OLG Düsseldorf: Vertrauensschutz trotz fehlender Eignung!

Am 29.03.2021 – Verg 9/21 hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass Bieter, deren Eignung fehlerhaft bejaht wurde, Vertrauensschutz beanspruchen können und dieser dem Grundsatz der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) vorgeht.

Der Beschluss

Nachdem der Auftraggeber im Teilnahmewettbewerb eines EU-weiten Vergabeverfahrens alle Bieter für geeignet gehalten hatte, rügte ein Bieter die mangelnde Eignung des für den Zuschlag vorgesehenen Konkurrenten. Das OLG hielt die letztlich erhobene sofortige Beschwerde allerdings für unbegründet: Anders als im offenen Verfahren schaffe die positive Eignungsprüfung für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Bieter einen sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergebenden Vertrauenstatbestand.

Dieser sei begründet, weil ein Bieter nicht damit rechnen müsse, dass der durch Teilnahme am Verfahren entstandene Aufwand nachträglich durch Neubeurteilung der Eignung bei gleichbleibendem Sachverhalt nutzlos wird. Somit hätten Mitbieter die fehlerhafte Bejahung der Eignung im Ergebnis hinzunehmen.

Rechtliche Würdigung

Dieser Beschluss ist in mehrerlei Hinsicht zu hinterfragen. Nach der bisherigen Rechtsprechung betrifft die fehlerhaft bejahte Eignung nicht nur das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Betroffenem, sondern alle Verfahrensteilnehmer. Das OLG Düsseldorf stellt den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie den Anspruch der übrigen Bieter auf ordnungsgemäße Durchführung des Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 6 GWB) bei der Eignungsprüfung dennoch zurück und berücksichtigt nicht, dass die übrigen Bieter ebenfalls darauf vertrauen dürfen, dass alle Bieter nach denselben Kriterien bewertet werden.

Beachtung verdient außerdem, dass das OLG einen zwingenden Ausschlussgrund, nämlich die fehlende Eignung, dahinstehen lässt und es darauf verweist, dass es wegen des Vertrauenstatbestandes darauf nicht ankomme. Nach dieser Entscheidung könnten also zukünftig auch solche Bieter den Zuschlag erhalten, die nicht gemäß § 122 GWB geeignet sind. Der zu Unrecht nicht ausgeschlossene Bieter stünde demzufolge besser als bei ordnungsgemäßer Eignungsprüfung. Diese Rechtsprechung könnte als Widerspruch zur Auffassung des BGH (Beschluss vom 7.1.2014 – X ZB 15/13) gesehen werden, der für das offene Verfahren entschieden hat, dass eine einmal bejahte Eignung auch im späteren Verfahren erneut geprüft werden darf.

Ausblick

Aufgrund der dieser Entscheidung bleibt abzuwarten, inwieweit sie sich bei künftigen Vergabeverfahren auswirkt. Auch wenn das Vertrauen des betroffenen Bieters in eine korrekte Eignungsprüfung schutzwürdig ist, ist die Entscheidung kritisch zu bewerten, weil im Zweifel ungeeignete Bieter entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes den Zuschlag erhalten könnten.

Für weitergehende Fragen, insbesondere zum Thema der Eignungsprüfung in Vergabeverfahren, steht ihnen unser Kompetenzteam „Vergabe und Ausschreibung“ gerne zur Verfügung.

 

Dr. Dr. Stefanie Theis. L.L. M.

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
Fachanwältin für Vergaberecht
Richterin am Verfassungsgerichtshof RLP von 06/2009 bis 06/2021