VG Hannover: Grundstückskaufverträge der öffentlichen Hand gehören in aller Regel dem Privatrecht an

In seinem Beschluss vom 15.01.2021 – 12 B 6417/20 hat das VG Hannover die Zuständigkeit der Gerichte im Falle von Grundstückskaufverträgen mit der öffentlichen Hand nachgeschärft. Lange war umstritten, ob zur Vergabe von Grundstückskaufverträgen ein öffentliches Vergabeverfahren mit Wettbewerb notwendig ist. Nach einer richtungsweisenden Änderung der Rechtsprechung (z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9 Juni 2010 – Verg 9/10) geht dieser Beschluss weiter darauf ein, welcher Rechtsweg zulässigerweise beschritten werden kann, um Rechtsschutz zu erlangen, wenn der Weg zu den Vergabekammern mangels eines öffentlichen Auftrages verwehrt ist.

Sachverhalt:

In dem hier vorliegenden Sachverhalt stritten die Beteiligten – namentlich eine Kommune und ein Kaufinteressent – um den Verkauf eines kommunalen Baugrundstücks. Bedingung für den Verkauf war zunächst die Wohnbebauung innerhalb von zwei Jahren. Noch während des Verfahrens wurde die Bedingung allerdings dahingehend abgeändert, das die Wohnbebauung innerhalb von drei Jahren zu erfolgen hatte und der Bauherr die Bebauung, wenn sie mehr als eine Wohneinheit umfasste, für eine bestimmte Zeit selbst zu nutzen hatte. Trotz der Änderungen blieb der Antragsteller weiterhin an einem Grundstück interessiert und merkte darauf an, dass er zwei Grundstücke vereinigen und gemeinsam bebauen wolle. Nach Entscheidung des Gemeinderates wurde der Verkauf an den Antragsteller abgelehnt, woraufhin er sein Interesse auf ein Grundstück beschränkte, dessen Verkauf der Gemeinderat wiederum ablehnte. Dagegen ersuchte der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht.

Entscheidung:

Ohne Erfolg! - In seinem Beschluss vom 15. Januar 2021 stellte das VG Hannover fest, dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei und verwies den Antrag an das nunmehr zuständige Landgericht Verden.

Sind Streitigkeiten nicht ausdrücklich durch Bundesgesetz einem anderen Rechtsweg zugewiesen, ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht-verfassungsrechtlicher Art eröffnet. Die Zuordnung richtet sich dabei nach der Rechtsnatur des anspruchsbegründenden Rechtsverhältnisses.

Nach dem VG Hannover fehle es hier schon an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit. Vielmehr sei der Grundstücksverkauf nach eingehender Untersuchung privatrechtlich zu beurteilen. Grundsätzlich seien Grundstückskaufverträge der öffentlichen Hand in einer Linie mit dem Bundesgerichtshof regelmäßig ausschließlich dem Privatrecht zuzuordnen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der abzuschließende Grundstückskaufvertrag auch öffentlich-rechtlich geprägte Bezüge enthalte (z.B. die Bebauungspflicht). Die Ratsentscheidung über den Abschluss des Kaufvertrages mit dem Interessenten ist auch nicht als erste, separate Stufe im Sinne der Zwei-Stufen-Theorie zu beurteilen. Für die Anwendbarkeit der Zwei-Stufen-Theorie fehlt es schon an dem notwendigen Verwaltungshandeln, denn hier wurde die Verkaufsentscheidung nicht per Verwaltungsakt oder Beschluss getroffen, sondern durch bloße formlose Mitteilung an den Kaufinteressenten. Außerdem mangele es auch an der Zwei-Stufigkeit, weil die öffentliche Hand stattdessen in diesem Verfahren lediglich interne Entscheidungen zur Abgabe einer privatrechtlichen Willenserklärung traf.

Ausnahmen von der grundsätzlich privatrechtlichen Zuordnung kommen nur dort in Betracht, wo die öffentliche Hand bestimmte Personenkreise aufgrund gesetzlicher Vorschriften bevorzugt zu beachten hat. Eine Bindung durch gesetzliche Vorschrift ergebe sich aber auch nicht durch § 11 Abs. 1 BauGB. Auch die im Gegensatz zu Privaten verstärkte Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht eine Frage des zu beschreitenden Rechtsweges, sondern eine solche der Sachentscheidung. Die öffentlich-rechtliche Natur ergebe sich weiter nicht daraus, dass die öffentliche Hand zumindest mittelbar auch öffentliche Aufgaben wahrnehme, denn dass es sich um öffentliche Aufgaben handele, entscheide noch nicht über die dazu genutzten Mittel. Die öffentliche Hand könne sich auf dem Wege des sogenannten Verwaltungsprivatrechts freilich auch für privatrechtliche Handlungsformen entscheiden, auch wenn das Privatrecht dann durch öffentlich-rechtliche Vorschriften partiell überlagert wird.

Fazit:

Grundsätzlich sind Grundstückskaufverträge mit der öffentlichen Hand dem Privatrecht zuzuordnen. Die Zuständigkeit für eventuelle gerichtliche Überprüfungen liegt somit bei den Zivilgerichten, also in der Regel aufgrund des meist hohen Streitwerts beim Landgericht. Auch wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften bei der Auswahl der Vertragspartner und der Vertragsdurchführung eine Rolle spielen, so bleibt das Privatrecht dominant und wird nur stellenweise durch das öffentliche Recht überlagert. Dies ist aber nur im Rahmen der zivilrechtlichen Sachentscheidung zu berücksichtigen, nicht aber bei der Rechtswegzuweisung. Anders liegt der Fall wohl nur dann, wenn die öffentliche Hand durch öffentliche-rechtliche Normen verpflichtet ist, bevorzugt bestimmte Personenkreise zu berücksichtigen oder die Zuordnung des Rechtsgeschäfts oder seiner Teile selbst zum öffentlichen Recht aus einer derartigen Vorschrift folgt.

Ihre Ansprechpartnerin:

Katharina Strauß
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Vergaberecht
Fachanwältin für Verwaltungsrecht