Nach einer aktuellen Entscheidung der VK Bund (Beschluss vom 25.03.2020 – VK 1-12/20) stellt eine mehrmonatige Verschiebung der Bauzeit eine grundlegende Änderung der ursprünglichen Vergabeunterlagen dar - ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist unzulässig!
Zum Hintergrund:
In dem streitgegenständlichen Fall hatte die Auftraggeberin Anfang des Jahres einen öffentlichen Bauauftrag zur Beschaffung von Laboreinrichtungen für einen Neubau EU-weit ausgeschrieben, auf den der Antragsteller und weitere Bieter angeboten hatten. Mit dem bestbietenden Antragsteller kam letztlich kein Vertrag zustande, da dieser insbesondere die kurzen Ausführungsfristen noch im selben Jahr für nicht haltbar hielt und monierte. Im September desselben Jahres trat die Auftraggeberin ohne vorherige Bekanntmachung in Verhandlungen mit der Beigeladenen, einer weiteren Bieterin. Mit dieser schloss sie, unter Berufung auf die Bekanntmachung vom Anfang des Jahres, einen Vertrag. Dagegen wandte sich die Antragstellerin.
Wertung durch die Vergabekammer:
Mit Erfolg! Nach korrekter Auffassung der Vergabekammer Bund durfte der Auftrag nicht ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden und die mangelnde Publizität auf das vorherige, bereits bekanntgemachte Verfahren gestützt werden. Denn dieses ursprüngliche Verfahren konnte mangels wertbarer Angebote nicht mehr durch eine Zuschlagserteilung beendet werden. Außerdem sei die Vergabestelle maßgeblich von den Voraussetzungen des ursprünglich bekanntgemachten offenen Verfahrens abgewichen.
In der vorliegenden Konstellation könne ein (neues) Verfahren nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 3a Abs. 2 Nr. 1 EU VOB/gestützt werden, da nicht alle geeigneten Bieter aus dem ersten Verfahren einbezogen wurden. Zudem vermag auch der Ausnahmetatbestand des § 3a Abs. 2 Nr. 2 EU VOB/A ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nicht zu rechtfertigen. Die Verschiebung der Ausführungsfristen um nahezu ein halbes Jahr stellt nach Auffassung der Vergabekammer eine grundlegende Änderung dar, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin gegenüber der Vergabestelle explizit Bedenken hinsichtlich der Einhaltbarkeit der Ausführungsfristen angemeldet hatte. Nach Aufhebung des ursprünglichen Vergabeverfahrens kann sich die Vergabestelle demnach nicht auf das zuvor bekanntgemachte Verfahren berufen. Sie hat zumindest alle geeigneten Bieter aus dem ursprünglichen Verfahren zu beteiligen.
Ausblick:
Die Ausnahmevorschriften für die Wahl einer weniger formellen Verfahrensart werden in der Rechtsprechung nach wie vor sehr eng ausgelegt. Sofern es – wie gerade zu aktuellen Zeiten – zu Verschiebungen im Verfahrensablauf und nachgelagert auch zu Verschiebungen von Bauzeiten kommt, ist zumindest der beschränkte geeignete Bieterkreis erneut einzubeziehen und zur Angebotsabgabe aufzufordern.
Zu weiteren Details berät Sie unser Kompetenzteam "Vergabe und Ausschreibung" gerne.
Ihre Ansprechpartnerin:
RAin Katharina Strauß
Fachanwältin für Vergaberecht
Fachanwältin für Verwaltungsrecht