugezogene Konsiliararzt vom zunächst behandelnden Frauenarzt über die von diesem erhobenen Befunde vollständig unterrichtet wurde und von diesem die weitere Behandlung vollständig übernommen hat.

Sorgfaltspflichten des Hausarztes bei wiederholter Verschreibung eines Schmerzmittels mit Abhängigkeitspotential
OLG Koblenz
1. Verordnet ein niedergelassener Hausarzt wegen Menstruationsbeschwerden wiederholt ein Schmerzmittel, ist dies nicht zu beanstanden, wenn er davon ausgehen darf, dass der Befund gynäkologisch abgeklärt wurde, mit dem Ergebnis, dass es sich um ein bloßes Schmerzproblem handelt.
2. Sind die verordneten Mengen unter der Prämisse, dass sie gezielt nur an den Menstruationstagen wegen starker Schmerzen eingenommen werden, nicht überhöht, kann eine Warnung vor dem Suchtpotential des Medikamentes ausreichen, solange für den Arzt kein Anhalt für einen Missbrauch besteht.
3. Verlangt die Patientin unter Hinweis auf einen längeren Auslandsaufenthalt die Verordnung einer für mehr als 6 Monate ausreichenden Menge, muss der Arzt dem dadurch auffallenden Abhängigkeitsverdacht nachgehen und in geeigneter Weise sicherstellen, dass es nicht zu einem Medikamentenmissbrauch kommt.
4. Verordnungen hat ein Arzt nach Zeitpunkt und Menge so zu dokumentieren, dass er bei Medikamenten mit Abhängigkeits- oder sonstigem Gefährdungspotential einem Missbrauch entgegenwirken kann.

Sturz von der Massageliege - Beweislast der Behandlungsseite für pflichtgemäßes Verhalten
Landgericht Kassel
Der Sturz eines zum Unfallzeitpunkt 85 Jahre alten Patienten beim Versuch, von einer Massageliege im Anschluss an eine so genannte Ganzkörpermassage herabzusteigen, gehört zum so genannten voll beherrschbaren Gefahrenbereich des Krankenhauses. Dessen Sache ist es, aufzuzeigen und nachzuweisen, dass der Sturz nicht auf einem Fehlverhalten des Pflegepersonals beruht.

Einer Fachklinik obliegen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung eines Selbstmordversuches durch Selbstentzündung
OLG Koblenz
1. Eine psychiatrische Klinik ist verpflichtet, von einem suizidalen Patienten alle Gefahren abzuwenden, die dem Kranken durch sich selbst drohen. Welche Kontrollen, Beschränkungen und sonstige Maßnahmen geboten sind, erfordert eine wertende Gesamtschau aller medizinischen und sonstigen behandlungs- und sicherungsrelevanten Fakten.
2. Im Spannungsverhältnis zwischen dem Sicherungsinteresse und Lockerungen, die einer zielgerichteten Therapie dienen, ist eine restriktive Handhabung umso eher geboten, je mehr eine Gefährdung des therapeutischen Konzeptes durch die konkrete Einschränkung fern liegt (hier: kein eigenes Feuerzeug für Raucherin).

Ärztliche Aufklärungspflicht und Beweisanforderungen an deren Erfüllung
OLG Koblenz
1. Eine formularmäßige, ganz allgemein gefasste Einverständniserklärung des Patienten ist bei einem Eingriff mit erheblichen Risiken (hier: Entfernung in das Perineum eingelagerten Vaginalzyste) in der Regel unzureichend. Die Unterzeichnung derartiger Formulare für sich allein beweist noch nicht, dass der Patient sie gelesen und verstanden hat, geschweige denn, dass der Inhalt mit ihm erörtert wurde.
2. Das erforderliche ärztliche Aufklärungsgespräch und sein Inhalt können in einem derartigen Fall durch Parteianhörung des aufklärenden Arztes unter Gegenüberstellung mit dem Patienten nachgewiesen werden, wenn ein zureichender Anhalt dafür besteht, dass die Sachdarstellung des Arztes zutrifft. Außerdem kommt eine von Amts wegen vorzunehmende Parteivernehmung des Arztes in Betracht, um letzte Zweifel auszuräumen.
3. Operationsrisiken müssen dem Patienten nicht in allen medizinischen Einzelheiten, sondern nur in ihrem Kern dargestellt werden, damit die Gefahrenlage hinreichend verdeutlicht ist.

Aufklärungspflicht des Arztes über verschiedene Behandlungsalternativen
OLG Braunschweig
1. Eine konservative Therapie, die gegenüber der operativen Behandlungsalternative erhebliche Nachteile und Risiken aufweist, bedarf für die Rechtmäßigkeit ihrer Durchführung der Einwilligung durch die zuvor entsprechend aufzuklärende Patientin (im Anschluss an BGH, NJW 2005, 1718).
2. Es stellt einen haftungsbegründenden Aufklärungsmangel (Mangel der Risiko- oder Selbstbestimmungsaufklärung) dar, wenn der Arzt die Patientin, die einen schweren mehrfach Trümmerbruch des Oberarmes erlitten hat, nicht über die Möglichkeit der zeitnahen operativen Therapie (Endoprothese) informiert und stattdessen eine riskante und wenig Erfolg versprechende konservative Therapie durchführt, ohne die Patientin zuvor über deren erhebliche Nachteile und Risiken aufzuklären.
3. Für einen solchen Aufklärungsfehler hat auch ein Chefarzt, der persönlich nicht bei der Erstaufnahme der Patientin mitgewirkt hat, aufgrund Organisationsverschuldens einzustehen, wenn er keine organisatorische Vorsorge dafür getroffen hat, dass in solchen Fällen eine das Selbstbestimmungsrecht der Patientin wahrende Aufklärung tatsächlich erfolgt; greift er später in das Behandlungsgeschehen ein, hat er sich wenigstens über die Durchführung der Aufklärung zu erkundigen und bei deren Fehlen diese nachzuholen bzw. nachholen zu lassen.
4. Hat der Arzt eine ohne Vornahme der erforderlichen Selbstbestimmungsaufklärungspatienten riskantere und erheblich weniger Erfolg versprechende konservative Behandlungsmethode gewählt, deren Risiken sich dann verwirklicht haben, so betrifft die Frage, ob eine operative Behandlung im konkreten Fall zu einem besseren Ergebnis geführt hätte oder nicht, nicht die Kausalität der tatsächlich durchgeführten konservativen Behandlung für den eingetretenen Schaden, sondern den hypothetischen Kausalverlauf im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens, für den der Arzt die Beweislast trägt (im Anschluss an BGH NJW 2005, 1718).
5. Der einem Schädiger obliegende Beweis dafür, dass auch bei rechtmäßigen Alternativverhalten derselbe Schaden eingetreten wäre, ist jedenfalls misslungen, wenn - sachverständig beraten - festzustellen ist, dass im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens der Schaden mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 % vollständig ausgeblieben wäre.

Zur Reichweite der Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler
BGH
1. Die Haftung der Behandlungsseite nach einem groben Behandlungsfehler setzt voraus, dass der Fehler generell zur Verursachung des eingetretenen Schadens geeignet war; wahrscheinlich braucht der Eintritt eines solchen Erfolges nicht zu sein
2. Ist ein grober Behandlungsfehler (hier: Hygienefehler bei intraartikulärer Injektion) festgestellt, muss der Arzt deshalb beweisen, dass die Schädigung des Patienten nicht auf dem Behandlungsfehler beruht, sondern durch eine hyperergisch-allergische Entzündungsreaktion verursacht ist.

