Anhebung der Umsatzsteuersätze zum 1.1.2021- Praktische Abrechnungstipps

Nachdem sich die Praxis gerade auf die überraschend zum 1.7.2020 abgesenkten Umsatzsteuersätze eingestellt hat, muss schon wieder der Blick nach vorne gerichtet werden: Zum 1.1.2021 werden die Steuersätze wieder auf 19 % bzw. 7 % angehoben. Dabei muss einiges beachtet werden.

Die Wiederanhebung ist mehr als ein einfaches Zurückkehren zu den alten Steuersätzen; es müssen wieder Übergangsprobleme beachtet und die zutreffenden Abgrenzungen bei Leistungen berücksichtigt werden. Da diesmal die Änderung nicht so plötzlich umzusetzen ist, werden zumindest die technischen Umstellungsprobleme überschaubar bleiben. Anders als bei der Absenkung der Steuersätze zum 1.7.2020 wird jetzt aber – zumindest bei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfängern – eine andere Motivation vorhanden sein: Die Leistungen sollen wenn möglich noch bis zum 31.12.2020 ausgeführt werden, um den niedrigeren Steuersatz zu sichern.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Steuersatzanhebung sind klar, die Finanzverwaltung hatte sich mit umfassendem  Schreiben vom 30.6.2020 zur Steuersatzabsenkung geäußert und dort auch schon einige Hinweise zur Wiederanhebung mit aufgenommen. Darüber hinaus hat die Finanzverwaltung mit  Schreiben vom 4.11.2020 weitere Hinweise und Vereinfachungsregelungen zu der temporären Steuerabsenkung veröffentlicht, die ebenfalls zur Wiederanhebung der Umsatzsteuersätze zum 1.1.2021 von Bedeutung sind.

 

Wiederanhebung des Umsatzsteuersatzes

  • Bei nicht (voll) zum Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfängern wird das Interesse darauf gerichtet sein, Leistungen möglichst noch zum abgesenkten Steuersatz bis zum 31.12.2020 zu erhalten. Insbesondere in den Fällen, in denen aufgrund von Kapazitätsengpässen (z. B. Lieferung von Elektrofahrzeugen) oder längeren Leistungszeiträumen (z. B. Baumaßnahmen) eine Leistungserbringung nicht bis zum 31.12.2020 sichergestellt werden kann, stellt sich die Frage der Gestaltung zur Sicherung des abgesenkten Steuersatzes.
  • Bei voll vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfängern wird die zutreffende Abgrenzung und Rechnungsausstellung bei über den Stichtag hinaus erbrachten Leistungen im Vordergrund stehen. Auch gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Steuersatzabsenkung zum 1.7.2020 können sich im Einzelfall Schwierigkeiten bei der systematischen Abgrenzung ergeben, die dann das Risiko einer Nachbelastung für den leistenden Unternehmer mit Umsatzsteuer oder die Gefährdung des Vorsteuerabzugs bei dem Leistungsempfänger nach sich ziehen.

 

Teilleistungen
Neben der tatsächlich (endgültig) ausgeführten Leistung führt auch eine abgeschlossene Teilleistung zur endgültigen Entstehung einer Umsatzsteuer. Damit eine Teilleistung vorliegen kann, müssen 2 notwendige Bedingungen nach nationalem Recht vorliegen:

  1. Es muss sich um eine wirtschaftlich sinnvoll abgrenzbare Leistung handeln und
  2. es muss eine Vereinbarung über die Ausführung der Leistung als Teilleistungen vorliegen, die Teilleistung muss gesondert abgenommen und abgerechnet werden

Die erste Voraussetzung ist ein objektives Kriterium, das sich an der Art der Leistung orientiert und jeweils auch von branchentypischen Kriterien abhängig ist. Die zweite Voraussetzung ist ein individuelles Kriterium, hier kommt es auf die vorliegende individuelle Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien an. Gerade beim Übergang zum wieder angehobenen Steuersatz zum 1.1.2021 kann es für nicht zum (vollen) Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger interessant sein, Verträge mit Teilleistungen abzuschließen.

Tipp:    
Sollte eine vertragliche Vereinbarung abgeschlossen worden sein, die keine Ausführung und Abnahme von Teilleistungen vorsieht, akzeptiert die Finanzverwaltung auch nachträgliche Vertragsanpassungen, wenn die Anpassung bis zum jeweiligen Steuersatzwechsel vorgenommen wird.

