Die Stiftungsreform kommt: Frühzeitiges Handeln vor der Verschärfung des Stiftungsrechts geboten

Das Justizministerium hat den seit längerer Zeit erwarteten Referentenentwurf zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts im BGB zwischenzeitlich vorgelegt. Damit soll eine Vielzahl gesetzlicher Anpassungen vorgenommen werden.

Derzeit ist das Stiftungsrecht in den §§ 80-89 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie in den Stiftungsgesetzen der Bundesländer geregelt. Im BGB finden sich im Wesentlichen Vorschriften, die das Entstehen und die Änderung von Stiftungen sowie deren Verhältnis zu Dritten regeln. Ergänzt werden diese stiftungsspezifischen Regelungen durch Verweise ins Vereinsrecht. Im jeweiligen Landesrecht befinden sich weitergehende Regelungen.

Ziel des Referentenentwurfs ist es zunächst, die Rechtsform der Stiftung einheitlich und abschließend im BGB zu regeln. Die materiellen Regelungen in den Stiftungsgesetzen der Länder sollen weitestgehend entfallen. Zudem soll die Teilnahme der Stiftung am Rechtsverkehr vereinfacht werden. Hier möchte man vor allem das „Vertretungshandling“ verbessern.

Dabei soll der rechtliche Charakter der Rechtsform „Stiftung“ in seinem Kern auch nach dem Referentenentwurf unangetastet erhalten bleiben. Das bedeutet insbesondere, dass weiterhin jeder erlaubte gemeinnützige oder private Zweck zur Errichtung genügt.

Gleichwohl könnten sich aus dem Referentenentwurf sowohl für bestehende als auch für neu zu gründende Stiftungen einige gewichtige Änderungen ergeben, soweit der Entwurf Gesetzesrecht wird. Von einem baldigen Inkrafttreten, möglicherweise noch in diese Legislaturperiode, ist auszugehen. Der Referentenentwurf basiert auf dem Diskussionsentwurf, den die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht bereits vor über zwei Jahren vorgelegt hat und der unter Stiftungsrechtlern intensiv diskutiert worden ist. Es ist daher zu erwarten, dass wesentliche Inhalte des Entwurfs auch nach den noch anstehenden Beratungen im Bundeskabinett, im Bundestag und Bundesrat Gesetzesrecht werden können.

 

Einführung eines zentralen Stiftungsregisters
Für Stiftungen gibt es bislang kein öffentliches Register, das mit dem Handels- oder Vereinsregister rechtlich vergleichbar wäre. Zwar werden von den Ländern Stiftungsverzeichnisse geführt und sogenannte „wirtschaftlich Berechtigte“ müssen sich seit 2017 im Transparenzregister erfassen lassen; Publizitätswirkung haben diese Register jedoch insbesondere im Hinblick auf die Vertretungsregelung in der Stiftung nicht. Um den Nachweis seiner Vertretungsbefugnis gegenüber anderen Teilnehmern des Rechtsverkehrs zu führen, behalf man sich bislang mit behördlichen Vertretungsbescheinigungen. Da diese immer wieder aktualisiert werden müssen, entstand ein nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand.

Eine vereinfachende Neuerung bringt daher die im Entwurf vorgesehene Einführung eines Stiftungsregisters. Dieses soll zentral vom Bundesamt der Justiz geführt werden und – nur – negative Publizitätswirkung entfalten. Eine in das Stiftungsregister nicht eingetragene Tatsache kann einem Dritten dann nur entgegengehalten werden, wenn sie dem Dritten bekannt ist.

Das Stiftungsregister soll rein deklaratorische Wirkung haben. Die Rechtsfähigkeit einer Stiftung wäre also weiterhin von der Anerkennung durch die zuständige Stiftungsbehörde abhängig.

Von den eingetragenen Stiftungen soll ein Namenszusatz verpflichtend geführt werden:„e. S.“ für eingetragene Stiftung bzw. „e. VS.“ für eingetragene Verbrauchsstiftungen.

Als eintragungspflichtige Tatsachen sind vorgesehen:

  • Name und Satzungssitz,
  • Datum des Stiftungsgeschäfts, Anerkennung oder Genehmigung des vergleichbaren Errichtungsakts (auch Veröffentlichung der jeweils aktuellen Satzung),
  • Organmitglieder mit Vertretungsmacht: Name, Geburtsdatum, Wohnort,
  • Vertretungsbeschränkungen des Vorstands,
  • Satzungsänderungen im Wortlaut,
  • Beendigung der Stiftung.

Die Registereinrichtung soll nach einer dreijährigen Übergangsfrist verbindlich werden. Im Falle einer Gesetzesverkündung noch in diesem Jahr wäre mit einer Errichtung des Stiftungsregisters zum 1. Januar 2025 zu rechnen. Die Eintragung wäre für die bestehenden Stiftungen dann innerhalb des Jahres der Errichtung (also 2025) verbindlich.

Die vorgesehene Schaffung des Stiftungsregisters ist nach unserer Auffassung zu begrüßen. In der Summe dürfte sich der Verwaltungsaufwand bei den Stiftungen vermindern. Behördliche Vertretungsbescheinigungen müssen nicht mehr beantragt werden. Auch eine Eintragung in das Transparenzregister wird in vielen Fällen entfallen: Denn die Mitteilungspflichten nach dem Transparenzgesetz werden oftmals durch die Eintragung in das Stiftungsregister als erledigt gelten, nämlich wenn aus ihr (bzw. aus der mitveröffentlichten Satzung) ein etwaiger „wirtschaftlich Berechtigter“ hervorgeht. Zudem entfallen die Mitteilungspflichten aus den Landesstiftungsgesetzen zur Führung der Landesstiftungsverzeichnisse.

Vor allem für Familienstiftungen ist zu beachten, dass nach dem Referentenentwurf die Stiftungssatzung zu veröffentlichen ist. Anpassungsmaßnahmen zur Sicherstellung der finanziellen Privatsphäre von Begünstigten sollten frühzeitig erwogen werden.

 

Partielle Haftungsverschärfung für Stiftungsvorstand und sonstige Stiftungsorgane
Bezüglich der Stiftungsorgane sieht der Referentenentwurf umfangreiche Regelungen vor. Die bisher bestehenden Verweise ins Vereinsrecht werden dabei durch ausdrückliche Übernahmen ersetzt und um neue Regelungen ergänzt.

Insbesondere die Haftung der Stiftungsorgane regelt der Entwurf neu. Derzeit haften Vorstandsmitglieder der Stiftung für Schäden gemäß §§ 86, 27 Absatz 3, 664 ff., 280 Absatz 1 BGB, wobei der allgemeine Haftungsmaßstab gemäß § 276 BGB für Vorsatz und Fahrlässigkeit gilt.

Im Gegensatz zur bisher geltenden Regelung des § 280 I 2 BGB ist im Entwurf nicht ausdrücklich geregelt, dass zulasten des Stiftungsorgans ein Verschulden vermutet wird. Manche Stiftungsrechtler und Berater namhafter Kanzleien wittern hier bereits eine tiefgreifende Milderung der Organhaftung. Eine Abkehr von der Verschuldensvermutung wäre freilich ein Novum im deutschen Schuld- und Gesellschaftsrecht. Weder Vereinsvorständen noch GmbH-Geschäftsführern oder AG-Vorstandsmitgliedern steht ein solches Privileg zu. Ein Vergleich mit dem übrigen Gesellschaftsrecht zeigt jedoch, dass sich die Stiftungsorgane insoweit nicht auf eine Haftungsmilderung freuen können.

Ganz im Gegenteil: Mit dem Wegfall einer eigenständigen Beweislastregelung kommen schlicht die allgemeinen Grundsätze des Organhaftungsrechts zum Tragen. Hiernach wird nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht nur das Verschulden, sondern auch die Pflichtverletzung vermutet, wenn die juristische Person - also hier die Stiftung - ihrem Organ eine potentielle Schädigung vorwirft. Ob die Pflichtverletzung bei der Haftung des Stiftungsvorstands trotz § 280 I 2 BGB in Anbetracht dieser allgemeinen Grundsätze vermutet wird, war bislang eine juristische Streitfrage. Der Referentenentwurf befriedet diese Streitfrage zulasten der Stiftungsvorstände (und der Mitglieder anderer Stiftungsorgane), indem er keine eigene Regelung mehr zur Beweislastumkehr enthält. Insoweit sieht der Referentenentwurf eine Verschärfung der stiftungsrechtlichen Organhaftung vor.

Dem Eingreifen der allgemeinen Grundsätze zur Beweislastumkehr in der Organhaftung stehen auch die entsprechenden Ausführungen in der Entwurfsbegründung nicht entgegen. Dort heißt es lapidar: "§ 84a Absatz 3 Satz 1 BGB-neu sieht anders als § 280 BGB keine Beweislastumkehr für das Verschulden vor." Die Entwurfsbegründung stellt zwar fest, dass die Neuregelung im Stiftungsrecht keine eigene Regelung ausformuliert. Die Entwurfsbegründung richtet sich jedoch gerade nicht gegen die Anwendbarkeit allgemeiner Organhaftungsgrundsätze.

Haftungsentlastend würde zugunsten der Stiftungsvorstände demgegenüber die im Entwurf enthaltene Kodifikation der sogenannten Business Judgment Rule im neuen Stiftungsrecht wirken: Obgleich die Business Judgment Rule nach herrschender Ansicht bereits ohnehin als ungeschriebener Rechtsgrundsatz auf den Stiftungsvorstand anwendbar war, waren insbesondere Einzelheiten zu Reichweite und Grenzen umstritten. Der Referentenentwurf würde hier mehr Rechtssicherheit schaffen. Die Business Judgment Rule eröffnet den Stiftungsvorständen einen haftungsfreien Ermessensspielraum. Sie besagt, dass ein Stiftungsvorstand selbst dann nicht haftet, wenn sich sein Handeln zum Schaden für die Stiftung auswirkt, wenn er insbesondere auf einer angemessenen Informationsgrundlage gehandelt hat.

Die Neuregelung der Organhaftung im Stiftungsrecht ist vor dem Hintergrund der bisherigen Streitfragen einerseits begrüßenswert, weil sie den Stiftungsvorständen mehr Rechtssicherheit über ihre Pflichtenstellung und Haftungsrisiken verschafft. Andererseits wird künftig ein erhöhter Beratungsbedarf bei Geschäften mit hoher finanzieller Tragweite oder rechtlichen Risiken bestehen, damit der „sichere Hafen“ der Business Judgment Rule überhaupt zur Anwendung gelangen kann.

Für die Stiftungen selbst bedeuten die haftungsverschärfenden Bestandteile des Referentenentwurfs vor allem in Missbrauchsfällen einen erhöhten Schutz, da sich ihre Stellung in Haftungsprozessen tendenziell verbessert. Dies dürfte sich auch auf eine verschärfte Pflichtenstellung für etwaige Aufsichtsorgane („Stiftungs-Aufsichtsräte“) auswirken, da sie bei einem Missverhalten der Vorstände eher verpflichtet sein dürften, die Stiftungsvorstände für die Stiftung in Anspruch zu nehmen.

Auch nach dem Referentenentwurf sind Haftungsbeschränkungen zugunsten aller oder bestimmter Stiftungsorganmitglieder möglich: Stifter sowie designierte Stiftungsvorstände und Mitglieder anderer Stiftungsorgane sollten sich vor dem Hintergrund der neuen Haftungslage dringend damit beschäftigen, ob sie Haftungsbeschränkungen in den „Errichtungssatzungen“ aufnehmen wollen, etwa um übermäßig risikoaversen Verhalten der Stiftungsvorstände vorzubeugen. Zudem wird rechtlich belastbaren Ressortverteilungsregelungen eine erhöhte Bedeutung zukommen, da sich auch hierdurch eine Haftungsbeschränkung erreichen lässt. Um im Haftungsfall gewappnet zu sein, ist eine frühzeitige Beschäftigung mit diesen Fragen wichtig.

Zu berücksichtigen ist hierbei, dass nach dem Entwurf die Haftungsprivilegierung für unentgeltlich und geringfügig entlohnte Organmitglieder beibehalten werden soll.

 

Satzungsänderungen

Grundsätzlich ist hinsichtlich geplanter Strukturänderungen innerhalb einer Stiftung zu beachten, dass die rechtliche Hürde für eine Änderung desto höher sein soll, je intensiver ein geplanter Eingriff in die Stiftungsidentität ausfällt. So soll hinsichtlich einer Zweckänderung (diese stellt den intensivsten Eingriff dar) ein rein wirtschaftliches Missverhältnis nicht mehr genügen.

Sonstige identitätsprägende Merkmale sollen nur bei wesentlicher Umstandsänderung angepasst werden, während andere Merkmale bereits zur Erleichterung der Zweckerfüllung geändert werden dürfen.

Ein Recht des lebenden Stifters auf Satzungsänderung wird auch weiterhin nicht vorgesehen sein. Allerdings kann sich dieser als zur Satzungsänderung ermächtigtes Organ in der Errichtungssatzung einsetzen lassen, sofern er bereits dort den Inhalt und das Ausmaß der Änderungsermächtigung festlegt.

Die Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen soll auch durch Stiftungsvorstände ausschließlich mit dem Willen der Stifter der übertragenden und der übernehmenden Stiftung möglich sein. Die übernehmende Stiftung wird dabei die Gesamtrechtsnachfolge antreten.

Die Strukturänderung durch Organe hat dabei Vorrang vor Maßnahmen der Stiftungsbehörde, wobei – mit Ausnahme bezüglich der Auflösung – abweichende Regelungen durch den Stifter möglich sind. Solche Maßnahmen sind weiterhin nur mit Genehmigung der Stiftungsbehörde wirksam.

Vor allem bereits bestehende Stiftungen sollten umgehend prüfen, ob eine Satzungsänderung noch umgesetzt werden soll, bevor die verschärfenden Regelungen des Referentenentwurfs Gesetz werden könnten. Eine Satzungsänderung ist nach bisherigem Recht regelmäßig möglich, wenn von einem entsprechenden Stifterwillen ausgegangen werden kann. Zwar lässt der Referentenentwurf abweichende Regelungen nur in der „Errichtungssatzung“ zu; frühzeitige Satzungsänderungen bestehender Stiftungen dürften jedoch Bestandsschutz genießen.

 

Kirchliche Stiftungen
Der Referentenentwurf berücksichtigt, dass die Mitwirkungsrechte der Kirchen bei der Anerkennung kirchlicher Stiftungen gewährleistet bleiben. Da in den einzelnen Bundesländern vielfach unterschiedliche Regelungen zu den Zuständigkeiten zwischen Staat und Kirche bestehen, die historisch auf staatsvertraglichen Vereinbarungen mit den Kirchen beruhen, wird der Verweis auf die „nach Landesrecht zuständigen Behörden“ verdeutlichen, dass die bundesrechtlichen insoweit keine Auswirkungen hier haben können; Die landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen gelten unverändert fort.

 

Fazit
Die geplante Vereinheitlichung des Stiftungsrechts wird insgesamt zu einer positiven Veränderung des Stiftungsrechts führen. Insbesondere wird durch die Kodifizierung bisheriger Verwaltungspraxis und die Einführung eines Stiftungsregisters die Rechtssicherheit erhöht.

Die bereits stattgefundene Beteiligung der Bundesländer und Verbände an diesem Entwurf lässt eine weitgehend unveränderte Übernahme desselbigen erwarten.

Vor allem bei den Voraussetzungen für Satzungsänderungen und die Organhaftung bringt die erstrebte Rechtssicherheit jedoch auch Verschärfungen mit sich.

Vor diesem Hintergrund werden Stiftungen vor die Aufgabe gestellt, bestehende Satzungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin im Lichte der neuen Regelungen zu überprüfen. Die bis zu einem ggf. baldigen Inkrafttreten der Stiftungsreform noch bestehenden Spielräume für Haftungsbeschränkungen und Satzungsänderungen sollten frühzeitig genutzt werden, sofern hier Handlungsbedarf besteht. Hierbei stehen wir Stiftungsvorständen, Stiftungsräten oder Stiftern gerne mit Rat und Tat zur Seite!

Ihre Ansprechpartner:

Heinrich Rohde
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Lehrbeauftragter Frankfurt School of Finance & Management
Zertifizierter Unternehmensnachfolgeberater (zentUma e.V.)

Sarah Emmes

Hubertus Scherbarth, LL.M., B. A.