Höhe des Schadensersatzes für Pflege- und Betreuungsaufwand nach Geburtsschaden
OLG Zweibrücken
Zur Bemessung des Schadensersatzes wegen eines vermehrten Bedürfnisses für Pflege und Betreuung eines durch einen ärztlichen Behandlungsfehler bei der Geburt schwer geschädigten Kindes durch Eltern im Rahmen häuslicher Gemeinschaft und durch fremde Hilfskräfte, insbesondere zur Bewertung so genannter „Bereitschaftszeiten" der Eltern.

Patient muss selbst zwischen mehreren medizinischen Behandlungsmethoden mit unterschiedlichen Risiken entscheiden können
OLG Naumburg
1. Stehen mehrere medizinisch sinnvolle und angezeigte Behandlungsmethoden zur Verfügung, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten, so muss der Patient selbst prüfen und mitentscheiden können, was er an Belastungen und Gefahren im Hinblick auf möglicherweise unterschiedliche Erfolgschancen der verschiedenen Behandlungsmethoden auf sich nehmen will.
2. Zur Pflicht der Aufklärung einer Schwangeren durch den Geburtshelfer in der laufenden 31. Schwangerschaftswoche nach Blasensprung über die Möglichkeit der Hinauszögerung der Geburtseinleitung mit Förderung der Lungenreife anstelle der bewusst eingeleiteten Frühgeburt.

Bei fehlerhaftem Zahnersatz muss Zahnarzt dem Patienten Kosten erstatten
AG Sondershausen
Bei einem fehlerhaft eingesetzten Zahnersatz kann ein Patient den behandelnden Zahnarzt wechseln und Schadensersatz vom Verursacher verlangen. Es liegt ein schuldhaft vertragswidriges Verhalten durch den Zahnarzt vor. Da es nicht um einzelne Reparaturen, sondern um eine vollständige Neuanfertigung des Zahnersatzes ging, konnte der Patient auch einen anderen Zahnarzt beauftragen. Nach dem BGB ist der Käufer einer mangelhaften Ware zwar gehalten, dem Verkäufer Gelegenheit zur Instandsetzung zu geben. Diese Grundsätze sind aber auf das im vorliegenden Fall geltende Dienstvertragsrecht nicht ohne weiteres übertragbar.

Verpflichtung zur zeitnahen Auswertung einer Blutprobe
OLG Zweibrücken
1. Zu einem Einzelfall gebotenen zeitnahen Auswertung einer Blutprobe zwecks Wiedereinbestellung des Patienten (hier: CRP-Bestimmung bei Morbus Crohn).
2. Zur Umkehrung der Beweislast für die Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden bei einem Verstoß gegen diese Befunderhebungspflicht.

Keine Haftung eines Internisten wegen unterbliebener dauerhafter Antikoagulation
OLG Koblenz
Hat ein niedergelassener Internist die Blutgerinnungswerte ausreichend engmaschig bestimmen lassen und hiernach vertretbar von einer dauerhaften medikamentösen Therapie (Marcumar) abgesehen, haftet er trotz mehrerer Vorschädigungen des Patienten nicht für eine spätere Embolie, wenn im Behandlungskonzept eine sachgemäße Einschätzung der konkreten Risiken einer dauerhaften Reduzierung der Blutgerinnung zugrunde lag.

Unterlassung einer notwendigen Befunderhebung als grober Behandlungsfehler (keine histologische Untersuchung eines schnell wachsenden Tumors)
OLG Jena
1. Die unterlassene histologische Abklärung eines innerhalb kurzer Zeit auffallend wachsenden Tumors stellt einen groben Behandlungsfehler in der Form der Unterlassung einer notwendigen Befunderhebung dar.
2. Für diesen (Behandlungs-)Fehler haben der (weiter) behandelnde Frauenarzt als auch der konsiliarisch hinzugezogene Onkologe gleichermaßen einzustehen, wenn keine vollständige Behandlungsübernahme durch den hinzugezogenen Konsiliarius erfolgt und dieser ausreichend über die erhobenen Vorbefunde unterrichtet worden ist.

