VK Saarland: Stillhaltefrist in Gang gesetzt durch Benachrichtigung auf eVergabe-Vergabeplattform!

Nach einer neuen Entscheidung der Vergabekammer (VK) Saarland vom 22.03.2021 (1 VK 6/20) genügt für das In-Gang-Setzen der verkürzten Frist des § 134 Abs. 2 GWB das Hochladen einer Nachricht in einen Projektraum. In der elektronischen Mitteilung liege ein „Versenden“ im Sinne des § 134 GWB.

Zum Sachverhalt

Im vorliegend verhandelten Fall sollten über die elektronische Vergabeplattform DTVP (Deutsches Vergabeportal) mithilfe der cosinex-Technologie Reinigungsleistungen vergeben werden. In diesem Verfahren belegte die spätere Beigeladene mit ihrem Angebot Platz 1 und verwies die Antragstellerin auf den 2. Platz. Auf die elektronische Mitteilung über die beabsichtigte Zuschlagserteilung hin rügte die Antragstellerin, die 15-Tages-Frist des § 134 Abs. 2 S. 1 GWB werde nicht eingehalten, worauf die Antragsgegnerin nicht reagierte. Vielmehr erteilte sie den Zuschlag zum beabsichtigten Zeitpunkt. Bereits einige Stunden später reichte die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag bei der VK ein.

Zur Entscheidung

Der Antrag war erfolglos, der Zuschlag wurde bereits wirksam erteilt. Mit der Vergabestelle entschied die VK, der Antrag sei bereits unstatthaft, da ein einmal (wirksam) erteilter Zuschlag von den Vergabekammern nach § 168 Abs. 2 GWB nicht mehr aufgehoben werden kann. Für die VK kam eine Unwirksamkeit des Zuschlags gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB wegen vor Ablauf der Wartefrist erteilten Zuschlags nicht in Betracht.

Hier galt die verkürzte Wartefrist von zehn Tagen, die durch das elektronische Versenden (oder per Fax) einer Vorabinformation in Gang gesetzt wurde, wobei der Fristbeginn nicht der Zeitpunkt des Zugangs, sondern der Tag nach der Versendung der Information ist (§ 134 Abs. 1 S. 2 GWB). Es kommt also nicht darauf an, ob der Bietende die Nachricht auch tatsächlich abruft. Ein konkretes elektronisches Medium für die Versendung lässt der Gesetzgeber offen. Vielmehr stellt er es dem Auftraggeber sogar frei, zwischen elektronischem Weg und Fax zu wählen.

Nach der VK wurde die Information mit dem Einstellen in das Postfach der Antragstellerin auf der Vergabeplattform „abgesendet“. Textform liege nach dem Gesetzestext vor, sofern die Erklärung dauerhaft wiedergegeben werden könne, also unverändert zugänglich und lesbar ist. Im konkreten Fall waren diese Anforderungen durch die Plattform gewahrt. "Versenden" sei indes das elektronische „auf den Weg bringen“ der Information in Textform, also das Verlassen des Machtbereichs des Sendenden derart, dass die Information durch diesen nicht mehr einseitig verändert oder gelöscht werden könne. Die Botschaft muss dem Empfänger sodann ohne Zutun des Sendenden bei regelmäßigem Verlauf des Verfahrens uneingeschränkt im Rahmen seines Machtbereichs zugänglich sein.

So lag der Fall nach Ansicht der VK hier: Das Postfach war dem Antragsteller, ähnlich einem Briefkasten, durch Zugangspasswort (Schlüssel) zugänglich. Es handelte sich daher um seinen, vom Auftraggeber unbeeinflussten, Machtbereich.

Fazit

Der Beschluss der VK Saarland klärt das umstrittene Thema der Rechtskonformität im Rahmen des Versandes eines Informationsschreibens weiter auf. Damit wendete sich die VK gegen die VK Südbayern, die in ihrem Beschluss vom 29.03.2019 (Z3-3-3194-1-07-03/19) noch vertrat, das Bereitstellen auf einer Vergabeplattform erfülle die Anforderungen des § 134 GWB an ein „Versenden“ nicht. Die VK Saarland wies jedoch darauf hin, dem Beschluss der VK Südbayern habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen, weil der Bieter im dortigen Verfahren gerade nicht unmittelbar nach dem Einstellen auf die Information zugreifen konnte.

Im Ergebnis führt die Entscheidung für Auftraggeber zu weniger Rechtsunsicherheit bei der Durchführung elektronischer Vergabeverfahren.

Denn das wichtige Informationsschreiben ist und bleibt wirksam, solange es uneingeschränkt und unverzüglich in den Machtbereich der Bietenden gelangt! Der Versand über eine Vergabeplattform (subreport/ELViS, DVTP etc.) ist also zukünftig weiter zulässig und für den Fristenlauf nach § 134 GWB maßgeblich. Ein zusätzliches fax ist nicht erforderlich.

Bei Fragen berät Sie unser Kompetenzteam „Vergabe und Ausschreibung“ gerne.

 

Ihre Ansprechpartnerin:

Katharina Strauß
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Vergaberecht
Fachanwältin für Verwaltungsrecht