Persönliche Haftung des Impfarztes für Impfschäden im Zusammenhang mit einer Corona-Impfung?

Weitestgehend ungeklärt ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Ärzte, die derzeit die Corona-Impfungen abseits von Impfzentren in eigener Praxis oder an anderen Orten durchführen, persönlich für Impfschäden haften. Klarheit könnte eine aktuelle Entscheidung des OLG Koblenz vom 3.1.2022 bringen, die sich ausführlich mit der Haftung des Impfarztes für Impfschäden (dort im Zusammenhang mit einer Schweinegrippeimpfung) befasst und zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich dabei unabhängig von einer formellen Betrauung um eine hoheitliche Tätigkeit des Arztes handelt.

KUNZ Fachanwältin für Medizinrecht Kirsten Prusseit, die den Arzt in beiden Instanzen vertreten hat, stellt die Entscheidung und ihre Auswirkungen auf die persönliche Haftung des Impfarztes vor.

Das OLG Koblenz bestätigt mit seinem Beschluss vom 03.01.2022 die Auffassung des Landgerichts, wonach die die Impfung gegen Schweinegerippe in Ihrer Praxis durchführende Ärztin – unabhängig von einer formellen Betrauung – in Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes handelt und damit lediglich Amtshaftungsansprüche aus § 839 BGB i.V.m. Art. 14 GG gegen den Staat in Betracht kommen, in dessen Kompetenz und Verantwortung die damalige Impfkampagne organisiert war.

Der Senat vertritt die Auffassung, das Landgericht habe die Voraussetzungen, die erforderlich sind, um die Durchführung der Impfung (hier mit dem Impfstoff Pandemrix gegen H1N1 - Schweinegrippe) als hoheitliche Tätigkeit anzusehen, zutreffend angenommen.

Insoweit sei ausreichend, dass die sogenannte Schweinegrippe zum damaligen Zeitpunkt als pandemische Influenza eingestuft und eine Impfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) und vom Robert-Koch-Institut öffentlich empfohlen worden sei. Die Impfdosen sein kostenfrei in einem bestimmten Rhythmus vom Gesundheitsamt über festgelegte Lieferapotheken an die an der Impfkampagne teilnehmenden Arztpraxen ausgegeben worden, wo sie verimpft worden seien, so auch in der Praxis, in der die Beklagte tätig war und die Klägerin geimpft wurde.

Es habe sich bei der Durchführung der bundesweiten Impfaktion und der Ausführung durch das Gesundheitsamt um eine Maßnahme der öffentlichen Gesundheitsvorsorge gehandelt, deren Wahrung den Behörden durch das Infektionsschutzgesetz als hoheitliche Tätigkeit zugewiesen sei. Auf eine förmliche Betrauung der Beklagten komme es insoweit nicht an, die konkludent in der Beauftragung mit der Belieferung von kostenlosem Impfstoff liege.

Der Feststellung einer pandemischen Lage durch den Bundestag nach der heutigen Vorschrift des § 5 Abs. 1 IfSG, die erst mit Gesetz vom 27.03.2020 eingeführt wurde, bedurfte es nicht.

Insoweit sei § 20 IfSG maßgeblich, der in seiner damaligen Fassung bestimmt hat, dass die oberen Landes Gesundheitsbehörden öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der STIKO aussprechen konnten und nach deren Vorgabe die Gesundheitsämter gemäß Abs. 5 unentgeltlich Schutzimpfungen durchführten.

Eine solche öffentliche Empfehlung habe hier insoweit unstreitig vorgelegen.

Dass die Impfung in der Praxis der Beklagten durchgeführt wurde, ändere nichts an der hoheitlichen Tätigkeit, mit der die Beklagte konkludent durch Belieferung mit kostenlosem Impfstoff beauftragt worden ist.


Ausblick:

In Anbetracht der gegenwärtigen Corona Pandemie hat die Entscheidung äußerste Brisanz, da danach in der Konsequenz aufgrund der öffentlichen Impfempfehlung sowie der kostenfrei durch die Gesundheitsbehörden organisierten Impfkampagne eine privatrechtliche Haftung des Impfarztes für etwaige Fehler bei der Durchführung der Impfung oder für Aufklärungsversäumnis von vornherein ausgeschlossen wäre, unabhängig davon, wo die Impfung durchgeführt wird und durch wen sie erfolgt. Die Haftung läge nicht nur für Versorgungsansprüche nach §§ 60 IfSG ff, sondern auch für etwaige Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld beim Staat. Die Entscheidung des OLG Koblenz stärkt daher die Rechte der Impfärzte.


Bei weitergehenden Fragen steht Ihnen unser Kompetenzteam „Medizin und Heilberufe“ jederzeit gerne zur Verfügung.

 

Ihre Ansprechpartnerin zur obigen Entscheidung:

Kirsten Prusseit  
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht