Anspruch auf Stromsteuerentlastung bei Betriebsführungsmodellen am Beispiel der kommunalen Wasserversorgung

- Zur Ungewissheit der Person des Stromsteuer-Entlastungsberechtigten bei kommunalen Betriebsführungsmodellen in der Wasserversorgung und wie man ihr begegnen kann? -
 

Das kommunale Betriebsführungsmodell ist beliebt und verbreitet. Viele Kommunen haben mittlerweile die Wasserversorgung im Wege des Betriebsführungsmodells funktional privatisiert. Ungeklärt ist indes die Frage der Stromsteuerentlastungsberechtigung. Wir zeigen Vorsorgegestaltungen auf:

Bei einer solchen Gestaltung wird ein regelmäßig privatrechtlich organisierter Träger (i.d.R. eine GmbH) mit der technischen und/oder kaufmännischen Führung der kommunalen Wasserversorgungsbetriebe beauftragt. Der Betriebsführer handelt hierbei regelmäßig im Namen und auf Rechnung der Kommune und tritt nicht selbst zum Endverbraucher in eine Vertragsbeziehung. Stammt der als Betriebsführer agierende Träger aus der Privatwirtschaft, spricht man von einer echten funktionalen Privatisierung. Hiervon zu unterscheiden ist die unechte funktionale Privatisierung, bei welcher der Betriebsführer von einer oder mehreren Kommunen errichtet worden ist (zum Ganzen instruktiv: Fischer, Zwetkow, NVwZ 2003, 281, 282, 287). Betriebsführungsträger werden im Rahmen einer unechten funktionalen Privatisierung gerne auch als Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) organisiert.

Im Rahmen des Abschlusses eines Betriebsführungsvertrages sind unterschiedliche Gestaltungen denkbar. In aller Regel behält die Kommune jedoch ihre dinglichen Rechtspositionen an den Wasserversorgungsanlagen und bleibt in der Aufgabenverantwortung. Der Betriebsführer wird hingegen mit seinem eigenen Personal beim Betrieb der Wasserversorgung, der Wartung und Instandhaltung des Versorgungsnetzes sowie Rechnungsstellung und Kundenbetreuung tätig. Hierbei wird der Betriebsführer regelmäßig gegen eine feste Betriebsführervergütung tätig. Die Kommune hält in der Regel keinerlei Personal im Zusammenhang mit der Versorgungsaufgabe vor.

 

Anspruch auf Stromsteuerentlastung gemäß §§ 9b, 10 StromStG

Bei der Wasserversorgung wird vor allem durch den Dauerbetrieb von Pumpenanlagen viel Strom verbraucht. Wasserversorgungsunternehmen haben in diesem Zusammenhang nach § 9b Abs. 1 Satz 1 StromStG und § 10 Abs. 1 Satz 5 StromStG einen Anspruch auf Stromsteuerentlastung, weil sie unter den Begriff  „Unternehmen des Produzierenden Gewerbes“ gemäß  § 2 Nummer 3 StromStG fallen. Auf Antrag erfolgt die Erstattung der Stromsteuer durch das örtlich zuständige Hauptzollamt.

In den kommunalen Haushalten nehmen diese Stromsteuerentlastungsbeträge oftmals ganz erhebliche Posten ein.

 

Bisherige Gestaltung der Betriebsführungsmodells im Hinblick auf die Stromsteuerentlastung

Der Gestaltung der kommunalen Betriebsführungsverträge wurde in der Vergangenheit oftmals die Annahme zugrunde gelegt, dass der Anspruch auf die erheblichen Stromsteuerentlastungsbeträge bei den Betriebsinhaber-Kommunen verbleibt. Diese Annahme konnte sich etwa auf den Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 02.09.2015 (Az. VII B 18/15) stützen, der die Betreibereigenschaft und das beim Betreiber verbleibende Eigentum an den stromverbrauchenden Anlagen bzw. die dingliche Inhaberschaft einer entsprechenden Grunddienstbarkeit als maßgebliches Zurechnungskriterium für die Stromsteuerentlastungsberechtigung gewertet hat.  

Dementsprechend wurden die Betriebsführungsverträge und die Bemessung der Betriebsführer-Vergütungsbeträge unter der Annahme vereinbart, dass die Kommune weiterhin zur Geltendmachung der Stromentlastung berechtigt sei.

 

Abweichende Ansicht der Hauptzollämter und Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 2.10.2019 (nicht rechtskräftig)

Bei den Hauptzollämtern setzte sich hingegen nach und nach die Ansicht durch, dass nicht die Kommune, sondern der Betriebsführer, bei dem in der Regel 100% des Betriebspersonals beschäftigt ist, zur Stromsteuerentlastung berechtigt sei. Diese Ansicht konnte sich insbesondere auf das BFH-Urteil vom 18. März 2014 – Az. VII R 12/13 Rn. 10 stützen (vgl. auch BFH, Urt. v. 25.9.2013, VII R 64/11; siehe auch FG Hamburg, Urt. v. 24.10.2013, 4 K 137/12, Rev. BFH VII R 57/13 erledigt durch Beschluss v. 5.6.2015), welches die Mitarbeiterstellung der Person, der den Stromentnahmeakte tatsächlich ausführt, als entscheidendes Zurechnungsmerkmal für die Stromsteuerberechtigung herausstellt.

Unlängst schloss sich das Finanzgericht Düsseldorf der vorskizzierten Verwaltungsauffassung an. Es entschied in seinem Urteil vom 2.10.2019 (Az. 4 K 1713/18 VSt, juris – nicht rechtskräftig) spezifisch zu einem Betriebsführungsmodell in der Wasserversorgung, dass die Betriebsinhaberin nicht stromsteuerentlastungsberechtigt sei, weil nicht diese, sondern die Betriebsführer-GmbH den Strom zum Betrieb der Wasserversorgungsanlagen selbst durch ihre Arbeitnehmer entnehme (FG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2019 - Az. 4 K 1713/18 VSt, juris Rn. 13). Hierbei sei insbesondere nicht entscheidend, dass der bei der GmbH angestellte Pumpenwärter, der den Strom für den Betrieb eines Pumpwerks entnommen hat, die unmittelbare Sachherrschaft über den entnommenen Strom letztlich auf Grund von Weisungen der Betriebsinhaberin ausgeübt habe (FG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.2019 - Az. 4 K 1713/18 VSt, juris Rn. 14).

 

Künftige Entscheidung des Bundesfinanzhofs und Besonderheit der automatisierten Stromentnahme

Das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf ist nicht rechtskräftig geworden. Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Revision ist auch eingelegt worden und aktuell anhängig beim Bundesfinanzhof. Eine Verhandlung in der Sache ist bislang jedoch nicht terminiert.

Es ist davon auszugehen, dass die künftige Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu einer grundsätzlichen Klärung der inzwischen unübersichtlichen Rechtslage führen wird. Insbesondere aufgrund der für beide Seiten vorhandenen Anknüpfungspunkte in der bisherigen BFH-Rechtsprechung (siehe oben), ist es völlig offen, ob der Bundesfinanzhof dem Betriebsinhaber oder dem Betriebsführer die Berechtigung für die Stromsteuerentlastung zusprechen wird.

Der Ansatz zu einer Entscheidung zugunsten der Betriebsinhaber-Kommunen könnte sich jedoch aus einer Besonderheit auf dem Gebiet der Wasserversorgung ergeben: Der Pumpenbetrieb wird regelmäßig vollautomatisch durch ein Programm gesteuert. Der Pumpenwart ist größtenteils „nur“ mit der Überwachung beschäftigt. Nur vereinzelt geht eine Stromentnahme auf besondere korrigierende Eingriffe des Pumpenwarts zurück.

Der regelmäßig laufende Automatismus der Stromentnahme ist unseres Erachtens als wesentlicher Umstand zu werten, der dem Zurechnungskriterium der Betreibereigenschaft maßgebliches Gewicht verleiht. Denn der Stromentnahmeautomatismus ist dem Anlageneigentümer zuzuordnen und nicht dem lediglich überwachenden Betriebsführerangestellten. Allerdings wurden Fragen der automatisierten Stromentnahme bislang nicht vom Bundesfinanzhof entschieden, sodass auch insoweit die anstehende BFH-Entscheidung „stromsteuerrechtliches Neuland“ beschreiten wird.

 

Derzeit hoher Handlungsbedarf für eine rechtssichere Gestaltung

Es muss jedoch damit gerechnet werden, dass eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs und damit auch die Klärung des Einspruchsverfahrens erst in einigen Monaten, möglicherweise erst in 2021, erfolgen wird. Den Betriebsinhaber-Kommunen ist anzuraten, in der Zwischenzeit für den Fall vorzusorgen, dass der BFH die Stromsteuerentlastungsberechtigung dem Betriebsführer generell oder aufgrund der Anstellung des Pumpenwärterpersonals zusprechen wird.

In Betracht kommen Vorsorgegestaltungen, welche auf einen Übergang der maßgeblichen Mitarbeiter auf die Kommunen abzielen (etwa Personalgestellung) oder die die Kommune zumindest wirtschaftlich so stellen, als wäre sie stromsteuerberechtigt (z.B. Anrechnung auf die Betriebsführervergütung). Regelmäßig wird insbesondere ein entsprechender Anpassungsanspruch der Kommune nach § 313 Abs. 1 BGB vorliegen, wenn die Stromsteuerentlastungsberechtigung der Kommune Geschäftsgrundlage des Betriebsführungsvertrages geworden ist.

Um eine Verfristung der Antragstellung und einen Präklusionseintritt zu vermeiden, ist es ratsam, dass sowohl Betriebsinhaber-Kommune als auch Betriebsführer einen Stromsteuererstattungsanspruch stellen und etwaig abschlägige Bescheide durch Einsprüche offen halten.

 

Da die Stromsteuerberechtigung auch unterjährig abzugrenzen ist, sollten betroffene Kommunen sofort aktiv werden. Hierzu beraten wir Sie gerne.

 

Georg Kaiser   
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Erbrecht

 

Hubertus Scherbarth, LL.M., B.A.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter