Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland verabschiedet - Auswirkungen der Rechtsänderungen auf Vorhaben und Projekte

Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland

- mehr Biotope für Tier- und Pflanzenarten -

Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist eine zentrale Herausforderung für die nationale und internationale Umweltpolitik. Die Bundesregierung hat im Jahre 2019 ein Aktionsprogramm Insektenschutz (BT-Drs. 19/13031) beschlossen, um einem Insektensterben entgegenzuwirken.

Die neu eingeführten Regelungen haben Auswirkungen auf Vorhabenträger, Projektentwickler und auch die Kommunen in Genehmigungsverfahren wie auch der Bauleitplanung. Einerseits müssen bei der Planung von Vorhaben wie bei der Aufstellung von Bauleitplänen die neuen Regelungen beachtet werden. Andererseits bieten die neuen Regelungen insbesondere betreffend der temporären Zurverfügungstellung von Flächen für den Naturschutz zusätzlichen Raum für und Flexibilität bei Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Die Regelungen können so auch einen Beitrag nicht nur für den Naturschutz, sondern auch die Umsetzung von Vorhaben leisten.
 

Hintergrund

Derzeit gibt es in Deutschland rund 33.000 verschiedene Insektenarten. Sie haben eine wichtige Funktion im Ökosystem, z.B. bei der Bestäubung von Pflanzen, beim Abbau organischer Masse, bei der Kontrolle von Schadorganismen, der Reinigung von Gewässern und dem Erhalt der Bodenfruchtbarkeit. In den letzten Jahren ist ein Rückgang sowohl der Insektenvielfalt als auch der Insektenbiomasse zu beobachten. Als Ursachen werden insbesondere die Anwendung von Pestiziden, eine Lichtverschmutzung sowie der Verlust und die Verschlechterung von Lebensräumen für Insekten und andere Tier- und Pflanzenarten angesehen.

Am 24. Juni 2021 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland und zur Änderung weiterer Vorschriften angenommen. Mit der Novellierung sollen die rechtlichen Regelungen geschaffen werden, die zur Umsetzung des Aktionsprogramms Insektenschutz notwendig sind. Gleichzeitig hat der Bundestag eine Entschließung zur Umsetzung der neuen Regelungen angenommen (BT-Drs. 19/30713).

Die Gesetzesnovelle konzentriert sich demgemäß neben einigen Änderungen im Pflanzenschutzgesetz und dem Ausgleichsleistungsgesetz auf Änderungen und Ergänzungen im Bundesnaturschutzgesetz. Dies betrifft im Wesentlichen die Zielbestimmungen (§§ 1 BNatSchG), die Landschaftsplanung und eine neue, im allgemeinen Artenschutz verankerte Betreiberpflicht in § 41a BNatSchG, wonach Tiere und Pflanzen vor mit Lichtimmissionen verbundenen nachteiligen Auswirkungen zu schützen sind. Das betrifft Licht, das von Straßenbeleuchtungen, Außenbeleuchtungen von baulichen Anlagen sowie von Werbeanlagen ausgeht.

Eine neue Regelung zurAusbringung von Biozidprodukten in Schutzgebieten (§ 30a BNatSchG), die Erweiterung des gesetzlichen Biotopschutzes (§ 30 BNatSchG) und der Schutz der Natur auf temporär zur Verfügung stehenden Flächen (§§ 2 Abs. 7, §§ 54 Abs. 10a und 10b BNatSchG) dienen der Erhaltung und Verbesserung der Lebensräume der Insekten und weiterer Arten. Hierauf wird im Folgenden näher eingegangen.

Das Gesetz tritt in wesentlichen Teilen sechs Monate nach seiner Verkündung in Kraft. (Art. 72 Abs. 3 S. 2 GG)
 

Verbesserung der Lebensräume in Schutzgebieten

Bereits der von der Bundesregierung noch als Drittes Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes eingebrachte Entwurf hatte unter dem Stichwort „Insektenschutzgesetz“ bundesweite Aufmerksamkeit in der Presse erfahren. Es wurde über lange Traktorkolonnen von protestierenden Landwirten in Berlin und anderen Städten berichtet. Sie befürchteten Einschränkungen der landwirtschaftlichen Nutzung in Schutzgebieten durch ein Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln.

Der neu eingefügte § 30a BNatschG enthält ein grundsätzliches Verbot für die Ausbringung von Biozidprodukten (Insektizide, Holzschutzmittel) in bestimmen besonders geschützten Gebieten. Ausnahmen können im Einzelfall zugelassen werden. Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel -hier insbesondere Glyphosat-, werden demgegenüber in einer parallelen Novellierung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung geregelt.

Die Diskussion mit der Landwirtschaft hat im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zur Aufnahme weitere Regelungen zum Ausgleich zwischen Naturschutz und Landwirtschaft geführt. Zum einen wurden die Zielbestimmungen des § 1 BNatSchG um einen neuen Absatz 8 ergänzt. Danach können die Länder den Verbänden der Landwirtschaft und des Naturschutzes freiwilligen Vereinbarungen zur Förderung der Biodiversität und von nachhaltigen Bewirtschaftungsweisen in Schutzgebieten anbieten und auch finanziell fördern. Damit sollen das Kooperationsprinzip im Naturschutz besonders betont und bereits entsprechend praktizierte Vorgehensweisen in den Ländern unterstützt werden. Zum anderen wird mit der Änderung des Pflanzenschutzgesetzes den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, von der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung abzuweichen, um landesspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Die Änderung des Ausführungsgesetzes eröffnet schließlich die Möglichkeit für eine vierte Tranche zur Übernahme von wertvollen Naturflächen des Bundes in das Nationale Naturerbe.

 

neue gesetzlich geschützte Biotope

Die Liste der nach § 30 Abs. 2 BNatSchG gesetzlich geschützten Biotope wird um magere Flachland-Mähwiesen undBerg-Mähwiesen,Streuobstwiesen sowie Trockenmauern und Steinriegel erweitert. Die Zerstörung oder sonstige erheblichen Beeinträchtigungen dieser Biotope sind verboten. Ausnahmen von dem Verbot können nur zugelassen werden, wenn Beeinträchtigungen ausgeglichen werden.

Während es sich bei den beiden letztgenannten eher um kleinflächige und deutlich abgrenzbare Biotope handelt, gestaltet sich bereits die Bestimmung und räumliche Abgrenzung von artenreichen Grünlandbiotopen deutlich schwieriger. Bei Streuobstwiesen kommt zu der räumlichen Abgrenzung noch die Unterscheidung zwischen Streuobstanlagen und Erwerbsobstbau hinzu, die im konkreten Fall streitig sein kann. Für einen rechtssicheren Vollzug ist es deshalb wichtig, dass die Länder entsprechende Registrierungen durchführen und öffentlich zugänglich machen (§ 30 Abs. 7 BNatSchG). In Rheinland-Pfalz werden die gesetzlich geschützten Biotope im Landschaftsinformationssystem (LANIS) unter www.naturschutz.rlp.de  dargestellt. Zurzeit läuft eine landesweite Grünland-Kartierung zur Erfassung der Mähwiesenbiotope, da diese bereits nach Landesrecht gesetzlich geschützt sind. Es bleibt zu hoffen, dass insbesondere auch Streuobstwiesen zeitnah entsprechend kartiert und registriert werden. Allerdings sind die Registrierungen nur deklaratorischer Art, der Schutzstatus orientiert sich alleine an den Gegebenheiten vor Ort.    

Bei den neuen Grünland-Biotopen handelt es sich um solche, die durch eine Bewirtschaftung entstanden und auch weiterhin hierauf angewiesen sind. Da der gesetzliche Biotopschutz nur ein Verbot einer erheblichen Beeinträchtigung beinhaltet, steht einer Förderung der Erhaltung der Biotope nichts im Wege. Bereits die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass artenreiches Grünland und Streuobstwiesen sich in besonderer Weise für Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes eigenen. Auch der Bundestag fordert in seiner Entschließung u.a. eine stärkere Berücksichtigung des Insektenschutz bei Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie Anreize für das Anlegen, die Pflege und Erhaltung  von Streuobstwiesen und anderen wertvollen Biotopen sowie für die Vermarktung von Produkten aus diesen Biotopen.

In den ländlichen Gebieten von Rheinland-Pfalz sind artenreiches Grünland und Streuobstwiesen noch in größerem Umfang anzutreffen. Trockenmauern prägen das Bild am Mittelrhein, der Mosel, an Nahe und Ahr. Der Schutz und die Erhaltung dieser Biotope hat deshalb  nicht nur Bedeutung für den Insektenschutz, sondern dient auch der  Erhaltung der unverwechselbaren Kulturlandschaften in Rheinland-Pfalz.

 

Naturschutz auf temporär zur Verfügung stehenden Flächen; Natur auf Zeit

Des Weiteren sollen Flächen von Unternehmen für den Natur- und Artenschutz  gewonnen werden. Oft befürchten Unternehmen, dass auf freien Firmenflächen Biotope entstehen oder sich besonders geschützte Arten ansiedeln, die dann eine spätere Nutzung dieser Flächen aus Gründen des Natur- und Artenschutzes erschweren oder sogar unmöglich machen. Es findet dann mitunter sogar eine „Verhinderungspflege“ auf den Flächen statt. Unter dem Stichwort „Natur auf Zeit“ wird deshalb schon seit längerem diskutiert, ob und wie man solche Flächen für die Erhaltung der biologischen Vielfalt nutzbar machen kann. Das vom Bundesumweltministerium und dem Bundesamt für Naturschutz geförderte Projekt „Natur auf Zeit, Rechtliche und fachliche Rahmenbedingungen“ kommt zum Ergebnis, dass insbesondere Pionierarten von temporären Naturschutzflächen profitieren können. Dabei geht die Studie von einem bundesweiten Flächenpotenzial von ca. 120 000 ha Industriebrache, ca. 260 000 ha Flächen im Rohstoffabbau, ca. 1000 ha ungenutzte Verkehrsflächen und einem weiteren Potenzial an Begleitflächen von Verkehrswegen aus. Rechtliche Hindernisse sieht die Studie vom März 2019 (Kurzfassung auf www.bfn.de) insbesondere in den Zugriffsverboten des besonderen Artenschutzrechtes nach § 44 Abs. 1 BNatSchG. Um solche Verstöße zu vermeiden, wird vorgeschlagen, den Unternehmen schon vorab eine entsprechende Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG zu erteilen.

In § 2 Abs. 7 BNatSchG wird die Bereitschaft von privaten Personen, Unternehmen und Einrichtungen der öffentlichen Hand zur Mitwirkung im Naturschutz besonders hervorgehoben und ein Bezug zu dem Konzept „Natur auf Zeit“ hergestellt. Damit wird dieses Konzept bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen und bei Ermessensausübung gestärkt. Die eigentliche Umsetzung von Natur auf Zeit soll dann auf der nachgelagerten Ebene  erfolgen. Mit dem neuen § 54 Abs. 10a BNatSchG wird das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ermächtigt, im Einvernehmen mit dem für Wirtschaft zuständigen Bundesministerium und mit Zustimmung des Bundesrates  die zeitweise Nutzung oder Pflege von Flächen mit einer zugelassenen Gewinnung mineralischer Rohstoffe durch Rechtsverordnung zu regeln. Die zeitliche Befristung soll in der Regel 10 Jahre betragen und kann auf Antrag auf insgesamt bis zu 15 Jahren verlängert werden.  Dabei sollen Maßnahmen so gestaltet werden, dass Verstöße gegen die artenschutzrechtlichen Verbote gar nicht erst entstehen oder Ausnahmen von den Verboten allgemein zugelassen werden. In einem zweiten Schritt sollen in einer Rechtsverordnung entsprechende Regelungen für Flächen mit zugelassenen gewerblichen, verkehrlichen oder baulichen Nutzung  getroffen werden (§ 54 Abs. 10b BNatSchG).

