Veranstaltungsbericht Circular Valley Forum 2023

- Vom Schatz Abwasser und zirkulären Innovationen (seit über 100 Jahren) -

Am 16. November fand in der Historischen Stadthalle Wuppertal das Circular Valley Forum 2023 statt. Es bot einen umfassenden Einblick in die neuesten Entwicklungen und Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft. Das Forum versteht sich als globales Gipfeltreffen der Kreislaufwirtschaft. Über 1000 Teilnehmer nahmen an der Veranstaltung teil; auch die regionale und überregionale Presse berichtete, inklusive der ZEIT, über das Forum. Für KUNZ Rechtsanwälte und unseren Kompetenzbereich "Umwelt, Klima & Energie" nahm Rechtsanwältin Dr. Antonia Schlicht teil und berichtet nachfolgend über Trends und Fakten im Kreislaufwirtschaftsrecht.

Die Panels des diesjährigen Forums thematisierten eine breite Palette an Themen, wie erneuerbare Energien, unternehmensübergreifende und europaweite Zusammenarbeit, die Finanzierung der Circular Economy sowie die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Jedes Panel bot hochrangigen Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eine Plattform, um aktuelle Erkenntnisse und Lösungen zu diskutieren.

In seiner Keynote betonte Dr. Harald Schwager (Evonik) die bedeutende Rolle der chemischen Industrie für die Kreislaufwirtschaft, inklusive ihrer Rolle für das chemische Recycling und konstatierte: „Ohne Chemie keine nachhaltige Entwicklung“. Aus seiner Sicht trägt die Industrie für die Wirtschaft, den Staat und die Gesellschaft in Deutschland eine soziale Verantwortung, der sie auch aus eigener Kraft gerecht werden kann.

Das folgende Panel über erneuerbare Energien vertiefte die Diskussion über nachhaltige Energiequellen und ihre Integration in die Kreislaufwirtschaft. Im Fokus standen – angesichts des „Aus“ für die Atomkraft – Photovoltaik-Anlagen für Privathaushalte und, nach Aussage des Staatssekretärs Höller, Wasserstoff für die Industrie. Gerade die derzeitige Produktionsmenge von PV-Anlagen in China (die Ankündigung lautet auf eine Produktionskapazität von 1000 GWh pro Jahr bis 2026) würden sich auf den Energiebepreisung auswirken. Das gleiche gelte im Bereich der Batterien. Bei der kommunalen Wärmeplanung sieht Hilkenbach von den Wasserwerken Wuppertal ein Thema mit „kommunaler Sprengstoffqualität“. Wendler, CEO von BP Europa, strich heraus, dass das Unternehmen selbst zukünftig vor allem mit Bioenergie, Elektromobilität, Wasserstoff und Windkraft in der Nordsee Geld verdienen würde. Die größten Umsetzungshürden seien dabei die legislativen und bürokratischen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa. Als Beispiel nannte er die erhebliche Dauer europäischer Förderbescheide und auf nationaler Ebene der Genehmigung von Bauvorhaben. Das gleiche gelte für die notwendigen Netzanschlüsse für E-Tankstellen.

An dem Panel zum zirkulären Wirtschaften auf Unternehmensebene waren Vertreter von Unternehmen wie BVB, Volkswagen, Becker Group, Erfurt & Sohn KG, Pöppelmann GmbH & Co. KG, Emschergenossenschaft, Vorwerk Elektrowerke, ZINQ und auch das MUNV NRW beteiligt. Im Fokus standen hier innovative Ideen, die es mit unternehmerischem Mut ermöglichten, Kreisläufe zu erkennen und zu etablieren, um auf diese Weise erfolgreich zu wirtschaften. In Erinnerung bleibt die Aussage von Professor Dr. Paetzel von der Emschergenossenschaft, der vom „Schatz Abwasser“ sprach und sich fragt, wie dieser Schatz der Industrie zur Verfügung gestellt werde kann. Für Baumgürtel von ZINQ gewinnt das chemische Recycling an Bedeutung. Er appellierte an die Unternehmen, ihre Produkte neu zu denken: Durch Kreislaufwirtschaft könne das Spannungsfeld von Nachhaltigkeit auf der einen und den Bedürfnissen der energie- und rohstoffbedürftigen Industrien auf der anderen Seite aufgelöst werden. Becker strich den Übergang von Produkt hin zu Dienstleistung heraus – also die Verpflichtung eines Unternehmens fortwährend Verantwortung für das Produkt zu übernehmen. Lesch von Pöppelmann sieht Kunststoff als das Material der Zukunft und der Klimawende. Bereits während dieses Panels betonte insbesondere Poppen von Vorwerk, dass es beim „Design für Kreislaufwirtschaft“ auf den engen Austausch mit Entsorgungsunter­nehmen ankommt.

Dieser kommunikative Aspekt war auch das zentrale Thema des Panels zur Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette, an dem Vertreter von Bayer Group Science, Plastics Europe Deutschland, Henkel Consumer Brands, Vorwerk SE und DSD/Der Grüne Punkt teilnahmen. Es stellte sich heraus, dass die Zusammenarbeit mit der Entsorgungsbranche sehr gewinn­bringend für beide Seiten, aber gleichzeitig nicht ohne Spannungen bleibt. Die kontroverse Diskussion drehte sich um das Thema des chemischen Recyclings. Die Spannungen zeigten sich während der Diskussion unter anderem in einer Wortmeldung des Betreibers einer chemischen Recyclinganlage. In diesem Panel wurde erstmals die staatliche Regulatorik nicht ausschließlich als Hindernis begriffen, sondern von Helftewes, Geschäftsführer des DSD/Der Grüne Punkt, als entscheidender Impulsgeber erwähnt. Die Rolle der Regulatorik sollte darin bestehen, das Verhältnis der Preise von Neuprodukten und Rezyklaten zu verändern. Einhellige Meinung bestand darüber, dass Subventionen für Primärmaterialien abgebaut werden sollten.

