Neue gesetzliche Regelungen für Kunststoffprodukte und –abfälle

Seit geraumer Zeit wird immer wieder von neuen Regelungen rund um das Thema Kunststoffe und Kunststoffabfälle berichtet. Für Außenstehende ist es schwer, dabei den Überblick zu behalten und überhaupt die Hintergründe für diese Regelungen zu kennen. Im Folgenden werden jüngst abgeschlossene und laufende Gesetzgebungsverfahren, die alle auf Vorgaben des EU-Rechts zurückgehen, dargestellt.

 

Der Bereich der Kunststoffe und daraus entstehender Abfälle ist in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt der europäischen Kreislaufwirtschaftspolitik geworden. Auslöser dafür war vor allem die massive Zunahme von Kunststoffabfällen in den Weltmeeren.

Bereits im EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vom Dezember 2015 identifizierte die Kommission die Kunststoffe als Schwerpunkt und verpflichtete sich zur Ausarbeitung einer Kunststoffstrategie. Diese wurde im Januar 2018 veröffentlicht. Darin weist die Kommission darauf hin, dass sich seit den 1960er Jahren die Kunststoffproduktion verzwanzigfacht habe und sich in den kommenden 20 Jahren noch einmal verdoppeln werde. Allein in der EU landeten jährlich 150 000 bis 500 000 t Kunststoffabfälle im Meer. Das sei allerdings nur ein geringer Teil der weltweiten Meeresabfälle.

In der Strategie wurde ein ganzes Bündel von Maßnahmen angekündigt. Dazu gehörte eine Richtlinie über die Verringerung von Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt (Einwegkunststoffrichtlinie), die im Juni 2019 veröffentlicht wurde. Deren Inhalt ist binnen zwei Jahren, somit bis zur Jahresmitte 2021, in nationales Recht umzusetzen.

In einem neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vom März 2020, der im Europäischen Green Deal vom Dezember 2019 angekündigt wurde, nennt die Kommission weitere geplante Maßnahmen wie z. B. die Festlegung von Mindestanteilen für Rezyklate in Kunststoffprodukten sowie von Maßnahmen zur Abfallreduzierung.

Mit einer Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes vom 28. Oktober 2020, einem ersten Gesetz zur Änderung des Verpackungsgesetzes vom 21. Januar 2021 und einer Einwegkunststoffverbotsverordnung ebenfalls vom 21. Januar 2021 hat der deutsche Gesetzgeber mit der Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben begonnen. Noch im Gesetzgebungsverfahren befindet sich ein weiteres Gesetz, das der Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie dient und insbesondere eine weitere Änderung des Verpackungsgesetzes beinhaltet. Ebenfalls im Verfahren befindet sich eine Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung.


Darauf wird nachfolgend näher eingegangen.

 

Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes vom 28. Oktober 2020

Die Einwegkunststoffrichtlinie sieht vor, dass die Hersteller bestimmter Einwegkunststoffartikel die Kosten für Reinigungsaktionen tragen müssen, wenn solche Artikel weggeworfen werden. Dazu gehören Lebensmittelverpackungen, Tüten, Folien, Getränkebehälter, Kunststofftragetaschen, Feuchttücher, Luftballons sowie Tabakprodukte mit Filter. Der Gesetzgeber hat daraufhin in § 23 Abs. 2 Nr. 10 KrWG als Bestandteil der Produktverantwortung „die Beteiligung an Kosten, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts für die Reinigung der Umwelt und die anschließende umweltverträgliche Verwertung und Beseitigung der nach Gebrauch der aus den von einem Hersteller oder Vertreiber in Verkehr gebrachten Erzeugnissen entstandenen Abfälle entstehen“ aufgenommen. Diese Verpflichtung steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass Näheres durch eine Rechtsverordnung bestimmt wird.

Von der EU-Kommission werden zur Frage einer finanziellen Beteiligung der Hersteller von Einwegkunststoffprodukten Leitlinien erwartet, die bisher aber noch nicht vorliegen. Auf nationaler Ebene werden zurzeit zwei Kostenbeteiligungsmodelle diskutiert: zum einen eine Umsetzung über die Nebenentgelte, welche die dualen Systeme für Verpackungen an die Kommunen zahlen, zum andern die Errichtung eines Einwegkunststoff-Fonds, der die von den Herstellern einzuzahlenden Gelder an die Kommunen verteilt. Diese Lösung, die mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden sein dürfte, wird sowohl aus Kreisen der Wirtschaft als auch der Kommunen favorisiert.

In nationales Recht müssen die Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie bis zur Jahresmitte umgesetzt werden. Ob es dazu kommt, wird sich mit Blick auf den durchaus kompliziert erscheinenden Regelungsgegenstand zeigen. Wirksam werden muss eine Kostenbeteiligung je nach Art der Kunststoffartikel spätestens am 5. Januar 2023 bzw. 31. Dezember 2024.

 

Erstes Gesetz zur Änderung des Verpackungsgesetzes vom 21. Januar 2021

Im Rahmen einer Ergänzung des Verpackungsgesetzes ist dem Handel verboten worden, Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von weniger als 50 Mikrometer zur Verpackung von Waren in Verkehr zu bringen. Erlaubt ist nur die Nutzung von Tragetaschen mit einer Wandstärke von weniger als 15 Mikrometer. Hierunter fallen insbesondere die sogenannten „Hemdchenbeutel“ oder „Knotenbeutel“, die im Handel von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor allem für die Verpackung und den Transport von stückweise angebotenem Obst und Gemüse verwendet werden. Das Verbot für Tragetaschen mit mehr als 15 und weniger als 50 Mikrometer Wandstärke gilt ab dem 1. Januar 2022.

Das Tragetaschenverbot geht nicht auf die Einwegkunststoffrichtlinie zurück, sondern auf eine zuvor schon erfolgte Änderung der Verpackungsrichtlinie. Dort war verlangt, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen müssen, um eine dauerhafte Verringerung des Verbrauchs an leichten Kunststofftragetaschen in ihrem Hoheitsgebiet zu erreichen. Ein generelles Verbot wird EU-rechtlich nicht verlangt. Auf Grund einer Vereinbarung zwischen den Spitzen des Handels und dem Bundesumweltministerium aus dem Jahr 2016 war erreicht worden, dass im Jahr 2018 nur noch ca. 20 Verpackungen pro Kopf verbraucht wurden, während es im Jahr 2015 noch ca. 68 Stück pro Kopf waren. Diese Entwicklung sah der deutsche Gesetzgeber als nicht ausreichend an.

Die Wandstärken von 50 und 15 Mikrometern orientieren sich an den EU-rechtlichen Vorgaben. Umfasst sind von der Regelung auch bio-basierte und bio-abbaubare Kunststofftragetaschen. Das Inverkehrbringen von Kunststofftragetaschen als eigenständige Ware ist nicht untersagt. Das Vertriebsverbot betrifft die Letztvertreiber, also diejenigen Vertreiber, die Verpackungen an den Endverbraucher abgeben. Es gilt für Deutschland. Deshalb können Hersteller, die beispielsweise in Deutschland für den Markt außerhalb Deutschlands produzieren, ihr Gewerbe fortführen. Auch die Vertreiber, die mit leichten Kunststofftragetaschen handeln und diese etwa in Deutschland von Herstellern abnehmen und an einen Markt außerhalb Deutschlands abgeben, schränkt das Verbot nicht in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ein.

 

Einwegkunststoffverbotsverordnung vom 21. Januar 2021

Am 3. Juli 2021 zwei Jahre nach Inkrafttreten der Einwegkunststoffrichtlinie, tritt in Deutschland in Umsetzung eines Teils der Richtlinie die Einwegkunststoffverbotsverordnung in Kraft. Danach ist grundsätzlich – mit bestimmten in der Verordnung genannten Einschränkungen – das Inverkehrbringen folgender Einwegkunststoffprodukte verboten: Wattestäbchen, Bestecke, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen, Luftballonstäbe, Lebensmittelbehälter aus Polystyrol (Boxen mit und ohne Deckel), Getränkebehälter und Getränkebecher.

Mit dem Begriff „Lebensmittelbehälter“ werden solche Behälter erfasst, die Lebensmittel enthalten, die dazu bestimmt sind, unmittelbar vor Ort verzehrt oder zum Verzehr mitgenommen zu werden, in der Regel aus dem Behältnis heraus verzehrt werden und ohne weitere Zubereitung verzehrt werden können. Es handelt sich um kumulative Anforderungen.

Die Auswahl dieser Einwegprodukte geht auf eine im Auftrag der EU-Kommission durchgeführte Untersuchung zurück. Darin wurden die zehn Kunststoffartikel identifiziert, die in Europa am Häufigsten an Meeresstränden gefunden wurden. Mit ihrem Verbot allein wird es sicherlich nicht gelingen, die Weltmeere signifikant von Kunststoffabfällen zu befreien, vor allem deshalb, weil der größte Teil solcher Abfälle in Fernost als Folge einer unzulänglichen Abfallentsorgung in die Weltmeere gelangt. Der europäische Gesetzgeber wollte damit aber ein weltweites Signal geben, das sicherlich auch über Europa hinaus aufgegriffen wird bzw. schon aufgegriffen wurde.

 

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie im Verpackungsgesetz und in anderen Gesetzen vom 18. Januar 2021

Den Entwurf des vorgenannten Gesetzes hat das Bundeskabinett am 20. Januar beschlossen Er befindet sich nunmehr in der parlamentarischen Beratung. Ziel ist ein Abschluss des Verfahrens bis zur Jahresmitte, da die Einwegkunststoffrichtlinie bis dahin in nationales Recht umgesetzt sein muss.

Mit der Einwegkunststoffrichtlinie möchte der europäische Gesetzgeber erreichen, dass die Auswirkungen bestimmter Kunststoffartikel auf die Umwelt verringert werden. Damit dies gelingt, soll in das Verpackungsgesetz die Pflicht aufgenommen werden, Lebensmittel zum Sofortverzehr, die in Einwegkunststoffverpackungen, und Getränke, die in sogenannten To-go-Bechern angeboten werden, auch in einer Mehrwegverpackung als Alternative anzubieten. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollen sich zwischen Einweg- und Mehrwegverpackung entscheiden können. Damit soll langfristig der Verbrauch von Einwegverpackungen reduziert werden.

Außerdem soll ab dem Jahr 2025 für die Herstellung von PET-Einwegflaschen und ab dem Jahr 2030 für sämtliche Einwegkunststoffgetränkeflaschen erstmals der Einsatz einer bestimmten Menge recycelten Kunststoffs vorgeschrieben werden. Ab 2025 soll die Einsatzquote zunächst 25 Prozent betragen, ab 2030 dann sogar 30 Prozent.

Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf vor, die Einwegpfandpflicht auf nahezu sämtliche Einweggetränkeflaschen aus PET und auf sämtliche Aluminiumdosen zu erweitern. Die meisten bisher geltenden Ausnahmen von der Pfandpflicht für bestimmte Getränkesorten sollen damit für diese beiden Verpackungsarten wegfallen. Nur für bestimmte medizinische Produkte bleibt die bisherige Ausnahme für Kunststoffflaschen bestehen.

 

Entwurf einer Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung vom 10. Februar 2021

Am 10. Februar 2021 hat das Bundeskabinett zur Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie den Entwurf einer Verordnung über die Beschaffenheit und Kennzeichnung von bestimmten Einwegkunststoffprodukten, kurz: Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung, beschlossen.

Der Verordnungsentwurf hat zwei Schwerpunkte: Zum einen regelt er Anforderungen an die Beschaffenheit von bestimmten Einwegkunststoffgetränkebehältern, zum andern regelt er Kennzeichnungspflichten für bestimmte Einwegkunststoffprodukte.

Vorgesehen ist, dass Getränkebehälter mit einem Füllvolumen von bis zu 3,0 Litern, die Einwegkunststoffprodukte sind und deren Verschlüsse oder Deckel ganz oder teilweise aus Kunststoff bestehen, ab dem 3. Juli 2024 nur in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn die Verschlüsse oder Deckel während der vorgesehenen Verwendungsdauer am Behälter befestigt bleiben. Davon gibt es verschiedene Ausnahmen, insbesondere für Getränkebehälter aus Glas oder Metall mit Verschlüssen oder Deckeln aus Kunststoff.

Verkaufs- und Umverpackungen für bestimmte Hygieneartikel, Tabakprodukte mit Filter und Getränkebecher, die Einwegkunststoffprodukte sind, dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie in einer bestimmten, im Verordnungsentwurf näher ausgeführten Weise gekennzeichnet sind.

 

Abschließende Bemerkung

Diese kurze Übersicht gibt einen kleinen Einblick in das sich immer weiter zersplitternde und immer komplizierter werdende Recht der Kreislaufwirtschaft, bezogen auf den Bereich der Kunststoffe. Gesetzgebungsvorhaben für weitere Bereiche wie etwa ein Gesetzentwurf zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes oder der Entwurf einer Elektro- und Elektronikgeräte-Behandlungsverordnung befinden sich in der zu Ende gehenden Legislaturperiode des Bundestags noch im Verfahren. Das gilt auch für die sogenannte Mantelverordnung, ein breit angelegtes Regelwerk, das den mit Abstand größten Abfallsektor, nämlich die Bauabfälle, betrifft. An der Mantelverordnung wird seit 15 Jahren gearbeitet. Allein zum letzten seit 2017 vorliegenden Regierungsentwurf sind im Bundesrat mehrere 100 verschiedene Änderungsanträge gestellt worden. Ein Bundesratsvotum liegt seit dem 6. November 2020 zwar vor, doch gibt es dazu innerhalb der Bundesregierung gegenwärtig keine einvernehmliche Haltung. 

Alle hier angesprochenen Regelwerke haben für sich genommen ihre Bedeutung. Inwieweit damit allein aber das übergeordnete Ziel erreicht wird, aus der Linearwirtschaft, in der wir immer noch weitgehend leben, eine Kreislaufwirtschaft zu machen, sei dahingestellt.

 

Auf europäischer Ebene ist es der Kommission gelungen, mit dem „Europäischen Green Deal“ eine relativ umfassende Vision einer klimaneutralen europäischen Kreislaufwirtschaft vorzulegen. Der Entwurf ist sehr ambitioniert, aber was ihn auszeichnet, ist eine „Gesamtbotschaft“, wie sie von einer Vielzahl von nationalen Einzelregelungen allein nicht ausgehen kann. Was damit korrespondierend auf nationaler Ebene gebraucht würde, wäre über sektorale Regelungen hinaus ein politisches Programm für eine ökologische Weiterentwicklung auf allen Ebenen – auch der Wirtschaft. Damit sollen Unternehmen in ihrer Entwicklung nicht behindert werden, sondern sie sollten einen verlässlichen Rahmen für die Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit vor dem Hintergrund grundlegender globaler Veränderungen erhalten.


Ihr Ansprechpartner:

Prof. Dr. Gottfried Jung
Rechtsanwalt
Ministerialdirigent a. D.
Honorarprofessor an der Hochschule Trier