In seiner Entscheidung vom 01. September 2020 hat der BGH – 1 StR 58/19 – seine bisherige Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn von § 266a StGB aufgegeben und folgt fortan der in der Literatur vertretenen Auffassung.
Bislang vertrat der BGH die Ansicht, dass die Verjährung erst dann beginnt, wenn die Beitragspflicht erloschen ist, was damit begründet wurde, dass es sich bei § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB um echte Unterlassungsdelikte handele. Somit sei die Tat erst dann beendet, wenn die Handlungspflicht nicht mehr bestehe. Da die Leistungspflicht nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV jedoch erst nach 30 Jahren entfällt, war damit eine unverhältnismäßig lange Verjährung gegeben.
Dies wird insbesondere durch den Vergleich mit Taten nach § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB und § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO deutlich:
Bei § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB (unrichtige oder unvollständige Angaben über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen) handelt es sich um ein Erfolgsdelikt, dessen Verjährungsfrist deshalb bereits mit der Fälligkeit beginnt.
Ebenso beginnt die Verjährung bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (pflichtwidriges In-Unkenntnislassen über steuerlich erhebliche Tatsachen) mit dem Verstreichen der Anmeldefrist.
Während § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB und § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO also stets gleichlaufende Verjährungsfristen enthielten, betrug die Verjährung des § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB nach der nun aufgegebenen Rechtsprechung 35 Jahre.
Diese augenscheinliche Unverhältnismäßigkeit wurde nun durch den BGH korrigiert. Zuvor hatten auch die übrigen Strafsenate mit Beschluss vom 13. November 2019 erklärt, sich fortan dieser Rechtsprechungsänderung des 1. Strafsenats anzuschließen.
Zur Begründung führt der 1. Strafsenat aus, die Rechtsgutsverletzung sei durch die Nichtzahlung bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit irreversibel eingetreten und werde durch weiteres Untätigbleiben nicht mehr vertieft.
Zudem sei eine Verjährung von de facto 35 Jahren mit dem Sinn der Verfolgungsverjährung, insbesondere des Beschleunigungsgebots der Ermittlungsbehörden, unvereinbar.
Taten nach § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB sind somit bereits zum Fälligkeitszeitpunkt nach § 23 Abs. 1 SGB IV beendet. Danach sind die Beiträge jeweils zum drittletzten Bankarbeitstag eines Monat zu entrichten, weshalb nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB an diesem Tage für jeden Beitragsmonat jeweils die fünfjährige Verjährungsfrist beginnt.
Im Ergebnis ist die Entscheidung des BGH zu begrüßen, da dieser nunmehr der bereits zuvor herrschenden Meinung in der Literatur folgt und das bis dato bestehende Gefälle trotz Gleichartigkeit der Delikte beseitigt hat.
Im Hinblick auf laufende Verfahren kann die Entscheidung von erheblicher Bedeutung sein, da ggf. zahlreiche Delikte trotz bereits eröffneter Hauptverhandlung wegen der nun maximal zehnjährigen Verjährung nach § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB nicht mehr verfolgt werden dürften.
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Rechtsanwalt Christopher Hilgert
Fachanwalt für Strafrecht
Certified Compliance Officer (TÜV Rheinland)
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