Verordnung zur Änderung des Vergaberechts seit dem 24.08.2023 in Kraft
Mit Wirkung vom 24.08.2023 gelten für die Auftragswertschätzung bei der Vergabe von Planungsleistungen dieselben Regeln wie für sonstige Dienstleistungen. Damit reagiert der Bundesgesetzgeber auf ein von der EU-Kommission eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren, in dem die EU-Kommission der Bundesrepublik Deutschland u.a. vorwirft, die Regelungen zur Auftragswertschätzung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht korrekt umgesetzt zu haben.
Unsere Vergabrechtlerin Dr. Dr. Stefanie Theis. L.L. M. Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht sowie Fachanwältin für Vergaberecht und unser Wissenschaftlicher Mitarbeiter Hans-Peter Müller, Dipl.-Verwaltungswirt, geben einen Überblick über die Neuerungen:
1. Auftragswertschätzung bei Vergabe von Planungsleistungen
Tatsächlich regelte der nun entfallene § 3 Abs. 7 S. 2 VgV, dass bei der Schätzung der Werte von Planungsleistungen nur die Werte von „gleichartigen“ Planungsleistungen zu addieren seien. Zur Bestimmung der Gleichartigkeit orientierte sich die Vergabepraxis an den Leistungsbildern der HOAI. Dies sahen die EU-Kommission und der EuGH anders. Anknüpfungspunkt des Merkmals „gleichartig“ seien die wirtschaftlichen und technischen Zusammenhänge sowie die innere Kohärenz des zu planenden Objektes.
Um einer weiteren Missinterpretation vorzubeugen und ein mögliches Verfahren vor dem EuGH zu verhindern, wurde die besagte Regelung nun in der Verordnung zur Änderung des Vergaberechts aufgehoben. Ob Planungsleistung oder sonstige Dienstleistung, es gelten nun ausschließlich dieselben Regeln zur Auftragswertschätzung. Damit dürften in Zukunft grundsätzlich die Werte von Planungsleistungen für ein Projekt zu addieren sein.
Das bedeutet freilich keine gleichsam „automatisch“ europaweite Ausschreibungspflicht für sämtliche für ein Bauvorhaben erforderliche Planungsleistungen. In vielen Fällen werden Auftraggeber aber künftig schon aus Praktikabilitätserwägungen (noch) sorgfältiger prüfen (nicht abschließend):
- welche Leistungen im Rahmen des sog. 20 %-Kontingentes nicht europaweit ausgeschrieben werden müssen (§ 3 Abs. 7/9 VgV),
- in welchen Fällen die Vergabe von Generalplanerleistungen statthaft sein kann (§ 97 Abs. 4 GWB),
- sich bei Verhandlungsverfahren den Zuschlag auf Erstangebote vorzubehalten (§ 17 Abs. 11 VgV) oder etwa
- „Standard“-Planungsleistungen im offenen Verfahren zu vergeben.
2. Elektronische Bekanntmachungsformulare („eForms“)
Die EU-weite Bekanntmachung öffentlicher Aufträge erfolgt demnächst nicht mehr mittels in sich abgeschlossener Standardformulare, sondern über eine Kombination verschiedener Datenfelder in elektronischen Formularen („eForms“). Hierzu wird ein Fachdatenstandard „eForms-DE“, vergleichbar dem der „eRechnung“, festgelegt.
Die Anwendung der „eForms“ ist ab dem 23.10.2023 für öffentliche Auftraggeber verpflichtend. Für die Mitarbeiter der Vergabestellen dürfte der Einarbeitungsaufwand einerseits überschaubar sein, weil die Betreiber der e-Vergabeplattformen die neue Formularwelt in ihre Programme bereits eingepflegt hat bzw. bis zum Stichtag einpflegen wird. Andererseits müssen bereits vorhandene Vergabeunterlagen nun sämtlich darauf geprüft werden, ob darin enthaltene Verweise auf die bisherigen EU-Bekanntmachungsformulare überholt und entfallen sind. Und auch die eForms-DE stehen vor dem Praxistest, ob sie für Bieter hinreichend transparent die Anforderungen der öffentlichen Auftraggeber etwa an die geforderte Eignung abbilden.
Bei Fragen zu den praktischen Auswirkungen stehen Ihnen die Kolleginnen und Kollegen unseres Kompetenzteams "Vergabe und Ausschreibung" gern zur Verfügung.