Update: Änderungen des § 23 AEG - Eisenbahnrechtliche Entwidmung wieder praktikabel

Änderungen des §23 AEG - Baurechtliche Nutzbarkeit und kommunale Planung wieder gesichert

Der Bundestag hat am 26. Juni 2026 die Änderungen der Regelung zur Freistellung eines Grundstücks vom Bahnbetriebszweck beschlossen.

Mit der zum 29. Dezember 2023 in Kraft getretenen Änderung des § 23 AEG verfolgte der Gesetzgeber ursprünglich das Ziel, gewidmete Bahnflächen besser zu schützen und eine spätere Wiedernutzung durch die Eisenbahn zu ermöglichen. Dies hat sich jedoch in der Praxis negativ auf Wohnungsbauprojekte und städtebauliche Entwicklungen ausgewirkt. Seit Inkrafttreten der Änderung hat das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) über 150 Freistellungsanträge abgelehnt.

Denn der Gesetzgeber verlangte, dass „das vom Antragsteller geltend gemachte Interesse an der Freistellung das überragend öffentliche Interesse am Bahnbetrieb in der Abwägung überwiegt“. Dies war nur in wenigen Fällen möglich.

Städtebau-Initiativen beklagten, dass die aktuelle Rechtslage dringend notwendige Entwicklungen im Wohnungsbau ausbremst, ein Vorwurf, der durch die Vielzahl abgelehnter Anträge gestützt wurde.

Bahnverbände wie Allianz pro Schiene hingegen warnten davor, das Vorsorgeprinzip für Reaktivierungen zu schwächen. Eine Aufweichung des Schutzes gewidmeter Bahnflächen könnte langfristige Ausbauziele gefährden.

Mit dem aktuellen Vorhaben sollen zentrale eisenbahnpolitische Zielvorgaben im AEG verankert werden. Diese Zielgrößen sollen als Orientierung für die Weiterentwicklung des Bahnverkehrs und den Ausbau der Schieneninfrastruktur dienen. Der Deutschlandtakt wird dabei als übergeordnetes Infrastrukturkonzept verstanden, das an diese Vorgaben angepasst werden soll.

 

Der neue § 23 AEG

Künftig sollen Entwidmungen dann zulässig sein,

  • wenn hinsichtlich eines Grundstücks kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht oder für die Eisenbahninfrastruktur ein Ersatz geschaffen worden ist, und
  • langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist und
  • die Wiederinbetriebnahme einer Strecke nicht verhindert wird.

Das bislang zwingend zu beachtende „überragende öffentliche Interesse“ wird nicht vollständig abgeschafft. Es wird jedoch direkt mit den tatsächlichen Kriterien des Verkehrsbedarfs und der zukünftigen Bahnnutzung verknüpft. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, entfällt das öffentliche Interesse am Erhalt des Bahnbetriebszwecks auf dem betreffenden Grundstück.

So soll gewährleistet werden, dass Grundstücke einer alternativen Nutzung zugeführt werden können. Gleichzeitig wird aber ausgeschlossen, dass eine Freistellung erfolgt, wenn eine mögliche Reaktivierung der Bahnstrecke in Betracht kommt.

Zudem wird eine Übergangsregelung eingeführt: Freistellungsverfahren, die vor dem 29. Dezember 2023 gestellt wurden, sollen nach alter Rechtslage entschieden werden.

 

Fazit:

Die Diskussion um § 23 AEG hat exemplarisch den Zielkonflikt zwischen Infrastrukturvorsorge und Flächenverfügbarkeit verdeutlicht. Der Gesetzgeber hat auf die anhaltende Kritik reagiert und mit der Gesetzesänderung eine Grundlage geschaffen, um sowohl den Eisenbahnbetrieb zu sichern als auch kommunale Entwicklungsinteressen zu berücksichtigen. Wie sich die Neuregelung in der Praxis und wie das Eisenbahn-Bundesamt über die Anträge entscheiden wird, bleibt abzuwarten.

 

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