 

Anzahlungen
Besonders zu beachten ist bei einer Steuersatzänderung die korrekte Ermittlung der geschuldeten Umsatzsteuer, wenn der Unternehmer für seine Leistungen Anzahlungen oder Vorauszahlungen vereinnahmt hat. Dabei sind grundsätzlich die folgenden Möglichkeiten denkbar (soweit keine Verlängerung der Absenkung der Steuersätze erfolgt, was derzeit nicht absehbar ist):
 

Leistungserbringung

Anzahlungen

Steuerliche Behandlung

Leistung oder Teilleistung erbracht bis 30.6.2020

Ob Anzahlungen geleistet worden sind ist unerheblich              

Die Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz mit 19 % bzw. mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 %

Leistung oder Teilleistung erbracht nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021

Anzahlungen sind vor dem      1.7.2020 nicht geflossen              

Die Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz mit 16 % bzw. mit dem ermäßigten Steuersatz von 5 %

 

Leistung oder Teilleistung erbracht nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021

Anzahlungen sind ganz oder teilweise vor dem 1.7.2020 geflossen

Die Anzahlungen vor dem 1.7.2020 waren mit 19 % bzw. 7 % besteuert worden (s. Hinweis 1), bei Ausführung der Leistung in der Zeit ab dem 1.7. bis 31.12.2020 sind die Leistungen mit 3 % zu entlasten.

Leistung oder Teilleistung erbracht nach dem 31.12.2020

Anzahlungen sind vor dem 1.1.2021 nicht geflossen

Die Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz mit 19 % bzw. dem ermäßigten Steuersatz von 7 %

Leistung oder Teilleistung erbracht nach dem 31.12.2020

Anzahlungen sind ganz oder teilweise in der Zeit zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 geflossen

Die Anzahlungen können mit 16 % bzw. 5 % besteuert werden (s. Hinweis 2), bei Ausführung der Leistung ab 2021 sind die Leistungen mit 3 % bzw. 2 % nachzuversteuern

 

Hinweis 1:         
Der leistende Unternehmer konnte aber auch in der Anzahlungsrechnung für Leistungen, die in der Zeit ab dem 1.7. bis 31.12.2020 ausgeführt werden (soweit dies sicher ist), den Regelsteuersatz mit 16 % bzw. 5 % angeben. In diesem Fall entsteht die Umsatzsteuer auch schon bei Zahlungszufluss mit dem entsprechenden Steuersatz.

Hinweis 2:         
Der leistende Unternehmer kann aber auch schon in der Anzahlungsrechnung für Leistungen, die in 2021 ausgeführt werden, den Regelsteuersatz mit 19 % bzw. 7 % angeben. In diesem Fall entsteht die Umsatzsteuer auch schon bei Zahlungszufluss in 2020 mit 19 % bzw. 7 %. Dies hat die Finanzverwaltung ausdrücklich durch Schreiben v. 4.11.2020 noch einmal bestätigt und auch den entsprechenden Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers in ausgewiesener Höhe unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG zugelassen.

 

Bauleistungen
Ein besonderes Problem ergibt sich bei Bauleistungen. Bei Bauleistungen liegen regelmäßig in der Praxis nicht die Voraussetzungen für Teilleistungen vor. Es werden zwar häufig wirtschaftlich abgrenzbare Leistungen ausgeführt, überwiegend fehlt es hier aber an einer Vereinbarung von Teilleistungen und der entsprechenden steuerwirksamen Abnahme von solchen Teilleistungen. Insbesondere bei der jetzt anstehenden Anhebung der Umsatzsteuer sollte geprüft werden, ob nicht noch eine Vereinbarung über Teilleistungen getroffen werden kann, wenn die Gesamtleistung nicht bis zum 31.12.2020 abgeschlossen (abgenommen) werden kann.

Praxis-Tipp: Wurden in einem Vertrag keine Vereinbarungen über Teilleistungen getroffen, beanstandet es die Finanzverwaltung nicht, wenn bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Steuersatzänderung eine entsprechende Vereinbarung nachgeholt wurde. Soweit Verträge wegen der Steuersatzanhebung angepasst werden sollen, muss dies bis zum 31.12.2020 erfolgen. Es müssen dann bis 31.12.2020 auch die Teilabnahmen erfolgen.

Werden einheitliche Bauleistungen in der Zeit ab dem 1.7.2020 bis 31.12.2020 ausgeführt (i. d. R. ist hier die Abnahme durch den Auftraggeber maßgeblich), unterliegt die gesamte Leistung dem Regelsteuersatz von 16 %, unabhängig davon, in welchem Umfang schon (mit 19 %) besteuerte Anzahlungen geleistet worden waren. Wird die Leistung erst nach dem 31.12.2020 ausgeführt (abgenommen) ist dann der Regelsteuersatz von 19 % anzuwenden.

Beispiel: Bauherr B hatte 2019 dem Generalunternehmer G den Auftrag erteilt, auf einem ihm gehörenden Grundstück ein schlüsselfertiges Einfamilienhaus für private Zwecke zu errichten. G führt eine steuerbare und steuerpflichtige Werklieferung aus, die Umsatzsteuer entsteht mit Ausführung (Abnahme) der Leistung. Wenn das schlüsselfertige Einfamilienhaus noch bis 31.12.2020 fertiggestellt wird, unterliegt die gesamte Leistung der Umsatzsteuer von 16 %. Wird die Leistung erst nach dem 31.12.2020 ausgeführt, unterliegt die Leistung dem Regelsteuersatz von 19 %. In diesem Fall wäre es sinnvoll, vor dem 31.12.2020 eine Vereinbarung über die Ausführung von Teilleistungen abzuschließen und die bis zum 31.12.2020 abgeschlossenen Teilleistungen abzunehmen. Insoweit würden dann die bis dahin ausgeführten und abgenommenen Teilleistungen endgültig nur dem Steuersatz von 16 % unterliegen.

 

Ausgewiesene Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug
Zum 1.1.2021 ergibt sich – anders als bei der Absenkung der Steuersätze zum 1.7.2020 – nicht das Problem eines überhöhten Steuerausweises. Tendenziell wird bei einer unzutreffenden Rechnungsausstellung bei Anhebung des Steuersatzes ein zu geringer Steuersatz und Steuerbetrag in einer Rechnung ausgewiesen werden. Eine zu gering ausgewiesene Umsatzsteuer führt nicht zu einem (zusätzlichen) Zahlungsbetrag gegenüber der Finanzverwaltung, der leistende Unternehmer schuldet aber immer die Umsatzsteuer, die sich gesetzlich für die von ihm ausgeführte Leistung zum Zeitpunkt der Leistungserbringung ergibt. Der Leistungsempfänger darf aber immer nur maximal den ausgewiesenen Steuerbetrag als Vorsteuer abziehen.

Beispiel: Unternehmer U hat am 29.12.2020 eine Rechnung für eine Lieferung an einen anderen Unternehmer mit 10.000 EUR zzgl. 1.600 EUR Umsatzsteuer erstellt, der Transport der Ware zum Kunden war für den 30.12.2020 geplant. Am Morgen des 30.12.2020 ruft der Kunde bei U an und bittet um Auslieferung der Ware erst am 4.1.2021. Die schon erstellte Rechnung wird der dann wunschgemäß am 4.1.2021 ausgelieferten Ware beigefügt, der Kunde zahlt die 11.600 EUR. Da die Leistung erst am 4.1.2021 ausgeführt wird, schuldet U 19 % aus 11.600 EUR (= 1.852,10 EUR). Da U nicht mehr Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen hat, wird keine Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet. Der Leistungsempfänger kann aber nur die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer von 1.600 EUR unter den weiteren Bedingungen des § 15 UStG als Vorsteuer abziehen.

Hinweis:
Besondere Übergangsregelungen bezüglich des zutreffenden Steuerausweises bzw. des Vorsteuerabzugs sind für die Anhebung des Steuersatzes zum 1.1.2021 nicht geplant.

Grundsätzlich ist der Unternehmer berechtigt, die Rechnung zu berichtigen. Ob die Berichtigung bei der Anhebung des Steuersatzes zum 1.1.2021 dann auf der Basis des Bruttobetrags oder des Nettobetrags erfolgt, hängt von den vertraglichen Vereinbarungen ab bzw. von dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

Wichtig:
Auch die Angabe des Steuersatzes in einer sog. Kleinbetragsrechnung (bis 250 EUR; § 33 UStDV) führt zu einem unrichtigen Steuerausweis, wenn ein zu hoher Steuersatz ausgewiesen wird.

 

Zu den Rahmenbedingungen der erneuten Umstellung der Umsatzsteuer und zu Optimierungen in diesem Zusammenhang berät Sie gerne Rechtsanwalt Georg Kaiser, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Erbrecht und Lehrbeauftragter Frankfurt School of Finance & Management