Update Betriebsschließungsversicherung – Vorsicht vor übereilter Abfindung

Derzeit bieten zahlreiche Betriebsschließungsversicherer Ihren Versicherten Abfindungsangebote bzw- -vergleiche in einer Größenordnung von max. 10%-15% der versicherten Leistungen an. Hier ist allerdings Vorsicht geboten:


Die Corona-Pandemie hat Deutschland und die Welt weiterhin fest im Griff. Zu den besonders hart betroffenen Wirtschaftszweigen gehört fraglos die Gastronomie. Der bereits zurückliegende wochenlange Ausfall von Einnahmen führt bereits zu bedrohten Existenzen trotz aller Bemühungen von Seiten der Politik. Ein sicheres Ende der massiven behördlichen Beschränkungen ist noch nicht sicher absehbar.

Mit unserem Sondernewsletter vom 27.03.2020 haben wir eine erste Übersicht darüber gegeben, dass für eine erhebliche Anzahl an Gastronomen ein möglicher Versicherungsschutz aus Betriebsschließungsversicherungen zu prüfen ist.

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Versicherer infolge der flächendeckenden Betriebsschließungen leistungspflichtig sind, erlangt eine zunehmende Dynamik, die sich in medialer Berichtserstattung und verschiedenen Stellungnahmen aus der Versicherungswirtschaft widerspiegelt. Auch in unserer Beratungspraxis häufen sich die Fälle individueller Auseinandersetzungen zwischen Gastronomen und Versicherern über die Frage, ob die auf die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes gestützten flächendeckenden Beschränkungen der Gastronomie zu Erstattungsansprüchen gegen den Versicherer führen.

Ausdruck der rasanten Dynamik ist, dass nunmehr Versicherer eine vergleichsweise Einigung anbieten, wonach für einen Teil des versicherten Zeitraums, (sogenannte Haftzeit von typischerweise bis zu 90 Tagen) ein geringer Prozentsatz zwischen 10 und 15 % des vereinbarten Tagessatzes gezahlt werden sollen. Entsprechende Einigungsbemühungen sind im Rahmen der sog. „Bayerischen Lösung“ unter anderem als das Ergebnis von Verhandlungen des DEHOGA Bayern mit dem bayerischen Wirtschaftsministerium und der Versicherungswirtschaft bekannt.

Bei der Frage, ob Versicherungsnehmer entsprechende an sie herangetragene Vergleichsangebote annehmen sollten, mahnen wir zur Vorsicht und raten dringend von übereilten Entscheidungen ohne Hinzuziehung einer anwaltlichen Beratung unter Überprüfung des individuellen Versicherungsschutzes ab.

Wir betonen, dass es eine einheitliche Antwort auf die Frage von Versicherungsschutz aus der Betriebsschließungsversicherung nicht geben kann, weil die unterschiedlichen Vertragsgestaltungen zu unterschiedlichen Prüfungsergebnissen führen. Wer allerdings jetzt verbindliche Abfindungsvereinbarungen mit seinem Versicherer schließt, wird sich davon später in aller Regel nicht mehr lösen können, wenn sich herausstellen sollte, dass höhere Ansprüche bestanden hätten. Angesichts der von den Versicherern angebotenen geringen  Vergleichsquote geht es insoweit um eine Differenz zum versicherten Tagessatz, der gerade auch bei einer über die Haftzeit hinausgehenden Einschränkung der Betriebstätigkeit ausschlaggebend für den weiteren Fortgang des Unternehmens entscheiden kann.

Den erwähnten Vergleichsüberlegungen liegt unter anderem die Rechtsauffassung der Versicherer zugrunde, dass staatliche Zuschüsse, wie die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld, Materialersparnis sowie Soforthilfen den Schaden der betroffenen Betriebe auf etwaige Leistungsansprüche gegen den Versicherer anzurechnen seien. Ob eine solche Anrechnung tatsächlich vertragsgemäß ist, erscheint aber für den Einzelfall keineswegs eindeutig. Denn Betriebsschließungsversicherungen sind in den uns bekannten Beispielen häufig als sogenannte Summenversicherungen ausgestaltet. Im Gegensatz zur Schadenversicherung ist dabei nicht etwa der Ersatz eines konkret hervorgerufenen Schadens versichert, sondern die Zahlung einer bei Vertragsschluss bestimmten Summe, die auf der Grundlage einer abstrakten Bedarfsdeckung vereinbart wurde (in der Regel ein fester Tagessatz für jeden Tag der Betriebsschließung für einen durch die Haftzeit bestimmten Zeitraum). Es erscheint zumindest fraglich, ob der Versicherer bei einer solchen Ausgestaltung ohne gesonderte vertragliche Regelungen die diskutierten Drittleistungen anrechnen darf.

Weiter sind die Vergleichserwägungen von der Absicht getragen, sämtliche Ansprüche auch zukünftig in Betracht kommender weiterer Betriebsschließungen, welche durch den COVID-19-Erreger veranlasst sind, endgültig abzufinden. Auch diese in die Zukunft gerichtete Gestaltung verdeutlicht die wirtschaftliche Bedeutsamkeit etwaiger Vertragsabschlüsse, die dringend einer vorherigen Prüfung zuzuführen sind.

Regelmäßig werden Versicherungsnehmer auch mit dem Einwand konfrontiert, die flächendeckende Betriebsbeschränkungen seien nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes, weil es sich nicht um individuell nur den einzelnen Betrieb betreffende behördliche Anordnungen handelt (sogenannte Einzelverfügung), sondern um sogenannte Allgemeinverfügungen. Allerdings gehen wir davon aus, dass es keinen Unterschied machen kann, ob eine Betriebsschließung aufgrund einer alle Betriebe treffenden Allgemeinverfügung oder infolge eines ausschließlich den einzelnen Betrieb treffenden Einzelverwaltungsaktes erfolgt. Verständlicherweise sind die Versicherungsnehmer über die Gegenteilige Beurteilung der Versicherungswirtschaft auch außerordentlich überrascht, macht es für die von ihnen abgesicherten Betriebskosten und wegbrechenden Einnahmen doch keinen Unterschied, ob neben dem eigenen Betrieb auch andere Betriebe betroffen sind oder nicht. Dieses Verständnis des Versicherungsnehmers wird man bei der Auslegung des Versicherungsvertrages kaum außer Acht zu lassen können.

Ungeachtet der teilweise kritisch zu beleuchtenden Standpunkte aus der Versicherungswirtschaft ist selbstverständlich zu begrüßen, soweit Versicherer auch in Fällen, in denen aufgrund der Bedingungen Versicherungsschutz fraglich erscheint, den Unternehmern kurzfristig durch einvernehmliche Gestaltungen bei der Minderung der wirtschaftlichen Folgen beizustehen. Auch von Seiten der Versicherungswirtschaft sind insoweit erhebliche Beiträge zur solidarischen Überwindung der unerwarteten Folgen der Pandemie zu verzeichnen. Gleichwohl drohen Versicherungsnehmer mit einem vorschnellen Vergleichsabschluss ohne Prüfung der individuellen Vertragslage etwaige Ansprüche aus der Hand zu geben.

Von Seiten der durch uns vertretenen Betriebe ist uns im Übrigen bekannt, dass 15 % des versicherten Tagessatzes selbst unter Hinzunahme staatlicher Sofortleistungen sowie der Zahlung eines Kurzarbeitergeldes längst nicht ausreichen dürften, um die tatsächlich durch die Betriebsschließung verursachten Einbußen zu kompensieren. Dies gilt umso mehr, als ein andauern oder erneutes auftreten der behördlichen Beschränkungen weit über die Haftzeit hinaus zum gegenwärtigen Zeitpunkt alles andere als ausgeschlossen erscheint. Wir raten daher dazu, nicht vorschnell auf etwaige Einigungsangebote der Versicherer einzugehen.

Gerne überprüft unser Kompetenzteam "Versicherung & Haftung" sowohl Ihre individuellen Versicherungs- und Vertragsbedingungen sowie konkrete Einigungsangebote und unterstützen Sie bei der komplexen Entscheidungsfindung in der gegenwärtigen Ausnahmesituation.

Hierfür stehen Ihnen zwei unserer Fachanwälte für Versicherungsrecht, Herr Rechtsanwalt  Alexander Baulig und Herr Rechtsanwalt Christian Rech als Ansprechpartner zur Verfügung: