Das Volumen durch öffentliche Auftragsvergaben macht mehr als 14 % des BIP der EU-Mitgliedsstaaten aus. Daher hätten die Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf, dass öffentliche Gelder in effizienter und transparenter Weise vergeben würden. Dementgegen stehen geheime Absprachen (Angebotsabsprachen), deren Aufdeckung und Sanktionierung häufig erst nach Zuschlagserteilung oder gar Auftragsausführung geschieht, also wenn der Schaden bereits eingetreten ist.
Die EU-Kommission ist sich der Problematik bewusst und erkannte, dass aufgrund der regelmäßig bestehenden Knappheit und Dringlichkeit der Aufträge gesteigertes Absprachepotenzial – gerade auch im Rahmen der COVID-19-Pandemie – ansteht. Hierzu erließ sie die Mitteilung im Amtsblatt der EU vom 18.3.2021, mit welcher die EU-Kommission auf die Problematik der geheimen Absprachen im Rahmen von Vergabeverfahren eingeht.
Während sich die Richtlinien aus dem Jahr 2014 in erster Linie mit der wettbewerbsrechtlichen Komponente des Problems beschäftigten und durch die Leitlinien der nationalen Wettbewerbsbehörden zur Bekämpfung von Kollusion sowie das Handbuch des Betrugsbekämpfungsbüros der EU (OLAF) zu Warnsignalen für unzulässige Absprachen flankiert werden mussten, wird in der nun erschienenen Mitteilung auf die Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2017 „Eine funktionierende öffentliche Auftragsvergabe in und für Europa“ (COM(2017) 572) rekurriert und deren Instrumente erläutert. Die Mitteilung aus März 2021 enthält nun die angekündigten Leitlinien für Auftraggeber (vgl. Abschnitt 5 der Bekanntmachung). Als Ziele der Bekanntmachung weist die Kommission die „Unterstützung der Mitgliedstaaten und der öffentlichen Auftraggeber beim Aufbau von Kapazitäten zur Bewältigung des Problems“ (siehe Abschnitt 3) sowie die „Förderung der Zusammenarbeit zwischen nationalen zentralen Vergabe- und Wettbewerbsbehörden“ (siehe Abschnitt 4) aus. Dabei sollen die Mitgliedsstaaten durch „Bereitstellung von [insbesondere personellen] Ressourcen“, „Nutzung verfügbarer administrativer Anreize zur Belohnung von Bediensteten“ (für die Aufdeckung von Absprachen) und „Organisation von Schulungen und Sensibilisierungsveranstaltungen für mit Auftragsvergaben befasstes Personal“ unterstützt werden. Die Zusammenarbeit der Wettbewerbs- und Vergabebehörden soll insbesondere durch eine gemeinsame Datenbank für (Verdachts-)Fälle geheimer Absprachen sowie besserem Informationsfluss zwischen den Behörden verbessert werden. Außerdem soll Auftraggebern eine Reihe fakultativer Kontrollinstrumente an die Hand gegeben werden.
Nach der EU-Kommission fehle es insbesondere kleineren Auftraggebern immer wieder an den erforderlichen Kapazitäten, um geheime Absprachen aufzudecken. Überdies stehe für sie die frist- und kostensichere Auftragsausführung im Vordergrund, so dass häufig Unkenntnis darüber herrsche, welche Maßnahmen bei kollusiven Absprachen getroffen werden müssten.
Ob sich die Mitteilung in der Praxis des Vergaberechts auswirkt, wird sich im Laufe der Zeit noch zeigen. Insbesondere könnte die Mitteilung eine Rolle bei der Beurteilung von Ausschlussgründen wegen unzulässiger Preisabsprachen nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB spielen, welche die Vergabestellen im Rahmen ihres Ermessens zu bewerten haben.
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Rechtsanwältin
Fachanwältin für Vergaberecht
Fachanwältin für Verwaltungsrecht