Noch immer sind manche Fragen ungeklärt!
Urteil des EuGH vom 14.9.2023 in der Rechtssache C-246/22
zum Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Köln
bezüglich der Beförderung von Leercontainern im Rahmen des kombinierten Verkehrs
Der EuGH hat in diesem Urteil entschieden, dass Art. 1 der Richtlinie 92/106/EWG des Rates vom 7.12.1992 zum kombinierten Güterverkehr dahin auszulegen ist, dass die Beförderung von Leercontainern auf der Straße zwischen einem Containerterminal und dem Ort, an dem die Güter ge- oder entladen werden, unter den Begriff „kombinierter Verkehr“ i.S. dieses Artikels fällt, so dass für sie die liberalisierte Regelung für die Zu- und/oder Ablaufverkehre auf der Straße gilt, die Bestandteil eines kombinierten Verkehrs i.S. von Art.4 dieser Richtlinie sind und nicht unter die Anwendung der Kabotagebestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.10.2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs fallen.
Damit ist klargestellt, dass die Beförderung von Leercontainern vor oder nach Beförderung Guts selbst Teil dieses kombinierten Verkehrs ist, was zu begrüßen ist. Denn nur diese Auslegung führt zur angestrebten Förderung des kombinierten Verkehrs und bringt den Kabotageunternehmen die Erleichterung, die die Richtlinie bezweckt.
Zuvor hatten das BALM (Bundesamt für Logistik und Mobilität, früher BAG) und das Amtsgericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen angenommen, dass diese Leertransporte von Containern durch Kabotageunternehmer anders als die Transporte der beladenen Container grundsätzlich nicht privilegiert seien und daher den Kabotagevorschriften unterlägen.
Trotzdem sind mit dieser Entscheidung die Probleme der Praxis keineswegs gelöst.
Die wichtige Frage, ob die Streckenlängen, die für die Beförderung der beladenen Container im kombinierten Verkehr zu beachten sind, auch für von ihm als unerlässlich angesehene Beförderung der Leercontainer gelten, hat der EuGH in seinem Urteil nicht angesprochen.
Die einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts enthalten keine Aussagen zu den Leertransporten von Containern.
Dies spricht dafür, dass Leertransporte von und zu einem Depot, die über die geltenden Streckenlängen für den Transport der beladenen Container hinausgehen
- vom Ort der Beladung bis zum nächsten geeigneten Umschlagbahnhof bzw.
ein Umkreis von höchstens 150 km Luftlinie um den Binnen- oder Seehafen des Umschlags -
und z.B. über Strecken von mehreren Hundert Kilometern verlaufen könnten, nicht mehr privilegiert sein sollen.
Demgegenüber dürfte es keine Rolle spielen, ob derselbe oder ein gleichartiger Container von dem Kabotageunternehmer zu einem Depot zurücktransportiert wird, das nicht das Depot sein muss, von dem der Leercontainer zuvor zur Beladestelle transportiert wurde, wenn sich die Beförderungen innerhalb der Streckenlängen halten, die im kombinierten Verkehr für die Transporte beladener Container gelten.
Fraglich ist auch, ob die Beförderung der Leercontainer durch ein anderes Fahrzeug des Kabotageunternehmers, das zuvor nicht den Transport des beladenen Containers durchgeführt hatte, ebenfalls noch privilegiert sein soll.
Es bleibt abzuwarten, wie die Verwaltungsbehörde auf dieses jedenfalls für den Begriff „kombinierter Verkehr“ grundsätzliche Urteil reagiert, auch wenn nicht alle Rechtsfragen beantwortet wurden.
Für die Auftraggeber - sowohl für (Ur-)Versender als auch für Verkehrsunternehmen - gilt, dass sie jedenfalls weiterhin im Rahmen ihrer Auftraggeberpflichten nach § 7c GüKG darauf zu achten haben, dass beauftragte Kabotageunternehmer im Rahmen des kombinierten Verkehrs nicht nur bei der Beförderung von beladenen Containern, sondern auch beim Transport von Leercontainern die geltenden Streckenlängen einhalten.
Ansonsten drohen auch den Auftraggebern erhebliche Bußgelder.
Ihr Ansprechpartner:
Rechtsanwalt J. Knorre
Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht