Die 4 wichtigsten Regelungsbereiche im neuen Whistleblower-Gesetz

Das neue Whistleblower-Gesetz soll dazu beitragen, dass Fehlentwicklungen in Unternehmen rechtzeitig entgegengewirkt werden kann. Wir fassen Ihnen die wichtigsten Regelungsbereiche kurz und knapp zusammen.

 

Compliance: Bundestag und Bundesrat beschließen Whistleblower-Gesetz

 

Whistleblower oder Hinweisgeber können innerhalb eines Unternehmens wirksam dazu beitragen, dass Fehlentwicklungen rechtzeitig entgegengewirkt werden kann. Oftmals werden Verstöße innerhalb eines Unternehmens durch die Arbeitnehmer aus Sorge vor Repressalien oder gar Verlust des Arbeitsplatzes nicht gemeldet.

Die Koalitionsparteien hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Whistleblower-Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 (nachfolgend „Richtlinie“) rechtssicher und praktikabel umzusetzen.

Whistleblower leisten laut Gesetzesentwurf der Ampel-Koalition „einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen“ und sollen aufgrund dessen Rechtssicherheit erfahren und vor Benachteiligung geschützt werden.

 

Streit zwischen Bund und Länder vor dem Vermittlungsausschuss beigelegt

 

Nachdem bereits der erste Gesetzesentwurf durch den Bundesrat gestoppt wurde, hatte die Ampelkoalition ihren Entwurf aufgespalten und versucht, ihre Vorstellungen größtenteils auch ohne Zustimmung der Länder durchzusetzen. Nachdem der Streit vor den Vermittlungsausschuss gebracht wurde, konnten sich Bund und Länder nun auf einen Gesetzesentwurf (nachfolgend „HinSchG“ für Hinweisgeberschutzgesetz) einigen.

Der Kompromiss enthält insbesondere Änderungen zum Anwendungsbereich des Gesetzes, zu den Meldewegen für (anonyme) Hinweise und zu Bußgeldern. Das Gesetz tritt einen Monat nach der Verkündung in Kraft. Dies ist voraussichtlich Mitte Juni 2023.

Damit werden in Deutschland rund 90.000 Unternehmen verpflichtet, ein Hinweisgebersystem einzurichten.

 

Die 4 wichtigsten Regelungsbereiche

 

Die  zentralen Regelungen zur Wahlmöglichkeit zwischen internen und externen Meldestellen, dem „Outsourcen“ und Zusammenlegen der Meldestellen sowie die praktisch relevanten Fragen zu Anonymisierung, Bußgeldern und Übergangsfristen stellen wir Ihnen hier auch noch einmal detailliert dar:

 

1. Wahlmöglichkeit zwischen internen und externen Meldestellen

 

Beschäftige haben die Wahl zwischen internen und externen Meldestellen. Als externe Meldestellen sieht der Gesetzesentwurf folgende Meldestellen vor:

  • Es wird eine externe Meldestelle bei dem Bundesamt für Justiz (BfJ) geben.
     
  • Für den Finanz- und Kartellbereich wird eine Meldestelle der Bundeanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eingerichtet werden.
     
  • Außerdem richtet der Bund eine Meldestelle für Meldungen das BfJ selbst betreffend ein.
     

Die Bundesländer können darüber hinaus eine eigene externe Meldestelle einrichten für Meldungen über die Landes- und Kommunalverwaltung.

 

2. „Outsourcen“ und Zusammenlegung von Meldestellen

 

Grundsätzlich gilt nach § 15 HinSchG, dass die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle betrauten Personen eines Unternehmens in der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig sein müssen und über die erforderliche Fachkunde verfügen. Sie können neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle zwar andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen. Es ist jedoch sicherzustellen, dass diese Aufgaben und Pflichten nicht zu Interessenkonflikten führen.

Ob die hierfür erforderlichen Kosten mit dem erhofften Nutzen in Einklang zu bringen sind, ist insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen fraglich. Diese sollten daher von den Alternativmöglichkeiten, die das HinSchG vorsieht, Gebrauch machen.

Der Gesetzentwurf sieht beispielsweise vor, dass mehrere private Arbeitgeber mit bis zu 249 Beschäftigten eine gemeinsame Stelle für die Entgegennahme der Meldungen und die weiteren Ermittlungen einrichten können, um Ressourcen zu sparen.

Darüber hinaus erlaubt § 14 HinSchG, einen „Dritten“ mit der Aufgabe einer internen Meldestelle zu beauftragen. Dies ermöglicht es Verpflichteten, die Aufgaben der internen Meldestelle auf externe Dienstleister oder Ombudspersonen wie bspw. externe Anwaltskanzleien zu übertragen. Dies dürfte vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen gelten, da diese regelmäßig nicht über die notwendigen personellen Ressourcen verfügen werden, die umfangreichen Vorgaben zu erfüllen.

Zu der bislang ungeklärten Frage, wie die unternehmensbezogene Verpflichtung in Konzernen umgesetzt werden soll, äußert sich der Gesetzentwurf hingegen nicht. Insbesondere fehlt eine ausdrückliche Regelung, dass auf Konzernebene - unabhängig von der Mitarbeiterzahl - eine zentrale Meldestelle eingerichtet werden kann.