Unterlassen eines Schwangerschaftstests durch Beta-HCG-Bestimmung des Blutes vor Beginn der Therapie mit einem Ovulationshemmer-Medikament
OLG Braunschweig
1. Es stellt einen (einfachen) Behandlungsfehler dar, wenn ein Arzt für Gynäkologie im Rahmen der Behandlung von Menstruationsunregelmäßigkeiten bei objektiv bestehender Unsicherheit über das Vorliegen einer Schwangerschaft zu deren Ausschluss vor Beginn der Therapie mit einem Ovulationshemmer-Medikament einen Schwangerschaftstest durch Beta-HCG-Bestimmung des Blutes nicht vornimmt bzw. nicht veranlasst.
2. Allein deshalb, weil im Falle einer Schwangerschaft die zu erwartenden Folgen für die Kindsmutter hinter dem in § 218a II StGB beschriebenen Ausmaß zurückbleiben oder dieses Ausmaß nicht sicher feststellbar erreichen, kann eine Kausalität des Befunderhebungsfehlers für die Durchführung der nach § 218a I StGB gerechtfertigten Schwangerschaftsunterbrechung und ihre Folgen nicht bereits verneint werden.
3. Im Rahmen der zivilrechtlichen Schadenskausalität unterbricht der Willensentschluss einer Patientin - hier zum Schwangerschaftsabbruch - den Zurechnungszusammenhang nicht, wenn er nicht frei getroffen, sondern durch das Verhalten des Arztes - hier durch Befund-Nichterhebung verursachte kontraindizierte Medikamenteneinnahme - herausgefordert oder wesentlich mitbestimmt worden ist. Die Beweislast für die Herausforderung oder Mitbestimmung ihres Willensentschlusses liegt nach allgemeinen Grundsätzen bei der Patientin.
4. Unerheblich für die Schadensursächlichkeit im Sinne des durch den Behandlungsfehler herausgeforderten Schwangerschaftsabbruchs ist, wie hoch aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht das Risiko einer medikamenteninduzierten Missbildung gewesen ist, jedenfalls solange ein solches Risiko nicht auszuschließen ist oder die möglichen Auswirkungen nicht völlig unerheblich sind.

Arzthaftung - TEP-Operation nach der Methode „Robodoc" und erforderliche Aufklärung
OLG Dresden
1. Eine TEP-Operation nach der Methode „Robodoc" stellte auch im Jahre 2000 noch eine Neulandmethode dar, so dass der Arzt auch darüber aufzuklären hatte, dass unbekannte Risiken bei Anwendung dieser Methode nicht auszuschließen sind.
2. Verwirklicht sich ein Risiko, über das der Patient aufgeklärt worden ist (hier: Beschädigung des nervus fibularis), kann er sich dann nicht auf ein Aufklärungsversäumnis über unbekannte Risiken berufen, wenn die Wahrscheinlichkeit des konkret eingetretenen Schadens auch bei einer Operation nach einer Standardmethode gleich hoch gewesen wäre.
3. Bei einer TEP-Operation ist die Art der Lagerung nicht gesondert zu dokumentieren.

Anforderungen an die Befunderhebung bei möglichem akuten Herzinfarkt
BGH
Ein Arzt im vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst kann bei differenzialdiagnostischen Anzeichen für eine koronare Herzerkrankung (hier: einen akuten Herzinfarkt) zur Befunderhebung (Ausschlussdiagnostik) und damit zur Einweisung des Patienten in ein Krankenhaus verpflichtet sein.

Sorgfalts- und Handlungspflichten bei einer Problemgeburt
OLG Koblenz
1. Zeigt das vorgeburtliche CTG über 2 Stunden mehrmals kritische Abfälle der Herzfrequenz des Kindes und versäumt der Arzt eine Blutanalyse und rasche Einleitung der Geburt, kann darin ein grober Behandlungsfehler liegen, der zu einer Beweislastumkehr führt.
2. Wird die Geburt von einer Ärztin mit 4-jähriger Berufserfahrung geleitet, können deren grob fehlerhafte Versäumnisse einer Hebamme nicht zugerechnet werden, wenn das Vorgehen der Ärztin sich der Hebamme nicht als schlechterdings unvertretbar mit dem Erfordernis sofortiger Intervention darstellte. Eine Beweislastumkehr zum Nachteil der Ärztin erstreckt sich daher nicht ohne weiteres auf die Hebamme.
3. Der Ausfall eines Messgerätes kann dem Arzt nicht zugerechnet werden, solange kein Anhalt besteht, dass ein Schaden am Messgerät absehbar war.
4. Haben mehrere widerstreitende Gutachten im Arzthaftungsprozess nicht zu einer tragfähigen Entscheidungsgrundlage geführt, kann es geboten sein, eine verlässliche Klärung der medizinischen Zweifelsfragen durch eine gerichtliche Anhörung aller Sachverständigen in einem einzigen Termin herbeizuführen.

Mutmaßliche Einwilligung des Patienten in Erweiterung eines zahnärztlichen Eingriffs
OLG Naumburg
Mutmaßliche Einwilligung des Patienten in die Erweiterung eines zahnärztlichen Eingriffs (hier: Wurzelspitzenresektion) bei intraoperativer Entdeckung einer Knochenzyste im Bereich der Zahnwurzel.

Wird eine Überweisung zur Ausführung einer konkreten Diagnosemaßnahme vorgenommen, so darf nur diese ärztliche Leistung vorgenommen werden
OLG Naumburg
Bei einer Überweisung eines Patienten zu einer Befunderhebung richtet sich der Umfang der geschuldeten ärztlichen Leistungen nach dem in der Überweisung genannten Auftrag. Erfolgt eine Überweisung zur eigenverantwortlichen Abklärung einer Verdachtsdiagnose, so entsteht mit der Übernahme dieses Auftrags eine Verpflichtung zur Erhebung aller notwendigen Befunde, um den Verdacht entweder zu bestätigen oder auszuschließen. Der Überweisungsauftrag umfasst dann auch die vollständige Auswertung der erhobenen Befunde. Wird hingegen die Überweisung zur Ausführung einer konkret benannten Diagnosemaßnahme vorgenommen, so beschränkt sich die geschuldete und erlaubte ärztliche Leistung auf diese Maßnahme. Es bleibt Sache des überweisenden Arztes, die Ergebnisse der Befunderhebung zu interpretieren und hieraus z. Bsp. therapeutische Schlussfolgerungen abzuleiten. Der hier vorliegende Überweisungsauftrag „CT BWS/LWS - ossär metatast. PCA - beg. Querschnittssymptomatik" ist ein beschränkter Auftrag im letzt genannten Sinne.

Vor dem Legen einer Cerclage muss die Schwangere über Risiken und Behandlungsalternativen umfassend aufgeklärt werden
OLG Celle
1. Vor dem Legen einer Cerclage - einer schwangerschaftverlängernden Maßnahme - muss die Schwangere über die damit verbundenen Risiken und über mögliche Behandlungsalternativen wie Beckenhochlagerung, Tokolyse und prophylaktische Antibiose umfassend aufgeklärt werden.
2. Der aus dem Aufklärungsfehler folgende Ersatzanspruch umfasst den Schaden, der den Eltern hinsichtlich der Unterhaltslast des schwerstgeschädigt geborenen Kindes entsteht. Dem Kind selbst stehen keine Schadensersatzansprüche zu.

Der Einwand der hypothetischen Einwilligung des Patienten muss von der Behandlerseite schon in der ersten Instanz vorgetragen werden
OLG Oldenburg
Der Einwand, der Patient hätte sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung für den Eingriff entschieden, kann nicht erstmals in der Berufungsinstanz erhoben werden.

Zur Reichweite der Beweiserleichterungen nach einem groben Behandlungsfehler des Arztes
OLG Koblenz
1. Ein grober Behandlungsfehler führt auch dann zur Umkehr der Beweislast für den Ursachenzusammenhang, wenn er die eingetretene Schädigung nur zusammen mit einer bereits vorhandenen anderen, dem Arzt nicht anzulastenden Ursache herbeizuführen geeignet ist (hier: wiederholte Ovarialzysten nach versäumter Antibiotikatherapie).
2. Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast sind nach einem groben Behandlungsfehler erst dann ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist.

Keine generelle Verpflichtung zur Durchführung von Allergietests vor dem Einbringen von Zahnersatz
OLG Oldenburg
1. Liegen keine konkreten Anhaltspunkte für etwaige Unverträglichkeiten vor, so besteht für den Zahnarzt keine Verpflichtung zur Durchführung von Allergietests vor dem Einbringen von Zahnersatz.
2. Dass es bei einer implantatgetragenen Zahnersatzkonstruktion zu galvanischen Strömungen geringster Stärke im Mund kommt, stellt keinen Behandlungsfehler dar, sondern ist regelmäßige Folge der notwendigen Verwendung unterschiedlicher Metalle, ohne dass hiermit medizinisch relevante Auswirkungen verbunden wären.

Tinnitusbehandlung stationär für Zusatzversicherung nicht medizinisch notwendig
OLG Zweibrücken
1. Der Versicherer einer Krankheitskostenzusatzversicherung, der gemäß Tarif die von der gesetzlichen Krankenversicherung seines Versicherungsnehmers nicht erstatteten Aufwendungen für stationäre Heilbehandlung zu übernehmen hat, muss die Kosten für die stationäre Behandlung einer Tinnituserkrankung nicht übernehmen, wenn die Erkrankung durch eine ambulante Behandlung in gleicher Weise hätte geheilt werden können.
2. Übernimmt der Versicherer der Krankheitskostenzusatzversicherung Kosten einer stationären Behandlung nur, wenn zuvor die gesetzliche Krankenversicherung ihre Leistungen erbracht hat, oder 60% der Kosten, wenn die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen abgelehnt hat, dann kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der gesetzliche Krankenversicherer Leistungen abgelehnt hat.

Haftung für Behandlungsfehler des Durchgangsarztes
OLG Schleswig
1. Der Durchgangsarzt handelt in Ausübung eines öffentlichen Amts und haftet bei Fehlern dem Patienten gegenüber nicht persönlich. Ausgelöste Amtshaftungsansprüche sind allein gegen den Unfallversicherungsträger zu richten.
2. Entschließt sich der Durchgangsarzt nach der Entscheidung über das „ob" und „wie" der zu gewährenden Heilbehandlung aber, diese selbst in die Hand zu nehmen, haftet er privatrechtlich.
3. Besteht der Behandlungsfehler des Durchgangsarztes in der falschen Diagnose bei der Entscheidung zum „ob" und „wie" und setzt sich dieser Fehler in der weiteren Behandlung fort, dann bleibt er dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzuordnen.
4. Übernimmt der Durchgangsarzt nicht die allgemeine Heilbehandlung zählt auch die Überwachung des Heilerfolgs (so genannte Nachschau) zum öffentlich-rechtlichen Bereich.

Haftung des Krankenhauses sowie der dort angestellten Ärzten und Hebammen für Versäumnisse vor, während und nach einer Problemgeburt
OLG Koblenz
1. Zeigt das vorgeburtliche CTG über 2 Stunden mehrmals kritische Abfälle der Herzfrequenz des Kindes und versäumt der Arzt eine Blutanalyse und rasche Einleitung der Geburt, kann darin ein grober Behandlungsfehler liegen, der zu einer Beweislastumkehr führt.
2. Wird die Geburt von einer Ärztin mit 4-jähriger Berufserfahrung geleitet, können deren grob fehlerhafte Versäumnisse einer Hebamme nicht zugerechnet werden, wenn das Vorgehen der Ärztin sich der Hebamme nicht als schlechterdings unvertretbar mit dem Erfordernis sofortiger Intervention darstellte. Eine Beweislastumkehr zum Nachteil der Ärztin erstreckt sich daher nicht ohne Weiteres auf die Hebamme.
3. Der Ausfall eines Messgerätes kann dem Arzt nicht zugerechnet werden, so lange kein Anhalt besteht, dass ein Schaden am Messgerät absehbar war.
4. Haben mehrere widerstreitende Gutachten im Arzthaftungsprozess nicht zu einer tragfähigen Entscheidungsgrundlage geführt, kann es geboten sein, eine verlässliche Klärung der medizinischen Zweifelsfragen durch eine gerichtliche Anhörung aller Sachverständigen in einem einzigen Termin herbeizuführen.

Diagnosefehler eines Radiologen ist Hausarzt nur in Ausnahmefällen zuzurechnen
OLG Koblenz
1. Ein Hausarzt, der es unterlässt, das Ergebnis einer kurz zuvor durchgeführten radiologischen Untersuchung zu erfragen und zu berücksichtigen, haftet für Diagnosefehler in diesem Bereich nicht, wenn feststeht, dass der Radiologe dem Kollegen fehlerhaft mitgeteilt hätte, der Befund sei unverdächtig.
2. Nur wenn der Hausarzt ohne Weiteres erkennen musste, dass gewichtige Bedenken gegen das diagnostische und therapeutische Vorgehen des Radiologen bestanden, kommt eine Zurechnung des Diagnoseirrtums in Betracht.

15.000,00 € Schmerzensgeld für Hodenverlust
LG Regensburg
Führt ein schwerwiegender Behandlungsfehler zum Verlust eines Hodens, weil eine Hodentorsion nicht erkannt wurde, ist ein Schmerzensgeld von 15.000,00 € angemessen, wenn bei dem 14 Jahre alten Patienten (noch) keine psychischen Probleme aufgetreten sind. Eine Beeinträchtigung von Chancen bei der künftigen Partnersuche sind kaum vorstellbar.

Anspruch des Patienten auf vorübergehende Überlassung von Original-Röntgenunterlagen an seinen Anwalt
LG Kiel
Der Patient hat Anspruch darauf, dass der behandelnde Arzt Original-Röntgenaufnahmen dem bevollmächtigten Rechtsanwalt des Patienten zur Einsichtnahme vorübergehend zur Vorbereitung eines Rechtsstreits gegen einen anderen Arzt oder gegen eine Klinik überlässt.

Beweislast und gerichtliche Aufklärungspflicht im Arzthaftungsprozess bei Vier-Augen-Gespräch
OLG Koblenz
1. Behauptet der klagende Patient, er habe dem beklagten Arzt Tatsachen mitgeteilt, aus denen sich eine ergänzende Befunderhebungspflicht ergab, muss der Kläger dieses Vorbringen beweisen.
2. Da derartige Gespräche in der Regel unter vier Augen stattfinden, gebietet es die im Arzthaftungsprozess erweiterte gerichtliche Aufklärungspflicht, die Parteien zumindest nach § 141 ZPO persönlich anzuhören.
3. Bekundet der beklagte Arzt bei einer derartigen Anhörung das Gegenteil der Beweisbehauptung des klagenden Patienten, kann darin, das Fragen, Vorhalte und Anträge unterbleiben und stattdessen rügelos verhandelt wird, ein Verzicht auf einen zuvor gestellten Antrag auf Parteivernehmung nach § 445 ZPO gesehen werden.

