Der EuGH ist produktiv: Drei wichtige Entscheidungen dieses Jahres zum Vergaberecht im Überblick

Der EuGH ist produktiv und hat bis Ende April 2025 bereits drei bedeutende und praxisrelevante Entscheidungen zum Vergaberecht verkündet. KUNZ Salary Partnerin und Fachanwältin für Verwaltungs- und Vergaberecht Katharina Strauß gibt einen kurzen Überblick und zeigt den hohen Praxisbezug auf:

1. EuGH, Urteil vom 16.01.2025, Rechtssache C424/23

Mit dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Vorabentscheidungsverfahren zum Anlass genommen, die Vorgaben zur technischen Beschreibung des Beschaffungsgenstandes im Sinne des Wettbewerbs, der Marktöffnung und für mehr Marktoffenheit weiter zu präzisieren.

Abgesehen von Fällen, in denen sich die Verwendung eines Materials zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergibt, können öffentliche Auftraggeber ohne Hinzufügen des Zusatzes „oder gleichwertig“ demnach grundsätzlich nicht mehr die Verwendung eines bestimmten Materials verlangen.

Praxisbezug:
Entweder verzichten öffentliche Auftraggeber auf die Vorgabe einer konkreten Materialvorgabe in den Vergabeunterlagen oder sie geben zwar ein oder mehrere Materialien für die Auftragsausführung vor, müssen dann aber den Zusatz „oder gleichwertig“ hinzufügen.

 

2. EuGH, Urteil vom 03.04.22025, Rechtssache C-710/23

Bislang wurde überwiegend vertreten, dass für Informationen, die die berufliche oder unternehmerischen Sphäre einer Person betreffen, ein geringes Schutzniveau gelte, da diese Informationen schon gar nicht unter den Begriff der „personenbezogene Daten“ nach Artikel 1 Nr. 1 der DSGVO fallen würden. Deshalb wurden regelmäßig in Vergabeverfahren im Rahmen der Abfrage von Referenzen oder der Qualifikation von Mitarbeitern die Angabe personenbezogener Informationen verlangt und diese Informationen auch im Sinne des Artikel 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet.

Diese Auffassung hat der EuGH gekippt: Artikel 4 Nr. 1 und 2 der DSGVO sei nach der Entscheidung des EuGH dahin auszulegen, dass die Offenlegung von personenbezogenen Informationen wie Vorname, des Nachname, der Unterschrift und Kontaktdaten einer natürlichen Person, die eine juristische Person vertritt, eine Verarbeitung personenbezogener Daten darstelle. Unerheblich sei der Umstand, dass die Offenlegung allein zu dem Zweck erfolgt, die Identifizierung der natürlichen Person zu ermöglichen, die befugt ist, im Namen der juristischen Person zu handeln.

Praxisbezug:
Zukünftig sollte deshalb im Rahmen der Abfrage von Referenzen oder der Qualifikation von Mitarbeitern die Angabe personenbezogener Informationen in der Regel nicht mehr vorgesehen werden.

 

3. EuGH, Urteil vom 29.04.2025, Rechtssache C-452/23 (Fastned Deutschland)

In dem Rechtsstreit zwischen Tesla und Fastned und der Autobahn GmbH wegen des Ausbaus von Autobahntankstellen zu E-Ladepunkten hat der EuGH zur zentralen Frage im Sinne der Rechtssicherheit und gegen eine zeitlich unbegrenzte Nachprüfbarkeit von Vergabeentscheidungen entschieden:

Die Möglichkeit, einen bestehenden öffentlichen Auftrag, ohne die Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zu ändern, bestehe auch dann, wenn der Auftrag ursprünglich vergaberechtswidrig vergeben worden ist. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn die Änderung im Sinne der Vergaberichtlinie „erforderlich wird“. Dies dann, wenn aus der Perspektive des ursprünglichen Vertragsschlusses unvorhersehbare Umstände eine Anpassung des Vertrags erfordern, um sicherzustellen, dass sie Leistung weiterhin ordnungsgemäß ausgeführt werden kann.

Praxisbezug:
Bestehende Altverträge mit dem Ziel der Anpassung können und müssen nicht  gekündigt und neu ausgeschrieben, sondern können auf aktuelle Anforderungen hin angepasst werden, unabhängig davon, wie diese ursprünglich zustande gekommen sind.



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