Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Maßstab zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung von Soldaten

Mit Beschluss vom 12.11.2021 zu Az.: BVerwG 1 W-VR 9.21, dessen Gründe erst seit Kurzem vorliegen, beanstandete der 1. Wehrdienstsenat beim Bundesverwaltungsgericht die bisherige Praxis des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr bei Beurteilung der gesundheitlichen Eignung im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GG.

Der Soldat wurde im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht von KUNZ-Partnerin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht Dr. Ira Ditandy vertreten. Zu einem ihrer Spezialgebiete gehört das Recht des öffentlichen Dienstes der Beamten und Soldaten. Hier verrtitt Dr. Ditandy Beamte und Soldaten bundesweit  außergerichtlich wie gerichtlich vor den Instanzgerichten und dem Bundesverwaltungsgericht.

Art. 33 Abs. 2 GG bestimmt, dass jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und Leistung Zugang zu jedem öffentlichen Amte hat. Dieses Prinzip gilt auch bei einer Zulassung zum Laufbahnwechsel, wie er im vorliegenden Verfahren inmitten stand.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt zunächst seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Forderung nach einer auch gesundheitlichen Eignung für den Laufbahnaufstieg den Anforderungen aus dem Leistungsprinzip grundsätzlich gerecht wird. Der Dienstherr lege in Ausübung seiner Organisationsgewalt fest, welchen körperlichen Anforderungen ein Soldat genügen muss, um den Anforderungen an die Ämter einer bestimmten Laufbahn genügen zu können. Dies hatte für Beamte bereits der für diese zuständige 2. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts geurteilt. Der 1. Wehrdienstsenat schließt sich dessen Rechtsprechung nun auch insoweit ausdrücklich an, als dieser seine Rechtsprechung im Jahre 2013 dahingehend geändert hat, dass die Frage, ob ein Bewerber den gesundheitlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn voraussichtlich genügen wird, auf fundierter medizinischer Tatsachengrundlage uneingeschränkt von den Verwaltungs- respektive Wehrdienstgerichten zu überprüfen ist.

Der 1. Wehrdienstsenat gelangt zu dem Ergebnis, dass die gesundheitliche Eignung für den Laufbahnaufstieg – auch bei Vergabe der Gesundheitsziffer VI der Gradation 5 - jedenfalls dann nicht alleine wegen dieser gesundheitlichen Beeinträchtigung verneint werden kann, wenn die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach Maßgabe der für die wehrmedizinische Prüfung geltenden Allgemeinen Regelung A1-831/0-4000 in Betracht kommt. Werde – wie im Streitfall – eine solche Ausnahmen gar nicht erst beantragt und geprüft, weil der Bedarf an Bewerbern für den Laufbahnaufstieg auch mit Bewerbern ohne gesundheitliche Einschränkung gedeckt werden könne, verkenne das Bundesamt für das Personalmanagement die Bedeutung des Leistungsprinzips bei der Auswahl der für einen Laufbahnaufstieg in Betracht kommenden Bewerber. Weiter heißt es in der Entscheidung:

Gibt es mehr Bewerber als Aufstiegsplätze, können im Lichte des Art. 33 Abs. 2 GG aus dem Leistungsvergleich nur solche Kandidaten von vornherein ausgeschlossen werden, deren gesundheitliche Eignung auf der Grundlage einer fundierten medizinischen Prüfung des Einzelfalls ausgeschlossen werden kann. Erlauben die regelmäßig angewandten Verwaltungsvorschriften bei gesundheitlichen Einschränkungen Ausnahmen, so dient dies der im Lichte der subjektiv-öffentlichen Rechte der Bewerber gebotenen individuellen, prognostischen Prüfung. Nur wenn die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise aus medizinischen Gründen verweigert wird, darf ein Bewerber mangels körperlicher Eignung für den Laufbahnaufstieg aus dem Leistungsvergleich der in Betracht kommenden Bewerber ausgeschlossen werden.

Weiter definiert das BVerwG den Maßstab, welcher für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung anzulegen ist, dahingehend, dass maßgeblich nicht die Anforderungen eines speziellen Dienstpostens, sondern die allgemeinen gesundheitlichen Anforderungen für die – im Streitfall – Fachunteroffiziere eines bestimmten Werdegangs sind.

 

Kommentar der Autorin:

Die Entscheidung ist in einem Eilverfahren ergangen; gleichwohl gehen wir davon aus, dass der 1. Wehrdienstsenat davon nicht mehr abrücken wird, anderenfalls – so meinen wir – hätte er sich im Eilverfahren nicht so deutlich geäußert. Zudem ist allein diese Sicht der Dinge rechtlich zutreffend.

Die Entscheidung wird auch in anderen wesentlichen Bereichen äußerst bedeutsam werden, so insbesondere auch für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung von Soldaten für die Umwandlung ihres Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit in dasjenige eines Berufssoldaten. Auch hier gilt Art. 33 Abs. 2 GG und somit das Leistungsprinzip und es ist aus diesseitiger Sicht kein Grund ersichtlich, die Frage nach der gesundheitlichen Eignung eines Soldaten diesbezüglich anders zu beantworten, als bei der Frage der Zulassung zu einem Laufbahnwechsel.

 

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