Folgen des Lockdowns für das Gewerberaummietrecht: Rückenwind aus Berlin für Gewerbemieter

Seit Beginn der COVID-19-Pandemie beschäftigen die behördlich verordneten Schließungen in Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie sowie weiteren Branchen die Politik und die Juristen. Ein Streitpunkt sind die Auswirkungen der eingeschränkten Nutzbarkeit von Mietobjekten auf die Mietzahlungspflichten.

Das Landgericht München II, Urt. v. 22.09.2020, 13 O 1657/20 (nicht rechtskräftig) hielt eine Mietanpassung für notwendig und geboten, das Landgericht Heidelberg, Urteil vom 30. Juli 2020, Az. 5 O 66/20 (nicht rechtskräftig) und das Landgericht Zweibrücken – Az.: HK O 17/20 – Urteil vom 19.08.2020, lehnten eine Anpassung ab, da der Mieter das Verwendungsrisiko der Mietsache trage. Wieder andere sehen das Maßnahmengesetz zur Bekämpfung der Pandemie, insbesondere den zeitweisen Kündigungsausschluss, als abschließende Regelung an – mit der Folge einer Nichtanwendbarkeit der allgemeinen gesetzlichen Regelungen.

Dem ist der Gesetzgeber nun entgegengetreten.

Der Deutsche Bundestag hat am 17.12.2020 das „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts- Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht“ verabschiedet (BGBl. I, S. 3256), welches für letzteren Bereich zum 31.12.2020 in Kraft getreten ist. Das gesetzgeberische Ziel der Neuregelung ist die Verhandlungsposition von Gewerberaummietern zu stärken.

Hierzu erfolgt mit Art. 10 des Gesetzes eine Änderung von Art. 240 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) durch die Ergänzung eines § 7 wie folgt:

Artikel 240 § 7 EGBGB Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand i.S. d.  § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrages geworden ist, nach Vertragsschuss schwerwiegend verändert hat.

Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.“


Der neu eingefügte § 7 regelt nunmehr die Vermutung, dass sich ein Umstand nach Vertragsschluss durch die Corona-Pandemie schwerwiegend verändert hat. Im Rahmen der Regelung des § 313 BGB bleibt der Mieter aber verpflichtet, darzulegen, dass die Parteien des Mietvertrags bei Kenntnis der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Folgen eine abweichende Regelung getroffen hätten und es für den Mieter unzumutbar ist, weiterhin am Vertrag festzuhalten.

Der neu eingefügte § 7 trifft keine Regelung zur Rechtsfolge der gestörten Geschäftsgrundlage. In Betracht kommt eine Miet- bzw. Pachtzinsminderung, eine Stundung oder ein Erlass, was Einzelfallbezogen zu beurteilen ist. Es wird dazu auch die Ansicht vertreten, dass das Risiko durch die Regelung hälftig auf den Vermieter und den Mieter verteilt würde und deshalb eine Mietzinsreduzierung um 50 % angemessen sei (vgl. Klimesch, „Fiktion der Störung der Geschäftsgrundlage…“, in IMR 2/2021, S 47 f.; a.A. Blatt/Stobbe, „Gewerberaummietrecht: Folgen des Lockdowns“, in IMR 2/2021, S45 f.). Dafür bietet der Gesetzestext aber keinen konkreten Anhaltspunkt und es wird weiterhin eine einzelfallbezogene Abwägung stattzufinden haben. Dabei dürfte zu berücksichtigen sein, ob staatliche Hilfen Umsatzeinbußen gelindert haben und ob der Mieter hätte Vorsorge treffen können durch beispielsweise eine Veränderung der Verkaufsstrategie.

Streitig ist, ob diese Neuregelung rückwirkend auf den ersten Lockdown und damit auf Mietzinsrückstände vor dem 01.01.2021 anzuwenden ist. Dafür spricht, dass es an einer Übergangsregelung fehlt. Dagegen spricht, dass es sich um eine unzulässige und verfassungswidrige echte Rückwirkung handeln könnte, die nachträglich in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingreift und deshalb eine Gesetzesanpassung im Wege der verfassungskonformen Auslegung erfordert. Diesbezüglich bleiben die Gerichtsentscheidungen abzuwarten.
 

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