Kein Behandlungsfehler bei Armplexusparese, wenn ermitteltes Geburtsgewicht durch Schwankung im sonographischen Befund zu niedrig ist
OLG Stuttgart
Auf Schmerzensgeld und Schadensersatz für eine bei der Geburt erlittene Armplexusparese besteht kein Anspruch, wenn sich dem behandelnden Arzt nach den Vorsorgeuntersuchungen kein Verdacht auf Makrosomie des Kindes aufdrängen musste. Konnte nach dem sonographischen Befund von einem Geburtsgewicht von ca. 3.900 Gramm ausgegangen werden, obwohl das Kind bei der Geburt tatsächlich 5.470 Gramm wog, liegt darin nicht unweigerlich ein fehlerhaftes Vorgehen bei der Ultraschalluntersuchung. Denn eine sonographische Messung zur Ermittlung des Geburtsgewichts unterliegt einer normalen Schwankungsbreite von 10 bis 20 Prozent und insbesondere bei Schätzgewichten über 4.000 Gramm sehr großen Ungenauigkeiten.

Zahnarzthaftung bei mangelhafter Prothetik
OLG Koblenz
1. Ist eine Prothetik mangelhaft, muss der erstbehandelnde Zahnarzt Fehler und Versäumnisse nachbehandelnder Kollegen substantiiert darlegen, in deren Verantwortlichkeit nach der Art des Mangels fern liegt.
2. Mängel der Prothetik können den Vertragsrücktritt des Patienten rechtfertigen und verpflichten den Zahnarzt zur Rückzahlung der Vergütung.
3. Haftet der Zahnarzt nicht nur aus Vertrag, sondern auch aus unerlaubter Handlung, erstreckt sich seine Ersatzpflicht ohne weiteres auf die vorprozessualen Anwaltskosten des Patienten.

Heilbehandlungsarzt einer Berufsgenossenschaft haftet bei unterlassener Überweisung persönlich
OLG Karlsruhe
Ein bei einer Berufsgenossenschaft zugelassener Heilbehandlungsarzt, der aufgrund eines Diagnoseirrtums einen Patienten mit einer Verrenkung des Handgelenks und Bänderrissen nicht an ein Krankenhaus überweist, haftet für die Folgen persönlich und nicht etwa die Berufsgenossenschaft. Er darf im Gegensatz zu einem Durchgangsarzt nach den Regelungen des Vertrages "Ärzte/Unfallsicherungsträger" grundsätzlich nur leichte Fälle selbst behandeln und hat alle anderen Patienten unverzüglich einem Durchgangsarzt vorzustellen.

Haftung für fehlerhaften Herzschrittmacher
OLG Frankfurt
Zur Haftung nach § 8 Satz 2 Produkthaftungsgesetz für einen fehlerhaften Herzschrittmacher

Wie können wir Ihnen helfen?

Gerne nehmen wir Ihre Anfrage entgegen. Damit wir Ihnen so schnell wie möglich antworten können, benötigen wir nur Ihre Kontaktdaten.
Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten bei Nutzung dieses Kontaktformulars finden Sie unter dem Menüpunkt Datenschutz.

Kontaktformular

fieldset
captcha

Koblenz
Mainzer Straße 108
56068 Koblenz
Telefon 0261 3013 0
Telefax 0261 3013 23
koblenz@SPAMPROTECTIONkunzrechtsanwaelte.de

 

Köln
Antoniterstraße 14-16
50667 Köln
Telefon 0221 9218010
Telefax 0221 9218019
koeln@SPAMPROTECTIONkunzrechtsanwaelte.de

Mainz
Haifa-Allee 38
55128 Mainz
Telefon 06131 97176-70
Telefax 06131 971767-71
mainz@SPAMPROTECTIONkunzrechtsanwaelte.de

 

Düsseldorf
Steinstraße 20
40212 Düsseldorf
Telefon 0211 8909464-0
Telefax 0211 8909464-9
duesseldorf@SPAMPROTECTIONkunzrechtsanwaelte.de

Frankfurt
Speicherstraße 53
60327 Frankfurt am Main
Telefon 06995 951-0
Telefax 06995 9511-00
frankfurt@SPAMPROTECTIONkunzrechtsanwaelte.de

 

Stuttgart
Calwer Str. 11
70173 Stuttgart
Tel +49 711 860 6790
Fax +49 711 9533 8724
stuttgart@SPAMPROTECTIONkunzrechtsanwaelte.de