Neues Lieferkettengesetz – Rechtsfolgen für die öffentliche Beschaffung

Am 11.06.2021 hat der Deutsche Bundestag das kontrovers diskutierte und von vielen Akteuren in den Beschaffungen ersehnte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beschlossen (BT-Drs. 19/30505). Dieses soll dem Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferletten dienen und schreibt sich damit in die Thematik der Nachhaltigen Beschaffung ein.

Anwendungsbereich:

Der persönliche Anwendungsbereich ist recht weit gefasst: Mit dem neuen Gesetz sollen Unternehmen in ihrem Geschäftsbereich sowie gegenüber unmittelbaren Zulieferern stärker in die Pflicht genommen werden. Dabei finden sowohl menschen- wie umweltrechtliche Standards Berücksichtigung. Das Gesetz betrifft dabei nicht nur deutsche Unternehmen, sondern auch ausländische Unternehmen, die über Zweigniederlassungen oder ihre Tochterunternehmen in Deutschland tätig werden. Zudem sollen auch Tochterunternehmen inländischer Betriebe zu deren Geschäftsbereich gerechnet werden. Dabei wird die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt – betrachtet.

Eingegrenzt wird der Anwendungsbereich jedoch durch die Unternehmensgröße: Ab 2023 gilt das Gesetz für Unternehmen mit über 3.000 Mitarbeitern (aktuell ca. 700 in Deutschland), ab dem Jahr darauf für Unternehmen mit einer Mindestgröße von 1.000 Mitarbeitern, was immerhin ca. 3.000 Unternehmen in Deutschland betrifft. Abgestuft werden die Verpflichtungen weiter in Abhängigkeit von der Einflussnahmemöglichkeit der Unternehmen.

Auswirkungen auf öffentliche Beschaffungsvorgänge:

Für die Beschaffungen der öffentlichen Hände erfasst das Gesetz eine bislang sehr schwer händelbare Thematik: Wie kann die Verantwortung des bezuschlagten Auftragnehmers ausgeweitet werden auf die gesamte Lieferkette (von wohlbemerkt gefährdeten Produktgruppen!) und Konsequenzen knüpfen, die weiter reichen als den bloßen Verstoß gegen eine Eigenerklärung oder das Abdecken mit einem (mehr oder weniger glaubhaften) Zertifikat bzw. Gütezeichen?

Das Gesetz sieht die Ergänzung der Ausschlussgründe nach § 124 Abs. 2 GWB vor und hält auch eine Ergänzung des WRegG bereit. Bei schwerwiegenden Verstößen können Unternehmen dann für bis zu drei Jahren von der öffentlichen Beschaffung ausgeschlossen werden. Aus vergaberechtlicher Sicht ist insbesondere der fünfte Abschnitt des LkSG interessant. Danach können die öffentlichen Auftraggeber (§§ 99, 100 GWB) Unternehmen bis zur Selbstreinigung nach § 125 GWB für einen angemessenen Zeitraum von drei Jahren von ihren Vergabeverfahren ausschließen. Voraussetzung ist dafür grundsätzlich eine verhängte Geldbuße von mindestens 175.000 Euro. In bestimmten Fällen (§ 22 LkSG) werden deutlich höhere Geldbußen zur Voraussetzung gemacht. Außerdem sieht das neue Gesetz ein Anhörungsrecht des Bewerbers vor dem Ausschluss vor. Die Vorschriften orientieren sich dabei an den bestehenden § 19 Mindestlohngesetz und § 21 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz.

Im Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) wird ein neuer § 2 Nr. 4 eingeführt, wonach rechtskräftige Bußgeldentscheidungen nach dem Lieferkettengesetz in das neue Register einzutragen sind, sofern sie die oben genannte Schwelle überschreiten.

Fazit:

Die Auswirkungen des neuen Lieferkettengesetzes gehen den Einen wahrscheinlich zu weit, so z. B. größeren Unternehmen, die nunmehr noch höhere Hürden im ohnehin sehr formalistischen Vergabeverfahren zu nehmen haben. Den Anderen – wie z. B. Nicht-Regierungsorganisationen (NGO´s) – werden die Regelungen nicht weit genug gegen. Denn einerseits ist zunächst der Anwendungsbereich an sich recht beschränkt, andererseits werden hohe Anforderungen an die Höhe der verhängten Sanktionen gestellt, damit diese im Vergabeverfahren überhaupt berücksichtigt werden können. Es wird sich allerdings zeigen, ob auch niedrigeren Bußgeldern in der Gesamtschau mit anderen Gründen zumindest eine Indizwirkung bei Ausschlussüberlegungen zukommen kann. Des Weiteren resultiert schließlich aus den Regelungen keine zivilrechtliche Haftung, so dass die wirtschaftlichen Konsequenzen sich in Grenzen halten.

Im Ergebnis verbleibt es folglich auch weiterhin dabei: Deutsche Sozialstandards und Maßstäbe werden auch nicht durch das neue Lieferkettengesetz in der ganzen Welt angesetzt, sondern lediglich die weitere Einhaltung grundlegender Menschenrechtsstandards, welche jedoch gerade mal als ein Minimum betrachtet werden müssen, gefördert (so sieht es selbst das federführende Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – BMZ).

 

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Katharina Strauß
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Vergaberecht
Fachanwältin für Verwaltungsrecht