1.
In einem erwähnenswerten Verfahren hat das OLG Düsseldorf - I - 18 U 10/21 zu mehreren Rechtsfragen des Palettentausches entschieden und zur Fortentwicklung dieses Rechtsgebiets ohne eigene gesetzliche Regelungen beigetragen.
Es ging um Ansprüche eines Spediteurs gegen einen von ihm eingesetzten Frachtführer auf Herausgabe von Paletten, die dieser bei der Ausführung von Frachtaufträgen von Empfängern erhalten hatte.
2.
Das Landgericht (LG) hatte die Palettenklauseln des Spediteurs zu Unrecht als unwirksam angesehen und nach ebenfalls fehlerhafter Prüfung von Bereicherungsansprüchen gegen den Frachtführer die Widerklage des Spediteurs abgewiesen.
Die Abweisung der Bereicherungsansprüche hat das LG damit begründet, dass ein negatives Palettenkonto keine ungerechtfertigte Bereicherung indiziere, weil dies nicht zwangsläufig bedeutet, dass sich die Paletten (noch) im Vermögen des Klägers (hier der Frachtführer) befinden, sich dort als Vermögensvorteil manifestiert haben, denn der Kläger kann diese bei den Empfängern mit der hierauf palettierten Ware abgeliefert haben, ohne hierfür Austauschpaletten erhalten zu haben.
Dieser Begründung liegt eine fehlerhafte Bewertung der rechtlichen und tatsächlichen Folgen der Mitwirkung der Frachtführer beim Palettentausch zu Grunde
Frachtführer sind nicht für die beladen zum Transport übernommenen, sondern nur für die Leerpaletten, die sie vom Empfänger an der Entladestelle erhalten haben, verantwortlich, sofern sie diese nicht wegen vorangegangener Abgabe von Leerpaletten aus ihrem Bestand an der Beladestelle behalten dürfen.
Beladen zum Transport übernommene Paletten stellen nichts „Erlangtes“ der Frachtführer dar, da sie diese Paletten nicht erhalten, sondern als Einheit mit dem Gut an den Empfänger abzuliefern haben.
Daher ist der Erhalt beladener Paletten zum Transport kein geeignetes Kriterium für die Prüfung einer Bereicherung des Frachtführers.
Zu derartigen Abweisungen von Ansprüchen der Auftraggeber von Frachtführern ist es in der Vergangenheit häufig gekommen, so dass Frachtführer Paletten behalten durften bzw. keinen Schadenersatz leisten mussten, obwohl ihnen die Paletten, die sie von Empfängern an den Entladestellen erhalten hatten, nicht zustanden.
Dabei wurde übersehen, dass Fracht- und Speditionsverträge auch entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge i.S. der §§ 675 ff BGB sind.
Auf diese Verträge sind auch die Regeln des Auftragsrechts anzuwenden. Danach hat der Beauftragte, hier der Frachtführer, alles aus der Ausführung „Erlangte“ herauszugeben. Das sind auch die von Empfängern erhaltenen Leerpaletten, soweit der Frachtführer diese nicht ausnahmsweise behalten darf, weil er zuvor an der Beladestelle eigene Paletten in entsprechender Menge abgegeben hat (Doppeltauschabrede).
Die Abweisung der Ansprüche gegen die Frachtführer / Spediteure beruhte oft darauf, dass zu den Vorgängen beim Palettentausch ungenau und unvollständig vorgetragen wurde und kein Hinweis darauf erfolgte, dass Fracht- und Speditionsverträge auch entgeltliche Geschäftsbesorgungs-verträge sind.
Noch vor seinem inzwischen rechtskräftigen Grundurteil vom 5.10.2022, bei dem es auf diese Rechtsfrage nicht ankam, weil die AGB als wirksam bewertet wurden, hat das OLG Düsseldorf in einem Hinweisbeschluss vom 2.3.2022 ausgeführt, dass sich bei Unwirksamkeit der Palettenklauseln des Auftraggebers ein Herausgabeanspruch von diesem aus § 667 2. Alt. BGB ergeben könnte. Die im Austausch vom Empfänger erhaltenen Paletten stellten sich dann im Verhältnis der Parteien als etwas aus der Ausführung des Auftrags Erlangtes dar, das herauszugeben ist.
Auf diesen zusätzlich bestehenden gesetzlichen Anspruch, der im Regelfall nicht so weit geht, wie der Anspruch aus den üblichen Palettenklauseln, kann also das Herausgabeverlangen auch gestützt werden, wenn keine gesonderte Palettentauschabrede getroffen oder eine solche als unwirksam gewertet wurde.
Soweit bekannt hat damit erstmals ein Obergericht die Möglichkeit eines Herausgabeanspruchs auf Paletten aus Auftragsrecht auch bei unwirksamen Palettenklauseln bejaht.
Damit können unbillige Ergebnisse insbesondere dann, wenn Bereicherungsansprüche nicht anerkannt werden, verhindert werden und es ist ein erster Schritt getan, um die „schwarzen Löcher“ zu stopfen, in denen Ansprüche der Auftraggeber gegen Frachtführer / Spediteure auf Herausgabe im Rahmen ihrer Tätigkeit entgegengenommener Paletten nicht selten versenkt wurden.
3.
Weiter hat sich das OLG mit der Frage der Verjährung von Ansprüchen auf Herausgabe von Paletten auf der Transportebene, also zwischen den Auftraggebern und den von ihnen zum Transport eingesetzten Frachtführern und Spediteuren und Frachtführern befasst. Auftraggeber können insoweit, wie im entschiedenen Fall, auch Spediteure / Frachtführer sein, die ihrerseits andere Verkehrsunternehmen einsetzen.
In Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zu anderen selbstständigen Nebenabreden zu Fracht- oder Speditionsverträgen hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass Ansprüche aus solchen selbstständigen Verträgen, die lediglich dem Umfeld der Beförderung zuzurechnen sind, nicht der einjährigen Verjährungsfrist des § 439 HGB unterliegen, sondern der Verjährungsfrist für diese Verträge. Dies ist hier die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB.
Die Gegenmeinung vertritt die Auffassung, dass dann, wenn der Schwerpunkt des gesamten Vertrages bei der Beförderung liegt, was bei Palettenabreden vor allem zu Frachtverträgen häufig der Fall ist, die einjährige Verjährungsfrist gilt (vgl. z.B. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Schaffert HGB 4. Aufl. § 439 Rn.7).
Aus der Auffassung des OLG Düsseldorf ergibt sich im Rückschluss, dass für bereicherungsrechtliche Ansprüche oder für Ansprüche aus § 667 2. Alt. BGB (vgl. oben), die dann in Frage kommen, wenn es an einer Palettenabrede fehlt oder diese unwirksam ist, wegen der Nähe zu den Fracht- oder Speditionsverträgen die einjährige Verjährungsfrist nach § 439 HGB gilt.
Dies führt zu unterschiedlichen Verjährungsfristen für gesetzliche und vertragliche Ansprüche auf Herausgabe von Paletten gegen den eingesetzten Frachtführer.
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Rechtsprechung der Auffassung des OLG Düsseldorf anschließt.
Es ist daher insbesondere auch für die Verjährung der Herausgabeansprüche von Bedeutung, ob eine wirksame Palettentauschabrede vorliegt.
Transportauftragsbedingungen, insbesondere auch Palettentauschklauseln, sollten daher sorgfältig, gegebenenfalls mit Hilfe eines qualifizierten Beraters, konzipiert und nicht von anderen Verkehrsunternehmen ohne nähere Prüfung abgeschrieben werden.
Dies zeigen auch die weiteren Ausführungen.
4.
Schließlich hat das OLG geprüft, wann eine Palettenklausel unwirksam ist, weil in dem Vertragsverhältnis keine gesonderte bzw. ausreichende Vergütung für den Auftragnehmer vorgesehen ist, so dass dieser unangemessen benachteiligt sei.
Das OLG geht insoweit davon aus, dass das Mitführen von leeren Lademitteln im Transportgewerbe üblich ist und der vorgesehene „Tausch“ längere Standzeiten vermeide, was für alle Beteiligten vorteilhaft sei. Habe der Empfänger keine Lademittel zum Tausch vorrätig (oder gebe er keine heraus), entfalle die „Tauschpflicht“ des Auftragnehmers. Bei einer in der Hand des Frachtführers liegenden Dokumentation des „Tausches“ bzw. der Gründe des Nichttausches ergebe sich schon aus der Dokumentation, wann ein Minus in den Risikobereich des Auftragnehmers falle.
Für diesen Dokumentationsaufwand sowie den Transport von leeren Lademitteln auf Fahrten, die sowieso anfallen, sei angesichts der Tatsache, dass der Auftragnehmer die Frachtpapiere, die seinen Aufgabenbereich betreffen, zu führen habe, wozu im eigenen Interesse gehöre, dass er sich die Übergabe des Transportgutes quittieren lässt, eine Vergütung in Höhe von 5 % der Fracht angemessen.
Vorsorglich empfiehlt es sich, in Transportauftragsbedingungen die Regelung aufzunehmen, dass ein bestimmter Prozentsatz der Fracht – wobei ohne besonderes Risiko des Frachtführers 5 %, wie es auch das OLG Düsseldorf annimmt – angemessen erscheinen, die Vergütung für das Palettenhandling und die Mitwirkung beim Palettentausch darstellt.
Dabei ist zu beachten, dass für die etwaige Übernahme des Tauschrisikos durch den Frachtführer eine gesonderte zusätzliche, einer Avalprovision ähnliche angemessene Vergütung zu zahlen ist.
Weiter bedarf es zur Übernahme des Tauschrisikos durch den Frachtführer grundsätzlich einer Individualabrede, d.h. das Tauschrisiko kann dem Frachtführer nicht durch AGB auferlegt werden.
Soweit das Landgericht davon ausgegangen sei, dass der Kläger einem Schadenersatzrisiko von 55.000,00 € ausgesetzt gewesen sei, welches aus einem Jahr resultierte, in dem seine Vergütung nur 22.000,00 € betragen habe, habe es falsche Voraussetzungen zugrunde gelegt.
Weiter hat das OLG ausgeführt, dass gegen eine weitere Regelung in der Lademittelklausel, wonach bei Nichterfüllung der Dokumentationspflichten innerhalb von 14 Tagen nach Ablieferung des Gutes der Auftraggeber ohne Weiteres Schadenersatz fordern könne, statt zuerst Rückgabe der Paletten verlangen zu müssen, keine grundsätzlichen Bedenken beständen.
Auch wenn dieser Auffassung zuzustimmen ist, empfiehlt es sich, trotzdem noch mit einer kurzen Frist - zwei Wochen reichen aus - zur Rückgabe der Paletten aufzufordern, bevor Schadenersatz geltend gemacht wird. Dann befindet man sich auf der sicheren Seite.
Gerne stehe ich Ihnen für Rückfragen ztur verfügung:
Jürgen Knorre
Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht