Zum Transport von Leercontainern im grenzüberschreitenden kombinierten Verkehr durch Kabotageunternehmer in Deutschland

In Kürze wird der EuGH zur der im grenzüberschreitendem kombinierten Verkehr so bedeutsamen Frage Stellung nehmen, ob  der Transport von Leercontainern zu der Beladung bzw. von der Entladung untrennbar Teil des Transports der beladenen Container in der Weise ist, dass der Transport der Leercontainer an der Privilegierung des Transports der leeren Container insoweit teilnimmt, als diese im kombinierten Verkehr von den Kabotagevorschriften ausgenommen sind. KUNZ-Transportrechtler Jürgen Knorre, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht, setzt sich kritisch mit der Auffassung des BALM Bundesamt für Logistik und Mobilität auseinander:

Die Beförderung beladener Container auf der Straße zu den/oder von den Be-/Entladestellen im Rahmen des kombinierten Verkehrs ist von den Kabotagevorschriften ausgenommen (Art. 1 Richtlinie (im Folgenden RiLi) 92/106/EWG, § 13 GüKGrKabotageV).

Die rechtliche Wertung des Transports leerer Container auf den entsprechenden Strecken im kombinierten Verkehr ist umstritten.

Die Verwaltungsbehörde (BALM Bundesamt für Logistik und Mobilität, früher BAG) vertritt in der Praxis die Auffassung, dass die Privilegierung des Transports beladener Container allgemein nicht für die Beförderung von Leercontainer gilt und wendet die Kabotagevorschriften an, wenn solche Transporte von Kabotageunternehmern in Deutschland durchgeführt werden.

Wenn bei Wertung der Transporte von Leercontainern auch im kombinierten Verkehr dahingehend, dass diese als „weitere“ Beförderung angesehen werden, die Zahl der zulässigen Kabotagebeförderungen nach Art.8 VO (EU) 1072/2009 überschritten wird, werden im Regelfall Bußgeldbescheide gegen die Kabotageunternehmer erlassen. Im Rahmen eines solchen Bußgeldverfahrens hat das Amtsgericht Köln nach Einspruch der Betroffenen dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„Ist der Transport von Leercontainern zu der Beladung bzw. von der Entladung untrennbar Teil des Transports der beladenen Container in der Weise, dass der Transport der Leercontainer an der Privilegierung des Transports der leeren Container insoweit teilnimmt, als diese im kombinierten Verkehr von den Kabotagevorschriften ausgenommen sind?“

 

Diese Frage ist Gegenstand des Verfahrens C 246/22 vor dem EuGH.

Sowohl die Stellungnahmen der Europäischen Kommission, des Generalanwalts als auch des BALM in diesem Verfahren vermögen nicht zu überzeugen.

Die Stellungnahmen der Kommission und des Generalanwalts gehen zu wenig auf die möglichen differenzierten Fallkonstellationen in den Fällen des Transports von Leercontainern im Rahmen des kombinierten Verkehrs ein. Die Einschränkungen, die das BALM vornimmt, erscheinen zu weitgehend.

Für die nachfolgender Untersuchungen soll zunächst von folgendem Grundsachverhalt ausgegangen werden:

Der Spediteur S. beauftragt den Kabotageunternehmer K. aus P. vom Seehafen H. einen beladenen 20 Fuß-Container zu einer Abladestelle X. innerhalb eines Umkreises von 150 km Luftlinie vom Seehafen zu transportieren und unmittelbar anschließend einen entsprechenden Container von der Entladestelle X. zurück zum Seehafen H. zu befördern. Für den „Rundlauf“ ist ein Gesamtpreis vereinbart.

Soweit die Auffassung des BALM so zu verstehen ist, dass der Transport leerer Container im Rahmen des kombinierten Verkehrs grundsätzlich als nicht privilegiert angesehen wird, bestehen gegen diese Auffassung Bedenken.

Zwischen der Anlieferung eines beladenen Containers vom See-/Binnenhafen zur Entladestelle und dem Rücktransport eines Leercontainers von der Entladestelle zurück zum Hafen besteht im Rahmen des kombinierten Verkehrs ein unmittelbarer Zusammenhang.

Anders als manchmal bei Paletten und ähnlichen Lademitteln, die wenn auch selten mit der Ware an den Empfänger verkauft werden, werden „große“ Container von 20 Fuß und mehr grundsätzlich nicht vom Lieferanten an den Käufer verkauft. Im Regelfall gehören diese Container auch nicht dem Lieferanten des Gutes, sondern werden von den eingeschalteten Verkehrsunternehmen gestellt. Die Container werden nach ihrer Entladung von der Entladestelle zu einem neuen Einsatzort oder einem Depot transportiert, und zwar möglichst kurzfristig, um Ausfälle in der Einsatzmöglichkeit zu vermeiden.

Wenn ein solcher Zusammenhang zwischen dem Transport eines beladenen Containers von im Rahmen des kombinierten Verkehrs vom Hafen zur Entladestelle und dem Rücktransport eines Leercontainers von der Entladestelle zum Hafen besteht, entspricht es dem Willen des EU-Gesetzgebers, dass auch die Rücktransporte der Leercontainer von der Anwendung der Kabotageregeln befreit sind, worauf die Kommission und der Generalanwalt in ihren Stellungnahmen hingewiesen haben.

Was soll es bringen, einen zur Kabotage berechtigten Unternehmer für den Transport eines beladenen Containers von den Kabotagebedingungen zu befreien, ihn aber für den Rücktransport der Leercontainer mit einem Bußgeld zu belegen, wenn er die Zahl der nach Art. 8 VO (EU) 1072/2009 zulässigen Kabotagebeförderung bereits durchgeführt hat, oder ihn zu einer „unerwünschten“ Leerfahrt zu zwingen.

Bei anderer Wertung wäre der kombinierte Verkehr weniger wettbewerbsfähig gegenüber dem reinen Straßenverkehr, da höhere Kosten durch den Einsatz eines weiteren Unternehmers entständen.

Zu Recht weist zwar das BALM darauf hin, dass die Mitgliedstaaten nach dem neu hinzugefügten Absatz 7 zu Art. 10 VO (EU) 1072/2009 zur Vermeidung von Missbrauch der Bestimmungen des kombinierten Verkehrs vorsehen können, dass abweichend von Art.4 der Rili 96/106/EWG Art. 8 VO (EU) 1072/2009 auf Zu- und Abläufe auf der Straße im Rahmen des kombinierten Verkehrs Anwendung findet. Aber unabhängig davon, dass der deutsche Gesetzgeber davon noch keinen Gebrauch gemacht hat und der beim EuGH anliegende Fall den Zeitraum vor Ergänzung des Art. 10 VO (EU) 1072/2009 betrifft, wäre bei einer solchen Maßnahme der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. EuGH, Urteil vom 12.4.2018 C-541/16).

Eine Unterstellung aller Leertransporte von Containern im Rahmen des kombinierten Verkehrs unter die Kabotagebestimmungen durch den nationalen Gesetzgeber, auch wenn kein Missbrauch vorliegt, wäre daher unverhältnismäßig.

Für Transportverträge sind grundsätzlich die Absprachen der Parteien maßgeblich, jedenfalls soweit sie sich im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen halten.

Dies sind vorliegend die RiLi 92/106/EWG, § 13 GüKGrenzkabotageVO und die VO (EU)1072/2009.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber einerseits mit den Bestimmungen zum kombinierten Verkehr Transporte von der Straße auf die Schiene verlegen und unnötige Leerfahrten vermeiden, zum anderen mit den Kabotagebestimmungen eine auf Dauer ausgerichtete Tätigkeit der Kabotageunternehmen in den Aufnahmestaaten verhindern wollte.

Vereinbaren der Auftraggeber und das Kabotageunternehmen, wie in der zugrundeliegenden Fallgestaltung einen umgehenden Rücktransport eines leeren Containers von der Entladestelle zum Ort der Übernahme des beladenen Containers unterliegt dieser Transport nicht den Kabotagebebestimmungen (Rückschluss aus Erwägungsgrund 16 zur VO (EU) 1072/2009).

Ob ein Missbrauch vorliegt, hängt davon ab, ob sich die Parteivereinbarungen und/oder tatsächlichen Handlungen im Rahmen der Vorgaben des kombinierten Verkehrs halten.

Der Rücktransport eines leeren Containers an einen anderen Ort als denjenigen im Hafen, in dem der beladene Container übernommen wurde, erscheint noch zulässig, wenn er durch denselben Kabotageunternehmer mit demselben Fahrzeug wie der Transport des beladenen Containers durchgeführt wird und sich der neue Abladeort in einem Umkreis von 150 km sowohl vom Hafen als auch vom Entladeort des beladenen Containers befindet.

Es muss nicht derselbe Container, der beladen transportiert wurde, leer zurückgeführt werden. Es geht darum, dass demjenigen, der einen Container zu einem Transport entgeltlich zur Verfügung gestellt hat, möglichst schnell wieder ein gleichwertiger Container zum weiteren Einsatz wieder zur Verfügung steht. Auch wenn 20 oder 40 Fuß-Container anders als Paletten nicht nur der Gattung nach bestimmt, sondern individualisiert sind, können solche Container in der gleichen Größe, die dem internationalen Übereineinkommen über sichere Container (abgedruckt in Hein/Eichhoff/Pukall/Krien J 151) entsprechen, als gleichwertig angesehen werden.

Da nicht immer die beladen angelieferten Container sofort entladen werden, erscheint es zur Vermeidung von Warte- und Ausfallzeiten oder von Leerfahrten ökonomisch sinnvoll und dem Willen des Gesetzgebers entsprechend, auch den Transport gleichwertiger anderer Container zum Hafen als privilegierten Transport zuzulassen.

Weiterhin dürfte es für die Privilegierung des Transports der leeren Container nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Rückgabe am konkreten Übernahmeort des beladenen Containers, in einem Containerdepot oder auf einem Werksgelände erfolgt, wenn die 150 km-Strecke für den Rücktransport eingehalten wird.

Es entspricht dem Grundgedanken beim Einsatz von Containern, die auch im kombinierten Verkehr gelten, dass diese nach Entleerung schnellstmöglich und kostengünstig wieder zum Einsatz zur Verfügung stehen.

Auch bezüglich zeitlicher Zäsuren erscheint die Auffassung des BALM zu eng, wenn es eine Standzeit über Nacht als zu lange ansieht. Abgesehen davon, dass es vorkommen kann, dass der eingesetzte Fahrer z.B. eine wöchentliche Ruhezeit während des Rücktransports leerer Container einzuhalten hat, spricht auch eine Wartezeit von einem Tag bis ein Leercontainer zur Verfügung steht, nach den Intentionen des Gesetzgebers nicht dafür, den zeitlichen Zusammenhang mit dem Transport des beladenen Containers zu verneinen.

Der notwendige Zusammenhang mit dem Transport des beladenen Containers im kombinierten Verkehr dürfte auch dann noch gegeben sein, wenn der beladen angelieferte Container geleert innerhalb einer Woche von demselben Fahrzeug abgeholt und zu dem nächsten Einsatzort innerhalb eines 150 km Umkreises transportiert wird.

Hier könnte daran gedacht werden, als Voraussetzung für die Privilegierung des Rücktransports des leeren Containers zu verlangen, dass der Kabotageunternehmer in der Zwischenzeit keine verbotenen Kabotagebeförderungen i.S. Art. 8 VO (EU) 1072/2009 durchgeführt hat. Insoweit könnte zur Kontrolle auf die in Abs. 3 dieses Artikels aufgeführten Belege zurückgegriffen werden.

Der notwendige Zusammenhang ist, insoweit dem BALM folgend, hingegen nicht mehr gegeben, wenn ein gänzlich anderes Fahrzeug für den Transport des Leercontainers eingesetzt wird.

Eine Privilegierung des Leertransports eines Containers durch einen Kabotageunternehmer scheidet auch dann aus, wenn dieser nicht im Zusammenhang mit einem vorherigen oder nachfolgenden Transport eines beladenen Containers im Rahmen des kombinierten Verkehrs steht.

Die Parteien haben kein Gestaltungsrecht dahingehend Leertransporte von Containern als von den Kabotagebestimmungen befreit zu bestimmen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Befreiung im kombinierten Verkehr nicht vorliegen.

Die Beförderungspapiere für den Hintransport des beladenen Containers und die Parteiabsprachen können zwar Anhaltspunkte dafür bieten, dass es sich beim Rücktransport des entsprechenden Containers im entladenen Zustand um einen privilegierten Transport handelt. Letztlich entscheidend ist die Art der Abwicklung des Rücktransports, wie die vorstehenden Beispiele zeigen.

 

Es bleibt zu hoffen, dass der EuGH bei seiner Entscheidung auf die kritischen Hinweise des BALM, auch wenn dessen Auffassung in einigen Punkten nicht zuzustimmen ist, zu den einzelnen Fallgestaltungen eingeht.

Dann trägt er nicht nur zu einer Entscheidung der vorgelegten Frage in dem zugrundeliegenden Einzelfall bei, sondern gibt den Verwaltungsbehörden, dem nationalen Gesetzgeber für seine Gestaltungsmöglichkeit im Rahmen des Art. 10 Abs. 7 VO (EU) 1072/2009 und auch dem Transportgewerbe für die Praxis Hinweise für die Anwendung der Bestimmungen für den kombinierten Verkehr in seinen vielfältigen Ausgestaltungen.

 

Ihr Ansprechpartner:

Rechtsanwalt Jürgen Knorre 
Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht

Jürgen Knorre Rechtsanwalt Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht