Novelliertes KrWG & nachhaltige Vergabe - Das Kreislaufwirtschaftsgesetz wurde novelliert

Im Jahr 2018 ist auf der europäischen Ebene die Abfallrahmenrichtlinie novelliert worden. Die Mitgliedstaaten waren verpflichtet, den Inhalt der Novelle binnen zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen. Die Umsetzung ist in Deutschland mit der Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes erfolgt. Die Novelle ist am 29. Oktober 2020 in Kraft getreten. Sie bringt neben vielen kleineren Änderungen verschiedene für die Praxis besonders relevante Neuerungen, auf die nachstehend eingegangen werden soll.

 

Abfälle an der Schnittstelle zum Chemikalien- und Produktrecht

Die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstand endet, wenn dieser ein Verwertungsverfahren nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 KrWG durchlaufen hat. Der neue § 7a KrWG verpflichtet alle natürlichen oder juristischen Personen, die solche Stoffe erstmals verwenden oder in Verkehr bringen, dafür zu sorgen, dass diese Stoffe oder Gegenstände den geltenden Anforderungen des Chemikalien- und Produktrechts genügen. Diese Bestimmung dient mit Blick auf die Nahtstelle zwischen dem Kreislaufwirtschaftsrecht und den Rechtsvorschriften für Chemikalien und Produkte der übergreifenden Absicherung des Schutzes von Mensch und Umwelt.

 

Getrenntsammlungspflichten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger

Getrenntsammlungspflichten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bestehen gemäß § 20 Abs. 2 KrWG für Bio-, Kunststoff-, Metall- und Papier- und Textilabfälle, für Glas, Sperrmüll und gefährliche Abfälle.

Die Getrenntsammlung von Bioabfällen hat grundsätzlich nach Maßgabe des § 9 KrWG zu erfolgen. Den Umstand, dass in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrWG nicht auf § 9 Abs. Abs. 3 Nr. 1 und 2 KrWG verwiesen wird, versteht der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung so, dass sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nicht darauf berufen kann, dass von der Getrenntsammlung aus ökologischen Gründen zugunsten einer gemeinsamen Sammlung mit anderen Abfallarten abgesehen werden darf. Durch den Verweis auf § 9 Absatz 4 KrWG wird zudem die energetische Verwertung getrennt gesammelter Bioabfälle begrenzt. Eine Vergärung von Bioabfällen als kombiniertes Verfahren bleibt damit aber ebenso möglich wie die energetische Verwertung von im Rahmen der Bioabfallbehandlung ausgeschleusten und für die Kompostierung bzw. Vergärung ungeeigneten Abfällen.

Sperrmüll muss nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 KrWG in einer Weise gesammelt werden, welche die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling der einzelnen Bestandteile ermöglicht. Diese Verpflichtung steht im inhaltlichen Zusammenhang mit Abfallvermeidungsmaßnahmen, die von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern ergriffen werden (s. dazu § 21 KrWG). So ist bei der Abfallberatung auch darauf hinzuweisen, dass die noch gebrauchsfähigen Erzeugnisse nicht in den Sperrmüll gegeben, sondern möglichst Einrichtungen zu überlassen sind, welche die Erzeugnisse einer Wiederverwendung zuführen (vgl. § 46 Absatz 2 KrWG).

Die (neue) Verpflichtung zur Getrenntsammlung von Textilabfällen gilt nach § 20 Abs. 2 Satz 2 KrWG ab dem Jahr 2025.

 

Neue Recyclingquoten für Siedlungsabfälle

Bisher sollten nach deutschem Recht ab 2020 mindestens 65 % der Siedlungsabfälle für eine Wiederverwendung vorbereitet oder recycelt werden. Im Rahmen einer 1:1-Umsetzung der novellierten Abfallrahmenrichtlinie wurde diese Quote nunmehr auf 50 % abgesenkt. Sie soll in 5-Jahres-Schritten steigen und erst bis 2035 65 % erreichen.

Was auf den ersten Blick als Rückschritt auf dem Weg zu mehr Recycling aussehen mag, dürfte in Wirklichkeit eher zu einer Verschärfung werden. Denn bisher wurde der Anteil an Siedlungsabfällen, der Sortier- und anderen Verwertungsanlagen zugeführt wurde, für die Quotenberechnung herangezogen. Dabei blieb unberücksichtigt, dass ein nicht unerheblicher Teil der diesen Anlagen zugeführten Siedlungsabfälle als „Sortierrest“ in die Verbrennung gelangte und somit gar nicht recycelt wurde. Diese „input-bezogene“ Betrachtung wird künftig durch eine „output-bezogene“ Betrachtung ersetzt, d. h. maßgeblich ist, welcher Anteil der Siedlungsabfälle am Ende tatsächlich einer Wiederverwendung oder einem Recycling zugeführt wurde. Diese Berechnungsmethode ist mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2019/1004 der Kommission vom 7. Juni 2019 geregelt worden.

Für die Vorbereitung zur Wiederverwendung, zum Recycling und zur sonstigen stofflichen Verwertung von nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfällen bleibt es bei der bisher gültigen Quote von 70 %.

 

Klagebefugnis für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger

Zu den mit weitem Abstand am meisten streitbefangenen Regelungen im Kreislaufwirtschaftsgesetz gehören die Bestimmungen über gewerbliche Abfallsammlungen, die neben der öffentlichen Abfallentsorgung durchgeführt werden. Solche Sammlungen sind nach § 18 Abs. 1 KrWG nur zulässig, wenn sie spätestens drei Monate vor ihrer beabsichtigten Aufnahme angezeigt wurden. Nach § 18 Abs. 2 KrWG sind im Rahmen der Anzeige unter anderem die vorgesehenen Verwertungswege und die Ordnungsgemäßheit der beabsichtigten Verwertung darzulegen. Der neue § 18 Abs. 8 KrWG gibt nunmehr dem von der gewerblichen Sammlung betroffenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger einen Anspruch darauf, dass die für gewerbliche Sammlungen geltenden Bestimmungen des Anzeigeverfahrens eingehalten. Dieser Anspruch kann im Klagewege geltend gemacht werden.

 

Erweiterung der Produktverantwortung von Herstellern und Vertreibern

Die in den §§ 23 ff. KrWG geregelte Produktverantwortung von Herstellern und Vertreibern ist ein Eckpfeiler auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft. Sie wird nun in verschiedener Hinsicht präzisiert und erweitert, wobei zu ihrer Umsetzung Rechtsverordnungen der Bundesregierung erforderlich sind.

Die Produktion soll ressourceneffizient erfolgen, Recyclate sollen vorrangig zum Einsatz kommen, der Einsatz von kritischen Rohstoffen soll sparsam erfolgen und Systeme zur Wiederverwendung und Reparatur von Produkten sollen unterstützt werden.

Besonders zu erwähnen ist die sogenannte „Obhutspflicht“. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KrWG ist beim Vertrieb von Erzeugnissen dafür zu sorgen, dass deren Gebrauchstauglichkeit erhalten bleibt und diese nicht zu Abfall werden. Was damit gemeint ist, wird vor allem in dem neuen § 23 Abs. 2 Nr. 11 KrWG deutlich: Vom Handel wird erwartet, dass dieser Produkte, die zurückgegeben bzw. zurückgenommen werden, nicht ohne Notwendigkeit durch eigene Willensentscheidung zu Abfall macht. Angesprochen ist damit insbesondere das Problem der sog. Retourenvernichtung, bei der durch Kunden retournierte Ware vor allem im Versandhandel aus wirtschaftlichen Gründen vernichtet wird. Die hier genannten Regelungen stellen eine Grundpflicht dar, aus der sich allein noch keine durchsetzbaren materiell-rechtlichen Pflichten des Produktverantwortlichen ergeben. Hierfür bedarf es entweder spezifischer Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder entsprechender Regelungen in Gesetzen, wie etwa des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes.

Ebenfalls besonders hervorzuheben ist eine neue Bestimmung in § 23 Abs. 2 Nr. 10 KrWG, wonach Herstellern und Vertreibern von Produkten eine verursachergerechte Beteiligung an den Kosten, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und sonstigen öffentlich-rechtlich Verpflichteten für die Reinigung der Umwelt nach Gebrauch dieser Produkte entstehen, auferlegt wird. Der neue Grundsatz ist für Verpackungen bereits in § 22 Absatz 9 VerpackG angelegt, nach dem sich Hersteller und Vertreiber an den Kosten, die dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger durch die Sauberhaltung von Flächen, auf denen genutzte Sammelgroßbehälter aufgestellt werden, beteiligen müssen. Diese Beteiligungspflichten greifen eine Regelung in Artikel 8 Absatz 2 und 3 der Einwegkunststoff-Richtlinie auf, die dort für den Bereich der Kunststoffabfälle, wozu auch Zigarettenkippen gezählt werden, eine Beteiligungspflicht an Säuberungsmaßnahmen vorsieht. § 23 Abs. 4 KrWG ermächtigt die Bundesregierung, Näheres hierzu in einer Rechtsverordnung zu regeln.

 

Freiwillige Rücknahme im Handel

Sehr umstritten war im Gesetzgebungsverfahren die freiwillige Rücknahme von Erzeugnissen. Die ursprünglich von der Bundesregierung vorgesehene Regelung wurde letztlich auf Drängen der kommunalen Spitzenverbände eingeschränkt. Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KrWG dürfen Unternehmen grundsätzlich nur solche Abfälle von den Kunden freiwillig zurücknehmen, die von Erzeugnissen stammen, die das Unternehmen selbst hergestellt oder vertrieben hat. Die geplante Verwertung muss mindestens so hochwertig erfolgen wie die Verwertung, die sonst der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger vorgesehen hätte.

Eine Ausweitung der Rücknahme auf Abfälle von Erzeugnissen, die von anderen Unternehmen hergestellt bzw. vertrieben wurden, ist unter bestimmten, in § 26 Abs. 4 KrWG genannten Voraussetzungen zulässig.

 

Abfallvermeidungsprogramm

Nach § 33 Abs. 1 KrWG ist der Bund wie bisher verpflichtet, ein Abfallvermeidungsprogramm zu erstellen und fortzuschreiben. Die Länder können sich daran beteiligen und müssen sonst eigene Programme aufstellen.

Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Verpflichtung nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 g KrWG, Maßnahmen vorzusehen zur Verringerung der Verschwendung von Lebensmitteln in der Primärerzeugung, Verarbeitung und Herstellung, im Einzelhandel und bei anderen Formen des Vertriebs von Lebensmitteln, in Gaststätten und bei Verpflegungsdienstleistungen sowie in privaten Haushaltungen, um zu dem Ziel der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung beizutragen, bis 2030 die weltweit im Einzelhandel und bei den Verbrauchern pro Kopf anfallenden Lebensmittelabfälle zu halbieren und die Verluste von Lebensmitteln entlang der Produktions- und Lieferkette einschließlich Nachernteverlusten zu reduzieren. Dazu gehört die Förderung von „Lebensmittelspenden und anderen Formen der Umverteilung von Lebensmitteln für den menschlichen Verzehr“.

 

Öffentliche Beschaffung

In den neuen Regelungen spiegelt sich nicht zuletzt auch der Gesetzgeberwille wieder, dass das Kreislaufwirtschaftsrecht auch ökologisch fortentwickelt werden soll. Ökologische Kriterien sollen auch in den Beschaffungsvorgängen der öffentlichen Hand berücksichtigt werden.

Nach § 45 Abs. 2 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) sind die Behörden des Bundes, die der Aufsicht des Bundes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Sondervermögen und sonstige Stellen verpflichtet, bei der Beschaffung solche Erzeugnissen zu bevorzugen, die ökologisch vorteilhaft hergestellt wurden oder entsprechende Eigenschaften aufweisen. Danach ist solchen Erzeugnissen der Vorzug zu geben, die

  1. in rohstoffschonenden, energiesparenden, wassersparenden, schadstoffarmen oder abfallarmen Produktionsverfahren hergestellt worden sind,
  2. durch Vorbereitung zur Wiederverwendung oder durch Recycling von Abfällen, insbesondere unter Einsatz von Rezyklaten, oder aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt worden sind,
  3. sich durch Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit auszeichnen oder
  4. im Vergleich zu anderen Erzeugnissen zu weniger oder schadstoffärmeren Abfällen führen oder sich besser zur umweltverträglichen Abfallbewirtschaftung eignen.

Die Grenze für die Implementierung solcher Kriterien reduziert sich allgemein auf die Angemessenheit. So bestimmt auch § 45 Abs. 2 S. 2 KrWG, dass die Pflicht zur Beachtung nur soweit gilt, als dass die Erzeugnisse für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet sind, durch ihre Beschaffung oder Verwendung keine unzumutbaren Mehrkosten entstehen, ein ausreichender Wettbewerb gewährleistet wird und keine anderen Rechtsvorschriften entgegenstehen.

Dies entspricht der Entwicklung auch im klassischen Vergaberecht. Während früher ökologische und soziale Kriterien als „vergabefremd“ bezeichnet wurden, sind solche heute ein anerkannter Bestandteil der Ausschreibung geworden, auch wenn die einschlägigen Normen nicht als eine Verpflichtung formuliert sind. Soziale und umweltbezogene Aspekte können bei den Vergaben von Lieferleistungen gem. § 31 Abs. 3 VgV als Leistungsmerkmale definiert werden, selbst wenn derartige Faktoren keine materiellen Bestandteile der Leistung sind. Der früher angezweifelte Auftragsbezug ist nach der Vergaberechtsreform in § 127 Abs. 2 GWB ausgeweitet worden. Er wird selbst dann bejaht, wenn sich die entsprechenden Kriterien nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken und sich beispielsweise nur auf den Herstellungsprozess beziehen.

Damit steht den öffentlichen Auftraggebern – auch in der Kreislaufwirtschaft – die Möglichkeit offen, ökologische und soziale Kriterien als Mindestanforderungen an die Leistungsbeschreibung (z. B. durch Verlangen eines Gütezeichens nach den Anforderungen des § 34 VgV) oder als Zuschlagskriterien (z. B. durch Abstufung der Wertigkeit/Glaubwürdigkeit/Umfang eines Gütezeichens) einzubeziehen und Angebote nicht nur nach den üblichen Gesichtspunkten wie dem Preis-Leistungs-Verhältnis zu bewerten.

 

Gern beraten wir Sie zu den Themen des Kreislaufwirtschaftsrechts und Vergaberechts

 

Ihre Ansprechpartner:

 

Prof. Dr. Gottfried Jung
Rechtsanwalt
Ministerialdirigent a. D.
Honorarprofessor an der Hochschule Trier

 

Katharina Strauß
Fachanwältin für Vergaberecht
Fachanwältin für Verwaltungsrecht