Am 16.Dezember 2022 wurde der Regierungsentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) vom Deutschen Bundestag verabschiedet.
1. Worum geht es?
Das Hinweisgeberschutzgesetz dient der am 17. Dezember 2021 abgelaufenen nationalen Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie.
Ziele dieser Richtlinie sind vor allem der flächendeckende Einsatz von Hinweisgebersystemen in Unternehmen und der Schutz der Meldenden vor etwaigen (arbeitsrechtlichen) Maßnahmen und Repressalien nach einer solchen Meldung, wie etwa Abmahnung, Kündigung, Versetzung etc.
Hierfür müssen sowohl private als auch öffentliche Beschäftigungsgeber Meldestellen zur Entgegennahme von Meldungen einrichten und auch betreiben.
2. Was versteht man unter Compliance?
Compliance bezeichnet die in der Regel, neben den geltenden gesetzlichen Grundlagen, durch ein Unternehmen selbst auferlegte Vorgaben und Standards, ein für alle Mitarbeiter*innen verbindliches Regelwerk aufzustellen. Dies geschieht in Form eines Compliance-Systems welches sowohl vorbeugende als auch überwachende Maßnahmen beinhaltet und aufgrund der Komplexität der jeweiligen Unternehmen, von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedliche Aspekte beinhaltet.
Hierzu zählt auch die Umsetzung der Einhaltung des Hinweisgeberschutzgesetzes.
3. Was sind die wichtigsten Änderungen des verabschiedeten HinSchG?
- Anonyme Meldungen müssen nun auch im unternehmerischen Meldekanal ermöglicht und bearbeitet werden
- Der Anwendungsbereich des Gesetzes wurde um Hinweise auf Äußerungen von Beamtinnen und Beamten erweitert, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen
- Hinweisgebende Personen haben einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch auch auf den Ersatz immaterieller Schäden (insb. Schmerzensgeld)
4. Zu den einzelnen Veränderungen
a) Anwendungsbereich
Aufgrund aktueller Geschehnisse in Sachen der „Reichsbürger-Razzia“ wurden neben der Einbeziehung von Verstößen gegen EU-Recht und auf EU-Recht basierendem nationalen Recht sowie Informationen über Straftaten jeder Art und schwere Ordnungswidrigkeiten auch noch Hinweise auf Äußerungen von Beamt*innen aufgenommen, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen.
b) Anonymität
Meldekanäle müssen die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen. Diese Kanäle müssen zum Einen die anonyme Kontaktaufnahme ermöglichen, zum Anderen auch bei der Kommunikation zwischen Hinweisgeber*innen und interner bzw. externer Meldestelle die Anonymität gewährleisten. Als Umsetzungsfrist hierfür ist der 01.01.2025 vorgesehen.
c) Interne vs. Externe Meldekanäle
Hinweisgeber*innen soll die Wahl zwischen interner und externer Meldung gegeben werden. Es sollen jedoch Anreize durch den Beschäftigungsgeber geschaffen werden, dass sich die Hinweisgeber*innen zunächst an die interne Meldestelle wenden, bevor eine Meldung in einem externen Kanal des Bundes oder Landes getätigt wird. Die externen Meldestellen sollen daher bei Eingang einer Meldung darauf hinweisen, dass auch der Weg zu den internen Meldekanälen offensteht. Ein Schutz durch das HinSchG der Meldenden, die Informationen über Verstöße direkt an die Öffentlichkeit bringen, kann allerdings nur dann gegeben sein, wenn zuvor erfolglos eine Meldung bei einer externen Meldestelle erfolgte oder eine Gefahr für die Allgemeinheit droht.
Die Meldekanäle sind gem. § 16 HinSchG dabei so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen Personen Zugriff auf die eingehenden (mündlichen per Telefon oder anderer Sprachübermittlung oder schriftlichen) Meldungen haben. Der Zugriff unberechtigter Personen muss verhindert werden. Besondere Bedeutung kommt dem Schutz der Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person zu.
Die internen Meldestellen können entweder aus dem Unternehmen heraus errichtet oder deren Aufgabe auf Dritte übertragen werden. Sie müssen jedoch gem. § 15 HinSchG in jedem Fall unabhängig sein und über die notwendige Fachkunde verfügen.
Gerade im Hinblick auf diese Sachkunde muss daher jedes Unternehmen selbst entscheiden, ob die Beauftragung und Qualifizierung einer internen Person oder die einer externen Ombudsperson effizienter erscheint.
d) Immaterielle Schäden
Meldende Personen, die nicht erlaubte Repressalien erfahren, sollen in Zukunft neben einem Anspruch auf materiellen Schadensersatz auch Anspruch auf immateriellen Schadensersatz (Schmerzensgeld) haben.
5. Was passiert nach Verkündung des Gesetzes?
Ab Verkündung haben Beschäftigungsgeber mit 250 oder mehr Beschäftigten drei Monate Zeit, die Vorgaben umzusetzen. Für Unternehmen von 50 bis zu 249 Beschäftigten gilt eine längere Umsetzungfrist bis zum 17.Dezember 2023. Hingegen öffentliche Stellen sind bereits seit 18.Dezember 2021 verpflichtet, interne Meldestellen einzuführen und zu betreiben; die EU-Whistleblower-Richtlinie gilt insofern unmittelbar für die öffentliche Verwaltung. Darüber hinaus muss der Bund die angesprochenen externen Meldestellen beim Bundesamt für Justiz, bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als auch beim Bundeskartellamt einrichten.
6. Was sagt der Ausblick auf 2023?
Das Gesetz soll Anfang 2023 verkündet werden. Sollten die Unternehmen ihrer Verpflichtung zum Einrichten und Betreiben der internen Meldestellen und Konzepte zum Schutz von Hinweisgebenden nicht nachkommen, drohen Bußgelder bis zu 100.000 EUR.
Für die Einrichtung dieser Meldestellen bedarf es einiger unternehmensinterner Vorbereitungen, auch in Bezug auf eventuell bereits bestehende Compliance Management Systeme (CMS). Die damit verbundenen Maßnahmen und Prozesse bilden sodann die Grundlage für ein funktionierendes und angemessenes CMS.
Diese Vorgaben dienen neben dem Schutz der Hinweisgeber*innen auch dem Unternehmen selbst, da immer auch ein Interesse daran besteht, zu erfahren, wo Risiken potenzieller Rechtsverstöße aus dem Betrieb heraus und/oder zum Nachteil des Unternehmens bestehen, um diese schnellstmöglich zu eliminieren. Ein Hinweisgebersystem dient damit als Frühwarnsystem, durch welches Wirtschaftsschäden im Unternehmen reduziert werden können.
Bei Fragen zur Umsetzung der Richtlinie und auch zu weitergehenden Themen, wie der Beratung zur Einführung eines Compliance Management Systems bzw. einer Compliance Kultur, steht Ihnen unser Kompetenzteam „Compliance und Strafrecht“ gerne jederzeit zur Verfügung.
Ihr Ansprechpartner:
Christopher Hilgert
Partner
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Certified Compliance Officer (TÜV Rheinland)
Zertifizierter Verteidiger für Steuerstrafrecht (DSV)
Zertifizierter Verteidiger für Wirtschaftsstrafrecht (DSV)