VGH Baden-Württemberg: Tübingen fehlt die Kompetenz zur Einführung einer Steuer auf Einwegverpackungen

Seit Anfang dieses Jahres erhebt Tübingen auf Einwegverpackungen für Speisen und Getränke, die unmittelbar vor Ort verzehrt oder mitgenommen werden, eine Steuer. Sie soll helfen, die Vermüllung des Stadtbilds durch „to go“-Verpackungen zu verringern und Einnahmen für den städtischen Haushalt zu erzielen. Für jede Verpackung und jedes Einweggeschirrteil werden 50 Cent erhoben, für jedes Einwegbesteck-Set 20 Cent. Pro Einzelmahlzeit ist der Steuersatz auf insgesamt 1,50 Euro begrenzt. Entrichten müssen die Steuer die Verkäufer der Speisen und Getränke.

Mit Urteil vom 29. März 2022 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Verpackungssteuersatzung der Stadt Tübingen für unwirksam erklärt. Die Revision wurde zugelassen. Inzwischen liegt auch die Begründung des Urteils vor. Sie weist viele Parallelen zu einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998 auf, das damals eine in der Stadt Kassel erhobene Verpackungssteuer für unwirksam erklärt hatte.

Der Verwaltungsgerichtshof stellt fest, dass die Verpackungssteuer zwar eine Verbrauch- und Aufwandsteuer sei, die Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen erheben dürften, soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Allerdings fehle es an dem für die Zulässigkeit einer solchen Steuer erforderlichen örtlichen Bezug. Denn die Steuer werde auch auf Speisen und Getränke erhoben, die nicht vor Ort verzehrt, sondern mitgenommen werden. Der Verzehr könne deshalb auch außerhalb der Stadt erfolgen. Würde die Wirksamkeit der Verpackungssteuer bestätigt, könne dies Tür und Tor zu unterschiedlichen kommunalen Verbrauchsteuern eröffnen, was aber durch das Grundgesetz ausgeschlossen sei. Verbrauchsteuern seien Produktionskosten der Wirtschaft und müssten in einem einheitlichen Wirtschaftsraum auf Grund einer einheitlichen Steuergesetzgebung erhoben werden.

Auch sei der Begriff der „Einzelmahlzeit“ nicht vollzugsfähig. Ob dafür vom Verkäufer maximal 1,50 Euro erhoben würden, hänge von den Angaben des Konsumenten ab. Vor allem bei größeren Sammelbestellungen hänge die Höhe der Steuer von unter Umständen wahrheitswidrigen Angaben der Konsumenten ab.

Ebenso wie schon das Bundesverfassungsgericht im Fall der Stadt Kassel hebt der Verwaltungsgerichtshof darauf ab, dass die Tübinger Steuer auf Einwegverpackungen nicht im Einklang mit dem Abfallrecht des Bundes stehe. Dieser habe im Rahmen seiner Gesetzgebungszuständigkeit detaillierte Regelungen zur Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen getroffen. Dem kommunalen Gesetzgeber sei es damit verwehrt, eigene Zusatzregelungen zu erlassen. Dabei sei es unerheblich, ob man die bundesgesetzlichen Regelungen für ausreichend halte. Es stehe den Kommunen nicht zu, diese nach eigener Einschätzung zu „verbessern“.

Zu diesen bundesgesetzlichen Regelungen gehört die Verpflichtung im novellierten Verpackungsgesetz, dass ab 2023 beim Verkauf von Speisen und Getränken als Alternative zur Einwegverpackung eine Mehrwegverpackung anzubieten ist. Dies darf nicht zu schlechteren Bedingungen und nicht zu einem höheren Preis erfolgen. In Verkaufsstellen mit maximal 5 Beschäftigten und maximal 80 qm Verkaufsfläche reicht es aus, den Käufern anzubieten, die Waren in mitgebrachte Mehrwegbehältnisse abzufüllen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen über diese Möglichkeiten durch deutlich sichtbare Hinweise informiert werden.

Darüber hinaus plant das Bundesumweltministerium, mit einem Einwegkunststofffonds die Vermüllung des öffentlichen Raums einzudämmen. Dies geschieht allerdings nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Grund einer europarechtlichen Verpflichtung. Ein inzwischen vorliegender erster Gesetzentwurf sieht vor, dass die Hersteller bestimmter Einwegkunststoffprodukte eine Sonderabgabe in den Fonds einzahlen. Daraus sollen Kommunen ihre Kosten für die Reinigung des öffentlichen Raums erstattet bekommen.

Für alle abfallrechtlichen Fragen steht Ihnen unser Komptenzteam "Umwelt, Klima & Energie" und dort maßgeblich Rechtsanwalt Prof. Dr. Gottfried Jung zur Verfügung. Prof. Dr. Gottfried Jung ist auf Grund seiner vielfältigen Erfahrungen in der Umweltverwaltung sowie im kommunalen Bereich Ansprechpartner für Kommunen, kommunale Betriebe, Verbände sowie private Unternehmen insbesondere auf dem Gebiet der Kreislaufwirtschaft und Abfallentsorgung.Prof. Jung war bis 2016 als Abteilungsleiter im Umweltministerium von Rheinland-Pfalz, zeitweilig auch im Wirtschaftsministerium, tätig. Seit vielen Jahren ist er Mitglied des Herausgeberbeirats der „AbfallR - Zeitschrift für das Recht der Abfallwirtschaft". 


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Prof. Dr. Gottfried Jung
Rechtsanwalt
Ministerialdirigent a. D.
Honorarprofessor an der Hochschule Trier