BGH verneint Übersetzungspflicht bei Klagezustellung im europäischen Ausland

Mit Urteil vom 25.02.2021 hat der Bundesgerichtshof (IX ZR 156/19) umfassend die zu beachtenden Grundsätze einer Zustellung ins europäische Ausland aufgestellt, insbesondere von Klagen, die sich nach der Zustellverordnung (EuZVO) richten. Ausführlich hat der BGH klargestellt, dass ein Kläger bei zuzustellenden Schriftstücken keine Übersetzung beifügen muss. Auch dann nicht, wenn die Zustellung gemäß § 167 ZPO „demnächst“ zu erfolgen hat, was etwa zur Verjährungshemmung erforderlich ist.

In dem zu entscheidenden Fall hatte der Insolvenzverwalter Mitte Dezember Klage in Deutschland eingereicht und darin um Übersendung einer Kostenrechnung für die notwendige Übersetzung gebeten. Die schließlich vom Landgericht in Auftrag gegebene Übersetzung der Klageschrift in französischer Sprache ist erst Ende Oktober des darauffolgenden Jahres bei Gericht eingegangen, sodass die Klageschrift im Dezember zugestellt wurde. Obwohl damit die Klage elf Monate nach Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt wurde, ist die Zustellung „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt.

Gemäß Art. 5 und Art. 8 EuZVO hat der Kläger unter mehreren Arten der Zustellung eine Auswahlmöglichkeit. Als Zustellungsveranlasser trägt er dabei die Gefahr, dass der Empfänger mangels Hinweises die Annahme der Schriftstücke, wenn sie nicht in einer nach Art. 8 EuZVO Sprache abgefasst (beispielsweise eine Sprache, die der Empfänger versteht) oder übersetzten Sprache sind, verweigern kann. Der BGH stellt noch einmal klar, dass der Kläger dabei im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 EuZVO - dort Antragsteller genannt - ein Wahlrecht hat, ob die Schriftstücke mit oder ohne Übersetzung zugestellt werden sollen.

Wenn der Empfänger sein Annahmeverweigerungsrecht nicht oder nicht rechtzeitig (Rücksendung binnen einer Woche gemäß Art. 8 Absatz 1 EuZVO) geltend macht ist die Zustellung wirksam.  

Der Empfänger wird stets dadurch geschützt, dass er bei unterbliebenem Hinweis die Annahme der Schriftstücke verweigern kann. Treffen die in Art. 8 Absatz 1 EuZVO genannten Voraussetzungen zu, so ist die Zustellung nach der Verweigerung durch den Empfänger schwebend unwirksam. Sie kann dadurch geheilt werden, dass die Schriftstücke nebst Übersetzung erneut zugestellt werden. Der BGH stellt klar, dass die erneute Übersendung unverzüglich erfolgen muss, wenn sie in Verbindung mit Art. 8 Absatz 3 Satz 3 EuZVO für die Einhaltung einer Frist etwa bei drohender Verjährung erforderlich ist.

Nach Art. 4 Absatz 4 EuZVO ist dabei eine einfache Übersetzung ausreichend. Der Kläger kann diese selbst beschaffen, erstellen oder über das Gericht einholen lassen.

Entstehen bei der erneuten Zustellung Verzögerungen sind sie dem Kläger nicht anzulasten. Der BGH folgt damit einer Literaturmeinung nach derer § 167 ZPO nicht durch eine in der EuZVO normierte Wahlfreiheit verschärft werden soll. Bemerkenswert ist diese Auffassung, da eine Verzögerung sich alleine aufgrund der eröffneten Möglichkeit, die Annahme der Schriftstücke zurückzuweisen, ergeben kann. Würde man dem Antragssteller hingegen auferlegen, dass nur eine gemeinsame Übersendung mit einer Übersetzung zur Fristwahrung ausreicht, würde die Art der Zustellung zur Pflicht und es fehle an dem vorgesehen Wahlrecht.

Nach den Erwägungsgründen und den bisherigen Entscheidungen des EuGH dient die EuZVO der Verbesserung und Beschleunigung der Übermittlung gerichtlicher Schriftstücke zwischen den Mitgliedsstaaten bei gleichzeitiger Interessenwahrung der Beteiligten. Die Beschränkung der EuZVO auf eine Zustellungsmöglichkeit führt dabei zur Einschränkung dieser Interessen.

Im Zusammenhang mit § 167 ZPO stellt der BGH klar, dass der Kläger die Übersetzung durch das Gericht in Auftrag geben lassen kann. Bringt der Kläger die Übersetzung nicht selbst bei handelt es sich nicht um nachlässige Prozessführung. Dabei wird auf die bekannten Grundsätze zu § 167 ZPO verwiesen: Anzulasten sind dem Kläger Verzögerungen wegen Angabe falscher oder unzureichender Anschrift des Klägers; fehlende oder nicht rechtzeitig auf Anforderung eingezahlter Gerichtskostenvorschuss. Dabei dürfen Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigte nicht unbegrenzt lange untätig bleiben, sondern müssen bei ausbleibender Vorschussanforderung bei Gericht nachfragen und auf eine größtmögliche Beschleunigung der Zustellung hinwirken.

Es besteht aber keine Obliegenheit mehr zu tun als das Gesetz für eine ordnungsgemäße Klagezustellung verlangt.

Hat der Kläger sowohl den Gerichtskostenvorschuss als auch den Auslagenvorschuss für die Übersetzung unverzüglich eingezahlt, können ihm weitere Verzögerungen bei der Erstellung der Übersetzung und damit der Zustellung aller Dokumente nicht angelastet werden. Der Kläger muss auch dann keine eigene Übersetzung beibringen, wenn sich der Eingang der gerichtlich beauftragten Übersetzung auffallend verzögert. Der Kläger hat zu diesem Zeitpunkt alle für eine ordnungsgemäße Zustellung geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht. Hat er den Auslagenvorschuss bereits eingezahlt ist es ihm nicht zumutbar erneute Kosten aufzubringen, um parallel selbst eine Übersetzung zu beschaffen.


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Sarah Emmes
Rechtsanwältin
Lehrbeauftragte Frankfurt School of Finance & Management