Absage von Veranstaltungen wegen Corona – Was kann der Vertragspartner verlangen?

Die Corona-Krise ist auch eine Zeit der Absagen. Wegen den Auswirkungen der Krise sagen viele Veranstalter die von Ihnen geplanten Veranstaltungen (z.B. Kongresse, Firmen-Events, Tagungen, etc.) ab. Mit dieser Absage geht naturgemäß auch das Interesse an den für die Veranstaltung gebuchten Leistungen verloren. Bei den Leistungen geht es nicht selten um hohe Summen. Für eine mehrtägige Tagung mit Übernachtung und Catering können schnell mittlere fünfstellige Beträge zusammenkommen. Gerade in der Krise, wo viele Unternehmen in eine finanziell ungewisse Zukunft blicken, stellt sich deshalb für den Veranstalter die Frage, ob und in welcher Höhe der Vertragspartner bei einer Absage oder Nichtinanspruchnahme der Leistungen Forderungen an den Veranstalter stellen kann. Dabei sind unterschiedliche Aspekte in den Blick zu nehmen. Einige davon möchten wir im Folgenden beleuchten:
 

1. Darf der Vertragspartner die gebuchte Leistung noch erbringen?

Häufig hat der Vertragspartner in der Krise das Problem, die von ihm zu erbringende Leistung nicht mehr erbringen zu dürfen, weil diese in der Krise untersagt sind. Bei der Beurteilung ist auf den genauen Leistungszeitpunkt abzustellen, da sich von einem auf den anderen Tag eine andere Beurteilung ergeben kann. Hierbei ist ebenfalls darauf zu achten, dass im Einzelfall regional unterschiedliche Regelungen gelten können. Deshalb ist es wichtig, sich in jedem einzelnen Fall einen Überblick über die geltenden Regelungen zu verschaffen.

Kann bzw. darf der Vertragspartner seine Leistung nicht erbringen (§ 275 BGB), so verliert er grundsätzlich auch den Anspruch auf die Gegenleistung (das vereinbarte Entgelt, § 326 BGB). In diesen Fällen sind Forderungen des Vertragspartners in der Regel unberechtigt.
 

2. Wegfall der Geschäftsgrundlage

Darf der Vertragspartner seine Leistung erbringen, besteht jedoch von Seiten des Veranstalters kein Interesse mehr an der Leistung (z.B., weil Veranstaltungen untersagt worden sind), ist zu prüfen, ob dadurch die „Grundlage“ des zwischen beiden Parteien geschlossenen Vertrages (des „Geschäfts“) weggefallen ist. Zu beachten ist jedoch, dass Grundlage des Vertrages nur gemeinsame Vorstellungen der Vertragsparteien sein können. Einseitige und für den Vertragspartner nicht erkennbare Erwartungen an einen Vertrag genügen insoweit nicht.

Ist dem Vertragspartner beispielsweise bekannt, dass die von ihm zu erbringenden Leistungen für eine Veranstaltung des Auftraggebers eingekauft worden sind und ist sein Geschäftsmodell auf Veranstaltungen ausgerichtet, so spricht vieles dafür, dass beide Seiten bei Vertragsschluss vorausgesetzt haben, dass die Durchführung von Veranstaltungen in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich möglich ist. Andernfalls wäre die Leistung weder angeboten, noch eingekauft worden und damit der Vertrag nicht zustande gekommen. Durch das generelle Verbot von Veranstaltungen ist diese Grundlage weggefallen.

Kann dem Veranstalter deshalb unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls das Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zugemutet werden, so kann dieser grundsätzlich eine Anpassung des Vertrages an die veränderten Umstände verlangen (§ 313 BGB). Durch dieses Instrument wollte der Gesetzgeber eine Möglichkeit schaffen, um bei schwerwiegenden Veränderungen der den Vertrag prägenden Umstände eine faire Lösung für beide Seiten schaffen zu können und einseitige Benachteiligungen einer Vertragspartei zu vermeiden. Welche Anpassung der Auftraggeber verlangen kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Kann die geplante Veranstaltung beispielsweise zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, so kann eine Anpassung der Leistungszeit in Betracht kommen.