Der temporäre Schutz der Natur ist nicht neu. Im Rahmen der Eingriffsregelung (§ 14 Abs. 3 BNatSchG) und des gesetzlichen Biotopschutzes (§ 30 Abs. 5 BNatSchG) sind bereits entsprechende Regelungen zu finden. Unsicherheiten bestanden bisher, ob und inwieweit die europäischen Vorgaben zum Artenschutz Raum für einen Schutz der Natur auf Zeit zulassen. Rheinland-Pfalz hat deshalb bereits 2005 eine erste Rahmenvereinbarung mit dem Bundesverband Keramische Rohstoffe e.V. (BKRI) zum Schutz von europäisch geschützten Amphibien-Arten beim Abbau keramischer Rohstoffe abgeschlossen und in einer zweiten Rahmenvereinbarung 2009 auf weitere Amphibien-Arten und Vogelarten erweitert. Hierdurch sollen durch den Tonabbau entstehende, ideale Lebensräume für besonders geschützte Arten gesichert werden. Mehrere Mitgliedsunternehmen des BKRI im Westerwald führen in enger Abstimmung mit der Oberen Naturschutzbehörde Artenschutzmaßnahmen während des aktiven Abbaus durch. Der rheinland-pfälzische Weg wurde in den im Juli 2010 veröffentlichten Leitfaden der EU-Kommission „Nichtenergetische mineralgewinnende Industrie und Natura 2000“ als ein best-practice Beispiel guter Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und Interessenvertretern aufgenommen. In Hessen und Bayern wurden inzwischen ähnliche Rahmenvereinbarungen mit der Abbauindustrie abgeschlossen. 

Die neuen Regelungen führen zu mehr Rechtssicherheit und eröffnen Unternehmen und Naturschutzbehörden neue Möglichkeiten für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Im Hinblick auf die Gewinnung mineralischer Rohstoffe liegen gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit der Naturschutzbehörden mit der Abbauindustrie in Rheinland-Pfalz und weiteren Ländern bereits vor, auf die der Bund zurückgreifen kann. In seiner Entschließung hat der Bundestag die Bundesregierung auch aufgefordert, die Nutzung des Instruments Natur auf Zeit in der Praxis zu evaluieren und eine umfassendere Anwendung insbesondere auch für innerstädtische Brachflächen zu befördern.

 

Auswirkungen der Rechtsänderungen auf Vorhaben und Projekte

Der gesetzliche Biotopschutz ist sowohl in Genehmigungsverfahren als auch in der kommunalen Bauleitplanung von Bedeutung. Es ist daher wichtig, die Planungen so zu gestalten, dass auch die neuen gesetzlich geschützten Biotope möglichst nicht erheblich beeinträchtigt werden. Ansonsten müssen Ausnahmen oder Befreiungen frühzeitig beantragt werden (vgl. § 30 Abs. 4 BNatSchG).

Die Schaffung und Erhaltung der benannten Biotope und die temporäre Zurverfügungstellung von Flächen für den Naturschutz kann zusätzlichen Raum für notwendig werden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und vorgezogene artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen bieten und damit den Vollzug der Eingriffsregelung flexibler gestalten.

Auf Flächen, die temporär (bis zu 15 Jahren) dem Naturschutz zur Verfügung gestellt werden, sind zu Beginn der Ausgangszustand und das Verfahren und ggfls auch behördlichen Zusagen für die Nutzung nach Zeitablauf festzuhalten. Hierfür ist ein frühzeitiger und möglichst über die Laufzeit begleitender Kontakt mit den Naturschutzbehörden notwendig.

Unser Kompetenzteam „Umwelt, Klima und Energie“  steht Ihnen in allen Fragen gerne beratend zur Seite.