Im Panel für das Management großer Stoffströme im Bereich des Bauens in der Kreislaufwirt­schaft waren unter anderem Vertreter von MHKDB, der Autobahn GmbH des Bundes, Vonovia, der Hagedorn Holding, Vertiko und Holcim Deutschland vertreten. Der Diskussion wurde die Bedeutung der Bauwirtschaft – Gebäude wie Straßenbau – für die globale Umwelt- und Klima­belastung vorangestellt. Angestoßen von der ersten Wortmeldung Adlers, Autobahn GmbH, demzufolge es der Politik obliege, die bauvertragliche Gleichstellung zwischen neuen und recycelten Baustoffen sicherzustellen, nahmen die Panelisten die Ersatzbaustoffverordnung in den Blick. Sowohl wirtschaftliche als auch Vertreter der Exekutive bezeichneten diese einstimmig als „nicht gerade ideal“ – sie sei als Umweltschutz gedacht und verhindere gleichzeitig in einigen Bereichen Umweltschutz. Buch von Vonovia betonte das unternehmeri­sche Engagement im Holzbau. Dieses Engagement sei auch durch die Taxonomiekriterien und anstehende Finanzierungen motiviert. Hülswig, CEO von Schüttflix setzte sich dafür ein, bereits auf der Baustelle Baustoffe – ähnlich wie in privaten Küchen – getrennt zu sammeln. In Erinnerung geblieben ist die Vielzahl an technisch bereits umsetzbaren Möglichkeiten der CO2- und Materialeinsparung, die Hahn, CEO von Holcim, auflistete.

Beim Panel der Außen-Innensicht auf die Kreislaufwirtschaft, das mit Vertretern von Kearney, der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis und EY Schweiz besetzt war, standen die Umsetzungshürden im Zentrum der Diskussion. Für Dr. Zah von EY Schweiz lag der Fokus auf dem Mangel an Transparenz und Nachweisbarkeit von „grünen“ Produkten. Er arbeite derzeit mit der europäischen Stahlindustrie an einem privaten Zertifikat, um unter anderem die CO2-Einsparung des rezyklierten Stahls kenntlich und wirtschaftlich handelbar zu machen. Kunden sind laut seiner Aussage bereit, für eine decarbonisierte Lieferkette wesentlich mehr zu zahlen (er sprach von 30 %). Für alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion war offensichtlich, dass für den Umstieg eines Produkts oder einer Marke auf die Kreislaufwirtschaft klare KPIs formuliert und ein überzeugender Businessplan geschrieben werden müssen (letztlich um den Aufsichtsrat zu überzeugen). In der anschließenden Diskussion wurde die fehlende Rückver­sicherung als größtes Hindernis für den Übergang zu einer zirkulären Wirtschaft identifiziert – viele Ideen scheiterten bereits an der unternehmensinternen Risikoabteilung. Römer,Partner bei Kearney, appellierte an die Unternehmen, die eigene Lieferkette zu durchleuchten und mutig zu sein, Prozesse zu hinterfragen,

Der Courage widmete sich auch das Abschlusspanel – hier allerdings mit Blick auf die behördliche Seite der Kreislaufwirtschaft. Anwesend waren u.a. der Umweltminister von Nordrhein-Westfalen, der Regierungspräsident der Bezirksregierung Düsseldorf und der Ressortleiter für den Bereich Bauen & Wohnen der Stadt Wuppertal. Die Behördenleiter ermutigten die einzelnen behördlichen Entscheidungsträger dazu, Entscheidungen „einfach“ zu treffen und der vorangegangenen eigenen Sachverhaltsaufklärung zu vertrauen – anstatt immer neue Unterlagen und Gutachten einzufordern. Hierbei sei es wichtig, eine gesunde Fehlerkultur innerhalb der Behörden zu etablieren und dem einzelnen Entscheider Rückhalt zuzusichern. An die Adresse der Antragsteller erging die Aufforderung, frühzeitig mit den Behörden in Kontakt zu treten und ihre Antragsunterlagen in der erforderlichen Qualität so früh wie möglich einzureichen.

Zusätzlich zu diesen informativen Panels präsentierte das Circular Valley Forum 14 internationale Startups, die durch das Circular-Valley-Förderprogramm unterstützt werden. Diese Startups faszinierten mit innovativen Geschäftsmodellen, die von recycelbaren Flügeln für Windkrafträder bis zu Bauteilen aus modifiziertem Bambus reichten.

Die Veranstaltung nutzte auch Kunst, um die Botschaft der Kreislaufwirtschaft zu transpor­tieren. Es wurden Werke von Tony Cragg und HA Schult ausgestellt.

Mit einem Ausblick auf die kommende Ausgabe im Jahr 2024, die am 15. November stattfinden wird, beendete das Circular Valley Forum 2023 seine diesjährige Veranstaltung. Es hinterließ den Eindruck, seinem Anspruch gerecht zu werden und Treffpunkt für die Akteure der Kreislaufwirtschaft zu sein.


Ihre Ansprechpartnerin:

Dr. Antonia Schlicht
Rechtsanwältin