Auch für die Beurteilung, ob die Grundlage des Vertrages weggefallen ist, ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung maßgeblich. Auch hier kann sich von einem auf den anderen Tag die Rechtslage ändern.
 

3. Vertragliche Vereinbarungen beachten

Von den oben dargestellten Grundsätzen können sich im Einzelfall Abweichungen aufgrund der zwischen dem Veranstalter und dem Vertragspartner getroffenen vertraglichen Regelungen ergeben. Demnach ist insbesondere zu prüfen, ob in Bezug auf die zur Leistungsfreiheit (Ziffer 1) oder zum Wegfall der Geschäftsgrundlage (Ziffer 2) führenden Umstände eine abweichende Regelung in den vertraglichen Regelungen enthalten ist. Ist dies der Fall und sind die vertraglichen Regelungen wirksam, so gehen diese den vorgenannten Grundsätzen vor.
 

4. Was gilt bei Stornierungsklauseln?

In vielen vertraglichen Vereinbarungen sind Stornierungsklauseln enthalten. Derartige Klauseln führen bei einer Absage des Veranstalters (sog. Rücktritt) zu einer Auflösung des Vertrages und gewähren dem Vertragspartner einen pauschalierten Schadensersatz. Nach unserer Erfahrung sind regelmäßig Bedenken gegen die Wirksamkeit von Stornierungsklauseln angebracht, weshalb die Wirksamkeit einer Prüfung unterzogen werden sollte.

Wirksame Stornierungsklauseln gestatten dem Auftraggeber/Veranstalter im Übrigen den Nachweis, dass dem Vertragspartner ein geringerer Schaden entstanden ist. Wird nach der Absage die Leistung des Vertragspartners verboten, so kann sich der Veranstalter im Rahmen dieses Nachweises nachträglich darauf berufen, dass dem Vertragspartner kein Schaden entstanden ist, da er die Leistung nicht hätte erbringen können und ihm deshalb kein Anspruch auf Vergütung zugestanden hätte.

Anders kann die Beurteilung jedoch bei einem nachträglichen Wegfall der Geschäftsgrundlage ausfallen. Da die Regelung über den Wegfall der Geschäftsgrundlage grundsätzlich auf eine Anpassung des Vertrages ausgerichtet sind, hängt nach unserer Auffassung ein nachträgliches Berufen auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage davon ab, welche Vertragsanpassung der Veranstalter von dem Vertragspartner hätte verlangen können. Um sich deshalb keine rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten abzuschneiden, sollte vor einer Absage abgewogen werden, ob mit der Erklärung an den Vertragspartner nicht noch abgewartet werden kann.
 

5. Vorsicht bei einer vorschnellen Einigung

Eine Einigung mit dem Vertragspartner sollte wohl überlegt sein. Treffen die Vertragsparteien über die Absage der Leistungen (ggf. gegen Zahlung eines reduzierten Entgelts) eine Vereinbarung, so sind beide Seiten grundsätzlich auch bei einer nachträglichen Veränderung der Sach- und Rechtslage an die getroffene Vereinbarung gebunden. Eine solche Vereinbarung liegt bereits regelmäßig dann vor, wenn der Vertragspartner dem Veranstalter eine reduzierte Zahlung des vereinbarten Entgelts anbietet und dieser dem Betrag zustimmt. Dies kann auch konkludent geschehen. Bei der Kommunikation mit dem Vertragspartner ist demnach Vorsicht geboten.

Aus den vorgenannten Gründen empfehlen wir, sich bereits vor der Kontaktaufnahme mit dem Vertragspartner wegen der Absage der Leistungen einen Überblick über die Sach- und Rechtslage zu verschaffen.

 

Ihr Ansprechpartner:

RA Stefan Ströhm