Der Klimawandel hat die Kommunen erreicht: Hitzetage, Tropennächte, Starkregenereignisse, Extremniederschläge, Sturzfluten, Hochwasserrisiken, Kälteeinbrüche mit viel Schnee – die Liste der gravierenden Auswirkungen ist lang. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Klimabeschluss vom 24. März 2021 (AZ 1 BvR 2656/18) entschieden, dass der Staat aufgrund der aus den Grundrechten abgeleiteten Schutzpflicht gefordert ist, „Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen“. Auch § 3 Abs. 2 des Klimaanpassungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (KlAnG) normiert, dass die Anpassungen an den Klimawandel unter anderem auch der Gefahrenvorsorge, der Gesundheit von Einzelpersonen und der Allgemeinheit, der Sicherung einer menschenwürdigen Umwelt, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sowie der Förderung einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft dienen. Nach § 6 Abs. 1 KlAnG müssen die Träger öffentlicher Aufgaben diese Ziele bei ihrer Planung und Entscheidungsfindung berücksichtigen.
Die Kommunen erhalten für ihre Planung nicht nur durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und den Landesgesetzgeber Rückenwind. Auf EU-Ebene wurde in den letzten Jahren die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (COM(2022) 304 final) als legislatives Großprojekt verhandelt. Der politische Kompromiss wurde im November 2023 geschlossen, sodass die finalen Abstimmungen bereits im Februar und März 2024 anstehen. Art. 6 der Verordnung verpflichtet die Mitgliedsstaaten verbindlich, bis 2040 städtische Grünflächen um 3% und bis 2050 um 5% sowie die städtische Baumüberschirmung ebenfalls um 10% bis 2050 auszudehnen. Mit Hilfe des Copernicus-Systems wird die Umsetzung überwacht, und die Mitgliedstaaten müssen alle drei Jahre über die Fortschritte berichten.
Empfehlungen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um Städte klimaresilient zu gestalten, häufen sich. Eine klingt dabei attraktiver als die andere: Schwammstädte, „sponge cities“, Gartenstädte und „Stadt in einem Garten“. Vor dem inneren Augen leben bei solchen Begriffen Pressebilder von Singapur auf. Doch welche Ideen sind in Deutschland rechtlich umsetzbar? Dabei müssen der Umfang der (landesrechtlichen) Ermächtigungsgrundlage im Falle von Gestaltungssatzungen, der baurechtliche Bestandsschutz und die Eigentumsfreiheit beachtet werden.
Die meisten Kommunen haben ihre Gebührenordnung bereits dahingehend angepasst, dass unter anderem bei Retentionsgründächern die Abwassergebühren zum Teil entfallen. Zudem machen sie bei der Aufstellung von Bebauungsplänen von den Festsetzungen zur Klimaanpassung Gebrauch (unter anderen von folgenden Festsetzungen: § 9 Abs. 1 Nr. 15, 16d, 25a, 25b BauGB). Um die private Fassaden- und Dachbegrünung zu incentivieren, haben einige Städte und Gemeinden Förderprogramme aufgestellt. Außerdem werden die gesetzlichen Vorgaben zur wasseraufnahmefähigen und begrünten Gestaltung von Grundstücksfreiflächen, wie das Verbot von Schottergärten (§ 8 Abs. 1 BauO NRW) mit Ordnungsverfügungen durchgesetzt.
Allerdings haben bisher nur wenige Kommunen Gestaltungssatzungen als örtliche Bauvorschriften zur Klimaanpassung erlassen. Laut dem „Marktreport 2023“ des Bundesverbands Gebäudegrün e.V. hatten im Jahr 2023 etwa 13% der Kommunen mit über 50.000 Einwohnern eine Gründachsatzung und 9% eine Fassadengrünsatzung aufgestellt. Derzeit befinden sich solche Gestaltungssatzungen bei 13% der Städte in Planung.