Nach der Gesetzesbegründung dürfte es aber faktisch möglich sein, eine unabhängige und vertrauliche Meldestelle im Sinne von § 14 HinSchG im Konzern einzurichten, die dann übergreifend für mehrere Konzerngesellschaften tätig werden kann.

In Anbetracht des konzernrechtlichen Trennungsprinzips ist jedoch erforderlich, dass die originäre Verantwortung für die Behebung und Verfolgung eines festgestellten Verstoßes stets beim jeweiligen Unternehmen selbst verbleibt.

 

3. Meldestellen müssen anonymen Hinweisen nicht nachgehen

 

Das HinSchG sieht zunächst keine Pflicht vor, nach der die internen Meldestellen von Unternehmen anonymen Hinweisen nachgehen „müssen“. Es bleibt erst einmal bei einer „Soll“-Vorschrift, damit die vorrangige Bearbeitung von nicht anonymisierten Hinweisen nicht gefährdet wird.

Dies erscheint wenig sinnvoll, da gerade durch die Möglichkeit anonymer Hinweise die Bereitschaft der Beschäftigten, Missstände offen zu legen, gefördert wird. Dies entspricht der Zielsetzung der Richtlinie und des HinSchG. Durch die Möglichkeit anonymer Hinweise würde die Gefahr von Repressalien für den betroffenen Arbeitnehmer deutlich verringert.

Zwar birgt die Möglichkeit anonymer Hinweise dennoch die Gefahr, dass häufiger unrichtige oder unnötige Hinweise eingehen. Zudem kann die Anonymität solcher Aussagen ihrer praktischen (arbeits- und strafrechtlichen) Verwertbarkeit entgegenstehen.

Nichtsdestotrotz sprechen Sinn und Zweck des Gesetzes und der zugrundeliegenden Richtlinie stark dafür, auch anonyme Hinweise angemessen zu berücksichtigen. Gerade bei hochbrisanten Informationen liegt das Interesse an einer – zumindest vorübergehenden – Anonymisierung der Hinweisgeber auf der Hand.

Unternehmen, die Wert auf Compliance legen und es bevorzugen, etwaige Missstände zunächst intern aufzuklären – und nicht durch einen anonymisierten Hinweis an eine externe Meldestelle – werden aber ohnehin intern auch anonymisierten Hinweisen weiter nachgehen.

 

4. Übergangsfrist, Bußgelder und Schadensersatz

 

Bei den bisher vorgesehenen Bußgeldern für Verstöße gegen die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle wurde die maximale Bußgeldandrohung von bisher 100.000,00 Euro auf 50.000,00 Euro reduziert. Nichtsdestotrotz handelt es sich hierbei um ein empfindliches Bußgeld, sodass Unternehmen tunlichst vermeiden sollten, gegen die Pflichten nach dem HinSchG zu verstoßen.

Unternehmen kommt der Gesetzgeber dahingehend entgegen, dass die Verhängung von Bußgeldern erst nach Ablauf einer sechsmonatigen Übergangsfrist ab Inkrafttreten des HinSchG vorgesehen ist. Für die Einrichtung einer internen Meldestelle ist aber auch dieser Zeitraum knapp bemessen.

Auch vor diesem Hintergrund stellt sich die Möglichkeit, einen „Dritten“ nach § 14 HinSchG mit den Aufgaben der internen Meldestelle zu betrauen, eine attraktive Option für Unternehmen dar.

Unternehmen ab 250 Beschäftigten sind bereits unmittelbar mit Inkrafttreten des HinSchG verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten gilt diese Pflicht erst ab dem 17. Dezember 2023 (Wir berichteten: https://www.kunzrechtsanwaelte.de/aktuelles/news/compliance-geplante-umsetzung-der-whistleblower-richtlinie-welche-schritte-von-unternehmen-kuenftig-erwartet-werden).

Das Melden von Falschinformationen kann „Whistleblower" teuer zu stehen kommen. Insbesondere bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Weitergabe unrichtiger Informationen kann sogar eine individuelle Schadensersatzpflicht begründet werden (§ 38 HinSchG).

 

Fazit

 

Insbesondere für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten besteht in Anbetracht der unmittelbar mit Inkrafttreten des HinSchG begründeten Pflicht zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems akuter Handlungsbedarf. Aber auch alle anderen Unternehmen sollten rechtzeitig sicherstellen, dass rechtzeitig ein funktionierendes System zur Verfügung steht. 

Da auch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Betracht kommen, sollte insbesondere in mitbestimmten Betrieben zügig gehandelt werden.

Was das konkret für Ihr Unternehmen bedeutet, können Sie schon jetzt mit unserem Kompetenzteam Arbeit und Personal besprechen.

 

Vertrauensanwälte als Ombudsperson

 

Wir bieten Ihnen darüber hinaus die Möglichkeit, neben der Einrichtung einer internen Meldestelle bereits jetzt einen unserer Experten als Ombudsperson für Ihr Unternehmen zu bestellen:

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Internationales Wirtschaftsrecht, Lehrbeauftragte an der Frankfurt School of Finance & Management

Rechtsanwalt, Lehrbeauftragter an der Frankfurt School of Finance & Management

Rechtsanwalt

Rechtsanwalt, Steuerberater