Der zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Urteil vom 30.01.2025 – Az. 2 AZR 68/24 – dargelegt, dass der Nachweis des Kündigungszugangs durch Einwurfeinschreiben ohne Auslieferungsbeleg nicht gelingt.
Der Arbeitgeber hatte eine Kündigung durch Einwurfeinschreiben versendet. Die Arbeitnehmerin bestritt den Zugang der Kündigung. Dieser war hier im Besonderen wegen der Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB relevant und ist ansonsten – im Fall einer ordentlichen Kündigung – zumindest auch für Beginn und Ablauf der Kündigungsfrist und der damit zusammenhängenden Lohnzahlung maßgeblich.
Im Kündigungsschutzprozess legte der Arbeitgeber, der für den Zugang der Kündigung als für ihn günstige Tatsache die Darlegungs- und Beweislast trägt, den Einlieferungsbeleg eines Einwurfeinschreibens zusammen mit einem im Internet abgefragten Sendungsstatus vor und berief sich auf einen hierdurch bewirkten Anscheinsbeweis.
Zu Unrecht, wie das BAG feststellte.
Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Abwesenden zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen.
Zum Bereich des Empfängers gehören von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie insbesondere (s)ein Briefkasten.
Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist.
Die bloße Vorlage des Einlieferungsbelegs eines Einwurf-Einschreibens und die Darstellung seines Sendungsverlaufs begründen für sich allein genommen ohne die Vorlage einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs keinen Anscheinsbeweis für einen Zugang der eingelieferten Postsendung beim Empfänger.
Das BAG hierzu wörtlich:
„Jedenfalls genügt der von der Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens, aus dem neben dem Datum und der Uhrzeit der Einlieferung die jeweilige Postfiliale und die Sendungsnummer ersichtlich sind, zusammen mit einem von der Beklagten im Internet abgefragten Sendungsstatus („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt.“) nicht für einen Beweis des ersten Anscheins, dass das Schreiben der Klägerin tatsächlich zugegangen ist.
Eine „signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Zugang der Sendung beim gewollten Empfänger des Einwurf-Einschreibens“ gegenüber einfachen Briefen sei trotz Vorlage des Einlieferungsbelegs nicht begründet.
Der Sendungsstatus sei kein Ersatz für den Auslieferungsbeleg. „Er sagt nichts darüber aus, ob der Zusteller tatsächlich eine besondere Aufmerksamkeit auf die konkrete Zustellung gerichtet hat, die den Schluss rechtfertigen würde, dass die eingelieferte Sendung in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist.“
Keine Klarheit hinsichtlich der Anforderungen an das Zustellungsverfahren
Leider ließ das Bundesarbeitsgericht an dieser Stelle offen, ob es das vom Bundesgerichtshof anerkannte Verfahren für die Zustellung der eingelieferten Postsendung ebenfalls anerkennen würde, da es hierauf nicht entscheidungserheblich ankam.
Der Bundesgerichtshof hatte in seinen Entscheidungen ein Zustellverfahren zu beurteilen, bei dem die Ablieferung der Sendung durch deren Einwurf in den Briefkasten oder das Postfach des Empfängers erfolgt ist. Unmittelbar vor dem Einwurf wurde das sog. „Peel-off-Label“ (Abziehetikett), das zur Identifizierung der Sendung dient, von dem zustellenden Postangestellten abgezogen und auf einen vorbereiteten, auf die eingeworfene Sendung bezogenen Auslieferungsbeleg aufgeklebt. Auf diesem Beleg bestätigte der Postangestellte nach dem Einwurf mit seiner Unterschrift und der Datumsangabe die Zustellung. Bei Einhaltung dieses Verfahrens sei der Schluss gerechtfertigt, dass die eingelieferte Sendung tatsächlich in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist (vgl. BGH 27. September 2016 – II ZR 299/15).
Bedeutung für die Praxis
Bestreitet der Arbeitnehmer den Zugang einer Kündigung muss der Arbeitgeber neben dem Einlieferungsbeleg auch immer die Reproduktion des Auslieferungsbelegs in den Rechtsstreit einführen. Dabei muss letzterer innerhalb der Aufbewahrungsfrist von 15 Monaten bei der Deutschen Post AG (entgeltlich) angefordert werden (!)
Die Übermittlung einer Kündigung per Einwurfeinschreiben ist hoch fehlerbehaftet und für die Praxis nicht empfehlenswert.
Arbeitgeber sollten eine Kündigung (unter Zeugen) immer persönlich übergeben. Ist das nicht möglich, so kann nur durch Übergabe oder Einwurf in den Hausbriefkasten an der Wohnadresse durch einen Boten die nötige Rechtssicherheit erreicht werden.
Auch dabei sollte zudem beachtet werden, dass nicht nur der Zugang eines Schreibens bewiesen werden muss, sondern auch, dass es sich bei diesem Schreiben um eine Kündigung mit der nötigen Originalunterschrift gehandelt hat (!)
Bei Fragen zur Zustellung von Kündigungen, aber auch bei allen anderen individual- und kollektivrechtlichen Fragestellungen rund um Kündigungssachverhalte berät Sie das KUNZ-Kompetenzteam "Arbeit und Personal".
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Tim Schwarzburg Paul Kijowsky
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Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Mediator
Dozent an der Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG)