Zuletzt hatten mehrere Oberlandesgerichte in zweiter Instanz bereits die Gelegenheit, die in erster Instanz klageabweisenden Urteile mehrerer Gastronomen auf Versicherungsleistungen aufgrund einer coronabedingten Betriebsschließung zu überprüfen. Hiernach haben u.a. das OLG Stuttgart mit seinen Urteilen vom 15.02.2021 (Az. 7 U 351/20) und 29.04.2021 (Az. 7 U 402/20), das OLG Oldenburg mit Urteil vom 06.05.2021 (Az. 1 U 10/21) sowie das OLG Schleswig mit Urteil vom 10.05.2021 (Az. 16 U 25/21) Ansprüche der Versicherungsnehmer verneint.
Neue Hoffnung im Kampf um die Auszahlung von Versicherungsleistungen dürften betroffene Gastronomen nunmehr aus der aktuellen Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 30.06.2021 (Az. 12 U 4/21) schöpfen. Der dortige Rechtsstreit hatte Versicherungsbedingungen zum Gegenstand, in denen mehrfach auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) Bezug genommen wird, wonach eine Entschädigung für eine Betriebsschließung „beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)“ geleistet wird, wobei der in dieser Nr. 2 enthaltene Katalog auf die „folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger“ verweist. Die Covid-19 Krankheit bzw. der Sars-CoV-2-Krankheitserreger sind dort nicht aufgeführt.
Nach Auffassung des OLG Karlsruhe soll in diesem Fall die Begrenzung des Versicherungsschutzes auf einen abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern, welche hinter dem Umfang des Infektionsschutzgesetzes zurückbleibt, nicht hinreichend klar und verständlich sein, sodass die dortige Regelung wegen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Transparenzgebot für Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam sei. Die Unwirksamkeit der Klausel, die den Versicherungsschutz auf einen abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern begrenzt, führe dazu, dass gemäß der allgemeinen Regelung in den Versicherungsbedingungen jede Betriebsschließung „beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserregern“ versichert sei. Da eine Meldepflicht der Covid-19-Krankheit bzw. von Sars-CoV-2-Krankheitserregern nach den Generalklauseln in §§ 6 und 7 IfSG - unabhängig von der späteren ausdrücklichen Aufnahme in die Listen des Infektionsschutzgesetzes - bereits zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles im März 2020 bestanden habe, sei die Betriebsschließung aufgrund der Corona-Pandemie auch vom Versicherungsumfang umfasst.
Der Versicherer wurde deshalb unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur antragsgemäßen Zahlung der vereinbarten Versicherungsleistung verurteilt.
Das OLG Karlsruhe hat ferner wegen grundsätzlicher Bedeutung und unter Berücksichtigung der vorgenannten abweichenden Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Es ist daher davon auszugehen, dass der in zweiter Instanz verurteilte Versicherer von diesem Rechtsmittel Gebrauch machen wird, sodass eine höchstrichterliche Klärung zur Frage nach der Wirksamkeit der vorgenannten Versicherungsbedingungen durch den BGH näher rückt.
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Für eine Überprüfung Ihrer individuellen Verträge und Versicherungsbedingungen stehen Ihnen Rechtsanwalt Alexander Baulig, Fachanwalt für Versicherungsrecht, und Rechtsanwalt Christian Rech, Fachanwalt für Versicherungsrecht, als Ansprechpartner zur Verfügung.