OLG München: Mitarbeiterbeteiligung im „Managermodell“ kann sittenwidrig sein

Der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat mit Urteil zum 13.05.2020 die Grenzen des zulässigen Einsatzes des sogenannten „Managermodells“ in der GmbH mit weiteren Konturen versehen.

Das „Managermodell“ ist ein beliebtes Gestaltungsmittel, um Manager (und leitende Angestellte) im Rahmen einer Mitarbeiterbeteiligung an das Unternehmen zu binden, deren Motivation zu steigern und ihren erfolgreichen Einsatz zusätzlich zu belohnen. Dem Geschäftsführer wird dabei neben ihrem anstellungsvertraglichen Vergütungsanspruch zusätzlich eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung gewährt, die ihn am Gewinn der Gesellschaft unmittelbar partizipieren lässt. Um zu verhindern, dass der Manager nach seiner Abberufung und Kündigung seine Gesellschafterstellung weiterbehält, ohne der Gesellschaft operativ zu dienen, wird in der Satzung regelmäßig ein freies Hinauskündigungsrecht vereinbart. Das freie Hinauskündigungsrecht dient also dem gewünschten Gleichlauf zwischen Geschäftsführerstellung und Gesellschafterstellung. Da Sinn und Zweck der Beteiligung - Bindung an das Unternehmen, Motivationssteigerung und Belohnung für erfolgreichen Einsatz – bei einer Abberufung aus den Diensten der Gesellschaft nicht mehr trägt, soll sie mit Beendigung der Geschäftsführerstellung durch Hinauskündigungsbeschluss der Gesellschafterversammlung beendbar sein.

Obgleich die Verankerung eines freien Hinauskündigungsrechts zulasten eines Mitgesellschafters in der Satzung problematisch ist, hat der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit des „Managermodells“ in seinem Urteil vom 19.09.2005 - II ZR 173/04, juris Rn. 10 grundsätzlich anerkannt:

Zwar seien gesellschaftsvertragliche Regelungen, die einem Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit in einer GmbH das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die freie Hinauskündigungsmöglichkeit könne nämlich vom betroffenen Gesellschafter als Disziplinierungsmittel empfunden werden, das ihn daran hindert, von seinen Mitgliedschaftsrechten nach eigener Entscheidung Gebrauch zu machen und seine Mitgliedschaftspflichten zu erfüllen.

Eine Sittenwidrigkeit liege nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedoch ausnahmsweise dann nicht vor, wenn besondere Umstände ein sachlicher Grund für die freie Ausschließungsmöglichkeit bieten (BGH, Urteil vom 19.09.2005 - II ZR 173/04, juris Rn. 11). Derartige besondere Umstände hat der Bundesgerichtshof bei einem „Managermodell“ bejaht, bei welchen die Geschäftsführer bis zu 10 Prozent der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung eingeräumt wird, für die er nur ein Entgelt in Höhe des Nennwerts zu zahlen hat und die er bei Beendigung seines Geschäftsführeramtes gegen eine der Höhe nach begrenzte Abfindung zurückzuübertragen hat (BGH, Urteil vom 19.09.2005 - II ZR 173/04, juris Rn. 12 ff.): Der Verlust der Gesellschafterstellung des Geschäftsführers falle nicht entscheidend ins Gewicht, weil die - von vornherein auf Zeit eingeräumte - Beteiligung in dem „Managermodell“ nur einen Annex zur Geschäftsführerstellung darstelle und in erster Linie der Unternehmensbindung, Motivationssteigerung und Einsatzbelohnung diene.

In seiner neuen Entscheidung hat das Oberlandesgericht München seiner Auffassung Ausdruck verliehen, dass Hinauskündigungsklauseln trotz einer „Managermodell“-Gestaltung sittenwidrig sein können. Entscheidend komme es darauf an, ob die gesellschaftsrechtliche Beteiligung als Annex zur Geschäftsführerstellung zu werten ist.

Im Urteilsfall stand diesem Annexcharakter nach Ansicht des Gerichts entgegen, dass die Minderheitsbeteiligung von 25% erheblich sei (OLG München, Urt. v. 13.05.2020 – 7 U 1844/19 –, juris Rn. 103 ff). Insbesondere die Minderheitsrechte des § 50 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG, die einen Gesellschafter mit mindestens 10 Prozent dazu berechtigen, die Einberufung einer außerordentliche Gesellschafterversammlung und die dortige Behandlung von „Gegenständen zur Beschlussfassung“ zu erzwingen, würden gegen einen Annexcharakter der Beteiligung sprechen, da dem beteiligten Geschäftsführer hierdurch eine wesentliche Mitgestaltungsmöglichkeit innerhalb der Gesellschaft eröffnet sei.

Neben dieser Beteiligungsgrenze führte das OLG im entschiedenen Fall noch zwei weitere Punkte gegen einen Annexcharakter an: Zum einen habe nach Fassung des Beteiligungsvertrages bei der Beteiligung des Geschäftsführers weniger ein erhebliches Gewinnausschüttungspotential als eher das unternehmerische Investment im Vordergrund gestanden. Vielmehr war vorgesehen, dass ein etwaiger Jahresüberschuss, Gewinnvorträge sowie Gewinn- und Kapitalrücklagen grundsätzlich thesauriert würden. OLG München, Urt. v. 13.05.2020 – 7 U 1844/19 –, juris Rn. 109 ff). Zum anderen habe der beteiligte Geschäftsführer aufgrund von einer in der Satzung vorgesehenen Nachschussverpflichtung ein von der Insolvenz der Gesellschaft unabhängiges wirtschaftliches Risiko getragen (OLG München, Urt. v. 13.05.2020 – 7 U 1844/19 –, juris Rn. 108).
 

Praxisauswirkungen

Die in der Entscheidung getroffenen Wertungen sind für die rechtssichere Gestaltung von Managerbeteiligungen von hoher Bedeutung. Zwar entschied sich das Oberlandesgericht München gegen den Annexcharakter des Managerbeteiligung im Wege einer umfassenden Abwägung, bei der Einzelfallaspekte eingeflossen sind. Gleichwohl wird insbesondere die vom Oberlandesgericht besonders betonte 10%-Beteiligungsschwelle im Zusammenhang mit den Minderheitsrechten nach § 50 GmbHG sowie die Relevanz der gesellschaftsvertraglichen Gewinnausschüttungsregelung bei zukünftigen Gestaltungen mit besonderem Augenmerk zu berücksichtigen sein.

 

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