Urteil des VG Köln – 18 K 8314/18 zu Kabotagebeförderungen

Am 31.5.2021 hat das Verwaltungsgericht (VG) sich nochmals mit dem Thema Kabotagebeförderungen im Rahmen einer Feststellungsklage beschäftigt.

Es hat eine solche Klage gegen die Verwaltungsbehörde zugelassen, damit vorab nach Kundgebung von deren ablehnender Auffassung geklärt werden kann, ob bei Aufnahme einer Tätigkeit wegen verwaltungsrechtlicher Fragen Ordnungswidrigkeitenverfahren mit erheblichen Bußgeldern drohen.

Es ging dabei um die Frage, ob eine Kabotagebeförderung mehrere Be- und/oder Entladeorte umfassen darf und ob Beförderungen auch vom selben Absender an unterschiedliche Empfänger nicht als eine, sondern immer als mehrere Beförderungen zu werten sind, wie es der Verwaltungspraxis des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) entspricht. Das BAG nimmt nur dann eine Beförderung an, wenn die Teilpartien an denselben Empfänger gehen und lässt dann mehrere Entladestellen zu.

Das VG geht zu Unrecht davon aus, dass diese Verwaltungspraxis, die es im Einklang mit der gemeinschaftsrechtlichen Regelung in Art. 8 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1079/2009 sieht, zur Konkretisierung des Begriffs „Kabotagebeförderung“ nach deutschem Recht ausreicht. Dabei übersieht es einmal, dass zur Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht Maßnahmen des Gesetzgebers oder des Verordnungsgebers auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung erforderlich sind und eine Verwaltungspraxis ohne gesetzliche Grundlage solche Maßnahmen nicht ersetzen kann.

Weiter übersieht das VG, dass die Auffassung des BAG den nach dem Europäischen Gerichtshof erforderlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Beschränkung von Kabotagebeförderungen überschreitet, da sie faktisch dazu führt, dass Kabotageunternehmer von Sammelgutbeförderungen im Inland mit Auslieferung an den Endempfänger ausgeschlossen sind, denn derartige Beförderungen von einem bestimmten Absender zu einem bestimmten Empfänger kommen in der Praxis kaum vor.

Darüber hinaus geht das VG von einer nicht bestehenden Bestimmungsmöglichkeit des Kabotageunternehmers hinsichtlich des Empfängers aus, weil es die frachtrechtlichen Beziehungen der Beteiligten bei Kabotagetransporten verkennt.

Für die Praxis gilt, dass es in Deutschland an einer verbindlichen Definition des Begriffs „Kabotagebeförderung“ fehlt.  
Beförderungen von einem Absender mit einer Beladestelle, einem einheitlichen Transportauftrag mit einer Gesamtvergütung für alle dem Auftrag unterliegenden Teilbeförderungen – worauf bei der Gestaltung geachtet werden sollte – sind daher entgegen der Auffassung des BAG auch dann als eine Beförderung anzusehen, wenn die Teilpartien für unterschiedliche Empfänger bestimmt sind.

Wird ein Bußgeld wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Kabotagebestimmungen, die drei Kabotagebeförderungen nach Einreise mit einem beladenen Fahrzeug zulassen, verhängt, weil es um unterschiedliche Empfänger geht, sollte man dies gerichtlich überprüfen lassen. Aufgrund der nicht vorhandenen klaren Definition des Begriffs der Kabotagebeförderung hinsichtlich der zulässigen Be- und Entladestellen fehlt es an der erforderlichen konkreten Beschreibung des Gesetzgebers bezüglich der Voraussetzungen der Strafbarkeit, was auch für Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt. Es ist ständige Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, dass die Entscheidung über strafwidriges Verhalten im Voraus vom Gesetzgeber und nicht erst nachträglich durch die Verwaltung oder die Gerichte zu fällen ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.4.2021 – 2 Rb 34 Ss 198/21 m.w.N.).

Obwohl des BAG eine andere Auffassung vertritt und teilweise auch die Gerichte, bestehen gute Aussichten, erfolgreich gegen Bußgelder vorzugehen, wenn sie darauf beruhen, dass trotz Einhaltung der vorstehend beschriebenen Kriterien für eine Beförderung, die Verwaltungsbehörde davon ausgegangen ist, dass bei mehreren Empfängern immer mehrere Beförderungen vorliegen.

Dies bedeutet jedoch nicht dass die sonstigen Kabotageanforderungen gemäß Art. 8 VO (EG) Nr. 1072/2009 nicht zu beachten sind, insbesondere hinsichtlich der Gemeinschaftslizenz, der mitzuführenden Belege sowie der Rückkehr eingesetzter Fahrzeuge nach acht Wochen ins Heimatland und der Sperrfrist von vier Tagen für neue Kabotagebeförderungen nach Abschluss solcher vorangegangenen Beförderungen, die beiden letzten mit Geltung der Neufassung am 21.2.2022.


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Jürgen Knorre
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht