Die Arbeitsgerichte müssen sich immer häufiger mit arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen und deren Wirksamkeit auseinandersetzen. Wurde die Wirksamkeit von Verfallklauseln in der Vergangenheit teils durch Umdeutung oder Auslegung bewirkt (vgl. etwa BAG, Urteil vom 20.06.2013, Az. 8 AZR 280/12), befindet sich die Rechtsprechung durch die zunehmende Verwendung und Ausgestaltung von Ausschlussfristen nunmehr im Wandel – mit teils weitreichenden Folgen, wie die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.03.2021, Az. 9 AZR 323/20, zeigt.
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der Wirksamkeit folgender Verfallklausel auseinanderzusetzen:
„§ 12 Verfall-/Ausschlussfristen
Die Vertragsparteien müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Falle der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von weiteren drei Monaten einklagen. Andernfalls erlöschen sie. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung.“
Im nun entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer Ende 2018 – über ein Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2017 – die Abgeltung seines Resturlaubes aus dem Jahre 2017 verlangt, welche der Arbeitgeber aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verweigerte.
Die Vorinstanzen erachteten die Verfallklausel als wirksam und wiesen die Klage ab. Nachdem der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts seine Rechtsprechung bereits im vergangenen Jahr geändert hatte (Urteil vom 26.11.2020, Az. 8 AZR 58/20), folgte dem nun auch der 9. Senat und gab der Klage statt.
Die ständige Rechtsprechung replizierend stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung als Geldanspruch aus dem Arbeitsverhältnis dem Grunde nach wirksam von einer Ausschlussfrist umfasst werden kann.
Gleichwohl urteilte das Bundesarbeitsgericht, die Verfallklausel verstoße gegen § 202 Abs. 1 BGB, wonach die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert werden kann, und sei deshalb bereits unwirksam. Dabei stelle § 202 Abs. 1 BGB ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar, dessen zwingende Folge die (Teil-)Nichtigkeit der Klausel ist.
Begründet wird der Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB mit dem unzureichenden Anwendungsbereich des Haftungsausschlusses bei vorsätzlichen Schädigungen. So sei durch den Ausschluss von Ansprüchen „aus unerlaubter Handlung“ für einen durchschnittlichen Leser nicht ersichtlich, ob auch Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung erfasst seien.
Auch die Besonderheiten der arbeitsrechtlichen AGB-Prüfung nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB sind nach dem Bundesarbeitsgericht ohne Bedeutung, da Abreden über die Verjährung bei Ansprüchen aus vorsätzlicher Handlung nach § 202 Abs. 1 BGB als zwingendes – nicht dispositives – Recht der Vertragsfreiheit der Parteien entzogen sind.
Zur Herbeiführung und Wahrung des Rechtsfriedens sind Verfallklauseln auch weiterhin das Mittel der Wahl, wenngleich bei deren Formulierung besondere Sorgfalt geboten ist, um unerwünschte Situation wie mögliche Nachzahlungen effektiv und transparent zu vermeiden.
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Praxistipps:
1.
Ob eine Klausel nur zum Teil oder – wie im durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall – gänzlich unwirksam ist, wird nach dem so genannten „blue-pencil-Test“ bestimmt. Dabei wird die Teilbarkeit einer Klausel dadurch ermittelt, dass der unwirksame bzw. nichtige Teil gestrichen wird. Bleibt eine selbstständig sinnstiftende, verständliche und gesetzlich zulässige Regelung übrig, liegt eine Teilbarkeit der Klausel vor und es entfällt lediglich der unwirksame bzw. nichtige Teil.
Ergibt der blue-pencil-Test keine Teilbarkeit, ist die Klausel insgesamt unwirksam. Die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages wird dadurch regelmäßig nicht berührt, da nach § 139 BGB anzunehmen ist, dass der Arbeitsvertrag auch dann geschlossen worden wäre, wenn die Parteien um die Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit gewusst hätten.
2.
Auch wenn das Bundesarbeitsgericht die Verfallklausel keiner AGB-Prüfung unterzogen hat, dürfte auch diese im vorliegenden Fall zu Lasten des Arbeitgebers ausfallen.
Nach § 309 Nr. 7 BGB sind Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (zu denen auch vorformulierte Arbeitsverträge zählen) unwirksam, in denen die Haftung für Schäden aus vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung begrenzt oder ausgeschlossen werden.
Oft vernachlässigt, aber von enormer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang § 3 MiLoG, wonach Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder dessen Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind.
Lediglich für vor dem Inkrafttreten des MiLoG am 16.08.2014 vereinbarte Ausschlussfristen in „Altverträgen“ ist die vereinbarte Ausschlussfrist ohne ausdrückliche Ausnahme des Mindestlohnanspruchs „insoweit“ unwirksam – also im Übrigen wirksam (vgl. BAG, Urteil vom 18.09.2018, Az. 9 AZR 162/18).
Alle nach diesem Zeitpunkt geschlossenen oder geänderten Arbeitsverträge beinhalten unwirksame Verfallklauseln unter Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vor, wenn der Mindestlohnanspruch nicht ausdrücklich ausgenommen ist.
Tim Schwarzburg Sebastian Hetger
Partner Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Mediator
Dozent an der Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG)