BAG: Entgeltgleichheit von Männern und Frauen darf nicht vom Verhandlungsgeschick abhängen (Equal-Pay)

Mit seinem Equal-Pay-Urteil (v. 16.02.2023, Az.: 8 AZR 450/21) hat das Bundesarbeitsgericht für Diskussionen gesorgt. Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Arbeitgeber können Verdienstunterschiede von Frauen und Männern nicht damit begründen, der Mann habe besser verhandelt oder er sei perspektivisch für einen Leitungsjob vorgesehen. Unser Kompetenzteam "Arbeit & Personal" stellt die Entscheidung vor:

 

Sachverhalt

Im Ausgangsfall war ein Haustarifvertrag erstmals eingeführt worden, der für die im Außendienst beschäftigte Klägerin eine stufenweise Anhebung auf das Tarifgehalt vorgesehen hatte. Die Klägerin fand allerdings heraus, dass ein männlicher Kollege mehr verdiente als sie, obwohl dieser die gleiche Arbeit verrichtete.

Die Vertriebsmitarbeiterin verklagte den Arbeitgeber daraufhin und machte die Zahlung rückständiger Vergütung und eine angemessene Entschädigung für die erlittene Diskriminierung geltend.

Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass der männliche Arbeitnehmer die Position einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin übernommen und zudem von sich aus bei den Vertragsverhandlungen eine höhere Vergütung gefordert habe.

 

Die Entscheidung

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das LAG Sachsen (Urt. v. 03.09.2021 – 1 Sa 358/19) war der Ansicht, der Gehaltsunterschied sei durch objektive Faktoren bedingt, da das höhere Gehalt bei Einstellung für die Gewinnung des Mitarbeiters erforderlich gewesen sei und die zweite Gehaltserhöhung durch das Interesse des Arbeitgebers, die im Zuge der Gewinnung des Mitarbeiters gemachten Zusagen einzuhalten, objektiv gerechtfertigt sei.

Dem widersprach das BAG und stellte fest, dass eine unterschiedliche Bezahlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern bei gleicher Arbeit die Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts nach § 22 AGG begründen könne.

Um diese Vermutung zu widerlegen, müssten die Entgeltunterschiede durch objektive und geschlechtsneutrale Gründe gerechtfertigt sein, was der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen hat. Die vorgetragenen Gründe würden nach dem BAG hierfür jedoch nicht ausreichen.

Das BAG sprach daher der Klägerin die rückständige Vergütung nach Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG und eine angemessene Entschädigung wegen der Diskriminierung nach § 15 Abs. 2 AGG zu.

 

Anmerkung

Unterschiede bei Gehältern sind also weiterhin möglich. Um die Vermutung der Benachteiligung zu widerlegen, muss der Arbeitgeber bei individuellen Vergütungsentscheidungen immer objektive Kriterien verwenden, die auf einem legitimen Ziel beruhen und die zur Erreichung dieses Ziel geeignet sind. Erfahrungen, objektive Kenntnisse, aber auch Soft-Skills sind denkbare Rechtfertigungen – nicht jedoch das bessere Verhandlungsgeschick oder in Aussicht gestellte Leitungsjobs.

Wo genau das BAG die Grenze der Objektivität sieht wird sich hoffentlich aus der Urteilsbegründung ergeben.  Sobald diese vorliegt, werden wir Sie auf den neuesten Stand bringen.

 

Sollten Sie in den Bereichen Equal-Pay, ESG, Vergütungssysteme, Vertragsgestaltung oder allgemein im Arbeitsrecht Beratungsbedarf haben, melden Sie sich gerne jederzeit bei unserem Kompetenzteam Arbeit und Personal.

 

An dieser Stelle möchten wir noch auf unseren Kooperationspartner JOBS FOR MOMS ©  hinweisen. JOBS FOR MOMS © ist das digitale Job- und Service-Portal, das wirtschaftliche und gesellschaftliche Lösungen von vorneherein zusammen denkt mit erprobten Konzepten zur Familienfreundlichkeit und einem breiten Expertinnen-Netzwerk.