Digitale Gesellschafterversammlungen in Zeiten von Corona-Krise und Versammlungsverboten

Viele GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstände stehen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor dem Problem, dass eine Gesellschafterversammlung bzw. Hauptversammlung vor dem Hintergrund der geltenden Versammlungsverbote nicht mehr abgehalten werden kann. Dabei sehen die Satzungen regelmäßig zwingende Fristen zur Abhaltung von ordentlichen Gesellschafterversammlungen vor. Was also tun?

Manche GmbH-Satzungen ermöglichen schon heute die digitale Durchführungen von Gesellschafterversammlungen. Bei einem Großteil von GmbH-Satzungen ist jedoch eine Präsenzversammlung zwingend vorgesehen. Bei der Aktiengesellschaft waren virtuelle Hauptversammlungen bislang gar nicht möglich.

Nun möchte die Bundesregierung mit einem neuen Gesetz Abhilfe schaffen.

 

I. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

Bislang sah § 48 GmbHG vor, dass eine digitale Gesellschafterversammlung nur in Ausnahmefällen möglich ist:

„(1) Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefaßt.

(2) Der Abhaltung einer Versammlung bedarf es nicht, wenn sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen sich einverstanden erklären.“

Grundsätzlich ist daher die Beschlussfassung in Präsenzversammlungen bisher der gesetzliche Regelfall. Als Ausnahmefall hiervon gilt die Möglichkeit Beschlüsse im schriftlichen Umlaufverfahren zu fassen, sofern die Gesellschafter in dieser Vorgehensweise übereinstimmen. Aufgrund der generell geltenden Vertragsfreiheit, können die Gesellschafter zudem in ihrer Satzung die Modalitäten einer Beschlussfassung regeln.

Viele Gesellschaften haben jedoch in ihrer Satzung eine digitale Beschlussfassung nicht geregelt. Besteht dann zwischen den Gesellschafter kein Konsens die jeweiligen Stimmen im schriftlichen Umlaufverfahren abzugeben, ist die Entscheidungsfindung erheblich erschwert.

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht setzt an dieser Stelle an. Es sieht eine Modifizierung des § 48 Absatz 2 GmbHG vor, der eine schriftliche Beschlussfassung auch ohne das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter erlaubt.

 

II. Aktiengesellschaft (AG), Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und Societas Europaea (SE)

Bisher sah § 118 AktG keine Möglichkeit vor, eine vollständige digitale Hauptversammlung abzuhalten.

Hierzu möchte die Bundesregierung die folgenden Erleichterungen schaffen:

Zunächst soll die Einladungsfrist aufgrund der neuen gesetzlichen Ergänzungen auf 21 Tage statt 30 Tage verkürzt werden.

Die strenge Voraussetzung bei der AG und der KGaA, dass eine Hauptversammlung zwingend innerhalb der ersten acht Monate eines jeden Geschäftsjahres abzuhalten ist, soll im Geschäftsjahr 2020 keine Geltung mehr haben. Eine solche Verlängerung ist bei der SE nicht möglich, da deren Bestimmungen auf der europarechtlichen SE-Verordnung beruhen, die nicht einseitig durch den deutschen Gesetzgeber geändert werden können.

Durch das neue Gesetz soll nun eine vollständig virtuelle Hauptversammlung stattfinden, die eine Präsenz der Aktionäre nicht erfordert. Weiter soll auch ohne Satzungsermächtigung eine elektronische Stimmabgabe der Aktionäre durch den Vorstand in einer Präsenzveranstaltung ermöglicht werden.

Stimmt der Aufsichtsrat zu, so soll der Vorstand zudem ohne Beschluss der Hauptversammlung und ohne ausdrückliche Satzungsermächtigung, an die Aktionäre einen Abschlag auf den Bilanzgewinn zahlen können.

 

III. Vereine und Stiftungen

Auch die Handlungsfähigkeit von Vereinen und Stiftungen soll durch das neue Gesetz gesichert werden.

Für den Verein legt § 32 BGB eine Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung fest, sodass eine Anwesenheit auf der Präsenzversammlung erforderlich ist, um das Stimmrecht auszuüben. Durch das neue Gesetz sollen künftig Mitgliederversammlungen durch virtuelle Zuschaltung von Vorstand und Mitglieder ermöglicht werden, auch dann wenn die Satzung hierzu keine Regelung vorsieht. Zudem sollen Mitglieder ihre Stimmen im Vorfeld schriftlich abgeben können.   

Kleinen Vereine, die nicht über die technische Ausstattung verfügen, soll durch das Gesetz ermöglicht werden, die Stimme nicht nur in Textform abzugeben, sondern auch per E-Mail oder Fax. Auch soll es künftig ausreichend sein, wenn nur die Hälfte der Vereinsmitglieder ihre Stimme abgeben.

Da Stiftungen keine Mitglieder haben, sind hierfür keine entsprechenden Änderungen vorgesehen.

 

IV. Genossenschaft

Auch die Bestimmungen des Genossenschaftsrechts sollen erleichtert und der Weg für die schriftliche sowie elektronische Beschlussfassung geebnet werden. Gleichlaufend mit den Änderungen für die Aktiengesellschaften, soll der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats ermächtigt werden, Abschlagszahlungen vorzunehmen. Es soll zudem sichergestellt werden, dass ein Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt bleibt.

Da ein Verstoß gegen die Wahrung der Frist nach § 48 Absatz 1 Satz 3 GenG bei der Genossenschaft bereits derzeit folgenfrei bleibt, bedarf es keiner weiteren gesetzlichen Maßnahmen bei der Fristenregelung.

 

V. Unsere Einschätzung

Die Corona-Krise fordert den Gesetzgeber auch auf dem Gebiet des Unternehmensrechts, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu erschließen. Wir begrüßen die längst überfälligen Neuerungen und beobachten die weiteren Entwicklungen mit besonderer Aufmerksamkeit!

Wir bleiben für Sie am Puls der weiteren Entwicklungen und halten Sie über die aktuelle Lage auf unserer Homepage informiert.

Sie haben Fragen zur technischen Durchführungen unter Beachtung der gesetzlichen Formalien? Unser Kompetenzteam „Unternehmen & Wirtschaft“steht Ihnen für Anfragen jederzeit zur Verfügung und hilft mit individuellen Empfehlungen!
 

Gemeinsam meistern wir die Herausforderungen. Bleiben Sie gesund.

 

Ihr Team von

KUNZ Rechtsanwaelte