Die bisher erlassenen oder geplanten Gestaltungssatzungen, die Vorgaben zu Begrünung baulicher Anlagen enthalten, werden von zwei Seiten politisch angegriffen. Die eine Seite kritisiert, dass die Maßgaben nicht weit genug gehen, die andere Seite bemängelt, dass die getroffenen Maßnahmen in ungerechtfertigter Weise in die Eigentumsfreiheit eingreifen, insbesondere, dass die Maßnahmen in keinem angemessenen Verhältnis zu den zu erwartenden Wirkungen stehen.
Nach dem überwiegenden Teil landesrechtlicher Regelungen zu örtlichen Bauvorschriften ist die „Begrünung baulicher Anlagen“ im Wege einer Gestaltungssatzung möglich (§ 86 Abs. 1 Nr. 7 MBO, § 89 Abs 1 Nr. 7 BauO NRW und § 88 Abs. 1 Nr. 7 LBauO RLP, jedoch ergänzt um „die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern“). Hierbei sind insbesondere die Begrünung von Dächern und Fassaden gemeint. Des Weiteren besteht die Möglichkeit die Beschaffenheit von KFZ- und Fahrradstellplätzen (§ 89 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BauO NRW und § 88 Abs. 1 Nr. 3 LBauO RLP) sowie von Stellplätzen für bewegliche Abfalleimer (§ 89 Abs. 1 Nr. 5 BauO NRW) zu regeln. Die Kommune kann sich auf die landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage berufen, solange sie ein gestalterisches Konzept verfolgt und nicht die bodenrechtliche Nutzung regelt („bodenrechtliche Regelung im Gewand einer Bauvorschrift“). Der bayerische Gesetzgeber beschreibt dies in der Gesetzesbegründung zur Ermächtigungsgrundlage „Begrünung baulicher Anlangen“ so: Das Satzungsrecht beziehe sich auf die Baugestaltung einzelner Bauten. Allgemeine städtebauliche Überlegungen wie „mehr Grün in der Stadt“ fielen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Landesrecht (LT-Drs. 17/21574 S. 19). Handelt die Kommune im Rahmen der Ermächtigung, hat sie planerisches Gestaltungsermessen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 09.02.2000 – 7 A 2386/98). Es ist noch nicht gerichtlich geklärt, wie weit die Gemeinde mit den Vorschriften gehen darf. Es ist unklar, ob z.B. auch Pflege- und Pflanzhinweise sowie verbindliche Pflanzenlisten ebenfalls unter diese Ermächtigung fallen.
Ist die Hürde der Ermächtigungsgrundlage genommen, stellen sich schwerwiegendere rechtliche Herausforderungen. Die örtlichen Bauvorschriften bewegen sich im Spannungsfeld zwischen der Bestimmtheit der Norm – also wie genau die Vorschrift formuliert ist – und den zu rechtfertigenden Eingriffen in die Eigentumsfreiheit – also ob die Vorschrift mit detaillierten Vorgaben noch sachlich geboten ist. Zusätzlich besteht das Spannungsfeld der freien Verfügung des Eigentümers über sein Grundstück und dem Interesse der Allgemeinheit an einer klimaangepassten Gestaltungspflege der Stadt. Hier ist wichtig, jede einzelne Vorgabe auf ihre Verhältnismäßigkeit „abzuklopfen“ und zugleich die bauordnungsrechtliche Trias „Belichtung, Belüftung, Verschattung“ im Blick zu halten. Es bietet sich zum Beispiel an, die Vorgaben nach Baugebieten zu differenzieren (vgl. BVerwG Urt. v. 28.04.1972 – IV C 11.69). Die Satzung der Stadt Speyer in der Fassung von 2021 sieht dies so vor. Auch Ausnahmeregelungen für unverhältnismäßige Belastungen im Einzelfall können die Eingriffe ebenso abmildern, wie kommunale Förderprogramme.
Dies zeigt, dass eine kommunale Klimaanpassungspolitik durch örtliche Bauvorschriften rechtlich umsetzbar ist. Allerdings bedarf ihre Ausgestaltung im Einzelfall einer detaillierten Prüfung, um unverhältnismäßige Eingriffe in die Eigentumsfreiheit der Bürger zu vermeiden. Nur so können letztlich auch Rat und Bürgerschaft von dem jeweiligen Satzungsentwurf überzeugt werden.
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Dr. Antonia Schlicht
Rechtsanwältin