Arbeitsverträge anpassen - Verschärfung durch das Nachweisgesetz - Bußgeld droht

- Arbeitsverträge bedürfen teils umfangreicher Anpassungen was die Verschärfung des Nachweisgesetzes für Arbeitgeber bedeutet -

Am 23.06.2022 hat der Bundestag weitreichende Neuerungen im Nachweisgesetz (NachwG) verabschiedet, die bereits ab dem 01.08.2022 in Kraft treten. Die Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt steht derzeit (Stand: 04.07.2022) noch aus. Die gesetzlichen Neuerungen wirken sich in der Praxis auf den notwendigen Inhalt der in jedem Unternehmen verwendeten Arbeitsvertragsmuster aus. Das Nachweisgesetz legt die Arbeitsbedingungen fest, die Arbeitgeber im Mindestmaß bei Beginn eines Arbeitsverhältnisses schriftlich niederlegen müssen. Betroffen sind hiervon alle Neuverträge ab dem 01.08.2022, aber unter Umständen zusätzlich – nur auf Antrag Ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – auch Altverträge.

Ab dem 01.08.2022 abgeschlossene Arbeitsverträge müssen den neuen Anforderungen des NachwG genügen, und die wesentlichen Vertragsbedingungen müssen bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung schriftlich niedergelegt sein. Verstöße hiergegen werden durch eine neu eingeführte Bußgeldvorschrift sanktioniert, wonach bei Verstößen gegen die Nachweispflicht eine Geldbuße bis zu 2.000 EUR pro Fall droht.

 

I. Hintergrund

Das Nachweisgesetz (NachwG) beruht auf der „Nachweisrichtlinie“ RL 91/533/EWG sowie auf der „Arbeitsbedingungenrichtlinie“ RL (EU) 2019/1152 und bezweckt, die Arbeitsbedingungen durch Transparenz und Vorhersehbarkeit zu verbessern. Zu diesem Zweck werden Arbeitgeber verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auszuhändigen. In der Praxis erfolgt dieser Nachweis durch den schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrag. Welche Elemente zu den wesentlichen Vertragsbedingungen gezählt werden, ist in § 2 NachwG abschließend aufgeführt.

Eben jener § 2 NachwG erfährt im Wege der Umsetzung der „Arbeitsbedingungenrichtlinie“ jedoch umfangreiche Erweiterungen. Die Änderungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen und sind damit vor allem für Arbeitgeber von großer Bedeutung.

 

II. Änderungen im Nachweisgesetz und deren Folgen


1.

Neben den vielen Änderungen, die sogleich umfassend dargestellt werden, bleibt eine Regelung bestehen, die maßgeblich Einfluss auf die Praktikabilität hat und mit der irgendwo doch „alles beim Alten“ bleibt: Die einfachere elektronische Form bleibt in Deutschland, obwohl in der Arbeitsbedingungsrichtlinie vorgesehenen, durch § 2 Abs. 1 Satz 3 NachwG weiterhin ausgeschlossen.

Diese überschießende Umsetzung der Richtlinie hat zur Folge, dass für die Niederlegung der Arbeitsbedingungen in Deutschland auch weiterhin nur die Schriftform zulässig ist.


2.

Die erste wesentliche Änderung des Nachweisgesetzes besteht nach dem neu gefassten § 1 NachwG darin, dass das NachwG nun alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit auch die vorher ausgenommenen Aushilfen erfasst. Ebenso müssen Teile des schriftlichen Nachweises, nämlich die Angaben zu den Vertragsparteien, den Vergütungsregelungen und den Arbeitszeitregelungen nun spätestens am ersten Arbeitstag anstatt wie bisher innerhalb des ersten Monats erfolgen.

Da in der Praxis nicht mit unterschiedlichen Dokumenten gearbeitet wird, bedeutet dies: Der Arbeitsvertrag muss am ersten Arbeitstag bereits vom Arbeitgeber unterzeichnet vorliegen.

Auch wenn dies auf den ersten Blick den Druck auf Arbeitgeber zu erhöhen scheint, so dürfte dies auch einer leider nach wie vor häufigen Fehlerquelle bei befristeten Arbeitsverträgen entgegenwirken: Bei befristeten Arbeitsverträgen muss die Befristungsabrede immer vor dem ersten Arbeitsbeginn schriftförmlich vorliegen.

 

3.

Die umfassendsten Änderungen hat § 2 NachwG erfahren. Dessen Erweiterungen treten ab dem 01.08.2022 in Kraft, weshalb ab diesem Stichtag folgende Arbeitsbedingungen zusätzlich schriftlich festzuhalten sind:

  • Das Enddatum bei befristeten Arbeitsverhältnissen;
  • die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mit denen dies vereinbart wurde, ihren jeweiligen Arbeitsort frei wählen können;
  • die Dauer der Probezeit, falls vereinbart;
  • Die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie an derer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung;
  • die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für die Schichtänderungen;
  • Einzelheiten zur Arbeit auf Abruf nach § 12 TzBfG, falls vereinbart;
  • die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen, falls vereinbart;
  • ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung;
  • wenn der Arbeitgeber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist;
  • das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Mitarbeitenden einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden (§ 2 Nr. 14 NachwG);
  • ein Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.
  • Darüber hinaus werden umfassende Pflichten bei Auslandstätigkeiten von Arbeitnehmern begründet, wenn diese vier aufeinanderfolgende Wochen überschreiten.

Insbesondere die Neuregelung des zu den Hinweisen für Kündigungen (§ 2 Nr. 14 NachwG) sorgen bei vielen Arbeitgebern für Unruhe, weil Unklarheit besteht, welche Folgen unrichtige Angaben nach sich ziehen.

Zwar bleibt es dabei, dass eine Kündigung bei verspäteter Klageerhebung nach § 7 KSchG als wirksam gilt, allerdings ergeben sich hieraus weitere Fragen. So besteht zumindest die Möglichkeit, dass verspätete Kündigungsschutzklagen gemäß § 5 KSchG nachträglich zugelassen werden könnten, wenn sie innerhalb einer fälschlicherweise zu weitläufigen Angabe der Frist im Arbeitsvertrag erhoben wird. Ebenfalls möglich erscheinen in diesen Fällen auch etwaige Schadensersatzansprüche und -klagen von Arbeitnehmern, innerhalb derer inzident die gerichtliche Prüfung der Erfolgsaussichten einer rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage stattfinden könnte.

 

4.

Weitere neue Vorgaben erfolgen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG): Hier werden die in § 11 AÜG bereits bisher geregelten zusätzlichen Nachweispflichten bei einer Arbeitnehmerüberlassung um die Pflicht zum Nachweis über die Identität der entleihenden Unternehmen erweitert.

Ferner wird der Entleiher nach § 13a Abs. 2 AÜG n.F. verpflichtet, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern, die ihm mindestens sechs Monate überlassen sind und die in Textform ihren Wunsch nach Abschluss eines Arbeitsvertrages anzeigen, eine begründete Antwort in Textform innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige zu übermitteln. Hierbei handelt es sich um eine weitere formale Hürde für die Zeitarbeit. Allen Entleihern ist dringend anzuraten, sich bei entsprechenden Wechselwünschen von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern feste Fristen für eine rechtzeitige Beantwortung zu notieren.

 

5.

Erstmalig werden Verstöße gegen das Nachweisgesetz nun als Ordnungswidrigkeiten klassifiziert und können demnach mit Geldbußen bis zu 2.000 EUR pro Verstoß geahndet werden. Ordnungswidrig handeln Arbeitgeber hiernach, wenn sie ihrer Nachweispflicht entweder überhaupt nicht, nicht richtig, in der falschen Form, unvollständig oder nicht rechtzeitig nachkommen. Einzelheiten hierzu bedürfen noch der Klärung durch die zuständigen Bußgeldstellen.

 

III. Praxistipps für Arbeitgeber


1.

Es gilt zu beachten, dass die Neuregelungen grundsätzlich für alle Arbeitsverträge gelten, die ab dem 01.08.2022 abgeschlossen werden. Diese müssen vollumfänglich allen Nachweispflichten gerecht werden. Daher ist die zeitnahe, fachkundige Anpassung der vorhandenen Muster geboten.

 

2.

Bei Altverträgen, also vor dem 01.08.2022 abgeschlossenen Arbeitsverträgen ist hingegen keine Anpassung notwendig; die Bestandsverträge können so bleiben wie sie sind. Allerdings sind Arbeitgeber verpflichtet, jedem Arbeitnehmer auf sein Verlangen hin jeweils innerhalb von sieben Tagen die erforderlichen Nachweise schriftlich durch eine Nachweisurkunde auszuhändigen.

Aufgrund der kurz bemessenen Frist scheint es geboten, über entsprechende Vorlagen unter Berücksichtigung der ab dem 01.08.2022 geänderten Rechtslage zu verfügen.

 

3.

Auch wenn das Gesetz dies nicht ausdrücklich fordert, sollten bei zukünftigen Änderungen von Bestandsverträgen auch bislang nicht erteilte Nachweise nachgeholt werden. Dies erhöht einerseits die Transparenz, andererseits auch die Rechtssicherheit.

 

Unser Kompetenzteam Arbeit und Personal stellt für Sie gerne sowohl Neuverträge sowie Nachweisurkunden zusammen und berät Sie auch zu weiteren Fragen in Bezug auf die neue Rechtsfrage individuell.

Aus aktuellem Anlass bieten wir Ihnen unseren Vertrags-Check für Arbeitsverträge vorübergehend zum Vorteilspreis von 599 EUR ** an (anwaltliches Honorar zzgl. gesetzl. USt.).

Bei mehreren Vertragsmustern vereinbaren wir gerne einen individuellen Preis, ebenso für die Erstellung gänzlich neuer Vertragsmuster.

 

** Preis umfasst das Honorar für einen Vertrags-Check eines Vertragsmusters mit maximal 3.000 Wörtern (etwa 8 bis 10 Seiten DIN-A4). Für längere Verträge bieten wir Ihnen einen individuellen Preis an. Dieser Preis gilt für die Überprüfung einschließlich Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen unsererseits. Vom Vorzugspreis des Vertrags-Check nicht umfasst sind nachträgliche Anpassungen der überarbeiteten Vertragsmuster. Gleiches gilt für die Neuentwicklung sehr spezifischer Vertragsklauseln für Ihre konkreten Betriebsabläufe. Hier werden wir auf Basis unserer allgemeinen Honorarsätze für Sie tätig. Gerne beraten wir Sie hierzu.
 

Senden Sie Ihre Vertragsmuster einfach an: arbeitsrecht@SPAMPROTECTIONkunzrechtsanwaelte.de

Ihre Ansprechpartner:

RA Marcus Menster, Fachanwalt für Arbeitsrecht

RA Tim Schwarzburg, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

RAin Christine Libor, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht

RA David Frisch, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

RA Sebastian Hetger

RA Moritz Riehl

Dr. jur. Gerd Uhlich, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Dr. Christoph Theis, Fachanwalt für Arbeitsrecht

RA Arnold Neuhaus, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Medizinrecht