Vergabekammer Nordbayern mit aktuellem Beschluss zur Losaufteilung im Gesundheitssektor

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Die Vergabekammer Nordbayern hat mit aktuellem Beschluss vom 23.03.2023 die Rechtslage zur Losaufteilung bestätigt. Diese gilt auch für Beschaffungen, die nach dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) gefördert werden. Der Beschluss sorgt im Gesundheitssektor derzeit für Fragen und Verunsicherung bei Krankenhausträgern, weil ein Marktteilnehmer offenbar kleine und große Krankenhausträger aktiv anschreibt, auf den Beschluss hinweist und an Ausschreibungspflichten erinnert. Der Beschluss der VK als solcher enthält indes keine grundsätzlich neuen rechtlichen Erkenntnisse.

Im vorliegend entschiedenen Fall rügte ein interessiertes Unternehmen erfolglos die fehlende Losaufteilung einer Ausschreibung über nach dem KHZG geförderte IT-Leistungen in Form eines Patientenportals für digitales Aufnahme-, Behandlungs- und Entlassungsmanagement und ließ es im streitgegenständlichen Verfahren nachprüfen.

Mit Erfolg! Zunächst stellte die Vergabekammer unmissverständlich klar, dass ein Unternehmen auch ohne die Abgabe eines Angebots oder Teilnahmeantrags antragsbefugt sei, sofern dies gerade durch den Vergaberechtsverstoß indiziert ist. Das Interesse am Auftrag sei aus Gründen effektiven Rechtsschutzes weit auszulegen, allzu übersteigerte Anforderungen seien an die Antragsbefugnis nicht zu stellen, denn die Rüge und die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens reichten aus. Auch an den Schadenseintritt seien keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Hier reiche es bereits aus, darzulegen, dass die vergaberechtswidrige Ausschreibung die Zuschlagschancen verschlechtert oder vereitelt hat, weil eine Teilnahme am Verfahren offensichtlich aussichtslos wäre.

Zur Losaufteilung stellte die Kammer das Spannungsverhältnis zwischen dem weitreichenden Leistungsbestimmungsrecht der Auftraggeberin einerseits und der Verpflichtung, die Leistung nach Art und Umfang aufzuteilen, dar. Das Leistungsbestimmungsrecht gelte nicht uneingeschränkt und werde durch das Gebot der Losaufteilung beschränkt (§ 97 Abs. 4 GWB). Danach muss die Leistung dem Grunde nach losweise vergeben werden. Entscheidend sei dabei, ob die entsprechenden Teilleistungen zum Zeitpunkt der Beschaffungsentscheidung marktverfügbar sind oder nicht. Insofern ist maßgeblich, ob sich für einzelne Bestandteile ein spezialisierter Markt herausgebildet hat. Ein solcher bestand in dem zu entscheidenden Fall entgegen der Auffassung der Auftraggeberin jedenfalls für das Entlassungsmanagement, weshalb eine (Fach-) Losaufteilung geboten gewesen sei. Zulässig ist eine Gesamtvergabe nur dann, wenn wirtschaftliche und technische Gründe dies erfordern und die Vergabestelle dies hinreichend dokumentiert. Im vorliegenden Fall sei dies nicht geschehen, weshalb der Nachprüfungsantrag begründet war.

Die Entscheidung der Vergabestelle und deren Begründung in diesem Fall ist zwar nicht neu, sie verdeutlicht jedoch nochmals die Bedeutung der Markterkundung und deren Dokumentation. Die Beachtung des Gebotes der Losvergabe darf weder zu Splitterlosen führen, bei denen der Auftraggeber seinen Bedarf mangels Angebote nicht gedeckt bekommt. Noch bewirkt das Gebot der Losvergabe einen Anspruch jedes Marktteilnehmers, ein auf seinen spezifischen Leistungsumfang zugeschnittenes Los in der Ausschreibung zu erhalten Der Auftraggeber hat vielmehr eine umfangreiche Einschätzungsprärogative, die nur eingeschränkt überprüfbar ist – und zwar gerade hinsichtlich eines unzutreffend oder unzureichend ermittelten Sachverhaltes. Mit anderen Worten: Der Auftraggeber hätte das Vorhandensein eines Marktes für das Entlassmanagement rechtzeitig prüfen und dessen Fehlen ggf. dokumentieren müssen. Die Erwägungen der VK gelten dabei nicht nur für das sog. „Entlassmanagement“ sondern auch für andere Beschaffungsvorhaben.

Bei Fragen zur Losaufteilung, Vergabedokumentation sowie weiteren Themen berät Sie das Kompetenzteam Vergabe und Ausschreibung gerne.


Ihre Ansprechpartnerin:

Katharina Strauß
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Vergaberecht
Fachanwältin für Verwaltungsrecht